46Feststellung des maßgeblichen Kollektivvertrags bei Arbeitsverhältnissen zu ausländischen Unternehmen
Feststellung des maßgeblichen Kollektivvertrags bei Arbeitsverhältnissen zu ausländischen Unternehmen
Um eine Gleichstellung mit vergleichbaren AN zu erreichen, deren (inländische) AG kraft mitgliedschaftsbezogener Kollektivvertragsangehörigkeit einem KollV in Österreich unterliegen, ist jener KollV anzuwenden, dem der ausländische AG in Österreich unterliegen würde.
Im Gegensatz zu reinen Inlandssachverhalten, bei denen sich die für die Beurteilung des fachlichen Geltungsbereichs eines KollV gem § 8 Z 1 ArbVG maßgebliche Mitgliedschaft des AG zu einer bestimmten Fachgruppe der Wirtschaftskammer nach der tatsächlichen Zuordnung durch die Wirtschaftskammer richtet und nicht der Beurteilung durch das Gericht unterliegt, ist die fiktive Fachgruppenmitgliedschaft des ausländischen AG im Rahmen der Prüfung nach § 3 Abs 2 LSD-BG als Vorfrage zu klären.
Sind vergleichbare Inlands-AG für vergleichbare AN kollektivvertragsfrei und wäre daher auch bei Sitz des (ausländischen) AG in Österreich kein kollektivvertragliches Entgelt zu entrichten, so begründet auch § 3 Abs 2 LSD-BG keinen derartigen Anspruch des AN.
[1] 1. Gem § 3 Abs 2 LSD-BG hat ein AN mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich, dessen AG seinen Sitz nicht in Österreich hat und nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, zwingend Anspruch auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren AN von vergleichbaren AG gebührt. Die Bekl mit Sitz in Deutschland bestreitet nicht, dass der „gewöhnliche Arbeitsort“ des Kl in Österreich lag.
[2] 1.1. Die genannte Bestimmung, mit der § 7 AVRAG idF BGBl I Nr 120/1999 in das LSDBG überführt wurde (BGBl I Nr 44/2016), soll verhindern, dass kollektivvertragliche Entgeltregelungen im Zuge der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit unterlaufen werden („Sozialdumping“; ErläutRV 1111 BlgNR 23. GP 14 f). Ohne die Regelung wären für AG, die keine Niederlassung in Österreich haben und deshalb den österreichischen Kollektivverträgen nicht unterworfen sind, bei einer ständigen Beschäftigung von AN in Österreich nur die auf Gesetz beruhenden österreichischen Arbeitsbedingungen verbindlich, nicht jedoch die kollektivvertraglichen Regelungen (RS0119677, zuletzt 9 ObA 103/05w; Kozak, LSDBG [2017] § 3 Rz 75; Pfeil in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 [2020] § 8 ArbVG Rz 9; Binder, AVRAG2 [2010] § 7 Rz 1; Mair, Mindestlohn und Gemeinschaftsrecht, JBl 2009, 86 [89]).
[3] 1.2. Um eine Gleichstellung mit vergleichbaren AN zu erreichen, deren (inländische) AG kraft mitgliedschaftsbezogener Kollektivvertragsangehörigkeit einem KollV in Österreich unterliegen, ist daher jener KollV anzuwenden, dem der ausländische AG in Österreich unterliegen würde (vgl 8 ObA 88/04f; F. Schrank in Schrank/Schrank/Lindmayr, LSD-BG2 [2021] § 3 Rz 95; Wolfsgruber-Ecker in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 [2018] § 3 LSD-BG Rz 7). Im Gegensatz zu reinen Inlandssachverhalten, bei denen sich die für die Beurteilung des fachlichen Geltungsbereichs eines KollV gem § 8 Z 1 ArbVG maßgebliche Mitgliedschaft des AG zu einer bestimmten Fachgruppe der Wirtschaftskammer nach der tatsächlichen Zuordnung durch die Wirtschaftskammer richtet und nicht der Beurteilung durch das Gericht unterliegt (RS0050862; RS0050871; RS0102117; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 [2018] § 8 ArbVG Rz 10; Pfeil in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 [2020] § 8 ArbVG Rz 20), ist die fiktive Fachgruppenmitgliedschaft des ausländischen AG im Rahmen der Prüfung nach § 3 Abs 2 LSD-BG als Vorfrage zu klären.
