43Bemessungsgrundlage Rehabilitationsgeld
Bemessungsgrundlage Rehabilitationsgeld
Der nach § 125 Abs 1 Satz 1 ASVG heranzuziehende Beitragszeitraum ist auch dann der unmittelbar dem Ende des „vollen Entgeltanspruches“ vorangegangene Kalendermonat, wenn in diesem Monat zwar mindestens an einem, aber nicht an allen Tagen Anspruch auf volle Entgelt(fort)zahlung bestand.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der OGH unter dem letzten „vollen Entgeltanspruch“ das der Urlaubsersatzleistung (für einen Tag) zugrunde liegende Entgelt herangezogen hat und nicht den letzten vollen Entgelt(fortzahlungs)anspruch anlässlich des bis zum Ende des Dienstverhältnisses andauernden Krankenstandes.
[...]
[2] Der Kl war in der Zeit von 7.7.2012 bis 30.9.2021 in einem Möbelhaus beschäftigt. Im Zeitraum von 1.8.2021 bis 17.9.2021 hatte er Anspruch auf volles Entgelt; zwischen 18.9.2021 und 30.9.2021 bezog er halbes Krankengeld. Für den 1.10.2021 hatte der Kl Anspruch auf volles Entgelt (Urlaubsersatzleistung für einen Tag); an diesem Tag endete auch sein Entgeltanspruch gegenüber dem DG. Im Anschluss daran bezog er bis 31.8.2022 zunächst Krankengeld, dann Übergangsgeld und erneut Krankengeld.
[3] Der Entgeltanspruch des Kl betrug (jeweils brutto) im August 2021 5.190,64 € und in der Zeit von 1.9.2021 bis 17.9.2021 2.343,21 €.
[4] Mit Urteil des ASG Wien vom 25.4.2023 wurde festgestellt, dass beim Kl ab 1.9.2022 vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliegt und er für deren Dauer Anspruch auf Rehabilitationsgeld hat.
[5] Mit Bescheid vom 18.7.2023 wies die bekl ÖGK den Antrag des Kl, ihm ein höheres Rehabilitationsgeld als (jeweils brutto täglich) 96,76 € für den Zeitraum von 1.9.2022 bis 31.12.2022 und 102,37 € ab 1.1.2023 zu gewähren, ab.
[6] Mit seiner Klage begehrt der Kl [...] für [...] 2022 ein Rehabilitationsgeld von 121,46 € und ab 1.1.2023 von 128,50 € brutto täglich [...] auf Grundlage des im Monat August 2021 gebührenden Entgelts von 5.190,64 € [...].
[...]
[8] Das Erstgericht [...] wies die Klage ab.
[9] Das Berufungsgericht verpflichtete die Bekl hingegen, dem Kl [...] Rehabilitationsgeld in der begehrten Höhe zu leisten. [...]
[13] Die [außerordentliche] Revision ist zulässig, weil sich der OGH mit der Frage, welche Bemessungsgrundlage für das Rehabilitationsgeld heranzuziehen ist, wenn dem Ende des vollen Entgeltanspruchs kein Beitragszeitraum (von 30 Tagen; vgl § 44 Abs 2 ASVG) vorangeht, in dem durchgehend ein voller Entgeltanspruch bestand, noch nicht befasst hat. Sie ist auch berechtigt.
[14] 1. Gem § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG gebührt Rehabilitationsgeld im Ausmaß jenes Krankengeldes nach § 141 Abs 1 und Abs 2 ASVG, das aus der letzten Erwerbstätigkeit gebührt hätte. Nach dem verwiesenen § 141 ASVG wird als gesetzliche Mindestleistung das Krankengeld im Ausmaß von 50 vH der Bemessungsgrundlage für den Kalendertag gewährt (Abs 1); ab dem 43. Tag einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung erhöht es sich auf 60 vH der Bemessungsgrundlage (Abs 2).
