48Anspruch des Betriebsrates auf Mitteilung von Arbeitnehmer:innendaten
Anspruch des Betriebsrates auf Mitteilung von Arbeitnehmer:innendaten
Durch eine erneute (unangefochten gebliebene) Betriebsratswahl kann ein Mangel der Parteifähigkeit des die Klage einbringenden BR geheilt werden.
Der BR hat auf Basis der Gesamtheit der Betriebsverfassung Anspruch auf Mitteilung der dem DG bekannten (privaten) E-Mail-Adressen der AN, nicht jedoch auf deren Telefonnummern, wenn es sich bei den E-Mail-Adressen um eines der primären Kommunikationsmittel zwischen AG und AN handelt.
Die Bekl betreibt einen Essens-Zustelldienst mit Fahrradboten. Sie kommuniziert mit ihren AN primär per E-Mail oder Telefon, daneben erfolgt die Kommunikation zur Abwicklung der Zustellvorgänge über die App eines Drittanbieters. Die Bekl stellt ihren AN keine dienstlichen E-Mail- Adressen zur Verfügung, sondern verpflichtet sie, ihr als Kontaktdaten eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse bekannt zu geben und diese aktuell zu halten. Im Betrieb der Bekl gibt es keinen Ort, an dem sich alle AN regelmäßig aufhalten und so an diesem Ort angeschlagene Informationen regelmäßig sämtlichen AN zukommen würden. Die AN der Bekl kommen nicht regelmäßig an den Betriebsratsräumlichkeiten vorbei. Im Unternehmen der Bekl besteht eine hohe Fluktuation. Es kann vorkommen, dass es in einem Monat bis zu 100 Neueinstellungen oder bis zu 100 Austritte gibt.
Der klagende BR begehrt, die Bekl zu verpflichten, ihm sämtliche der Bekl vorliegenden E-Mail- Adressen und Telefonnummern der vom klagenden BR vertretenen AN sowie einen E-Mail-Verteiler zur Verfügung zu stellen, in dem die E-Mail-Adressen der vom klagenden BR vertretenen AN enthalten und für diesen ersichtlich, hilfsweise: nur enthalten, seien. Weiters begehrt er die Feststellung der Verpflichtung der Bekl, ihm jeweils binnen 14 Tagen ab Kenntnis Aktualisierungen der E-Mail-Adressen und Telefonnummern der AN sowie die E-Mail-Adressen und Telefonnummern neu eintretender AN zu übermitteln und in den E-Mail-Verteiler aufzunehmen.
Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht verpflichtete die Bekl zur Übermittlung der E-Mail-Adressen und Telefonnummern der AN und stellte die Verpflichtung der Bekl zu deren Aktualisierung und zur Übermittlung der E-Mail-Adressen und Telefonnummern neu eintretender AN fest. Im Übrigen bestätigte es die Abweisung des auf Zur-Verfügung-Stellung eines E-Mail-Verteilers sowie dessen Aktualisierung gerichteten Klagebegehrens.
Der OGH gab der Revision der Bekl Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache – zur Erörterung der von den Klagebegehren erfassten AN – an das Erstgericht zurück.
Aus den Entscheidungsgründen
[22] Der BR ist weder eine juristische Person noch ein sonstiges Personengebilde, dem eine eigene Rechtspersönlichkeit und damit Rechtsfähigkeit zukommt (9 ObA 102/23z [T9]; RS0101814 [T1]). Er vertritt immer nur die Belegschaft, welche eine der Gesamthand ähnliche Rechtsgemeinschaft darstellt (9 ObA 102/23z [Rz 9]: 9 ObA 10/11b; RS0035251 [T4]). Das Gesetz hat dem BR in § 53 Abs 1 ASGG die Parteifähigkeit zuerkannt (9 ObA 102/23z [Rz 9]; RS0035251). Er tritt somit im Prozess als selbständiger Träger von Rechten und Pflichten im eigenen Namen auf (9 ObA 171/02s; vgl RS0035251 [T4]).
[...]
[27] Endet von Gesetzes wegen die Funktionsdauer des BR, endet damit auch seine Parteifähigkeit (Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm Arbeitsrecht3 § 53 ASGG Rz 3).
[28] Nur dann, wenn zu dieser Zeit ein Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängig ist, besteht die Partei- und Prozessfähigkeit gem § 62a ArbVG in Bezug auf dieses Verfahren weiter (vgl 8 ObA 207/00z), wobei der Wegfall – bzw die Verlängerung – der Partei- und Prozessfähigkeit während des Verfahrens in § 62a ArbVG abschließend geregelt ist (9 ObA 77/08a). In den in § 62a ArbVG nicht genannten Fällen kommt es daher zu keiner Verlängerung der Parteifähigkeit des BR über das Ende der Tätigkeitsdauer hinaus (Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 [2020] § 62a ArbVG Rz 11; Burger-Ehrnhofer/Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, § 62a ArbVG [36. Lfg 2015] Rz 10).
[...]
[32] Fällt die zu Beginn des Verfahrens vorhandene Partei- und Prozessfähigkeit des BR während des Verfahrens ersatzlos weg, so begründet dies ein Prozesshindernis (vgl 8 ObA 219/97g), das nach allgemeinen Grundsätzen (vgl nur Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 Vor § 1 ZPO Rz 97 ff; RS0035043) die Aufhebung der ergangenen Entscheidungen und des Verfahrens als nichtig und die Zurückweisung der Klage zur Folge hat (vgl 9 Ob 77/08a).
