Reufels (Hrsg)HinSchG. Hinweisgeberschutzgesetz

Nomos Verlag, Baden-Baden 2024, 364 Seiten, gebunden, € 79,–

JOHANNA NADERHIRN (LINZ)

In Umsetzung der Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL [EU] 2019/1937; im Folgenden: RL) wurde in Deutschland am 31.5.2023 das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) erlassen. Ausweislich der Angaben im Vorwort des anzuzeigenden Kommentars 429 zu diesem Gesetz ist es in Deutschland nicht anders als in Österreich, nämlich: „Die relativ knappe gesetzgeberische Grundlage [...] wirft [...] eine große Anzahl von Fragen für die Praxis auf.“ Allerdings umfasst das dt HinSchG 42 Paragrafen, während das österreichische HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) mit bloß 28 Paragrafen auskommt. Im vorliegenden Werk soll einschlägigen Fragen nachgegangen und Lösungsansätze aufgezeigt werden. Bei den Bearbeiter:innen handelt es sich hauptsächlich um Rechtsanwält:innen, die mit einschlägigen Fragestellungen vertraut sind.

Zunächst bietet das Buch eine ausführliche Einleitung von RA Christoph Aust. In dieser wird ua auf die Herkunft des Hinweisgeberschutzes eingegangen. Der Autor zeigt auch die einschlägige Rechtsprechungsentwicklung in Europa (Schlagwort: Fall Heinisch gegen Deutschland) auf. Interessant ist dabei, dass es in Deutschland bereits im Jahre 1901 eine dokumentierte Entscheidung zu „Whistleblowing“ vom Königlichen Landgericht I zu Berlin gab. Ein Handlungsgehilfe hatte seinen Prinzipal wegen einer strafbaren Handlung angezeigt und wurde deswegen entlassen. Das Gericht bewertete diese Beendigung als rechtswidrig.

Breiten Raum nehmen Ausführungen zum Hinweisgeberschutz aus europäischen Grundrechten (hier hat die Meinungsfreiheit überragende Bedeutung) sowie zur Hinweisgeberschutz-RL ein. Weiters enthält die Einleitung vielfältige Erläuterungen ua zu anonymen Meldungen, zu internen und externen Meldekanälen sowie zum Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien.

Danach beginnt ab S 67 die Kommentierung des HinSchG, auf die die informative Einleitung umso neugieriger macht. Nach dem Abdruck des jeweiligen Paragrafen folgt eine Literaturübersicht. Die Kommentierung der §§ 1 bis 4 wurde vom Herausgeber gemeinsam mit Laura Soltysiak übernommen. Gem § 1 Abs 1 regelt das dt HinSchG den Schutz von natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Interessanterweise schützt das dt HinSchG darüber hinaus nach Abs 2 ua auch Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind (also insb Personen, denen in der Meldung oder Offenlegung ein konkretes Fehlverhalten vorgeworfen wird). Dies allerdings gemäß den Ausführungen der Kommentator:innen nur im Hinblick auf die Wahrung der Vertraulichkeit der Identität dieser Personen sowie die Nichtbeschränkung der einschlägigen Verfahrensrechte (vgl aber auch die Ausführungen von Bruns, BeckOK Arbeitsrecht, § 1 HinSchG Rz 38 ff [Stand 1.3.2025]).

Den sachlichen Geltungsbereich regelt § 2 dt HinSchG. In Österreich ist der sachliche Geltungsbereich in § 3 HSchG normiert. Im Zusammenhang damit wurde darauf hingewiesen, dass das HSchG nur einen begrenzten Anwendungsbereich hat und daher wichtige Rechtsverletzungen, wie Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften, nicht erfasst (Kovács, Auswirkung und Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie in Österreich, in Kietaibl/Turrini [Hrsg], Alles compliant am Arbeitsplatz? [2023] 44). Der deutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, den Anwendungsbereich des dt HinSchG auch auf die Meldung und Offenlegung von Informationen über Verstöße, die strafbewehrt und Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, zu erstrecken. Bezüglich Letzterer ist dies aber nur der Fall, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (§ 2 Abs 1 Z 1 und 2). Die Autor:innen legen dar, dass im Kontext der beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit verschiedene Straftaten in Betracht kommen (einschlägig sind etwa § 23 dt Arbeitszeitgesetz; § 33 dt MuSchG [zB Gesundheitsgefährdung einer schwangeren Frau oder ihres Kindes durch Weiterbeschäftigung trotz Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG]; § 119 dt BetrVG [zB dass ein Beschäftigungsgeber durch Androhung von Nachteilen die Wahl des BR beeinflusst]; § 266a dt StGB [Nichtabführen von Beiträgen des AN zur SV]). Als entsprechende bußgeldbewehrte Verstöße kommen ua Verstöße gegen entsprechende Aufklärungs- oder Auskunftspflichten nach § 121 dt BetrVG in Betracht oder Verstöße im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen. Aus der verdienstvollen Zusammenstellung der in Frage kommenden Regelungen durch die Autor:innen wird deutlich, dass in Deutschland zwar keinesfalls die Meldung jedes Verstoßes gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften dem Schutz des dt HinSchG unterliegt, aber doch zumindest die Meldung einer Vielzahl gravierender Verstöße, was mE zu begrüßen ist. Eine ähnliche Vorgangsweise wäre vielleicht auch für den österreichischen Gesetzgeber überlegenswert (gewesen).