[15] 1.1. Bemessungsgrundlage für das Krankengeld ist gem § 125 Abs 1 erster Halbsatz ASVG der für die Beitragsermittlung heranzuziehende und auf einen Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst (Bruttoentgelt), der dem/der Versicherten in jenem Beitragszeitraum (§ 44 Abs 2 ASVG) gebührte, der dem Ende des vollen Entgeltanspruchs voranging.
[16] 1.2. Nach der stRsp stellt § 125 Abs 1 ASVG daher für die Bemessungsgrundlage für das Krankengeld und damit auch für das Rehabilitationsgeld auf die letzte volle, also nicht durch Krankengeldbezug geschmälerte Beitragsgrundlage ab (10 ObS 134/23p Rz 5; 10 ObS 98/16h ErwGr 2.4.; Pöltner/Pačić, ASVG § 125 Anm 1 [747] ua).
[17] 2. Auch der Kl geht (mittlerweile) davon aus, dass eine Urlaubsersatzleistung – als Abgeltung eines während des Dienstverhältnisses nicht verbrauchten Urlaubs in Geld – ein relevanter Arbeitsverdienst iSd § 125 Abs 1 ASVG ist. Seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl 1996/201) ist sie beitragspflichtiges Entgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (§ 49 Abs 1 ASVG), das aufgrund unselbständiger Erwerbstätigkeit gebührt und dessen Bezug gem § 11 Abs 2 ASVG zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung über das Dienstverhältnis hinaus führt. Eine Urlaubsersatzleistung gilt demgemäß auch als Erwerbseinkommen iSd § 91 Abs 1 Z 1 ASVG und als Arbeitsverdienst iSd § 44 Abs 1 Z 1 ASVG, auch wenn die aus diesem Anspruchsgrund gebührenden Entgelte nicht während der unselbständigen Erwerbstätigkeit geleistet wurden (RS0107809; RS0110088; 10 ObS 159/21m Rz 16 ua).
[18] 3. Darauf aufbauend ist im Revisionsverfahren nicht strittig, dass die für den 1.10.2021 bezogene Urlaubsersatzleistung der letzte volle Entgeltanspruch des Kl iSd § 125 Abs 1 erster Halbsatz ASVG war und dieser Zeitpunkt daher der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist.
[19] Unterschiedliche Standpunkte werden nur zur Frage vertreten, auf welchen vorangehenden Beitragszeitraum abzustellen ist: Während der Kl und das Berufungsgericht davon ausgehen, dass es sich um einen „vollen“, also einen Beitragszeitraum handeln muss, in dem immer Anspruch auf volles Entgelt bzw 100 %-ige Entgeltfortzahlung bestand, sind die Bekl und das Erstgericht der Auffassung, dass der vorangegangene Kalendermonat (§ 44 Abs 2 ASVG) auch dann der maßgebliche Beitragszeitraum sei, wenn der Versicherte in diesem keinen durchgehenden (vollen) Entgeltanspruch hatte.
[20] 3.1. Der OGH hatte diese Frage bislang noch nicht zu beantworten, weil in vergleichbaren Konstellationen die Urlaubsersatzleistung, die den letzten 389 vollen Entgeltanspruch bildete, stets mehr als einen ganzen Kalendermonat umfasste:
[21] Der Entscheidung zu 10 ObS 98/16h lag eine Urlaubsabfindung (§ 10 BUAG) für den Zeitraum von 23.7.2014 bis 5.9.2014 (für 45 Urlaubstage) zugrunde. Die dort zu entscheidende Frage war, ob die Urlaubsabfindung ein Arbeitsverdienst ist. Die Frage, welcher Beitragszeitraum konkret als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, wurde darin hingegen nicht thematisiert.
[22] Die Urlaubsersatzleistung zu 10 ObS 159/21m gebührte für die Zeit von 20.1.2018 bis 4.3.2018 (44 Urlaubstage); die Bemessungsgrundlage bildete daher der „volle“ Beitragszeitraum Februar 2018.
[22] Die Urlaubsersatzleistung zu 10 ObS 159/21m gebührte für die Zeit von 20.1.2018 bis 4.3.2018 (44 Urlaubstage); die Bemessungsgrundlage bildete daher der „volle“ Beitragszeitraum Februar 2018.
