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Keine Arbeitsfähigkeit mangels Eintragung ins Gesundheitsberuferegister wegen fehlender gesundheitlicher Eignung

STEPHANIE TRETTLER-PRINZINGER

Die Minderung der Arbeitsfähigkeit iSd § 273 Abs 1 ASVG wird grundsätzlich nicht konkret, sondern abstrakt ermittelt. Persönliche Umstände, wie die Sprache, familiäre Situation, die konkreten Arbeitschancen, aber auch die Einkommensverhältnisse und Vermögensverhältnisse sind bei der Prüfung der Arbeitsfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung und die daran angeknüpfte Eintragung in das Gesundheitsberuferegister sind wegen des notwendigen Zusammenhangs mit dem Gesundheitszustand der Kl bei der Prüfung ihrer Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen.300

SACHVERHALT

Die 1964 geborene Kl hat Berufsschutz als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (DGKP). Ihr wurde ab 1.2.2018 Rehabilitationsgeld aus der KV wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit gewährt. Wegen Besserung ihres Gesundheitszustandes wurde das Rehabilitationsgeld mit 31.3.2021 entzogen. Aufgrund des Leistungskalküls zum Zeitpunkt der Entziehung kann die Kl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben. Sie wäre aber wieder in der Lage, Ambulanztätigkeiten in Spezialambulanzen (zB Ambulanzschwester in einer Pränatalambulanz oder für Diabetes- oder Adipositasberatungen) durchzuführen. Die Gesundheit Österreich GmbH lehnte jedoch die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin ab, da der Kl die gesundheitliche Eignung fehlt, den Beruf der DGKP entsprechend den beruflichen Anforderungen fachgerecht auszuüben.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 9.2.2021 wurde der Kl das Rehabilitationsgeld mit 31.3.2021 entzogen. Die Vorinstanzen sprachen im dritten Rechtsgang in Stattgabe des Klagebegehrens aus, dass die Kl aufgrund und für die Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit über den 31.3.2021 hinaus Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und Anspruch auf Gewährung eines Rehabilitationsgeldes dem Grunde nach im gesetzlichen Ausmaß durch den Krankenversicherungsträger hat.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Klärung der Auswirkungen des Wegfalls der erforderlichen gesundheitlichen Eignung nach § 27 Abs 1 Z 2 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bei bestehendem Berufsschutz zu. Die Bekl bekämpft mit ihrer Revision das Berufungsurteil. Sie strebt die gänzliche Klagsabweisung an. Das Rechtsmittel ist im Hinblick auf die Zulassungsfrage zulässig, aber nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

[…] „1. Die Minderung der Arbeitsfähigkeit wird (auf der Verweisungsebene, vgl Födermayr in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 255 ASVG Rz 7) auch im Anwendungsbereich des § 273 Abs 1 ASVG grundsätzlich nicht konkret, sondern abstrakt ermittelt (10 ObS 124/13b, ErwGr 2; 10 ObS 43/14t, ErwGr 5; 10 ObS 33/22h, Rz 9; RS0084939 [T9]; RS0107503 [Invalidität]; RS0088972 [Versehrtenrente]; dazu auch Födermayr, Grundsatz der abstrakten Prüfung der Voraussetzungen für die Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, JAS 2017, 285). Persönliche Umstände, wie die Sprache, familiäre Situation, die konkreten Arbeitschancen, aber auch die persönlichen Einkommensverhältnisse und Vermögensverhältnisse oder die Krankenversicherung, sind bei Prüfung der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht zu berücksichtigen (10 ObS 139/89; 10 ObS 54/16p, ErwGr 1.1; 10 ObS 33/22h, Rz 9; RS0107503), auch dann nicht, wenn sie faktisch eine geminderte Arbeitsfähigkeit nach sich ziehen, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten aber nicht zusammenhängen (wie zB Unkenntnis der deutschen Sprache, Führerscheinentzug bei einem Berufskraftfahrer) (10 ObS 7/15z, ErwGr 6). Die Ursache für die geminderte Arbeitsfähigkeit muss nämlich der körperliche und geistige Zustand des Versicherten sein (10 ObS 7/15z, ErwGr 6; 10 ObS 54/16p, ErwGr 1.3). Umstände, die mit dem Gesundheitszustand nicht im Zusammenhang stehen, sind bei Prüfung der geminderten Arbeitsfähigkeit von vornherein nicht zu berücksichtigen (10 ObS 2455/96v). Hintergrund dieser Vorgehensweise ist die damit erzielte Rechtssicherheit und Gleichbehandlung (10 ObS 124/13b, ErwGr 2; 10 ObS 43/14t, ErwGr 5; 10 ObS 33/22h, Rz 9; Neumayr in Pfeil, Geminderte Arbeitsfähigkeit 33 [40]; Födermayr in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 255 ASVG Rz 7). Eine andere Betrachtungsweise würde zu einer systemwidrigen Privilegierung zB einkommens- und vermögensloser oder nicht krankenversicherter Personen führen (10 ObS 2455/96v; 10 ObS 54/16p, ErwGr 1.3).

