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Ausbildungskostenrückersatz bei Unterbleiben des Ausbildungserfolgs

SOPHIESCHWERTNER (SALZBURG)
  1. AN, die eine Ausbildung nicht erfolgreich absolviert haben, sind nur bei schuldhafter Vereitelung des Abschlusses der Ausbildung zur Rückzahlung der vom AG getragenen Ausbildungskosten verpflichtet.

  2. „Schuldhaftes Vereiteln“ liegt vor, wenn das Unterbleiben des erfolgreichen Ausbildungsabschlusses darauf zurückzuführen ist, dass sich der AN nicht hinreichend bemüht hat. Dies ist der Fall, wenn es dem AN möglich und zumutbar war, sich besser vorzubereiten, und er die Notwendigkeit dazu auch erkennen hätte müssen. Bloßes Unvermögen, zB zufolge körperlicher oder geistiger Unfähigkeit, stellt kein Verschulden des AN dar. Aus dem bloßen Umstand, dass eine Prüfung nicht bestanden wurde, kann nicht auf ein Verschulden geschlossen werden.

  3. Der AG ist für die schuldhafte Vereitelung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung behauptungs- und beweispflichtig.

  4. Eine Vereinbarung, die auch für das unverschuldete Unterbleiben des erfolgreichen Ausbildungsabschlusses eine Rückersatzpflicht des AN vorsieht, ist nach § 879 ABGB unwirksam.

[1] Die die Bekl als ehemalige DN auf Rückerstattung von 5.400 € sA an Ausbildungskosten klagende AG brachte im Verfahren auf das Wesentliche reduziert vor, der Bekl eine externe Ausbildung finanziert zu haben, die diese schuldhaft nicht erfolgreich abgeschlossen habe. Der Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus § 2d AVRAG, der geschlossenen Rückzahlungsvereinbarung und auch aus dem Schadenersatzrecht. [...]

[9] Mag. H* [= Vorgesetzte der Bekl bei der Kl; Anm] und die Bekl unterfertigten am 17.1.2020 folgende „Rückzahlungsvereinbarung für externe Bildungsmaßnahmen“:

[...] 5.) Sollte die Dienstnehmerin die Ausbildung nicht abschließen bzw diese, aus welchen Gründen auch immer vorzeitig beenden, so hat sie dem Dienstgeber die Gesamtkosten zur Gänze zu erstatten, sofern nicht nachgewiesen werden kann, dass der Abbruch aus dienstlichen oder wichtigen persönlichen Gründen (zB schwerer Krankheit) erfolgt ist. [...]

7.) Für den Fall, dass die Dienstnehmerin während der Ausbildung oder innerhalb des unter Punkt 6 der Vereinbarung genannten Zeitraumes das Dienstverhältnis durch

  • Kündigung Dienstnehmerin

  • einvernehmliche Auflösung

  • unberechtigten vorzeitigen Austritt

  • Kündigung durch den Dienstgeber aufgrund schuldhaften Verhaltens

  • verschuldete fristlose Entlassung beendet, verpflichtet sie sich ausdrücklich zum Ersatz der Gesamtkosten gemäß Punkt 1 der Vereinbarung.“ [...]

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[14] [...] Der negative Ausgang auch dieser Prüfung wurde der Bekl am 19.2.2021 nicht in der für sie notwendigen Deutlichkeit vermittelt. Sie verblieb subjektiv im Ungewissen bzw auch einem ausweichenden Nichtkonfrontiertseinwollen. Ein Dokument wurde ihr unmittelbar nach der Prüfung nicht ausgehändigt. Noch am 19.2.2021 übermittelte das Institutssekretariat an Mag. H* ein E-Mail mit dem Wortlaut: „Frau M* [= Bekl; Anm] absolvierte heute die Nachtragsprüfung und die Wiederholungsprüfung: Gesundheits- und Krankenpflege Nachtrag: Nicht genügend. Allgemein und spezielle Pathologie Wiederholungsprüfung: Nicht genügend.