[23] Nach dem Sachverhalt zu 10 ObS 134/23p erhielt der dortige Kl für einen offenen Urlaub von 204 Stunden (also mehr als 5 Wochen) eine Urlaubsentschädigung über den (ganzen) Monat Oktober 2017 hinaus. Bemessungsgrundlage war das Entgelt des „vollen“ Beitragszeitraums Oktober 2017.
[24] 3.2. Stellungnahmen der Lehre, von welchem Beitragszeitraum bei Berechnung des Rehabilitationsgeldes in der vorliegenden Konstellation auszugehen ist, liegen ebenso wenig vor, wie zur (insofern vergleichbaren) Frage, wie das Krankengeld nach Erhalt einer Urlaubsersatzleistung und der damit einhergehenden Verlängerung der Pflichtversicherung bzw im Fall des (Rückersatzes infolge) Ruhens des Krankengeldanspruchs (§ 143 Abs 1 Z 3 ASVG) zu berechnen ist.
Vor diesem Hintergrund ist zu erwägen:
4. Die historische Entwicklung des § 125 Abs 1 ASVG stellt sich wie folgt dar:
[25] 4.1. Der hier interessierende erste Halbsatz des § 125 Abs 1 ASVG geht im Kern auf die 50. ASVGNovelle, BGBl 1991/676, zurück, mit der die Wortfolge „in dem dem Versicherungsfall zuletzt vorangegangenen Beitragszeitraum“ durch die Wortfolge „in dem dem Ende des vollen Entgeltanspruchs zuletzt vorangegangenen Beitragszeitraum“ ersetzt wurde.
[26] Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus, dass sich durch das Abstellen auf das im Beitragszeitraum vor der Erkrankung bezogene Entgelt eine während der Zeit der Entgeltfortzahlung eingetretene Lohn- oder Gehaltserhöhung nicht auf die Höhe des Krankengeldes auswirke, obwohl vom höheren Entgelt Sozialversicherungsbeiträge geleis tet wurden. Um diese als ungerecht empfundene Rechtslage zu beseitigen, sollte § 125 Abs 1 ASVG dahingehend geändert werden, dass „die Bemessungsgrundlage auf das Ende jenes Beitragszeitraumes abstellt, in dem das letzte ‚volle‘ (also nicht durch die Krankheit geschmälerte) Entgelt gezahlt wird“ (ErläutRV 284 BlgNR 18. GP 29). Erklärtermaßen sollte damit also der für die Ermittlung der Höhe des Krankengeldes maßgebliche Beitragszeitraum (iSd § 44 Abs 2 ASVG) möglichst nahe an den Bezugsbeginn herangerückt werden, um so das Krankengeld an das zuletzt erzielte Einkommen anzugleichen.
[27] 4.2. Mit dem SV-WUBG, BGBl I 2001/67 , wurde im novellierten § 125 Abs 1 ASVG für die Bemessungsgrundlage auf den „Arbeitsverdienst, der dem (der) Versicherten im letzten vollen Beitragszeitraum (§ 44 Abs 2) vor dem Erlöschen dieses Anspruchs gebührte“, abgestellt.
[28] 4.3. Mit der 59. ASVG-Novelle ( BGBl I 2002/1 ) wurde § 125 Abs 1 ASVG insofern abgeändert, als wieder auf den „Arbeitsverdienst, der [...] in jenem Beitragszeitraum (§ 44 Abs 2) gebührte, der dem Ende des vollen Entgeltanspruches voranging“ abgestellt wurde. Damit sollte „klargestellt werden, welcher Beitragszeitraum für die Bemessung des Krankengeldes maßgeblich ist (nämlich derjenige, der dem Beitragszeitraum vorangeht, in dem der volle Entgeltanspruch endet)“ (ErläutRV 834 BlgNR 21. GP 4). Warum nicht mehr auf den „vollen“ Beitragszeitraum abgestellt wurde, erläuterte der Gesetzgeber nicht.