[33] Ein Mangel der Parteifähigkeit heilt, wenn die Parteifähigkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung über deren Vorliegen erlangt wird. Die Heilung kann auch noch im Rechtsmittelverfahren eintreten (Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 Vor § 1 ZPO Rz 99; Domej in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON Vor § 1 ZPO Rz 17). Wird eine parteiunfähige Partei während des Verfahrens parteifähig, so kann eine Nichtigerklärung nicht mehr erfolgen (7 Ob 556/93). Dass dies sogar dann gilt, wenn die Parteifähigkeit erst im Rechtsmittelverfahren über deren Vorliegen erlangt wird, ergibt sich daraus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der in der Vernichtung von Verfahrensaufwand liegende Schaden möglichst zu vermeiden 414 ist, daher umso mehr im Rechtsmittelverfahren, wenn der Schaden durch die Vernichtung von Prozessaufwand besonders groß wäre (vgl 7 Ob 556/93; 1 Ob 231/56 JBl 1957, 510).
[...]
[34] 1.5.1. Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Klageeinbringung am 11.5.2022 die Parteifähigkeit des klagenden BR gegeben: Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen im Revisionsverfahren war dieser am 12.10.2020 gewählt worden. Die im später (am 4.7.2022) ergangenen Urteil 11 Cga 135/20g des ASG Wien angesprochene bloße Änderung des Betriebsinhabers (BI) von der österreichischen Zweigniederlassung der T* B.V. auf die hier ursprünglich bekl T* GmbH im Weg eines Asset Deal entfaltete keinen Einfluss auf die Betriebsidentität (vgl RS0050993; RS0051125 [T1]) und die Rechtsstellung des gewählten BR. In diesem Sinn gingen beide Parteien in ihrem im Revisionsverfahren erstatteten Vorbringen übereinstimmend davon aus, dass die Klage vom – parteifähigen – Arbeiter-BR der Bekl eingebracht worden war, was auch im Verfahren erster Instanz nicht in Zweifel gezogen wurde.
[35] Erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des die Wahl vom 12.10.2020 für nichtig erklärenden Urteils des ASG Wien vom 4.7.2023, sohin mit dem Verstreichen der Rechtsmittelfrist gegen das den Parteien am 31.1.2023 zugestellte Urteil, endete gem § 62 Z 5 ArbVG die Tätigkeitsdauer dieses BR vorzeitig und mit Wirkung ex nunc (vgl RS0100006).
[...]
[39] Dieser während des Berufungsverfahrens eingetretene Mangel der Parteifähigkeit des klagenden BR ist allerdings geheilt:
[40] Nach dem von der Bekl auf Tatsachenebene nicht bestrittenen klägerischen Vorbringen im Revisionsverfahren wurde von 3.4. bis 8.4.2023 neuerlich ein BR der Arbeiter der Bekl gewählt, der sich am 10.4.2023 konstituiert hat, womit gem § 61 Abs 1 ArbVG seine Tätigkeitsdauer begann. Umstände, die zu einer Beendigung der Tätigkeitsdauer dieses BR führen könnten, wurden von der Bekl nicht behauptet und sind auch nicht ersichtlich. Im Zeitpunkt der vorliegenden E über die Vorliegen der Parteifähigkeit des klagenden BR ist dessen Parteifähigkeit daher zu bejahen. Der Mangel der fehlenden Parteifähigkeit des klagenden BR ist geheilt.
[41] Dass die vorangegangene Betriebsratswahl vom 12.10.2020 vom ASG Wien nach § 59 Abs 2 ArbVG (also mangels Betriebseigenschaft) für rechtsunwirksam erklärt wurde, hat auf die Parteifähigkeit des später (von 3.4. bis 8.4.2023) gewählten BR der Arbeiter der Bekl keinen Einfluss und steht einer Heilung nicht entgegen. Soweit die Bekl in ihrer Revision vorbringt, die Heilung sei nicht möglich, weil „im selben Nicht-Betrieb“ nicht nochmals ein BR gewählt werden könne, lässt sie außer Acht, dass – auch nach ihrer eigenen Stellungnahme vom 19.11.2024 – der Betriebsratswahl vom 3.4. bis 8.4.2023 eine andere Abgrenzung des Betriebs zugrunde gelegt wurde als der vorangegangenen Wahl und dass die vom 3.4. bis 8.4.2023 durchgeführte Wahl unangefochten blieb, wodurch selbst eine im Nichtbetrieb stattgefundene Betriebsratswahl für die Dauer der gesetzlichen Funktionsperiode von fünf Jahren saniert wäre (9 ObA 40/23g [Rz 16]; RS0051150). Ein unzulässiger Parteiwechsel ist darin, dass die Parteifähigkeit des Arbeiter-BR der Bekl im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt wieder vorliegt, entgegen dem Vorbringen der Bekl nicht zu erblicken.
[42] Zusammengefasst ist der Mangel der Parteifähigkeit des klagenden BR der Arbeiter der Bekl geheilt, eine Nichtigerklärung des bisher durchgeführten Verfahrens kommt daher nicht in Betracht. Vielmehr ist eine Entscheidung in der Sache zu treffen.
2. Zur Berechtigung des Klagebegehrens
2.1. Befugnisse des BR
[43] Der BR ist der gesetzlich vorgeschriebene direkte Vertreter der Belegschaft (RS0051061). Ihm kommt als Belegschaftsorgan die Aufgabe zu, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der AN im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern (vgl § 38 ArbVG).
[44] Nach § 72 ArbVG sind dem BR zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben neben Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernissen auch sonstige Sacherfordernisse in einem der Größe des Betriebs und den Bedürfnissen des BR angemessenen Ausmaß vom BI unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Begriff der Kanzlei- und Geschäftserfordernisse ist insofern dynamisch zu interpretieren, als er dem jeweiligen Stand der technologischen Entwicklung anzupassen ist (RS0123849). Im Rahmen des § 72 ArbVG hat der BI dem BR eine angemessene Ausstattung mit Büromaterial, Telefonanschluss, Fachliteratur, PC und Internetanschluss sowie bei großen Betrieben mit einer Schreibkraft zur Verfügung zu stellen (vgl Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm Arbeitsrecht3 § 72 ASGG Rz 8 mwN).