[15] Die Bekl erhielt am 23.2.2021 folgendes E-Mail des Institutssekretariats: „Sehr geehrte Frau M*, Sie haben am 19.2.2021 die Wiederholungsprüfung im Fach „allgemeine und spezielle Pathologie“ bei uns absolviert. Im Anhang sende ich Ihnen diesbezüglich die Rechnung RE 264/2021.“ Sie ging deshalb davon aus, dass sie Pathologie bestanden hatte und schickte ein E-Mail an Mag. H* mit folgendem Wortlaut: „Ich habe Prüfung absolviert, feld noch eine Prüfung und Diplomprüfung. Nexte Woche bin ich auch mit Praktikum fertig, feld noch Diplompraktikum.“ Durch dieses E-Mail fühlte sich Mag. H* einer großen Unaufrichtigkeit der Bekl ausgesetzt. Am 26.2.2021 legte Mag. H* in Anwesenheit ua des BR dar, dass sie das Dienstverhältnis auflösen möchte. Letztlich verweigerte die Bekl die Unterschrift zur einvernehmlichen Lösung und wurde am 1.3.2021 gekündigt. [...]

[29] 1.1. Nach der Rsp muss bei einer Ausbildung, die eine Abschlussprüfung beinhaltet, in der Regel auch diese Prüfung bestanden werden, um eine „erfolgreich absolvierte Ausbildung“ iSd § 2d AVRAG annehmen zu können (9 ObA 97/13z [Pkt I.7] = DRdA 2014/40 [Reiff ] = ZAS 2014/44 [Glowacka]; 8 ObA 74/23z [Pkt 1]; ebenso zB Radner in Reissner/Neumayr, ZellHB AV Klauseln2 [2019] Rz 34.28).

[30] 1.2. Eine solche Ausbildung lag hier vor. Mangels positiven Abschlusses aller nötigen Prüfungen (und Praktika) hat die Bekl die von ihr begonnene, ihr von der Kl finanzierte Ausbildung demnach mangels anderer Ausgangspunkte nicht iSv § 2d Abs 1 AVRAG „erfolgreich absolviert“.

[31] 2. Wurde eine Ausbildung erfolgreich absolviert, so handelt es sich um einen Vorteil des AN, zumal er die ihm vermittelten Spezialkenntnisse am Arbeitsmarkt verwerten kann (statt vieler Windisch-Graetz, Arbeitsrecht12 II [2023] 328). Dies rechtfertigt, dass der AN unter bestimmten – von § 2d AVRAG statuierten – Voraussetzungen zur Rückerstattung der Ausbildungskosten verpflichtet ist. Bei nicht erfolgreichem Ausbildungsabschluss besteht jener Vorteil grundsätzlich nicht. Dies erklärt, warum § 2d Abs 2 Satz 1 AVRAG ausdrücklich „nur hinsichtlich von Ausbildungskosten nach Abs 1“ eine (zwingend schriftliche) Rückerstattungsvereinbarung zwischen AG und AN für „zulässig“ erklärt.

[32] Weil das Gesetz bloß für den Fall der erfolgreichen Absolvierung einer Ausbildung die Möglichkeit vorsieht, eine Rückerstattungsvereinbarung abzuschließen, besteht nach allgemeiner Ansicht bei fehlendem erfolgreichen Ausbildungsabschluss im Rahmen einer solchen Vereinbarung grundsätzlich keine Rückerstattungspflicht (Reissner/Preiss, Die Neuerungen im Recht der Konkurrenzklausel und der Ausbildungskostenklausel, DRdA 2006, 183 [187]; Reissner, Rückzahlung von Ausbildungskosten, in Resch, Arbeitsvertrag und betriebliche sowie außerbetriebliche Weiterbildung [2015] 71 [82]; ders in Reissner/Neumayr, ZellKomm3 I [2018] § 2d AVRAG Rz 9; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG [2016] § 2d Rz 28 ua).