[29] Schließlich wurde mit der 60. ASVG-Novelle (BGBl I 2002/140) der Ausdruck „Arbeitsverdienst“ durch den Ausdruck „für die Beitragsermittlung heranzuziehende und auf einen Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst“ rückwirkend ersetzt, um zusätzlich klarzustellen, dass „der Arbeitsverdienst nur so weit für die Bemessung des Krankengeldes heranzuziehen ist, als er beitragsrelevant ist (Begrenzung mit der Höchstbeitragsgrundlage), und diese Bemessung mit einem sich aus der Aliquotierung des monatlichen Arbeitsverdienstes ergebenden Tageswert zu erfolgen hat“ (ErläutRV 1183 BlgNR 21. GP 24).
[30] Mit Inkrafttreten dieser beiden ASVG-Novellen (mit 1.1.2002) erhielt § 125 Abs 1 erster Halbsatz ASVG seine im Wesentlichen bis heute geltende Fassung.
[31] 5. Nach dem Wortlaut des § 125 Abs 1 ASVG kommt es auf den „vollen Entgeltanspruch“ nur insoweit an, als dessen Ende in zeitlicher Hinsicht den Ausgangspunkt für die Ermittlung des für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Beitragszeitraums bildet. Eine Unterscheidung zwischen „vollen“ und „nicht vollen“ Beitragszeiträumen ist dem Gesetz dagegen nicht (mehr) zu entnehmen. Anderes ergibt sich auch aus dem Verweis auf § 44 Abs 2 ASVG nicht, weil damit nur die Dauer des relevanten Beitragszeitraums legal definiert wird, wohingegen nach § 125 Abs 1 ASVG der auf einen Kalendertag fallende Arbeitsverdienst maßgeblich ist. Der Wortlaut des § 125 Abs 1 ASVG stellt damit bloß darauf ab, dass im relevanten Beitragszeitraum ein Arbeitsverdienst erzielt wurde, fordert aber nicht, dass dieser für den ganzen Kalendermonat zustand. Wie § 125 Abs 1 vorletzter Satz und Abs 1b ASVG zeigen, ist dem Gesetz eine „untermonatige“ Berechnung auch nicht fremd.
[32] 6. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des § 125 Abs 1 ASVG auf den letzten „vollen“ Beitragszeitraum ließe sich daher nur durch eine teleologische Reduktion erzielen (vgl RS0008979). Die dafür notwendige Voraussetzung eines klar in eine bestimmte Richtung weisenden Gesetzeszwecks, an dem sich die letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung orientieren soll (RS0106113 [T3] ua), ist hier aber nicht zu erkennen.
[33] 6.1. Primäre Funktion des Rehabilitationsgeldes ist es, den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust wenigstens teilweise zu ersetzen und 390 eine finanzielle Absicherung während der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten (10 ObS 129/21z Rz 17; 10 ObS 147/20w Rz 19 ua). Dieses Ziel wird zwar am ehesten erreicht, wenn der Berechnung des Rehabilitationsgeldes ein „voller“ Beitragszeitraum zugrunde liegt und dieser überdies dem Ende des vollen Entgeltanspruchs unmittelbar vorangeht. Dieser Idealfall ist aber nicht die Regel. Im Gegenteil liegt der „volle“ Beitragszeitraum – was der vorliegende Fall plakativ zeigt – in vielen Fällen (viel) weiter zurück. In dieser Situation bildet das zuletzt, wenn auch nicht während des gesamten (dem Ende des vollen Entgeltanspruchs) vorangehenden Beitragszeitraums erzielte Einkommen den tatsächlichen Einkommensausfall besser ab als ein allenfalls sogar Jahre zurückliegender Verdienst. Die Berechnung des Rehabilitationsgeldes auf einer zeitlich aktuellen Basis führt auch eher zu einer Bedarfsdeckung, die sich am zuletzt zur Verfügung stehenden Einkommen orientiert. Der Zweck des Rehabilitationsgeldes gebietet es daher nicht unbedingt, auf einen „vollen“ Beitragszeitraum abzustellen.