[45] Entscheidend ist der Zweck der Bestimmung, der darin besteht, dem BR die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen (8 ObA 92/04v ZAS 2005/39, 234 [Thiele]; RS0119458).
[46] Ausgehend von diesem Zweck folgt aus § 72 ArbVG auch die Verpflichtung, dem BR dann, wenn im Betrieb ein bestimmtes internes Kommunikationsnetz errichtet ist, Zugang zu diesem, konkret die Möglichkeit der Verständigung der anderen AN im Wege dieses Kommunikationsnetzes, einzuräumen (8 ObA 92/04v ZAS 2005/39, 234 [Thiele]). Zu beurteilen war in dieser im Jahr 2004 getroffenen Entscheidung die Einräumung der Möglichkeit, im Rahmen eines Firmenintranets E-Mails „an alle“ zu versenden. Der OGH bejahte die Verpflichtung des BI, dem BR diese Möglichkeit zu eröffnen, unter Hinweis auf den § 72 ArbVG innewohnenden Zweck.
[...]
[53] Zweck der Informationsrechte des BR ist es allgemein, der Belegschaft zu ermöglichen, auf betriebliche Entwicklungen zu reagieren, diesbezügliche Auswirkungen abzuklären und Vorschläge zu erstatten (9 ObA 135/09g DRdA 2012/28, 388 [Heilegger] = ZAS 2012/17, 87 [Grünanger]).
[54] Ganz grundsätzlich ist jedes Betriebsratsmitglied in seiner Funktion berechtigt, mit einzelnen 415 AN aktiv Kontakt aufzunehmen, diese zu informieren und Angelegenheiten zu besprechen, die deren soziale, wirtschaftliche, kulturelle und gesundheitliche Interessen berühren, oder sich deren Anfragen und Interventionen anzuhören (Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 Vorbemerkungen zu den §§ 89 bis 114 ArbVG Rz 2a; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 § 38 ArbVG Rz 8). In welcher Weise der BR seine Interessenvertretungsaufgabe und in der Folge die Ausübung seiner Befugnisse anlegt, fällt in seine autonome Selbstverwaltung (Firlei, Umfang und Grenzen der Auskunftspflicht des Betriebsinhabers gem § 91 Abs 1 ArbVG, wbl 2011, 461 [463]).
[...]
[55] Zur Rechtslage vor der DSGVO hat der OGH bereits ausgesprochen, dass die Befugnisse des BR durch das Datenschutzrecht (damals DSG 2000) nicht berührt werden und jedenfalls im Bereich der Pflichtkompetenzen des BR eine datenschutzrechtliche Interessenabwägung nicht erforderlich ist (6 ObA 1/14m DRdA 2015/33, 255 [Goricnik] = jusIT 2014/112, 232 [Thiele] mit ausführlicher Darstellung der Literatur). Hervorgehoben wurde, dass dort, wo das ArbVG dem BR ein von der individuellen Zustimmung der AN unabhängiges Einsichtsrecht zuweist, eine solche nicht aus datenschutzrechtlichen Erwägungen verlangt werden kann. Denn dadurch bestünde die Gefahr, dass einzelne DN vom AG unter Druck gesetzt würden, um entsprechende Einsichtnahmen und Kontrolltätigkeiten des BR zu vermeiden (6 ObA 1/14m; RS0129697). Vielmehr ist im Hinblick auf die vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den BR geschaffen hat (6 ObA 1/14m; RS0129697 [T2]).
[56] Diese Wertung wurde auch nach Inkrafttreten der DSGVO ausdrücklich aufrecht erhalten (9 ObA 51/22y [Rz 53] DRdA 2024/22, 296 [Jabornegg]). Auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung des Verhältnisses von Datenschutz- und Arbeitsverfassungsrecht fehlt (Brodil, Arbeitnehmerschutz und Datenschutz-Grundverordnung [DSGVO], ecolex 2018, 486; Körber-Risak, DSGVO und Betriebsverfassungsrecht in Körber-Risak/Brodil, Datenschutz und Arbeitsrecht [2018] 55 [59 f]), wurde das ArbVG, soweit es die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext betrifft, nach § 88 Abs 3 DSGVO als „spezifischere“ Vorschrift iSd Öffnungsklausel des Art 88 Abs 3 DSGVO notifiziert (Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 § 91 ArbVG Rz 9). In der Literatur wird dazu vertreten, dass – unabhängig von der Annahme zusätzlicher Erlaubnistatbestände unter Berufung auf Art 88 DSGVO – Datenverarbeitungen in Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse in aller Regel nach den Erlaubnistatbeständen des Art 6 Abs 1 lit c (im Rahmen der Pflichtbefugnisse, Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 § 89 ArbVG Rz 14) oder lit f DSGVO
sowie Art 9 Abs 2 lit b DSGVO zulässig seien (Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 Vorbemerkungen zu §§ 89 bis 114 ArbVG Rz 10; Goricnik in Knyrim, Der DatKomm [72. Lfg 2023] Art 88 DSGVO Rz 91).