[33] Eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Kosten besteht bei Fehlen eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses iSd § 2d Abs 1 AVRAG aber nach (zutreffender) allgemeiner Ansicht in der Literatur dann, wenn ihn der AN schuldhaft vereitelt hat (Oberhofer, Ausbildungskostenrückersatz und Konkurrenzklausel Neu, ZAS 2006, 152 [155]; Eypeltauer, Offene Fragen des Ausbildungskostenrückersatzes – eine Trilogie, ecolex 2007, 196 [196]; Geiblinger, Wann gilt eine Ausbildung als erfolgreich absolviert iSd § 2d AVRAG? ASoK 2013, 223 [227]; Windisch-Graetz, Arbeitsrecht12 II [2023] 328 ua). In einem solchen Fall ist der AN nämlich nach allgemeinem Schadenersatzrecht dem AG zur Rückzahlung verpflichtet (Mosing, Erfolglose Ausbildung aufgrund mangelnder Vorkenntnisse, RdW 2013, 402 [405]; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG [2016] § 2d Rz 28; Radner in Reissner/Neumayr, ZellHB AV-Klauseln2 [2019] Rz 34.29).

[34] 2.1. Ein „schuldhaftes Vereiteln“ liegt nach der Literatur bereits vor, wenn das Unterbleiben des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung darauf zurückzuführen ist, dass sich der AN nicht hinreichend um ihn bemüht, beispielsweise zu wenig gelernt hat (Eypeltauer, ecolex 2007, 197; Geiblinger, ASoK 2013, 227; Mosing, RdW 2013, 405). Dies erscheint dem erkennenden Senat jedenfalls dann als zutreffend, wenn es dem AN möglich und zumutbar war, sich besser vorzubereiten, und er die Notwendigkeit dazu auch erkennen hätte müssen.

[35] 2.2. Bloßes Unvermögen, zB zufolge körperlicher oder geistiger Unfähigkeit, stellt hier hingegen kein Verschulden des AN dar (zB Eypeltauer, ecolex 2007, 197; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG [2016] § 2d Rz 28). Aus dem bloßen Umstand, dass eine Prüfung nicht bestanden wurde, lässt sich – entgegen der Ansicht der Kl in der Revision – noch nicht auf ein Verschulden schließen. Das Scheitern eines Kandidaten bei einer Prüfung kann zB auch darauf zurückzuführen sein, dass er in der Prüfungssituation ein – als solches unverschuldetes – „Blackout“ hat oder dass er zwar zeitlich betrachtet „viel gelernt“ hat, ihm aber einfach körperliche, geistige oder sonstige – etwa sprachliche – Voraussetzungen für das „Begreifen“ des Lernstoffs und somit einen positiven Prüfungserfolg fehlen.

[36] 2.3. Für die schuldhafte Vereitelung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung ist – entgegen der Ansicht der Kl in der Revision – der AG beweispflichtig (vgl zum Verständnis als Gegeneinwand zum Einwand des AN, die Ausbildung nicht iSv § 2 Abs 1 AVRAG „erfolgreich absolviert“ zu haben, Reissner in Resch 82; im Ergebnis auch Geiblinger, ASoK 2013, 227). 124