[34] 6.2. Das Rehabilitationsgeld anhand eines lange zurückliegenden Beitragszeitraums zu berechnen, widerspricht auch der klar formulierten Intention des Gesetzgebers, dafür ein möglichst zeitnah bezogenes Entgelt heranzuziehen, von dem auch Sozialversicherungsbeiträge geleistet wurden. Dazu kommt, dass dem Gesetzgeber die Praxis der Bekl (bzw der GKK), das Rehabilitationsgeld „untermonatig“ zu berechnen, schon seit geraumer Zeit bekannt ist (vgl Bericht des Rechnungshofes Invaliditätspension Neu, 2017/33 [28 f] und die Follow-up Überprüfung, 2020/31 [18 f]), ohne dass er dies zum Anlass für eine Gesetzesänderung genommen hat.
[35] 6.3. Letztlich ist vor dem Hintergrund der Genese des § 125 Abs 1 ASVG auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der 59. ASVG-Novelle bewusst nicht (mehr) auf „volle“ Beitragszeiträume abgestellt hat.
7. Als Ergebnis lässt sich daher folgender Rechtssatz formulieren:
[36] Der nach § 125 Abs 1 Satz 1 ASVG heranzuziehende Beitragszeitraum (der gem § 44 Abs 2 ASVG mit 30 Tagen anzunehmende Kalendermonat) ist auch dann der unmittelbar dem Ende des vollen Entgeltanspruchs vorangegangene Kalendermonat, wenn in diesem Monat zwar mindestens an einem, aber nicht an allen Tagen Anspruch auf volle Entgelt(fort)zahlung bestand.
[37] 8. Darauf aufbauend hat das Erstgericht das Rehabilitationsgeld zu Recht auf Basis des auf einen (der 17) Kalendertag(e) entfallenden Arbeitsverdiensts des Kl im September 2021 berechnet. Dass ihm auf dieser Grundlage kein höheres als das schon gewährte Rehabilitationsgeld zusteht, bestreitet der Kl nicht.
[38] Ob und wie ein „untermonatiger“ Verdienst – wie das die Bekl in der Revision andeutet – iSd § 44 Abs 2 ASVG auf 30 Tage „aufzurechnen“ ist, muss hier nicht entschieden werden, weil der maßgebliche Bezugszeitraum September 2021 nur 30 Tage hat.
[39] Das Ersturteil ist daher in Stattgabe der Revision wiederherzustellen.
Zunächst sei angemerkt, dass der Sachverhalt im Urteil des OGH unbefriedigend kurz ist. Ergänzend ergibt sich aus den Urteilen der Vorinstanzen, dass es sich bei dem Versicherten um einen Angestellten handelt, der ab. 17.8.2021 im Krankenstand war, zunächst ca ein Monat (17.8. bis 17.9.2021 – das entspricht 32 Kalendertagen) volle Entgeltfortzahlung bezog und dann für knapp zwei Wochen (18. bis 30.9. – das entspricht 13 Kalendertagen) halbe Entgeltfortzahlung. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der seit Juli 2012 beim AG (Möbelhaus) beschäftigte Angestellte im August von seinem AG € 5.190,64 erhielt: zunächst (volles) Entgelt und dann volle Entgeltfortzahlung und im September 2021 volle Entgeltfortzahlung für die ersten 17 Tage im Ausmaß von € 2.343,21. Wieso der Angestellte für die ersten 17 Tage im September (= mehr als die Hälfte des Monats) trotz voller Entgeltfortzahlung deutlich weniger als die Hälfte des Entgeltes erhielt, das ihm im August ausbezahlt wurde, geht aus dem Sachverhalt (aus allen drei Instanzen) leider nicht hervor. Dieser Umstand ist aber dafür verantwortlich, dass es überhaupt zu diesem Rechtsstreit kommen konnte.
