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Abhaltung von Tanzkursen unterliegt nicht der Gewerbeordnung – Gewerbeschein für „Erstellung von Trainingskonzepten“ steht Qualifikation als freie Dienstnehmerin gem § 4 Abs 4 ASVG nicht entgegen

FABIAN GAMPER

Mit Bescheid vom 10.1.2023 stellte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) fest, dass die Erstmitbeteiligte hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Tanzpädagogin für die Zweitmitbeteiligte (eine Erwachsenenbildungseinrichtung) im Zeitraum vom 21.9. bis 30.9.2021 als geringfügig beschäftigte freie DN und vom 1.10.2021 bis 31.5.2022 als vollversicherte freie DN gem § 4 Abs 4 ASVG zu qualifizieren sei.

Die Zweitmitbeteiligte begehrte mit ihrer Beschwerde die Feststellung, dass die Erstmitbeteiligte ab dem 30.9.2021 nicht der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterlegen sei. Seit diesem Tag sei sie als Tanz- und Fitnesstrainerin aufgrund der Gewerbeberechtigung „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ Mitglied der Wirtschaftskammer, sodass sie der Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG unterliege, was die Pflichtversicherung gem § 4 Abs 4 lit a ASVG ausschließe.

Das BVwG gab der Beschwerde statt und stellte fest, dass die Gewerbeberechtigung auf „Erstellung von 299 Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ für die verfahrensgegenständliche Tätigkeit als Tanzpädagogin einschlägig sei. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision der ÖGK.

Zwar stellt die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit von einer Gewerbeberechtigung erfasst ist, eine rechtliche Beurteilung dar, der in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, dennoch ist die Revision dem VwGH zufolge aufgrund der Unvertretbarkeit der vom BVwG vorgenommenen Auslegung zulässig und im Ergebnis auch berechtigt:

Wird eine Tätigkeit im Rahmen einer Gewerbeberechtigung verrichtet, schließt insoweit die aus der Innehabung dieser Gewerbeberechtigung folgende Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG eine Pflichtversicherung als freie DN nach § 4 Abs 4 ASVG aus. Die Verrichtung einer Tätigkeit im Rahmen einer Gewerbeberechtigung iS dieses Ausnahmetatbestandes setzt jedoch zunächst voraus, dass die GewO 1994 überhaupt anwendbar ist. Die „Ausübung der Erwerbszweige des Privatunterrichtes und der Erziehung“ ist gem § 2 Abs 1 Z 12 GewO 1994 vom Anwendungsbereich ausgenommen. Der genannte Tatbestand erfasst neben dem häuslichen Unterricht auch jede sonstige Form der Vermittlung von Wissen und Kenntnissen und der Erziehung in privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten. Die Verfolgung eines erzieherischen Ziels ist nicht erforderlich, es genügt die Vermittlung bestimmter Fertigkeiten. Ausgehend davon unterlag die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten, die unstrittig in der Abhaltung von verschiedenen Tanzkursen für Kinder und Erwachsene für die zweitmitbeteiligte Partei bestand, wobei Unterrichtsziele wie das Erlernen bestimmter Tanztechniken, die Verbesserung der Koordination, das Einstudieren von Choreografien und das Vorbereiten auf Aufführungen verfolgt wurden, als „Privatunterricht“ iSd § 2 Abs 1 Z 12 GewO 1994 nicht der GewO 1994. Bei Planungen und Konzepten handelt es sich um Vorbereitungshandlungen, die für eine Unterrichtstätigkeit in aller Regel selbstverständliche Voraussetzung sind und somit auch unter den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 1 Z 12 GewO 1994 fallen.

Die hier gegenständliche Gewerbebezeichnung „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ stammt aus der vom Wirtschaftsministerium, der Wirtschaftskammer und den Ämtern der Landesregierung erstellten „bundeseinheitlichen Liste der freien Gewerbe“. Bereits ihr Wortlaut macht deutlich, dass es sich um eine von der Erteilung von (Sport-)Unterricht zu unterscheidende Tätigkeit handelt. Zwar ist laut (im Internet abrufbaren) Informationsblättern der Wirtschaftskammern mehrerer Bundesländer zum Gewerbe „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ bzw zu „Yoga, Pilates, Zumba und Co“ davon die Rede, dass das Gewerbe „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ ua auch die „Planung und Abwicklung von Kursen im Bereich Fitness, Aerobic, Gymnastik“ erfasse. Auf diese Abgrenzung, mit der das BVwG ebenfalls argumentiert, ist es im vorliegenden Fall aber schon deswegen nicht angekommen, weil sich der Umfang der Gewerbeberechtigung bereits aus ihrem Wortlaut hinreichend klar ableiten ließ. Es war daher nicht zusätzlich auf die Informationsblätter als Ausdruck der „in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen“ zurückzugreifen.

Wenn aber die Gewerbeberechtigung „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten nicht erfasst hat, so konnte sie entgegen der Ansicht des BVwG auch nicht in dem Sinn „einschlägig“ sein, dass sie die Ausnahme gem § 4 Abs 4 lit a ASVG begründet hätte. Mit der insoweit geltenden Voraussetzung, dass die Tätigkeit im Rahmen der jeweiligen Gewerbeberechtigung ausgeübt werden muss, ist nichts anderes als eine vom Umfang der Gewerbeberechtigung gedeckte Tätigkeit gemeint. Eine Tätigkeit, für die eine andere oder aber – wie im vorliegenden Fall – überhaupt keine Gewerbeberechtigung erforderlich wäre, unterliegt nicht dem Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 4 lit a ASVG. Das BVwG hat daher zu Unrecht angenommen, dass die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten als freie DN deswegen nicht die Pflichtversicherung nach dem ASVG begründe, weil der genannte Ausnahmetatbestand erfüllt war. Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen der Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird zu prüfen sein, ob die sonstigen Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach § 4 Abs 4 ASVG vorlagen, insb die Nichtverfügung über wesentliche eigene Betriebsmittel.