[57] Insofern bestehe eine „Sphärenharmonie“ zwischen Betriebsverfassungs- und Datenschutzrecht; die Grundsätze der E 6 ObA 1/14m seien auch unter der Geltung der DSGVO fortzuschreiben (Goricnik in Knyrim, Der DatKomm Art 88 DSGVO Rz 86 ff, insb 88). Demnach sind alle gesetzlichen Mitwirkungsbefugnisse des BR datenschutzrechtlich auf ihre betriebsverfassungsrechtliche Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener AN-Daten durch den BR für den jeweiligen Zweck zu prüfen, wobei sich die Erforderlichkeit entweder aus dem klaren Gesetzeswortlaut oder kraft einer Interessenabwägung im Dreieck AN – Belegschaft/BR – AG ergebe (Goricnik in Knyrim, Der DatKomm Art 88 DSGVO Rz 89). Außerhalb der Pflichtbefugnisse des BR scheide zwar der Erlaubnistatbestand des Art 6 Abs 1 lit c DSGVO aus, allerdings könne sich die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung innerhalb des Regelungsrahmens des ArbVG aus Art 6 Abs 1 lit f DSGVO hinsichtlich sensibler Daten aus Art 9 Abs 2 lit b DSGVO ergeben (Goricnik in Knyrim, Der DatKomm Art 88 DSGVO Rz 91; Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 § 91 ArbVG Rz 20).
[...]
[58] Der OGH hat bereits im Rahmen der Ausstattung des BR mit Büroinfrastruktur den Zweck der Regelung, nämlich die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgabe der Belegschaftsvertretung, betont. Dieser Zweck ist den – oben überblicksweise dargestellten – Regelungen über die Belegschaftsvertretung insgesamt immanent. Denn dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, eine Belegschaftsvertretung als ein mit weitgehenden Befugnissen ausgestattetes Organ der Arbeitnehmerschaft einzurichten, ohne ihr eine effiziente, den betrieblichen Gepflogenheiten entsprechende Kontaktaufnahme mit den von ihr vertretenen AN zu ermöglichen. Das wäre aber der Fall, wollte man dem BR verwehren, die dem AG bekannten und von diesem zur laufenden Kommunikation mit den AN genutzten E-Mail-Adressen in Erfahrung zu bringen. Der Anspruch auf die Mitteilung der dem DG bekannten E-Mail-Adressen der AN ergibt sich in einem Sachverhalt wie dem vorliegend festgestellten, in dem es sich bei den E-Mail-Adressen um eines der vom AG selbst primär genutzten Mittel der Kommunikation mit den AN handelt, bereits aus dem Zweck der Einrichtung des BR als Belegschaftsorgan und seiner Ausstattung mit umfangreichen (Einzel-)Befugnissen.
[59] Die Übermittlung der dem AG bekannten E-Mail-Adressen der AN an den BR ist in einer Fallkonstellation wie vorliegend festgestellt auch datenschutzrechtlich zulässig:
[60] Da die proaktive Kontaktaufnahme des BR mit den von ihm vertretenen AN nicht schlechthin einer seiner Pflichtbefugnisse (zum Begriff vgl Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 Vorbemerkungen zu §§ 89 bis 114 416 ArbVG Rz 4) zugeordnet werden kann, ist in einer Konstellation wie der vorliegend festgestellten die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zu prüfen. Nach der gebotenen dreigliedrigen Interessenabwägung ist eine Datenverarbeitung zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt, die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich ist und die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen (vgl RS0133890).
[61] In einem Sachverhalt, wie vorliegend festgestellt, ergibt sich das berechtigte Interesse der Belegschaftsvertretung an der Mitteilung der dem DG bekannt gegebenen E-Mail-Adressen der AN aus dem Bedürfnis, in einer effizienten, den gegenwärtigen technischen Entwicklungen entsprechenden und betriebsüblichen Form mit den vertretenen AN zu kommunizieren und dadurch die Befugnisse des BR zweckdienlich ausüben zu können. Darin liegt gleichzeitig ein legitimes Interesse der Belegschaft als Gesamtheit. Dass die E-Mail-Adressen zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich sind, ergibt sich schon daraus, dass es sich um eines der auch von der bekl AG selbst primär genutzten Kommunikationsmittel handelt.
[62] Ein relevanter Eingriff in die Privatsphäre dadurch, dass AN auf jener E-Mail-Adresse, die sie ihrem AG zur Kommunikation im Zuge des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stellen, auch von der Belegschaftsvertretung, also ebenfalls im beruflichen Kontext, kontaktiert werden können, ist nicht ersichtlich. Überwiegende Interessen der betroffenen AN stehen der begehrten Bekanntgabe der E-Mail-Adressen bei einem Sachverhalt wie dem hier festgestellten daher nicht entgegen.
[63] Das Recht zur Bekanntgabe umfasst notwendig auch die E-Mail-Adressen der neu eintretenden AN sowie die Mitteilung der der Bekl bekannt gegebenen Aktualisierungen.
[64] Hingegen ist in einem Sachverhalt, wie hier festgestellt, ein berechtigtes Interesse der Belegschaftsvertretung und der AN daran, neben einer Kontaktaufnahmemöglichkeit per E-Mail zusätzlich über die privaten Telefonnummern der AN zu verfügen, nur gering ausgeprägt. Bei regelmäßiger Nutzung der E-Mail-Adresse – wovon auszugehen ist, wenn es sich dabei, wie im festgestellten Sachverhalt, um eines der primären Kommunikationsmittel zwischen AG und AN handelt – ist die Telefonnummer des AN auch für eine zeitnahe Kontaktaufnahme durch die Belegschaftsvertretung nicht erforderlich. Schon aufgrund dieser Erwägungen ist aus dem festgestellten Sachverhalt ein Recht des BR auf Bekanntgabe der Telefonnummern der von ihm vertretenen AN nach dem derzeit etablierten Sachverhalt nicht ableitbar.
[...]