[4] 1.3. Sind vergleichbare Inlands-AG für vergleichbare AN kollektivvertragsfrei und wäre daher auch bei Sitz des (ausländischen) AG in Österreich kein kollektivvertragliches Entgelt zu entrichten, so begründet auch § 3 Abs 2 LSD-BG keinen derartigen Anspruch des AN (vgl 8 ObA 88/04f; OLG Wien 10 Ra 32/23h = Arb 13.919 = ARD 6886/6/2024; F. Schrank in Schrank/Schrank/Lindmayr, LSDBG2 [2021] § 3 Rz 90, 98).
[5] 1.4. Die Mitgliedschaft zu einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer wird durch die Fachorganisationsordnung bestimmt (§ 43 Abs 5 WKG) und richtet sich nach der für den Betrieb erforderlichen Berechtigung. Ein Unternehmen wird mit der Erteilung 404 einer Gewerbeberechtigung ipso iure Mitglied der dieser Berechtigung entsprechenden Fachgruppe der Wirtschaftskammerorganisation (9 ObA 139/05i) und seine Mitgliedschaft endet immer erst mit dem Wegfall der letzten sie begründenden Berechtigung (9 ObA 11/14d [Pkt 5]; siehe auch Pfeil in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 [2020] § 8 ArbVG Rz 17; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 [2018] § 8 ArbVG Rz 10).
[6] Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung nach § 3 Abs 2 LSD-BG zu prüfen ist, welche Gewerbeberechtigung der ausländische DG hätte, wenn er das Gewerbe in Österreich rechtmäßig ausüben würde (vgl auch Zankel, Der Entgeltschutz nach § 7 AVRAG, ASoK 2015, 446 [447] sowie Kühteubl/Waidmann, Aller guten Dinge sind drei? Das (wieder) neue Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, ZAS 2016, 318 [325]). Der Umstand, dass Rsp des OGH zu einem völlig gleich gelagerten Sachverhalt fehlt, begründet aber noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage; dies gilt insb dann, wenn der Streitfall – wie hier – mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rsp gelöst wurde (RS0042742 [T13]; RS0042656 [T48]).
[7] 1.5. Abgesehen davon, dass dem OGH zur Auslegung des Gewerberechts keine Leitfunktion zukommt (vgl RS0116438; RS0113455; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 IV/1 [2019] § 502 ZPO Rz 60), kann die Frage, welchem Gewerbe ein ausländischer AG im Inland unterliegen würde, nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, sodass sie – abseits korrekturbedürftiger Fehlbeurteilungen – regelmäßig nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO ist.
[8] Das Berufungsgericht legte die erstgerichtlichen Feststellungen dahin aus, dass die Tätigkeit der Bekl die Entwicklung und den Vertrieb eines Schulungsprogramms zum Online-(Devisen-)Handel („Traden“) umfasse. Auf Grundlage dieses vertretbaren (RS0118891) Verständnisses der Feststellungen folgerte es, die Tätigkeit der Bekl würde in Österreich eine Anmeldung des (freien) Gewerbes „Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik“ gem § 153 GewO voraussetzen. Dieses Gewerbe sei der Fachgruppe der Wirtschaftskammer „Unternehmensberatung und Informationstechnologie“ zuzuordnen, sodass der KollV für AN von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik anzuwenden sei. [9] Die außerordentliche Revision zeigt keinen aufzugreifenden Korrekturbedarf auf.