Die Kommentierung der komplexen Vorschriften der §§ 5 und 6 wurde von RA Bernd Weller übernommen. Hier geht es ua um den Vorrang von Sicherheitsinteressen sowie von Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten.

Die Kommentierung der komplexen Vorschriften der §§ 5 und 6 wurde von RA Bernd Weller übernommen. Hier geht es ua um den Vorrang von Sicherheitsinteressen sowie von Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten.

RA Christoph Katerndahl verantwortet die Kommentierung der §§ 7 bis 11. § 7 Abs 1 Satz 3 HinSchG („Wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde, bleibt es der hinweisgebenden Person unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden“) hat in Deutschland zu Diskussionen geführt. Hier besteht Uneinigkeit dahingehend, ob eine hinweisgebende Person, die einen Verstoß zunächst intern gemeldet hat, für die Dauer eines anschließenden internen Meldeverfahrens durch die erwähnte Regelung daran gehindert ist, zusätzlich die externe Meldestelle anzurufen. Ein solches Verständnis würde der Wortlaut dieser Regelung durchaus nahelegen. Der Kommentator folgt jedoch mit ausführlicher und überzeugender Begründung, bei der er ua die Entstehungsgeschichte von § 7 Abs 1 Satz 3 dt HinSchG sowie den Zweck der RL und des dt HinSchG, der darin bestehe, einen möglichst umfassenden Schutz der hinweisgebenden Person zu gewährleisten, heranzieht, der Ansicht, dass es der hinweisgebenden Person auch während des laufenden internen Meldeverfahrens unbenommen bleibt, zusätzlich die externe Meldestelle einzuschalten. Während im österreichischen HSchG nach § 11 Abs 1 Satz 2 das interne Hinweisgebersystem in einer Weise einzurichten ist, die Hinweisgeber dazu anregt, Hinweise der internen Stelle gegenüber einer externen Stelle bevorzugt zu geben, sollen gem § 7 Abs 3 Satz 1 dt HinSchG Beschäftigungsgeber Anreize dafür schaffen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wenden. Der Autor führt in Frage kommende Maßnahmen für die Praxis an. Dabei handelt es sich zB um die persönliche Vorstellung von 430 Ombudspersonen, die Ermöglichung anonymer Meldungen (zur diesbezüglichen Rechtslage in Österreich vgl zB Kovács in Kietaibl/Turrini [Hrsg], Alles compliant? 60 f), Amnestieangebote sowie finanzielle Anreize. Zu Recht weist der Autor aber auch auf die damit verbundenen Risiken hin, wie zB die mit finanziellen Anreizen einhergehende erhöhte Gefahr missbräuchlicher und falscher Meldungen. Die gründlichen Ausführungen von Katerndahl befassen sich weiters ua mit Vertraulichkeitsgeboten sowie datenschutzrechtlichen Aspekten.

Aus Sicht der österreichischen Lehre (vgl zB Kovács in Kietaibl/Turrini [Hrsg], Alles compliant? 42; Skorjanc, ecolex 2024, 7) ist es unionsrechtlich problematisch, dass das HSchG den Anwendungsbereich auf Hinweisgeber einschränkt, die in Unternehmen oder in juristischen Personen des öffentlichen Sektors mit mindestens 50 AN oder Bediensteten eine Rechtsverletzung aufdekken wollen (§ 3 Abs 1 HSchG; vgl aber auch Abs 2). Dies deshalb, da die RL im sachlichen Anwendungsbereich keine Einschränkung in Bezug auf die Anzahl der AN oder Bediensteten vorsieht. Die Grenze von 50 bezieht sich nur auf die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle (Bleckmann in Bleckmann/Knaipp/Korenjak [Hrsg], HSchG [2023] § 3 Rz 12, 19; vgl Art 8 Abs 3 und Abs 9 RL). In Deutschland ist hingegen richtlinienkonform vorgesehen, dass Beschäftigungsgeber mit in der Regel weniger als 50 Beschäftigten nur von der Pflicht zur Errichtung einer internen Meldestelle ausgenommen sind. In bestimmten Bereichen sind interne Hinweisgebersysteme unabhängig von der Beschäftigtenzahl einzurichten (vgl § 12 dt HinSchG).