Das alleine war allerdings noch nicht ausschlaggebend: Im vorliegenden Fall kam es nicht nur im September 2021 zu einer Reduktion des fortgezahlten Entgelts trotz voller Entgeltfortzahlung, sondern das Arbeitsverhältnis wurde auch noch vor dem Stichtag für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld beendet und dem AN stand aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Verbrauch des gesamten Urlaubsanspruches eine Urlaubsersatzleistung zu und zwar nur für einen einzigen Tag. Erst all diese Umstände gemeinsam führten zu dem hier vorliegenden Rechtsstreit.
Vorweg sei angemerkt, dass einem AN im Krankenstand für eine gewisse Zeit volle Entgeltfortzahlung gebührt. Der Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem AngG bemisst sich nach hM nach dem Bezugsprinzip, dh die Bemessungsgrundlage für das fortzuzahlende Entgelt ist grundsätzlich das zuletzt verdiente Entgelt, dh jenes Entgelt, das der Angestellte vor der Dienstverhinderung bezogen hat (arg „behält“). Dabei ist der weite arbeitsrechtliche Entgeltbegriff zugrunde zu legen (vgl Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm4 [2025] § 8 AngG Rz 102 ff); lediglich Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen sind aufgrund der Sonderbestimmung des § 2a AVRAG aus der Bemessungsgrundlage der Entgeltfortzahlungsansprüche und der beendigungsabhängigen Ansprüche, wie zB der Urlaubsersatzleistung (vgl Drs, 391 Urlaubsrecht12 [2025] § 6 Rz 17, § 10 Rz 47, § 12 Rz 11), ausgenommen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wieso dem Angestellten im September 2021 trotz voller Entgeltfortzahlung weniger Entgelt (wenn auch aliquot für die ersten 17 Tage im September) zustand als im August; dies ergab dann nach der vom OGH zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage eine wesentlich geringere Höhe des Rehabilitationsgeldes: Das Augustgehalt hätte nämlich zu einem Rehabilitationsgeld im Ausmaß von € 121,46 pro Kalendertag im Jahr 2022 bzw € 128,50 pro Kalendertag im Jahr 2023 geführt (so das OLG Wien), das Septembergehalt hingegen nur zu einem Rehabilitationsgeld im Ausmaß von € 121,46 pro Kalendertag im Jahr 2022 bzw € 128,50 pro Kalendertag im Jahr 2023 (so das ASG Wien und der OGH).
Die Höhe des Rehabilitationsgeldes ist in § 143a Abs 2 ASVG geregelt. Diese Bestimmung lebt – wie es im Sozialversicherungsrecht nicht unüblich ist – von Verweisen und Weiterverweisungen: Demnach gebührt es „im Ausmaß des Krankengeldes“ (siehe § 141 Abs 1 und 2 ASVG: 50 bzw 60 % der Bemessungsgrundlage). Die Bemessungsgrundlage des Krankengeldes ist in § 125 ASVG geregelt: Das ist der auf den Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst (= Entgelt; siehe § 44 Abs 1 Z 1, § 91 Abs 1 Z 1 ASVG), der dem Versicherten in jenem Beitragszeitraum (§ 44 Abs 2: dh Kalendermonat = 30 Tage) gebührt hat, der dem Ende des vollen Entgeltanspruches voranging.
Im Anlassfall stand dem AN im Oktober für einen Tag volles Entgelt in Form der Urlaubsersatzleistung (= seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 beitragspflichtiges Entgelt gem § 49 Abs 1 ASVG) zu, weshalb die Pflichtversicherung – trotz arbeitsvertraglicher Beendigung mit Ende September – erst einen Tag später, dh im Oktober 2021, geendet hat. Dieser eine Tag mit vollem Entgeltanspruch war aber entscheidend, da gem § 125 ASVG von diesem Tag aus die Bemessungsgrundlage für das Rehabilitationsgeld zu ermitteln ist: Es ist auf das Monat (= Beitragszeitraum) abzustellen, der dem Ende des vollen Entgeltanspruches voranging. Das Monat davor war der September 2021. Aufgrund des Krankenstandes war aber das letzte Monat vor dem letzten vollen Entgeltfortzahlungsanspruch (= 17.9.2021) der August 2021.