[10] Nach dem Berufsbild Informationstechnologie des Fachverbands Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (Ausgabe 2024) unterliegt insb auch der Bereich der „System- und Softwareanbietung“ dem Gewerbe nach § 153 GewO. Dazu zählen ua die Entwicklung und der Verkauf von Software-Produkten (Riesz in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO [2015] § 153 Rz 4). Ausgehend davon bedarf weder die Einordnung der Tätigkeit der Bekl unter § 153 GewO noch die fingierte Fachverbandszugehörigkeit zur Wirtschaftskammergruppe „UnternehmensberaUnternehmensberatung und Informationstechnologie“ einer Korrektur durch den OGH.
[...]
[14] 4. Weil die Bekl in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzeigt, ist ihr Rechtsmittel zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
In vorliegender Revisionszurückweisung stellt der OGH klar, dass die Zulässigkeit einer Revision nicht immer davon abhängt, dass ein identer bzw vergleichbarer Sachverhalt durch das Höchstgericht noch nicht entschieden ist. Lässt sich die Rechtsfrage bereits mit ergangener Rsp lösen, liegt keine erhebliche Rechtsfrage iS von § 502 Abs 1 ZPO (Rz 6) vor. Dies ist dann der Fall, wenn die Rsp und das Schrifttum keine offen divergierenden Auslegungsmeinungen vertreten und so kein Problem der Rechtssicherheit und einer Rechtseinheit bestehen würde (vgl Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 502 ZPO Rz 16, 33, 37 [Stand 1.9.2019, rdb at]). Die Nichtzulassung der Revision und die Revisionszurückweisung entspricht daher der stRsp. Insoweit der OGH aber auf Entscheidungen des OLG verweist, ist anzumerken, dass diese im RIS nicht durchgängig veröffentlicht sind, und so ein erschwerter Zugang – bzw zumindest bei Unkenntnis der Existenz einer Entscheidung de facto kein Zugang – zu diesen besteht, wenn diese nicht in Zeitschriften veröffentlicht werden. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Justizverwaltung genügend Ressourcen trotz Sparzwanges zu Verfügung gestellt bekäme, um dieses Informationsdefizit beheben zu können.
Die Äußerungen des OGH zur Rechtsmaterie sind mE konsequent und logisch, es lohnt sich aber auf einzelne Aspekte näher einzugehen.
Der OGH bleibt konsequenterweise bei seiner Beurteilung des Sachverhaltes im System des österreichischen Kollektivvertragsrechts. Dies ist notwendig, da § 3 Abs 2 und 3 LSD-BG auch von der inländischen Anwendbarkeit der für AN und AG geltenden Mindestentgeltregeln ausgehen, um diese dann auch für die vom Geltungsbereich nicht erfassten Arbeitsverhältnisse als verbindlich zu erklären. Die kollektivvertraglichen Mindestentgeltnormen sind aber typischerweise nahezu ausschließlich in Branchen-Kollektivverträgen geregelt, die die zuständigen Fachorganisationen der Wirtschaftskammer(n) mit den Teilgewerkschaften und/oder mit dem ÖGB abschließen. Niederschlag findet dies regelmäßig in den normierten Geltungsbereichen, also dem fachlichen, der die dem jeweiligen KollV unterliegenden Unternehmen beinhaltet, und dem persönlichen, der die erfassten AN enthält. 405
Damit der KollV für Unternehmen Normwirkung entfaltet, muss eine Mitgliedschaft zur abschließenden AG-Vereinigung vorliegen. Diese ist bei den Wirtschaftskammern bekanntermaßen als gesetzliche Mitgliedschaft ausgestaltet, die als Rechtsfolge des Betreibens eines der in § 2 WKG genannten Unternehmungen durch juristische und physische Personen eintritt. Die Erlassung der Fachorganisationsordnung ist Angelegenheit des Wirtschaftsparlaments der WKÖ und daher eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches. Aus diesem Grund ist die konkrete Organisationseinteilung durch die Zivilgerichte nicht überprüfbar, da diese Kontrolle durch Verwaltungsgerichte erfolgt (vgl etwa zur Zuordnung: VwGH 30.1.2019, Ro 2017/04/0017).