[37] 2.4. Dass die Bekl zu den Prüfungen angetreten ist und auch gelernt hat, stellt die Kl nicht in Zweifel. Es wurde auch nicht – wovon die Revision aber ausgeht – festgestellt, dass die Bekl in der Zeit, in der sie nicht krank war, „zu wenig lernte“. Was tatsächlich die Ursache für das Nichtbestehen der Prüfungen aus Gesundheits- und Krankenpflege sowie Pathologie war, blieb im Dunkeln. Eine angemessene Erleichterung für die Erbringung des Beweises der Verletzung der Bemühensverpflichtung, also für ein typischerweise außerhalb des Betriebs und der Wahrnehmbarkeit durch den AG gesetztes Verhalten, könnte in der Einbringung eines Indizienbeweises liegen. Konkrete Indizien, die für eine Verletzung der Bemühensverpflichtung der Bekl sprechen würden, hat die Kl so nicht releviert; eine dahingehende Feststellung wurde nicht getroffen (vgl zur bloßen Überprüfbarkeit im Rahmen der Beweiswürdigung RIS-Justiz RS0040278; RS0043521). Gegen die Anwendung des Anscheinsbeweises spricht, dass jedenfalls hier keine „typische formelhafte Verknüpfung“ zwischen dem negativen Prüfungsergebnis und der Verletzung der Bemühensverpflichtung besteht (vgl ausführlich zu den Voraussetzungen von Anscheins- und Indizienbeweis 9 ObA 177/07f). Die Kl ist insofern ihrer Beweispflicht für ein schuldhaftes Vereiteln des erfolgreichen Ausbildungsabschlusses durch die Bekl nicht nachgekommen. Auch dass die Bekl die restlichen Praktikumsstunden nicht mehr ableistete und zu den noch notwendigen restlichen Prüfungen nicht mehr antrat, ist ihr nicht vorzuwerfen. Sie war in dieser Zeit bereits von der Kl wegen deren irriger Annahme, die Bekl wäre hinsichtlich ihres Prüfungserfolgs unaufrichtig gewesen, gekündigt worden, und die Kl hatte ihre nach einer mehrwöchigen Erkrankung gestellte Bitte nach einer Ausbildungsunterbrechung bzw Ermöglichung dessen, dass sie für die bevorstehenden letzten Prüfungen mehr Zeit zum Lernen habe, kurzerhand abgelehnt. Dass die Bekl anders als andere AN der Kl, die zuvor beim Grazer Institut erfolgreich dieselbe Ausbildung absolvierten, den mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden Erschwerungen ausgesetzt war, maß die Kl – dabei insoweit ihre Fürsorgepflicht als AG verletzend – offenbar keine Relevanz bei. Zudem war die Bekl mit angesichts der Höhe ihres Gehalts nicht geringen Kosten für die eingetretene Ausbildungsverlängerung konfrontiert, obgleich ihr Mag. H* im Dezember 2019 gesagt hatte, dass die Kl „die Kosten“ – also alle Kosten – übernehmen werde. Es war der Kl im Lichte dieser Gesamtsituation schlicht unzumutbar, weiterhin den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung anzustreben.

[38] Zumal der Bekl – wie bereits vom Berufungsgericht erkannt und von ihm zutreffend im einzelnen begründet (§ 510 Abs 3 ZPO) und von der Kl in der Revision nicht substantiiert in Abrede gestellt – damit kein Verschulden am ausgebliebenen Erfolg ihrer Ausbildung nachgewiesen wurde, kann der eingeklagte Rückzahlungsanspruch jedenfalls nicht schadenersatzrechtlich begründet werden.

[39] 3. Die Kl hält in ihrer Revision ihren Standpunkt aufrecht, dass sie – insofern ist ihr auch vom erkennenden Senat nicht entgegenzutreten – nach dem Wortlaut des Pktes 5 der abgeschlossenen Rückzahlungsvereinbarung einen Rückzahlungsanspruch hätte. Sie bestreitet aber zu Unrecht die Richtigkeit der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung (jedenfalls insofern) gegen § 879 ABGB verstoße:

[40] Zum einen spricht bereits ein Umkehrschluss aus § 2 Abs 2 Satz 1 AVRAG gegen die Zulässigkeit einer Vereinbarung, dass der AN auch bei von ihm nicht verschuldetem Unterbleiben eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses dem AG die von ihm getragenen Ausbildungskosten zu ersetzen hat. Eine Rückerstattung ist ja „nur hinsichtlich von Ausbildungskosten nach Abs 1 [...] zulässig“. Dass bei fehlendem Verschulden des AN von diesem kein Rückersatz verlangt werden kann, ergibt sich auch aus der aus § 2 Abs 4 AVRAG ersichtlichen Wertung.