Die vorliegende E des OGH reiht sich in eine ungewöhnliche betriebliche Konfliktkonstellation ein, die in dieser Form wohl nicht dem sonst üblichen, kooperativen Umgang zwischen den Sozialpartnern auf betrieblicher Ebene entspricht. So wurde die abgehaltene Betriebsratswahl von Seiten des BI gleich mehrfach angefochten. Vor kurzem wurde erklärt, Zustellleistungen nur mehr auf Basis von freien Dienstverträgen zu erbringen. In der zu besprechenden E steht die Weigerung des BI im Fokus, dem BR die E-Mail-Adressen, Telefonnummern sowie interne Verteilerlisten der vom BR vertretenen AN zur Verfügung zu stellen.
Der OGH bejaht die Verpflichtung zur Herausgabe der E-Mail-Adressen, verneint hingegen jene hinsichtlich der Telefonnummern und der Verteilerlisten. Die E überzeugt durch die in weiten Teilen klare Struktur sowie die Auseinandersetzung mit Judikatur und Literatur. Das Ergebnis erscheint insgesamt plausibel, überzeugt bei genauerer Betrachtung aber nicht. Zudem treten im letzten Abschnitt treten einige Unschärfen auf, die im Rahmen der vorliegenden Entscheidungsbesprechung näher beleuchtet werden sollen.
Die Besprechung folgt dem Aufbau der E und gliedert sich in einen verfahrensrechtlichen Teil (1.) sowie einen materiellrechtlichen Teil (2.), der wiederum in einen arbeitsverfassungsrechtlichen (2.1.) und einen datenschutzrechtlichen Abschnitt (2.2.) unterteilt ist.
Die zweite Anfechtung der Betriebsratswahl durch den BI hatte unmittelbare Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren. Die Klage auf Herausgabe der Kontaktdaten wurde nämlich noch vom ursprünglichen BR eingebracht, dessen Wahl jedoch vom BI angefochten wurde. Während des Laufens des vorliegenden Verfahrens gab das ASG Wien der Anfechtung statt, da die einzelnen „Hubs“ mangels ausreichender Eigenständigkeit nicht als Betriebe iSd § 34 ArbVG, sondern als unselbstständige Standorte zu qualifizieren seien. Leitungs- und Entscheidungsbefugnisse würden zentral vom Country Manager und dem Leiter der Personalabteilung wahrgenommen (ASG Wien 4.7.2022, 11 Cga 135/20g). Die (veraltete) Rsp zum Betriebsbegriff erscheint freilich nur schwer vereinbar mit den teleologischen Hintergründen der Bestimmung, da sie eine ortsnahe Interessenvertretung erheblich beeinträchtigt. Angesichts der zunehmenden (mittelbaren und unmittelbaren) algorithmischen Steuerung von Arbeitsprozessen durch Software drängt sich die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Weiterentwicklung des Betriebsbegriffs auf (vgl etwa ArbG Aachen 2 BV 56/23 DIAS 2025, 33 [Westermann], das die einzelnen Hubs als eigenständigen Betriebsteil iSd § 4 Abs 1 BetrVG qualifizierte).
Der mit der rechtswirksamen Anfechtung verbundene Verlust der Partei- und Prozessfähigkeit des klagenden BR begründet zwar ein Prozesshindernis, das grundsätzlich die Aufhebung ergangener Entscheidungen, die Nichtigkeit des Verfahrens und die Zurückweisung der Klage zur Folge hat. Allerdings kann der Mangel heilen, wenn die 417
Parteifähigkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung wieder erlangt wird, was – wie der OGH zutreffend ausführt – auch noch im Rechtsmittelverfahren eintreten kann (Rz 32 f). Zu Recht entschied der OGH, dass durch die erneute (unangefochten gebliebene) österreichweite Betriebsratswahl der Mangel durch die Parteifähigkeit des später gewählten BR geheilt wurde. Dabei schadet auch nicht, dass der die Klage einbringende Arbeiter-BR lediglich für das Hub in Wien zuständig war, der neu gewählte BR hingegen österreichweit. Aus diesem Grund vermochte auch das Argument der Bekl, wonach im selben „Nicht-Betrieb“ nicht nochmals ein BR gewählt werden könne, nicht zu verfangen: Es handelte sich eben nicht um denselben Betrieb.
Die E des OGH ist insofern von praktischer Bedeutung, weil sie klarstellt, dass bei erfolgreichen Anfechtungen von Betriebsratswahlen, deren Zahl – nicht zuletzt aufgrund der weiten Rsp des OGH (vgl nur 8 ObA 12/23g DRdA 2024, 50 [Mathy]) – zuletzt spürbar angestiegen ist, Verfahren nicht zwingend neu geführt werden müssen. Neben der Verlängerung der Partei- und Prozessfähigkeit nach § 62a ArbVG gewinnt dabei auch die Möglichkeit einer Heilung im laufenden Verfahren an Relevanz.
Materiellrechtlich setzt der Anspruch auf Übermittlung der Kontaktdaten der AN zum einen das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs des BR nach dem ArbVG, zum anderen die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Übermittlung voraus. Insofern ist der Einschätzung des OGH uneingeschränkt zuzustimmen, dass beide Voraussetzungen (Sphären) – also sowohl das Bestehen eines Übermittlungsanspruchs als auch der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit – erfüllt sein müssen.
Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelgerichts kann aus der datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit kein eigenständiger Übermittlungsanspruch abgeleitet werden. Die DSGVO enthält keine Anspruchsgrundlage für eine begehrte Datenübermittlung (so aber das Berufungsgericht, Rz 12). Selbst wenn eine Datenübermittlung, etwa aufgrund eines überwiegenden berechtigten Interesses, rechtmäßig ist, ergibt sich daraus noch keine Verpflichtung zur Übermittlung. Eine solche bedarf vielmehr einer eigenständigen Rechtsgrundlage, etwa einem Gesetz, eines KollV oder einer vertraglichen Vereinbarung.