Es ist also bei typischen Inlandssachverhalten bei der Feststellung der Kollektivvertragsunterworfenheit von der Rechtslage des:der AG auszugehen (OGH 25.1.2006, 9 ObA 139/05i).
Kommt daher mangels Voraussetzung einer innerstaatlichen Etablierung eines:einer AG, obwohl der gewöhnliche Arbeitsort des:der AN im Inland liegt (oder bei einer Entsendung in das Inland), kein KollV zur Anwendung, muss für die Kollektivvertragsfestlegung die (fiktive) Etablierung des:der AG im Inland und in der Folge – neben einer eventuellen zusätzlichen fiktiven Inlandseinordnung des:der AN bei Entsendung – eine Einordnung in das jeweilige kollektivvertragliche Mindestentgeltsystem vorgenommen werden. Nun mag dem OGH bei der Einordnung in das Gewerberecht keine Leitfunktion mangels grundsätzlichen Fehlens der Zuständigkeit zukommen, da diese Aufgaben der (in diesen Fällen nicht kompetenten) Gewerbebehörde bzw der Wirtschaftskammer darstellen. Die Zuständigkeit des OGH ist aber in jenen Fällen im Rahmen der Klärung als Vorfrage gegeben, in denen eine tatsächliche Einordnung wegen Fehlens der ausreichenden Etablierung der Unternehmen im Inland für die ansonsten kompetenten Behörden nicht möglich ist. Insofern besteht lediglich bei grober Ermessensüberschreitung der Unterinstanzen eine Revisionsmöglichkeit an den OGH, auch wenn ansonsten lediglich eine nicht revisionable Klärung von Einzelfällen vorliegt (Lovrek in Fasching/Konecny [Hrsg], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen3 IV/1 § 502 ZPO Rz 27, 44 f [Stand 1.9.2019, rdb.at]).
Nicht gelöst ist die Frage, inwieweit nur die in Österreich entfaltete Tätigkeit für die Einordnung in das Gewerberecht entscheidend sein soll, oder der ausländische (Hauptteil) der Unternehmenstätigkeit Berücksichtigung finden muss. Wiesinger (Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts für Arbeitnehmer mit ständigem Arbeitsort in Österreich, deren Arbeitgeber keinen Sitz in Österreich haben, ASoK 2023, 38 [39 f]) bringt als Argument für die Notwendigkeit dieser internationalen Prüfung die Unterscheidung mancher fachlichen Geltungsbereiche von Kollektivverträgen in Industrie und Gewerbe vor. Es soll aber lediglich bei Vorliegen einer solchen Kollektivvertragsdifferenzierung eine internationale Prüfung der Unternehmenstätigkeit vorgenommen werden, ansonsten sei auf die in Österreich erbrachte Unternehmenstätigkeit abzustellen. Diese Ansicht würde aber hinsichtlich § 3 Abs 3 LSD-BG zu verzerrten Ergebnissen führen, da hier die Entsendungstätigkeit im Inland für die Kollektivvertragsauswahl zulässig wäre und in Fällen, in denen ein:e AN mit gewöhnlichem Arbeitsort im Inland mit einem:einer rein ausländischen AG arbeitet, die Tätigkeit des:der AN eine Gewerbeeinordnung bestimmen würde. Wann eine Berücksichtigung der sonstigen ausländischen Unternehmenstätigkeit stattzufinden hat, wäre vor Festlegung auf einen bestimmten KollV daher absolut unklar. Dies würde mE zu an einer Ex-post- Prüfung führen, die rechtfertigend an eine Geltungsbereichsdifferenzierung durchgeführt wird. Die Konsequenz daraus ist, dass immer die Unternehmenstätigkeit im Ausland berücksichtigt werden muss, um in den Fällen von § 3 Abs 2 und 3 LSD-BG zu gleichen vorhersehbaren Ergebnissen zu kommen. Eventuelle Kollektivvertragskollisionen sind in einer fiktiven Anwendung von § 9 ArbVG, wie dies bereits Schrank (F. Schrank in F. Schrank/V. Schrank/Lindmayr, LSD-BG2 [2021] § 3 Rz 100 iVm Rz 96 f) vorschlägt, zu lösen.