Die Lösung des OGH ist irritierend, da selbst der OGH (10 ObS 129/21z DRdA-infas 2022/79, Rz 17, 21; OGH 10 ObS 147/20w SSV-NF 34/82 Rz 19) davon ausgeht, dass das Rehabilitationsgeld funktional als „Fortsetzung“ des Krankengeldbezugs anzusehen ist. Auch der Wortlaut (§ 143a ASVG: „im Ausmaß des Krankengeldes“) würde zumindest auf den ersten Blick dagegensprechen. Das Problem ist allerdings, dass es sich um zwei verschiedene Versicherungsfälle handelt: einerseits um den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, für den in § 117 Z 3 Fall 1 ASVG der Anspruch auf Krankengeld vorgesehen ist, andererseits gem Z 3 Fall 2 der Versicherungsfall der (vorübergehend) geminderten Arbeitsfähigkeit mit dem Anspruch auf Rehabilitationsgeld. Und damit gibt es eben zwei verschiedene Stichtage, wodurch – trotz der Funktion „Fortsetzung des Krankengeldbezuges“ und der Formulierung „im Ausmaß des Krankengeldes“ – unter Umständen ein anderes Monat und damit eine andere Entgelthöhe zugrunde zu legen ist, selbst wenn der Bezug des Rehabilitationsgeldes nahtlos an den Krankengeldanspruch anschließt (für die Tage mit vollem Entgelt[fortzahlungs]anspruch besteht der Krankengeldanspruch zwar dem Grunde nach weiter, er ruht aber gem § 143 Abs 1 Z 3 ASVG).
Bis zu diesem Punkt waren sich der OGH und das OLG Wien noch einig. Entzweit hat sie dann aber die Frage, ob gem § 125 ASVG auch dann das Monat vor dem Ende des letzten vollen Entgeltanspruches heranzuziehen ist, wenn nicht an allen Tagen des Monats ein voller Entgelt(fortzahlungs)- anspruch zustand (im Anlassfall bis 17.9.2021). Während dies vom OGH bejaht wurde, vorausgesetzt es bestand zumindest an einem Tag ein voller Entgelt(fortzahlungs)anspruch (der OGH hat dann den Verdienst der Tage mit vollem Entgeltfortzahlungsanspruch zusammenrechnet und durch die Anzahl dieser Tage dividiert), geht das OLG Wien davon aus, dass erst jenes Monat der Berechnung des Rehabilitationsgeldes zugrunde gelegt werden darf, an den an allen Tagen des fraglichen Monats ein voller Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden hat. Der OGH begründet seine Ansicht damit, dass ein Monat mit teilweiser voller Entgeltfortzahlung den Einkommensausfall „besser“ abbildet als ein allenfalls lange zurückliegender Verdienst. Die vom OGH behauptete „klar formulierte Intention des Gesetzgebers, ... ein möglichst zeitnah bezogenes Entgelt heranzuziehen“, hat der OGH nicht belegt. Der Wortlaut des § 125 ASVG verweist nur auf den „Beitragszeitraum“ vor dem Ende des letzten vollen Entgeltanspruches; von der Höhe des Entgelt(fortzahlungs) anspruches in diesem Monat ist keine Rede. Da es sich aber um einen „Beitragszeitraum“ handeln muss, muss ein entsprechend hohes (beitragspflichtiges) Entgelt bezogen werden, da sonst gar keine Beiträge anfallen; nach dem Gesetzeswortlaut wäre aber keine volle Entgeltfortzahlung notwendig. Das würde sowohl gegen die Argumentation des OGH sprechen (zumindest ein Tag mit vollem Entgeltfortzahlungsanspruch) als auch gegen das OLG Wien, das einen „vollen“ Beitragszeitraum verlangt.