Der klagende BR hat seinen Übermittlungsanspruch auf § 72 ArbVG sowie auf die Mitwirkungsrechte der §§ 89 ff ArbVG sowie auf die Gesamtheit der Betriebsverfassung gestützt. Tatsächlich ging der OGH nicht weiter auf die einzelnen Tatbestände ein, sondern bejahte den Informationsanspruch, weil sich dieser bereits aus dem Zweck der Einrichtung des BR als Belegschaftsorgan und seiner Ausstattung mit umfangreichen (Einzel-)Befugnissen ergebe (Rz 58).
Tatsächlich lässt sich aus den einzelnen Tatbeständen ein Informationsanspruch nicht so einfach ableiten. Dies betrifft zunächst die Mitbestimmungstatbestände der §§ 89 ff ArbVG. Weder aus § 89 ArbVG noch aus § 90 ArbVG ergibt sich ein derartiger Anspruch. Eine Kommunikation mit der Belegschaft ist vielmehr Voraussetzung, um die Einhaltung der die AN des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen (§ 89) oder entsprechende Maßnahmen und die Beseitigung von Mängeln zu verlangen (§ 90). Auch nach § 91 Abs 2 ArbVG sind lediglich die abstrakten Datenarten, die der BI aufzeichnet, nicht jedoch konkrete E-Mail-Adressen, dem BR mitzuteilen (vgl etwa Felten/Warter, Der Betriebsrat als Informationsträger, in FS 50 Jahre Arbeitsverfassungsgesetz [2024] 395 [402]).
Denkbar wäre eine Übermittlungspflicht nach dem allgemeinen Informationsrecht des § 91 Abs 1 ArbVG. Diese Bestimmung legt eine umfassende Informationspflicht des BI fest, der ein ebenso umfassendes Informationsrecht des BR gegenübersteht (Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 36 § 91 ArbVG Rz 6). Allerdings bezieht sich diese auf Informationen auf „Angelegenheiten des Betriebes“. Aufgrund des Wortlauts erscheint fraglich, ob § 91 Abs 1 ArbVG auch einen Anspruch des BR auf Übermittlung konkreter E-Mail-Adressen der Beschäftigten umfasst.
Am naheliegendsten erscheint ein Übermittlungsanspruch auf Grundlage von § 72 ArbVG, was in den Ausführungen des OGH auch indirekt zum Ausdruck kommt. Die Bestimmung stellt ausdrücklich auf die Geschäftserfordernisse des BR ab und ist, wie die Rsp betont (vgl etwa RIS-Justiz RS0123849), technisch-dynamisch auszulegen. Maßgeblich ist dabei der Zweck der Norm, nämlich dem BR die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen (OGH 8 ObA 92/04v DRdA 2005, 183). Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Übermittlung von Kontaktdaten der Beschäftigten als erforderliches Mittel zur Ausübung der Betriebsratsfunktion qualifizieren. Der OGH hat auf Basis von § 72 ArbVG bereits entschieden, dass dem BR die Möglichkeit eingeräumt werden muss, E-Mails über das Firmenintranet an alle Beschäftigten zu versenden (vgl erneut OGH 8 ObA 92/04v DRdA 2005, 183). Die Einordnung von Kontaktdaten als Sach- bzw Geschäftserfordernisse wäre daher ein nur weiterer Schritt in einer bereits angelegten Judikaturlinie gewesen.
Ohne einen Anspruch auf Basis von § 72 ArbVG auszuschließen, hat sich der OGH dennoch dazu entschlossen, den Übermittlungsanspruch aus der Gesamtheit der Betriebsverfassung abzuleiten. Dies hängt wohl nicht zuletzt damit zusammen, dass es im vorliegenden Fall um vielmehr als um bloße Kontaktdaten ging: Es ging um den Kern betriebsrätlicher Arbeit, nämlich um die Kommunikationsmöglichkeiten des BR mit der Belegschaft. Das mit der Gesamtheit der Betriebsverfassung denkbar weite dogmatische Fundament trägt insofern zur praktischen Wirksamkeit des Betriebsverfassungsrechts bei. Es betont, dass die Kommunikationsbefugnisse des BR als Ausdruck seiner funktionellen 418 Unabhängigkeit vom AG und seiner betriebsverfassungsrechtlich geschützten Stellung im betrieblichen Machtgefüge zu verstehen sind. Die E stellt klar, dass eine effektive Interessenvertretung nicht von Einzelnormen abhängt, sondern schon in der Architektur der betrieblichen Mitbestimmung verankert ist.
Zutreffenderweise hat der OGH damit auch das „Angebot“ des BI verworfen, dem BR einen wöchentlich aktualisierten E-Mail-Verteiler der AN zur Verfügung zu stellen, indem aber die einzelnen E-Mail-Adressen nicht ersichtlich sind. Ein vom BI bereitgestellter E-Mail-Verteiler würde den im ArbVG verankerten Anforderungen an eine effektive Interessenvertretung nicht genügen, bliebe der BR in seiner Kommunikationsfähigkeit gleich in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt: Er kann weder den Adressatenkreis kontrollieren noch gezielt bestimmte Gruppen oder einzelne AN ansprechen. Die fehlende Transparenz über die Reichweite der eigenen Mitteilungen sowie die faktische Abhängigkeit von der technischen Infrastruktur und Aktualisierung durch den BI stehen im Widerspruch zur effektiven Ausübung der dem BR übertragenen Aufgaben. Eine derart „vermittelte“ Kommunikation würde die strukturelle Gleichgewichtslage zwischen BI und BR untergraben, wie sie dem System der betrieblichen Mitbestimmung aber zugrunde liegt.