[41] Zum anderen ist es ein zwingender arbeitsrechtlicher Grundsatz, dass den AN aus dem Arbeitsvertrag lediglich die Verpflichtung trifft, sich entsprechend seiner Qualifikation und Ausbildung zu bemühen, die versprochenen Dienste zu leisten (Felten in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 [2022] § 1151 Rz 23 mwN). Genauso schuldet der AN allein die Bemühung zum erfolgreichen Abschluss einer vom AG finanzierten (und vom AN akzeptierten) Ausbildung. Dem AN vertraglich auch für den Fall, dass ihm am Nichtabschluss der Ausbildung kein Verschulden trifft, eine Rückzahlungspflicht aufzuerlegen, stünde mit dem genannten arbeitsrechtlichen Grundsatz in Konflikt, fällt das Risiko, für die zu erbringende (hier Neben-)Leistung (hier: Absolvieren einer Ausbildung) geeignete Personen auszuwählen, doch in die Risikosphäre des AG (vgl Eypeltauer, ecolex 2007, 197; Glowacka, Glosse zu 9 ObA 97/13z, ZAS 2014, 276 [278]).

[42] Nach dem Wortlaut der zwischen den Streitparteien geschlossenen Vereinbarung kann die Kl von der Bekl die Rückzahlung der Ausbildungskosten auch dann verlangen, wenn diese am ausgebliebenen erfolgreichen Ausbildungsabschluss kein Verschulden trifft. Wird – wie hier – auch für das unverschuldete Unterbleiben des erfolgreichen Ausbildungsabschlusses eine Rückersatzpflicht des AN vereinbart, so ist die – hier während des Arbeitsverhältnisses zur Verbesserung der Einsetzbarkeit der AN geschlossene – Rückersatzvereinbarung jedenfalls insofern nach § 879 ABGB unwirksam (vgl Marhold/Brameshuber/Friedrich, Arbeitsrecht4 [2021] 215 f mwH; zur – hier nicht entscheidungsrelevanten – Frage der Reichweite der Unwirksamkeit einer Rückzahlungsvereinbarung hinsichtlich unrichtiger Aliquotierung vgl etwa 8 ObA 33/20s = DRdA 2021/8 [Eypeltauer] und Haider, Aus-, Fort- und Weiterbildung im Arbeitsverhältnis, DRdA 2023, 108 [116 und 118]). Auch auf die geschlossene Vereinbarung kann daher das Klagebegehren nicht gestützt werden.

[43] 4. Zumal der Bekl gerade kein Verschulden am ausgebliebenen Erfolg ihrer Ausbildung zur Last fällt, bedarf hier keiner Erörterung, ob ein im Fall des Verschuldens bestehender – sei es allein auf Schadenersatzrecht, sei es auf eine Vereinbarung gestützter – Rückzahlungsanspruch analog dem 125 DHG Beschränkungen unterläge (vgl dazu Mosing, RdW 2013, 405; Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 6/263). [...]

[44] 5. Die Abweisung der Klage mangels einer tragfähigen Anspruchsgrundlage durch die Vorinstanz ist rechtsrichtig. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Das Urteil enthält die für die Praxis relevante Klarstellung, dass AG die Kosten einer nicht erfolgreich absolvierten Ausbildung nur zurückverlangen können, wenn der AN den Ausbildungsabschluss schuldhaft vereitelt hat. Das wurde in der Literatur zwar schon bisher so gesehen (etwa Oberhofer, ZAS 2006, 152 [155]; Eypeltauer, ecolex 2007, 196 [196]; Geiblinger, ASoK 2013, 223 [227]; Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II12 [2023] 328), ist nunmehr aber höchstgerichtlich abgesichert.

Der Anlassfall betraf die – nicht erfolgreich abgeschlossene – Ausbildung zur „diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester“. Die in Serbien geborene und seit 2011 in Österreich aufhältige Bekl sollte diese in Ergänzung zu einer nicht gleichwertigen ausländischen Ausbildung als Krankenschwester bzw aufbauend auf jene zur Pflegeassistenz absolvieren. Sie hatte zwar Teile der in Rede stehenden Ausbildung druchlaufen, jedoch zentrale Prüfungen nicht bestanden. Die Kl, die für die Ausbildungskosten aufgekommen war, stützte ihr letztlich erfolgloses Rückersatzbegehren auf zwei Anspruchsgrundlagen, nämlich allgemeines Schadenersatzrecht sowie die zwischen den Parteien vor Ausbildungsbeginn abgeschlossene „Rückzahlungsvereinbarung“.