2. § 27 GuKG regelt die Berufsberechtigung zur Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege. Nur solche Personen sind dazu berechtigt, die ua die für die Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung und Vertrauenswürdigkeit besitzen (§ 27 Abs 1 Z 2 GuKG) und in das Gesundheitsberuferegister gemäß GBRG eingetragen sind (Z 5 leg cit). Dieses Register wird auch für Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe gemäß GuKG geführt (§ 1 Abs 2 Z 1 GBRG). Personen, die einen solchen Gesundheitsberuf in Österreich auszuüben beabsichtigen und die in den jeweiligen berufsrechtlichen Bestimmungen normierten Voraussetzungen für die Berufsausübung erfüllen, haben vor Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit bei der dafür zuständigen Registrierungsbehörde die Aufnahme in das Gesundheitsberuferegister mittels eines von den Registrierungsbehörden zur Verfügung zu stellenden Formulars zu beantragen (§ 15 Abs 1 GBRG). Dabei ist nach § 15 Abs 1a Z 6 iVm Abs 4 GBRG als Nachweis der gesundheitlichen Eignung ein ärztliches Zeugnis vorzulegen.

3. Entgegen den Ausführungen in der Revision sind die Vorinstanzen im Anlassfall nicht von einer Bindungswirkung des Bescheids der Gesundheit Österreich GmbH ausgegangen, sondern haben die Voraussetzung des § 27 Abs 1 Z 2 GuKG selbst geprüft. Die Revision tritt dem Ergebnis dieser Prüfung nicht entgegen. Die Bekl argumentiert im Rechtsmittel im Wesentlichen vielmehr (nur) damit, dass der Umstand der Nichterlangung einer Registrierung im Gesundheitsberuferegister (mangels gesundheitlicher Eignung) zu den persönlichen Umständen zu zählen sei, die für die Frage der Berufsunfähigkeit 301nicht maßgeblich sei. Damit ist die Bekl nicht im Recht.

4. Anknüpfend an die zu Punkt 1. referierte Rsp sind die gesundheitliche Eignung iSd § 15 Abs 1a Z 6 iVm Abs 4 GBRG bzw § 27 Abs 1 Z 2 GuKG und die daran geknüpfte Eintragung in das Gesundheitsberuferegister nicht als (für die geminderte Arbeitsfähigkeit irrelevante) persönliche Umstände anzusehen. Vielmehr hängen diese Umstände mit dem Gesundheitszustand der Kl eng zusammen und sind damit schon deshalb für die Prüfung der geminderten Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen.

5.1 Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass keine Tätigkeit als DGKP nach dem GuKG ausgeübt werden darf, wenn die gesundheitliche Eignung nicht für alle Tätigkeiten nach dem GuKG gegeben ist. Diese Ansicht, die von der Revision nicht angegriffen wird, ist zutreffend.

5.2 Weder das GBRG noch das GuKG sehen eine (explizite) Teileintragung oder eine teilweise Berufsberechtigung vor. Das korrespondiert mit dem Zweck des Registers, klarzustellen, wer aller in diesen Berufen tätig ist bzw sein darf. Daran anknüpfend bestimmt § 27 Abs 1 GuKG die Berufsberechtigung auch gesamthaft, ohne diese abzustufen. Wer nicht gesund genug für alle Tätigkeiten des GuKG ist (vgl § 13 GuKG), darf demnach auch keine Teilbereiche dieser Tätigkeiten ausüben.

5.3 Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn – mit Blick auf dieses „Alles oder nichts“-Prinzip – die Kl nicht auf berufsschutzerhaltende Teiltätigkeiten verwiesen wurde, weil auch diese ebenfalls nur dann ausgeübt werden können, wenn die gesundheitlichen Voraussetzungen des § 27 Abs 1 Z 2 GuKG gegeben wären.

5.4 Es liegt im Rahmen des gesetzlichen Handlungsspielraums, für bestimmte Berufe spezielle Voraussetzungen zu verlangen, die aus Sicht der Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG nicht notwendig wären. Es wäre damit systemwidrig, im Anlassfall eine Berufsfähigkeit zu fingieren, obwohl die Kl aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers (Einführung eines Gesundheitsberuferegisters, das an die gesundheitliche Eignung anknüpft) keinen der möglichen Verweisungsberufe legal ausüben könnte. Die hier vorliegende Berufsunfähigkeit ist gerade Folge ihres körperlichen Zustands, auf den § 273 Abs 1 ASVG abstellt.