Der Einwand des BI, wonach die Übermittlung der (hier privaten) E-Mail-Adressen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen würde, kam vor dem Hintergrund der zahlreichen Konflikte alles andere als überraschend, wird doch das Datenschutzrecht nur allzu häufig missbraucht, um unliebsame Projekte zu stoppen oder nicht gewünschte Verarbeitungen zu verhindern (vgl schon Warter, Datenschutz und Organisation, in Pachinger [Hrsg], Datenschutz – Recht und Praxis [2018] 365 [416]). Derartige Einwände sind – wie im vorliegenden Fall – häufig unberechtigt.
Richtig ist freilich, dass auch bei der Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Vorgaben, das Datenschutzrecht einzuhalten ist. Dies betrifft insb die Einhaltung der Verarbeitungsgrundsätze des Art 5 DSGVO, allen voran den Grundsatz der Rechtmäßigkeit (Art 5 Abs 1 lit a DSGVO) und den Grundsatz der Datenminimierung (Art 5 Abs 1 lit c DSGVO). IdS setzt das Datenschutzrecht (auch) der Betriebsverfassung Grenzen.
Was die Rechtmäßigkeit betrifft, führt der OGH aus, dass dort, wo es sich nicht um Pflichtbefugnisse – also jene Rechte und Aufgaben, die der BR nicht nach Belieben, sondern verpflichtend wahrzunehmen hat – handelt, der Rechtmäßigkeitstatbestand der rechtlichen Verpflichtung (Art 6 Abs 1 lit c DSGVO) ausscheidet. Dieser Schluss ist mE nicht zwingend. Durch ErwGr 45 wird zunächst klargestellt, dass durch Art 6 Abs 1 lit c Verarbeitungen sowohl von Verantwortlichen des privaten als auch des öffentlichen Bereichs gerechtfertigt werden können (vgl nur Jahnel in Jahnel [Hrsg], DSGVO [2020] Art 6 Rz 41). Entscheidend für die Abgrenzung zu anderen Rechtmäßigkeitstatbeständen ist vor allem, ob eine Rechtspflicht vorliegt, für deren Erfüllung die Datenverarbeitung erforderlich ist (Jahnel in Jahnel [Hrsg], DSGVO Art 6 Rz 43). Als Kontrollfrage kann deshalb herangezogen werden, ob der Verantwortliche gegen eine gesetzliche Verpflichtung verstößt, wenn er die betreffende Verarbeitung unterlässt (vgl GA Sánchez-Bordona, C-319/22, ECLI:EU:C:2023:385, Rn 51). Dies ist hier zu bejahen. Anders als vom OGH dargestellt, handelt es sich bei der zu prüfenden Verarbeitung nicht um die aktive Kontaktaufnahme durch den BR (so aber der OGH in Rz 60; insofern unzutreffend auch die Leitsätze in der Literatur [etwa Pkt 2 in jusIT 2025/2, 81; 3.2 in ASoK 2025, 145]), sondern um die Übermittlung der Kontaktdaten (private E-Mail- Adressen und Telefonnummern) der AN (vgl nur das Klagebegehren). Wie oben dargestellt, ergibt sich die rechtliche Verpflichtung aus der Gesamtheit der Bestimmungen der Betriebsverfassung. Es besteht für den BI kein Belieben, die Kontaktdaten zu übermitteln. Er ist hierzu rechtlich verpflichtet, weshalb der Rückgriff auf den Rechtmäßigkeitstatbestand der überwiegenden berechtigten Interessen (Art 6 Abs 1 lit f DSGVO) nicht notwendig gewesen wäre. Entscheidend ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung auch nicht, ob der BR zur Wahrnehmung seiner Rechte und Aufgaben verpflichtet ist, sondern, ob der Verantwortliche einer rechtlichen Verpflichtung unterliegt, zu deren Erfüllung die Verarbeitung erforderlich ist. Dass die Rechtspflicht nicht ausdrücklich im Gesetzeswortlaut vorgesehen ist, sondern im Rahmen der Auslegung ermittelt werden muss, schadet mE nicht (vgl noch zu Art 7 lit c DS-RL EuGH 30.5.2013, C-342/12, Worten; für Art 9 Abs 2 lit b DSGVO genügt nach hA die [abstrakte] Fürsorgepflicht gem § 1157 ABGB, § 18 AngG).
Dagegen spricht auch nicht, dass nach Art 6 Abs 3 DSGVO die Zwecke der Verarbeitung in der Rechtsgrundlage festgelegt sein müssen, da sich die Zwecke auch implizit aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsvorschriften ergeben können (so der EuGH zur vergleichbaren Bestimmung des Art 4 Z 7 DSGVO [in der englischen Sprachfassung wird sowohl in Art 4 Z 7 als auch in Art 6 Abs 3 der Begriff „determined“ verwendet] C-638/23, Amt der Tiroler Landesregierung, ECLI:EU:C:2025:127, Rn 36 ff).
Die exakte Abgrenzung der Rechtmäßigkeitstatbestände ist im vorliegenden Fall freilich von eher akademischem Interesse, da beide Tatbestände die Verarbeitung nur insoweit erlauben, als sie für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung bzw berechtigter Interessen erforderlich ist. Der zulässige Umfang der Verarbeitung richtet sich dabei nach dem Verarbeitungszweck, der unabhängig vom gewählten Rechtmäßigkeitstatbestand ist. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist insofern eng mit dem Grundsatz der Datenminimierung (Art 5 Abs 1 lit c) verknüpft (EuGH 3.10.2024, C-621/22, Koninklijke Nederlandse Lawn Tennisbond, ECLI:EU:C:2024:857, Rn 43; EuGH 4.7.2023, C-252/21, Meta Platforms, EU:C:2023:537, Rn 109).419
Während der OGH die Herausgabe der E-Mail- Adressen bejahte, wurde die Herausgabepflicht der Telefonnummern mangels Erforderlichkeit verneint. Auf den ersten Blick ist die Lösung des OGH überzeugend, zumal sie dem BR die Nutzung jener Kommunikationsmittel erlaubt, die im Betrieb bereits etabliert und funktional erprobt sind (so Niksova, EvBl 2025/183, 600). Bei genauerer Betrachtung überzeugt die Ansicht des OGH allerdings nicht.