2.

Der erkennende Senat des OGH befasste sich zunächst mit der Regelung des § 2d Abs 2 AVRAG. Danach ist eine Rückerstattung bei Vorliegen einer schriftlichen Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien nur in Hinblick auf Ausbildungskosten nach Abs 1 der Bestimmung „zulässig“, dh für den AN verpflichtend. Im gegenständlichen Fall lag augenscheinlich eine Ausbildung iSv § 2d Abs 1 AVRAG vor; angemerkt sei daher im Lichte desselben lediglich, dass die Beurteilung hierbei unabhängig von der in den Berufsgesetzen der Gesundheitsberufe vorgenommenen Differenzierung zwischen „Aus-, Weiter- und Fortbildungen“ vorzunehmen ist. Zu Recht verneinte der Gerichtshof allerdings das Bestehen einer Rückerstattungspflicht, da die angestrebte Ausbildung nicht wie nach § 2d Abs 1 AVRAG erforderlich „erfolgreich absolviert“ wurde. Grundsätzlich ist „erfolgreiches Absolvieren“ aber weit zu verstehen, können Ausbildungen, mit denen am Arbeitsmarkt verwertbare theoretische und praktische Kenntnisse vermittelt werden, doch sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Für die Beurteilung des Erfolgs ist nach der Rsp, wenn die Vermittlung des Wissens und der Fähigkeiten am Ausbildungsende einer Prüfung unterzogen werden, das Bestehen derselben maßgeblich. Der Erwerb überprüfbarer Qualifikationen muss aber nicht in jedem Fall vorgesehen sein (vgl OGH 9 ObA 97/13z DRdA 2014, 416 [Reiff ] = ZAS 2014, 273 [Glowacka]; zuletzt auch OGH 11.1.2024, 8 ObA 74/23z). Die Rückersatzfähigkeit von Kosten, die bei Selbsterfahrungskursen, Coachings, Motivationstrainings, Supervisionen oder dergleichen anfallen, wird in der Literatur jedoch nachvollziehbarerweise kritisch gesehen (vgl etwa Heilegger, RdW 2006, 287 [288]; Eypeltauer, ecolex 2007, 196 [197]). Bei derartigen Maßnahmen ist nämlich nicht nur fraglich, ob überhaupt von einem erfolgreichen Absolvieren die Rede sein kann, sondern wird es vielfach auch an der Vermittlung verwertbarer Spezialkenntnisse iSd § 2d Abs 1 AVRAG mangeln. Insofern ist nach der Rsp auch eine für den AN völlig wertlose, weil nicht verständliche Ausbildung nicht als „erfolgreich“ iSd § 2d AVRAG anzusehen (OGH 27.11.2012, 8 ObA 51/12a). Im gegenständlichen Fall hatte die Bekl zwar Teile der Ausbildung absolviert, jedoch zwei Prüfungen nicht bestanden sowie notwendige Praktikumsstunden nicht vollständig abgeleistet. Da sie sodann zu noch ausständigen Prüfungen nicht mehr angetreten und bei objektiver Betrachtung auch nicht von einer bloß zwischenzeitlichen Ausbildungsunterbrechung auszugehen war, lag ein Ausbildungsabbruch vor, durch welchen die vereinbarte Rückzahlungspflicht ausgelöst wurde.

Als nicht entscheidungsrelevant erachtete der OGH im Übrigen das Fehlen der von § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG geforderten Aliquotierungsregelung. Dieser Umstand hätte allerdings die Gesamtunwirksamkeit der Rückersatzvereinbarung bewirkt (OGH 1.4.2009, 9 ObA 126/08g; OGH 16.11.2009, 9 ObA 53/09y). Nicht näher eingehen musste der Gerichtshof ferner darauf, dass gem § 2d Abs 4 Z 5 AVRAG bei AG-Kündigungen kein Rückersatzanspruch besteht, es sei denn, der AN hat durch schuldbares Verhalten dazu begründeten Anlass gegeben. Die Gründe einer derartigen vom AN provozierten Vertragslösung müssen zwar nicht vom Gewicht eines Entlassungsgrundes sein, jedoch eine tiefgreifende Störung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen („erhebliche Zerrüttung“; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair [Hrsg], AVRAG3 § 2d Rz 37). Eine solche lag hier nicht vor; die Kündigung seitens der Kl beruhte vielmehr auf der irrigen Annahme, die Bekl wäre hinsichtlich ihres Prüfungserfolgs unaufrichtig gewesen.