Die externen Meldestellen sind in den §§ 19 ff dt HinSchG geregelt, welche von RA Kerstin Deiters kommentiert werden. Eine übersichtliche Grafik veranschaulicht hier die Zuständigkeiten.

Das Verbot von Repressalien ist in § 36 dt HinSchG enthalten. Anders als der österreichische Gesetzgeber (vgl auch Art 19 RL) verzichtet der deutsche Gesetzgeber auf eine beispielsweise Aufzählung möglicher Repressalien (vgl die Definition in § 3 Abs 6 dt HinSchG). Die Umsetzung der Beweislastregelung ist in § 36 Abs 2 dt HinSchG besser gelungen als in Österreich. Gem Art 21 Abs 5 RL wird in Verfahren [...], in denen der Hinweisgeber geltend macht, eine Benachteiligung infolge seiner Meldung oder der Offenlegung erlitten zu haben, vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung war. In diesen Fällen obliegt es der Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, zu beweisen, dass diese auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte. Daher ist die Umsetzung in § 23 HSchG problematisch, wenn dort vom Hinweisgeber die Glaubhaftmachung, dass die Maßnahme als Vergeltung für den Hinweis erfolgt ist, verlangt wird und vom Maßnahmensetzer nur die Glaubhaftmachung eines anderen Motivs (vgl nur Kühteubl/Komarek, ZAS 2023, 56 f). Nach der dt Regelung hingegen wird dann, wenn eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet und geltend macht, dass sie diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach dem HinSchG erlitten hat, vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In einem solchen Fall obliegt der benachteiligenden Person der Gegenbeweis (vgl näher § 36 Abs 2 dt HinSchG). Der Bearbeiter des § 36 (RA Torsten Groß) beschäftigt sich ausführlich mit jener Beweislastregelung. § 37 Abs 1 dt HinSchG normiert bei Verstoß gegen das Verbot von Repressalien einen Schadenersatzanspruch der hinweisgebenden Person. Abs 2 regelt ausdrücklich, dass ein Verstoß gegen das Verbot von Repressalien keinen Anspruch ua auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines anderen Vertragsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg begründet. Nach Ansicht von Groß gilt dies auch für die Verlängerung oder Entfristung von befristeten Verträgen. Allerdings sehen manche Stimmen in der dt Lehre Abs 2 als unionsrechtswidrig an, da nach Art 21 Abs 8 RL eine vollständige Wiedergutmachung erfolgen muss (vgl Bruns, BeckOK Arbeitsrecht § 37 HinSchG Rz 12 mwN). Die Rechtslage in Österreich ist hier teilweise unklar (vgl die eher missglückte Regelung des § 20 HSchG). In der Lehre wurden diesbezüglich einige Fragen aufgeworfen (vgl Korenjak in Bleckmann/Knaipp/Korenjak [Hrsg], HSchG § 20 Rz 35 ff, 63), die nur beispielsweise erwähnt werden sollen. So ist etwa fraglich, ob nach § 20 Abs 1 Z 2 auch Arbeitsverhältnisse verlängert werden, bei denen von vornherein klar war, dass sie nach Ablauf der Befristung nicht verlängert werden. Wie kann eine Nichtverlängerung rechtsunwirksam sein? Was bedeutet „die Versagung einer Beförderung“ sei „rechtsunwirksam“? Worin besteht genau der Unterschied zwischen § 20 Abs 1 Z 2 und Abs 2 Z 3? Hier existiert mE Handlungsbedarf für den österreichischen Gesetzgeber.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Qualität der Kommentierungen im vorliegenden Buch generell sehr gut ist. Es werden vielfältige Fragen bezüglich des Hinweisgeberschutzes in Deutschland aufgegriffen und in ausführlicher Weise abgehandelt. Auch wenn sich die Regelungen im deutschen HinSchG einerseits und im österreichischen HSchG andererseits in nicht wenigen Bereichen voneinander unterscheiden, handelt es sich nicht zuletzt wegen der zahlreichen Bezugnahmen auf die Hinweisgeberschutz-RL um ein Werk, das auch hierzulande beachtenswert ist.