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Drei Vereitelungshandlungen in Folge als bloßes Indiz für generelle Arbeitsunwilligkeit – Erforderlichkeit einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens der arbeitslosen Person

SABINE REISSNER

Der Beschwerdeführer bezog ab Oktober 2023 mit Unterbrechungen Notstandshilfe. Mit Bescheiden vom 10.1.2024 und 5.3.2024 sprach das Arbeitsmarktservice (AMS) jeweils eine Bezugssperre gem § 38 iVm § 10 Abs 1 AlVG aus. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden rechtskräftig abgewiesen. Am 7.6.2024 wurden dem Beschwerdeführer drei Stellen als Reinigungskraft zugewiesen. Das AMS erhielt die Rückmeldung von einem der potenziellen DG, dass sich der Beschwerdeführer nicht beworben hätte. Mit einem dritten Bescheid vom 4.7.2024 sprach das AMS aus, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom 25.6.2024 gem § 33 Abs 2 iVm §§ 38, 7 und 9 Abs 1 AlVG mangels Arbeitswilligkeit keine Folge gegeben werde.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.9.2024 mit der Maßgabe ab, dass es zu lauten habe, dass die Notstandshilfe gem § 24 Abs 1 iVm §§ 38, 33 Abs 2, 7 und 9 Abs 1 AlVG mangels Arbeitswilligkeit eingestellt werde. Der Beschwerdeführer brachte dagegen fristgerecht einen Vorlageantrag ein. 295

Das BVwG gab der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und verwies dazu zunächst auf bereits vorliegende VwGH-Judikatur zum Vorliegen genereller Arbeitsunfähigkeit: Wenn ein Arbeitsloser eine zumutbare Beschäftigung iSd § 9 AlVG nicht annimmt bzw die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so führt dies gem § 10 AlVG zum temporären Verlust des Arbeitslosengeldes bzw der Notstandshilfe. Voraussetzung für die Einstellung der Notstandshilfe mangels Arbeitswilligkeit gem § 24 Abs 1 AlVG iVm § 38 AlVG ist jedoch die generelle Ablehnung der Annahme einer zumutbaren, die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung. Wenn aber die binnen kurzer Zeit wiederholte Erfüllung des Tatbestandes des § 9 AlVG zu temporären Verlusten der Notstandshilfe iSd § 10 AlVG geführt hat, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus dem Verhalten des Beschwerdeführers geschlossen hat, dass bei ihm eine generelle Ablehnung der Annahme zumutbarer Beschäftigungen vorliegt und es damit auf Dauer an der Arbeitswilligkeit mangelt. Lässt der Arbeitslose erkennen, dass er über einen längeren Zeitraum hinweg keine neue Arbeit anzunehmen gewillt ist, dann steht er der Arbeitsvermittlung in Wahrheit nicht zur Verfügung (VwGH 6.8.2013, 2013/08/0100).

Hinsichtlich der Frage, wann davon auszugehen ist, dass ein Arbeitsloser generell die Annahme einer zumutbaren Beschäftigung ablehnt und daher mangels Arbeitswilligkeit die Voraussetzungen der Gewährung von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe nicht vorliegen, hat der VwGH festgehalten, dass generelle Arbeitsunwilligkeit in diesem Sinn etwa unmittelbar aus Äußerungen des Arbeitslosen folgen kann, aus denen sich ergibt, dass er nicht bereit ist, seinen Verpflichtungen nach § 9 Abs 1 AlVG nachzukommen; somit ist insb eine ihm durch das AMS vermittelte Beschäftigung anzunehmen. Weiters entspricht es der Judikatur des VwGH, dass aus wiederholten Vereitelungshandlungen, die zu temporären Verlusten der Notstandshilfe bzw des Arbeitslosengeldes nach § 10 AlVG geführt haben – als Richtschnur können drei festgestellte Vereitelungshandlungen gelten –, geschlossen werden kann, dass bei einem Arbeitslosen eine generelle Ablehnung der Annahme zumutbarer Beschäftigungen vorliegt und es ihm damit auf Dauer an der Arbeitswilligkeit mangelt (VwGH 25.6.2021, Ra 2020/08/0169).

Im vorliegenden Fall stellte das BVwG fest, dass der Beschwerdeführer weder gegenüber dem AMS noch gegenüber dem potentiellen DG eine Äußerung getätigt hat, aus welcher seine generelle Arbeitsunwilligkeit abgeleitet werden kann. Aus der Äußerung, dass ein Zimmermädchen mit Erfahrung gesucht worden wäre und er weder Erfahrung als solches habe noch das gegenständlich gesuchte Profil auf ihn passe, lässt sich daraus keine generelle Arbeitsunfähigkeit ableiten, zumal zum einen der Beschwerdeführer zur gleichen Zeit zwei weitere Bewerbungen als Reinigungskraft tätigte und zum anderen diese Äußerung erst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu der dem Beschwerdeführer bereits vorgeworfenen Vereitelungshandlung und auch nur gegenüber dem AMS erfolgte.

Dem AMS ist zwar darin zuzustimmen, dass aus wiederholten Vereitelungshandlungen, die zu temporären Verlusten der Notstandshilfe bzw des Arbeitslosengeldes nach § 10 AlVG geführt haben – als Richtschnur können drei festgestellte Vereitelungshandlungen gelten –, geschlossen werden kann, dass bei einem Arbeitslosen eine generelle Ablehnung der Annahme zumutbarer Beschäftigungen vorliegt und es ihm damit auf Dauer an der Arbeitswilligkeit mangelt. Der gegenständliche Fall unterscheidet sich laut BVwG davon aber deutlich; zudem handle es sich bei den drei Vereitelungshandlungen eben lediglich um eine Richtschnur und nicht um eine zwingend eintretende Rechtsfolge. Gegen die Annahme genereller Arbeitsunfähigkeit spricht im vorliegenden Fall dem BVwG zufolge ua, dass der Beschwerdeführer die Vorgaben des AMS hinsichtlich der Anzahl bzw Frequenz der von ihm geforderten Bewerbungen erfüllt und sich laufend beworben hat. Ihm wurden am 11.6.2024 zeitgleich drei Stellen im Reinigungsbereich zugewiesen, auf zwei bewarb er sich jedenfalls. Zudem war er geringfügig im Reinigungsbereich tätig und konnte am 1.8.2024 aufgrund eigeninitiativer Bemühungen eine vollversicherungspflichtige Beschäftigung beginnen, wenn diese auch aufgrund der schlechten Wirtschaftslage nur von kurzer Dauer war. Der Beschwerdeführer hat damit nach Ansicht des BVwG insgesamt nicht erkennen lassen, dass er über einen längeren Zeitraum hinweg nicht gewillt war, eine neue Arbeit aufzunehmen und stand der Arbeitsvermittlung tatsächlich zur Verfügung. Hinzu kam, dass das BVwG aufgrund der für drei Monate dauernden und innerhalb der Ausschlussfrist aufgenommen Beschäftigung auch volle Nachsicht in Bezug auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfene dritte Vereitelungshandlung erteilte.

Das BVwG gab der Beschwerde daher statt und hob die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos auf. 296