6. Gegen die hier vertretene Lösung kann auch nicht die Entscheidung 10 ObS 33/22h ins Treffen geführt werden, weil sich die jeweiligen Sachverhaltskonstellationen nicht vergleichen lassen.

6.1 Der dortigen Kl wäre es mit Blick auf ihr damaliges Leistungskalkül möglich gewesen, das für den Nachweis der gesundheitlichen Eignung erforderliche ärztliche Zeugnis nach § 15 Abs 4 GBRG zu erlangen. In Rz 9 dieser Entscheidung wurde nur ergänzend festgehalten, dass aus § 15 GBRG nicht abgeleitet werden kann, dass das vorzulegende Zeugnis keine gesundheitlichen Einschränkungen beinhalten darf. Die Situation, dass eine Eintragung wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in Betracht kommt, musste in der Entscheidung 10 ObS 33/22h nicht geklärt werden. Darüber hinaus lagen die dortigen Verweisungsberufe außerhalb des Anwendungsbereichs des GuKG (10 ObS 33/22h, Rz 10).

6.2 Demgegenüber sind im hier zu beurteilenden Fall alle möglichen Verweisungsberufe vom GuKG erfasst und daher ohne entsprechenden (generellen) Registereintrag nicht ausübbar.

7. Zusammengefasst erweist sich die bekämpfte Entscheidung als fehlerfrei. Die hier relevante Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung und die daran angeknüpfte Eintragung in das Gesundheitsberuferegister sind wegen des notwendigen Zusammenhangs mit dem Gesundheitszustand der Kl bei der Prüfung ihrer Arbeitsfähigkeit daher zu berücksichtigen, weshalb die angefochtene Entscheidung zu bestätigen war. […]“

ERLÄUTERUNG

In der gegenständlichen E befasst sich der OGH mit der Rechtsfrage, welche Auswirkung es auf den Anspruch von Versicherten nach § 273 ASVG auf die Berufsunfähigkeitspension hat, wenn die gesundheitliche Eignung bzw die Voraussetzungen für die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister nicht vorliegen.

§ 27 GuKG regelt die Berufsberechtigung zur Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege. Nur solche Personen sind dazu berechtigt, die ua die für die Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Eignung und Vertrauenswürdigkeit besitzen (§ 27 Abs 2 Z 2 GuKG) und in das Gesundheitsberufsregister gem GBRG eingetragen sind. Im Berufsfeld der berufsschutzerhaltenden Teiltätigkeiten gibt es somit keine Tätigkeit, die man in Österreich ausüben darf, wenn man nicht in das Gesundheitsberufsregister eingetragen ist (§ 27 Abs 1 Z 5 GuKG). Da es der Kl auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht möglich ist, sich in das Gesundheitsberufsregister eintragen zu lassen, gibt es gem § 15 GBRG iVm § 27 GuKG für sie auch keine Möglichkeit, im gehobenen Gesundheitsbereich eine Tätigkeit auszuüben. Die Bekl argumentiert in der Revision damit, dass der Umstand der Nichterlangung einer Registrierung im Gesundheitsberufsregister (mangels gesundheitlicher Eignung) zu den persönlichen Umstanden zu zählen sei, die für die Frage der Berufsunfähigkeit nicht maßgeblich ist.

Der OGH hält dagegen fest, dass die Bekl damit nicht im Recht ist. Nach Ansicht des OGH sind die gesundheitliche Eignung und die daran angeknüpfte Eintragung in das Gesundheitsberufsregister nicht als persönliche Umstände anzusehen, sondern sie hängen eng mit dem Gesundheitszustand der Kl zusammen und sind damit schon bei der Prüfung der geminderten Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen. Es darf keine Tätigkeit als DGKP nach dem GuKG ausgeübt werden, wenn die gesundheitliche Eignung nicht für alle Tätigkeiten nach dem GuKG gegeben ist. Weder das GBRG noch das GuKG sehen eine Teil302eintragung oder eine teilweise Berufsberechtigung vor. „Wer nicht gesund genug für alle Tätigkeiten des GuKG ist (vgl § 13 GuKG), darf demnach auch keine Teilbereiche dieser Tätigkeiten ausüben.“ Der OGH hält weiters fest, dass es im gesetzlichen Handlungsspielraum liegt, für bestimmte Berufe spezielle Voraussetzungen zu verlangen, die aus Sicht der Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG nicht notwendig wären. So würde es der OGH für systemwidrig erachten, Berufsfähigkeit anzunehmen, wenn die Kl mangels Eintragung in das Gesundheitsberufsregister keine möglichen Verweisungsberufe legal ausüben könnte.