Abgesehen davon, dass die Sachverhaltsfeststellungen festhalten, dass sowohl E-Mails als auch das Telefon als primäre Kommunikationsmittel verwendet werden (Rz 5), geht der OGH in seiner rechtlichen Beurteilung lediglich beim E-Mail von einem primären Kommunikationsmittel aus und lässt das (ebenso primäre Kommunikationsmittel) Telefon außen vor (Rz 64). Selbst bei regelmäßiger Nutzung der E-Mail-Adresse sprechen gewichtige Gründe dafür, dem BR zusätzlich die Möglichkeit einer telefonischen Kontaktaufnahme mit den AN einzuräumen. Dies ist insb in zeitkritischen Konstellationen erforderlich, etwa bei Stellungnahmen im Zusammenhang mit beabsichtigten Entlassungen (innerhalb von drei Arbeitstagen) oder Kündigungen (innerhalb einer Woche), in denen eine rasche Rücksprache mit den betroffenen Personen für eine sachgerechte Interessenvertretung unerlässlich ist. Zudem erlaubt das persönliche Gespräch am Telefon eine unmittelbarere und vertrauensvollere Kommunikation, was gerade bei sensiblen Anliegen wie Mobbing, Diskriminierung oder Konflikten mit Vorgesetzten von besonderer Bedeutung ist. Es kann nicht angehen, dass der BR bei Vorliegen bestimmter Sachverhalte beim BI um die Telefonnummern bitten muss.
Aber ganz generell ist daran zu erinnern, dass in der vorliegenden Konstellation datenschutzrechtliche Bedenken vom BI und nicht von den betroffenen AN vorgebracht wurden. Es liegt auf der Hand, dass eine effektive, persönliche Kontaktaufnahme durch den BR dessen Möglichkeiten zur Mobilisierung und Organisation der Belegschaft stärkt, ein Umstand, der nicht zwingend im Interesse der BI liegt. Je größer die kommunikative Distanz zwischen BR und Beschäftigten, desto geringer dessen Einfluss. Vor diesem Hintergrund erscheint es vielmehr geboten, dem BR ein dem AG vergleichbares Maß an Zugang zur Belegschaft zu gewähren, um eine effektive Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben zu gewährleisten (Firlei spricht nicht zu Unrecht von „informationeller Waffengleichheit“ [Umfang und Grenzen der Auskunftspflicht des Betriebsinhabers gem § 91 Abs 1 ArbVG, wbl 2011, 462]).
Jedenfalls kann die vorliegende E nicht ohne weiteres auf andere Branchen und Betriebe übertragen werden, weil die datenschutzrechtliche Interessenabwägung und Erforderlichkeitsprüfung stets im Lichte des konkreten Einzelfalls erfolgen (zutr Niksova, EvBl 2025/183, 600).
Damit wäre die datenschutzrechtliche Problematik erledigt gewesen, umso mehr überrascht es, dass der OGH (für den Fall) nicht notwendige weitergehende Ausführungen zum Verhältnis zwischen Betriebsverfassungsrecht und Datenschutzrecht formuliert. So gibt er nicht nur überholte Literaturstellen zur Möglichkeit zusätzlicher Erlaubnistatbestände unter Berufung auf Art 88 DSGVO wieder (Rz 56, ablehnend EuGH C-65/23, K GmbH, AuR 2025/7, 292 ff [Pioteck/Warter]), der OGH hält auch fest, dass das ArbVG, soweit es die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext betrifft, als spezifischere Vorschrift iSd Art 88 Abs 3 DSGVO notifiziert worden sei.
In Folge dieser Aussagen wird eine Reihe bislang ungeklärter Rechtsfragen akut, deren vertiefte Behandlung jedoch den Rahmen der vorliegenden Besprechung sprengen würde. Im Folgenden sollen sie daher lediglich skizzenhaft umrissen werden (zusammenfassend bereits Niksova, EvBl 2025/183, 600). Zutreffend ist, dass Österreich beschäftigungsdatenschutzrechtliche Stellen des ArbVG gegenüber der Europäischen Kommission als spezifischere nationale Regelung iSd Art 88 DSGVO notifiziert hat (BMASGK-462.501/0012-VII/B/8/2018 vom 12.1.2018). Diese Notifikation erfolgte jedoch verspätet, nämlich erst am 27.6.2018. Offen blieb bislang, welche rechtlichen Konsequenzen eine derartige verspätete Meldung hat, ob eine nachträgliche Notifikation zulässig ist und ob der Notifikationsakt konstitutive oder lediglich deklarative Wirkung entfaltet (zum Meinungsstand etwa Goricnik in Knyrim [Hrsg], Dat- Komm, Art 88 DSGVO Rz 65 ff mwN). Wird aber von einer wirksamen Notifikation ausgegangen, sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbVG dem Sanktionsregime der DSGVO unterworfen (so etwa Bergauer in FS Löschnigg [2019] 741). Das bedeutet, dass Verletzungen der die DSGVO spezifizierenden Vorschriften (dies gilt mE etwa jedenfalls für Bestimmungen des ArbVG, die ausdrücklich die Verarbeitung personenbezogener Daten adressieren [zB § 91 Abs 2; § 96a ArbVG]) mit Geldbußen von bis zu 20 Mio € oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs zu sanktionieren sind, je nachdem, welcher der Beträge höher ist (Art 83 Abs 5 lit d DSGVO). 420