Es ist aber anzumerken, dass die fiktive Zuordnung zu einer Fachgruppe allein noch nicht bedeutet, dass ein KollV auf Arbeitsverhältnisse zur Anwendung kommt. Dies wird zwar typischerweise der Fall sein. Grundsätzlich ist aber in einer Folgeprüfung der Geltungsbereich der in Frage kommenden Kollektivverträge, da die zuständigen Fachorganisationen der Wirtschaftskammer mehrere unterschiedlich weitreichende Kollektivverträge zB sowohl hinsichtlich des fachlichen, aber auch eines örtlichen Geltungsbereiches abschließen können, festzulegen. Anschließend daran ist eine Einstufung in die Mindestentgelttabelle des betreffenden KollV vorzunehmen, wobei es dann bei diesem Prüfungsschritt auf die Tätigkeit, Vordienstzeiten, etc der betroffenen AN ankommt. Im vorliegenden Fall reichte aufgrund des bundesweit geltenden KollV und der Erfüllung des fachlichen bzw persönlichen Geltungsbereiches die verkürzte Prüfung des Höchstgerichtes aus, was auch die reduzierte Ausführlichkeit der Begründung der Revisionszurückweisung erklären könnte.
Für zukünftige Verfahren ist jedenfalls anzunehmen, dass das Vorbringen des:der Kl Angaben zur Einordnung aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit des bekl Unternehmens sowie zur Einstufung in den Kollektivverträgen enthalten muss, da es zum einen für die Bestimmung des anzuwendenden KollV auf die Tätigkeit des Unternehmens ankommt, zum anderen für die genaue Einstufung innerhalb dieses KollV die Tätigkeit der AN relevant ist.
Aufbauend auf dem System der §§ 8 und 12 ArbVG spielen bei der Zuordnung eines KollV die Rechtsfolgen der gesetzlichen Mitgliedschaft zu den Wirtschaftskammern eine Schlüsselrolle, da diese die Grundlage für die notwendige Automatik auch bei der fiktiven Prüfung der Zugehörigkeit zur passenden Fachorganisation bilden. Würde die gesetzliche 406 Mitgliedschaft (insb der Wirtschaftskammer) abgeschafft, liefe der Mindestentgeltschutz für AN bei Entsendungen und AN mit ausländischen AG ohne Niederlassung in Österreich, welchen § 3 Abs 2 und 3 LSD-BG vorsehen, und somit auch die Wettbewerbsgleichstellung mit inländischen AG hinsichtlich der Arbeitsvertragskosten, ins Leere. Insofern bedingen auch die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der entsendeten AN (vgl nur die ErwGr 10 ff, RL 2018/957 zur Änderung der Entsende-RL) zum Schutz vor Lohn- und Sozialdumping, die Beibehaltung des Systems der gesetzlichen Mitgliedschaft, solange in Österreich kein vollständiger Systemwechsel stattfindet.
Die Revisionszurückweisung des OGH ist, auch die Begründungsstränge betreffend, schlüssig und dem Ergebnis ist daher vollinhaltlich zuzustimmen. Bei der kollektivvertraglichen Zuordnungsprüfung ist über die Ausführungen des Beschlusses hinausgehend jedenfalls die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens – unabhängig, ob sich diese im Inland oder im Ausland entfaltet – zu berücksichtigen. Ebenfalls sind bei möglichen Kollisionen der Kollektivverträge bei der Zuordnungsprüfung zu deren Lösung die Regelungen von § 9 ArbVG zur Anwendung zu bringen. Da § 3 Abs 2 und 3 LSD-BG einen Vergleich mit einem fiktiven reinen Inlandsbezug normiert, ist diese Vorgangsweise mE bereits gesetzlich vorgegeben. Hinter allem steht aber als Basis die gesetzliche Mitgliedschaft der beruflichen Selbstverwaltungskörper, die das Rückgrat des österreichischen kollektivvertraglichen Mindestentgeltsystems bildet.