Ein Blick auf die historische Entwicklung (zu den diversen Novellen siehe OGH Rz 25 ff) zeigt mE aber ganz klar, dass der Gesetzgeber versucht hat, auf den letzten vollen Entgelt(fortzahlungs)- anspruch abzustellen und dabei primär auf einen ganzen Beitragszeitraum, sonst hätte er ja gleich auf das letzte Beitragsmonat mit voller Entgelt(fort)- zahlung abstellen können (siehe auch RV 593 BlgNR 21. GP 4 zu BGBl I 2002/67: „Arbeitsverdienst ... im letzten vollen Beitragszeitraum“). Mit den diversen Novellen wollte der Gesetzgeber bloß Präzisierungen vornehmen (ErläutRV 1183 BlgNR 21. GP 24: nur beitragsrelevanter Arbeitsverdienst), 392 eine als ungerecht empfundene Rechtslage beseitigen (Abstellen auf den letzten „vollen“ nicht durch Krankheit geschmälerten Arbeitsverdienst; ErläutRV 284 BlgNR 18. GP 29 zu BGBl I 1991/676) oder Unschärfen bereinigen (ErläutRV 834 BlgNR 21. GP 4 zu BGBl I 2002/1 ).
Zweck des Rehabilitationsgeldes (ebenso wie des Krankengeldes) ist es, den Einkommensverlust zumindest teilweise auszugleichen, und zwar im Ausmaß von 50 bzw 60 %. Legt man nun Zeiten ohne vollen Entgeltfortzahlungsanspruch zugrunde, dann käme es zu einer doppelten Reduktion, die wohl nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Das spricht dagegen, unabhängig von der Höhe der Entgeltfortzahlung, auf das letzte Beitragsmonat abzustellen. Insoweit ist also – unabhängig ob man sich der Ansicht des OGH oder des OLG Wien anschließt – eine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 125 ASVG notwendig, wenn im vorangegangenen Kalendermonat kein Tag mit vollem Entgelt(fortzahlungs)anspruch vorlag; die Kritik am OLG Wien in Bezug auf die teleologische Reduktion ist daher nicht nachvollziehbar, da der OGH im Ergebnis nichts anderes macht, wenn er nur dann auf den unmittelbar vorangegangenen Beitragszeitraum vor dem Ende des „vollen Entgeltanspruches“ abstellt, wenn in diesem Monat zumindest an einem Tag Anspruch auf volle Entgelt(fort)zahlung bestand; im Anlassfall war die einschränkende Auslegung nur nicht notwendig, da im September, also dem Monat vor dem letzten vollen Entgeltanspruch, noch (17) Tage mit voller Entgeltfortzahlung vorlagen.
Wie bereits oben ausgeführt, zeigt der Verweis auf das letzte Beitragsmonat vor dem Ende des vollen Entgelt(fortzahlungs)anspruches, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht auf ein möglichst zeitnah bezogenes Entgelt abstellt, sondern auf ganze Beitragsmonate; anderenfalls hätte er ja auf das letzte Monat abgestellt, in dem der volle Entgelt(fortzahlungs)anspruch endet und dann – wie es der OGH, wenn auch für ein anderes Monat, macht – nur die Tage mit voller Entgelt(fort)zahlung herangezogen (der OGH spricht diesbezüglich von „untermonatiger“ Berechnung des Rehabilitationsgeldes). Das vom OGH herangezogene Argument, dass das Problem schon einige Zeit bekannt ist und nicht zum Anlass einer Änderung genommen wurde, reicht mE nicht aus, um dem Gesetzgeber (von damals) einen entsprechenden Regelungswillen zu unterstellen. Der Gesetzgeber hat vielmehr nur in Ausnahmefällen, falls vor dem Beitragszeitraum, in dem der volle Entgeltanspruch endet, keine weiteren Beitragszeiträume vorliegen, Teile eines Monats (nämlich den laufenden Beitragszeitraum) für maßgebend erklärt. Diesbezüglich ist auch auf den vom OGH zitierten Bericht des Rechnungshofes Invaliditätspension Neu, 2017/33 (Kap 7) und die Follow-up Überprüfung, 2020/31 (Kap 5) zu verweisen, wo sogar eine Bemessungsgrundlage von einem Monat als zu kurz kritisiert und eine Verlängerung gefordert wird. All dies lässt Zweifel an der Lösung des OGH aufkommen, insb seine Argumentation kann nicht überzeugen.