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Erwerber kann bei Haftung aufgrund eines Betriebsübergangs Einwendungen erheben, die Übergeber unterlassen hat

GREGOR KALTSCHMID

Die Kl wurde am 5.7.2021 von ihrer AG entlassen, worauf sie am 2.9.2021 eine Klage auf laufendes Entgelt und Kündigungsentschädigung einbrachte. In diesem Verfahren wurde die AG zur Zahlung von € 59.345, brutto sA verurteilt und weiters festgestellt, dass die AG der Kl sämtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bis 15.6.2023 zu bezahlen habe. Das erstinstanzliche Urteil wurde am 8.9.2022 abgefertigt. Das Berufungsurteil erging am 27.4.2023.

Mit Kaufvertrag vom 1.8./1.9.2022 verkaufte die AG die Liegenschaft, auf der die Kl beschäftigt war, an die Bekl. Die Einverleibung erfolgte am 10.11.2022.

Der dafür zuständige Mitarbeiter der Bekl wusste Ende Oktober/Anfang November 2022 vom Bestehen einer Forderung der Kl.

Die Kl begehrte € 122.674,50 (Entgelt und Kündigungsentschädigung sowie Verfahrens- und Exekutionskosten aus dem Verfahren gegen die AG). Die Bekl habe nicht nur das einzige Vermögen der AG übernommen, sondern führe auch deren Unternehmen fort. Die Haftung werde auf § 1409 ABGB, § 38 UGB und § 6 Abs 1 AVRAG gestützt.

Die Bekl bestreitet insb die Voraussetzungen für eine Haftung. Im Falle einer Haftung der Bekl als Solidarschuldnerin könne sie alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben, auch wenn sich der Übergebende bisher darauf nicht berufen habe. Es werde daher die Anrechnung anderweitigen Verdienstes der Kl im Zeitraum vom 1.10.2021 bis 15.6.2023 in der Höhe von gesamt € 109.716,67 brutto eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang lägen nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Kl Folge, hob sie auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht. Es bejahte die Haftung nach § 1409 ABGB dem Grunde nach. Es fehlten aber noch Feststellungen zur Beurteilung der Höhe des Anspruchs. Der Übernehmer habe alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft, die der Übergeber zu erheben unterlassen habe.

Der Rekurs an den OGH wurde für zulässig erachtet, weil der maßgebliche Zeitpunkt für die eine Übernehmerhaftung nach § 1409 ABGB eröffnende Kenntnis von der Gläubigerforderung seit der E 3 Ob 53/09d vom 22.7.2009 nicht als in der Rsp abschließend geklärt betrachtet werden könne. Ebenso sei nicht geklärt, ob der Erwerber den Einwand der Anrechnung anderweitigen Verdienstes auch gegen eine mit Urteil gegenüber dem Veräußerer ohne Anrechnung festgestellte Kündigungsentschädigung erheben könne.

Der OGH wies die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück und führte aus:

Die Kl wendet sich im Rekurs gegen die Rechtsauffassung, dass die Bekl ihr noch Einwendungen aus dem Grundgeschäft entgegenhalten kann.

Gem § 1409 Abs 1 erster Satz ABGB ist der Übernehmer eines Vermögens oder eines Unternehmens unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste, unmittelbar verpflichtet.

Der Übernehmer iSd § 1409 ABGB haftet für die Schulden ebenso wie der Überträger im Zeitpunkt der Übernahme. Der bloße Schuldbeitritt ändert dabei nichts an der Rechtsnatur der Forderungen, weshalb der Erwerber jene Rechtshandlungen, die der Übergeber bis zum Zeitpunkt des Übergangs gesetzt hat, wie etwa einen Vergleich oder ein Anerkenntnis, ebenso gegen sich gelten lassen muss, wie eine bereits eingetretene Unterbrechung der Verjährung. Ansonsten kann der Erwerber alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben, auch wenn sich der Übergebende bisher nicht auf diese berufen hat.

Nach Auffassung der Kl sei dies anders zu beurteilen, wenn es sich bei der Verbindlichkeit des Übergebers zum Zeitpunkt des Schuldbeitritts um eine Judikatsschuld handelt.284

Die Kl übersieht allerdings, dass auch ein rechtskräftiges Urteil die privatrechtliche Rechtslage zwischen den Parteien des Verfahrens nicht neu gestaltet. Die Umwandlung einer Vertragsschuld in eine Judikatsschuld beinhaltet keine Novation. Nach der in Österreich herrschenden prozessualen Rechtskrafttheorie liegt das Wesen der Rechtskraft in der ausschließlichen prozessualen Wirkung, jede neue oder abweichende Entscheidung über den rechtskräftig entschiedenen Anspruch für die von der Rechtskraft erfassten Personen auszuschließen. Eine Tatbestandswirkung tritt dagegen nur in dem Umfang ein, den das materielle Recht in Ansehung eines Anspruchs festsetzt.

Eine solche Tatbestandswirkung des Urteils gegen den Übergeber auch für den Übernehmer wird im Rekurs nicht aufgezeigt, lässt sich dem materiellen Recht nicht entnehmen und wäre auch mangels rechtlichen Gehörs des Übernehmers mit Art 6 EMRK nicht zu vereinbaren.

Die Revision war daher zurückzuweisen.