3.
Schadenersatzrecht

In der Literatur wird seit geraumer Zeit die Auffassung vertreten, dass der AN im Falle des schuldhaften Vereitelns des Ausbildungserfolgs nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts (§ 1295 iVm §§ 1323, 1331 f ABGB) zum Rückersatz frustrierter Ausbildungskosten verpflichtet sein kann (Oberhofer, ZAS 2006, 152 [155]; Eypeltauer, ecolex 2007, 196 [196]; Geiblinger, ASoK 2013, 223 [227]; Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II12 328), erleidet der AG diesfalls doch einen Vermögensschaden. Der 126

OGH bestätigte dies nun. Ein „schuldhaftes Vereiteln“ könne vorliegen, wenn der AN sich nicht hinreichend um den Prüfungserfolg bemüht hat, er etwa zu wenig gelernt hat, obwohl ihm eine bessere Vorbereitung möglich sowie zumutbar gewesen wäre, und er die Notwendigkeit dazu erkennen hätte müssen. Aus dem bloßen Umstand eines negativen Prüfungserfolgs lasse sich, so der OGH, jedoch noch nicht auf ein Verschulden schließen. Bloßes Unvermögen, zB zufolge körperlicher oder geistiger Unfähigkeit, stelle kein Verschulden des AN dar. Schneidet der AN bei der Ausbildungsprüfung negativ ab, so ist folglich danach zu differenzieren, ob ihm das Scheitern vorwerfbar oder ob dieses lediglich auf sein Unvermögen zurückzuführen ist. In der vorzunehmenden Gesamtschau der Umstände werden mE die persönlichen Verhältnisse (Vorwissen, Lernfähigkeit etc) sowie die Rahmenbedingungen der konkreten Ausbildung (Stoffumfang, Durchfallquoten etc) zu berücksichtigen sein. Entsprechend allgemeiner arbeitsrechtlicher Wertungen muss ein ernsthaftes Bemühen um eine wenigstens durchschnittliche Leistung genügen (dazu ausführlich Brameshuber, Die Sorgfalt des Arbeitnehmers [2019] 31 ff); AN sind nicht verpflichtet, sich „bestmöglich“ auf eine Prüfung vorzubereiten. Nicht vorwerfbar ist es dem AN, wenn Kurse krankheitsbedingt oder bei Vorliegen eines dem Abschluss entgegenstehenden Dienstverhinderungsgrundes (§ 8 Abs 3 AngG, § 1154b Abs 5 ABGB) nicht erfolgreich absolviert werden (Geiblinger, ASoK 2013, 223 [227 f]; Radner in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellHB AV-Klauseln2 BT, 34. Klausel, Rz 34.29) oder eine Prüfung trotz ausreichender Vorbereitung aufgrund eines „Blackouts“ misslingt. Dass der AN vom AG entgegen seinem Willen zu einer Ausbildung gedrängt wurde, zu der er an sich nicht verpflichtet ist, wird hingegen nicht jedes Verschulden ausschließen. Eine Rückforderung kommt zudem in Betracht, wenn die Ausbildung grundlos nicht angetreten oder mutwillig abgebrochen wird, etwa weil der AN anderswo ein Jobangebot annimmt (Mosing, RdW 2013, 402 [405]). Auch gänzlich fehlendes Engagement, das sich etwa in der bloß „passiven“ Teilnahme an Kurseinheiten, ohne sich ein einziges Mal mit dem prüfungsrelevanten Skriptum zu befassen, manifestiert, fällt mMn darunter.

Ungeklärt ist weiterhin freilich, ob eine Vereinbarung, die an der schuldhaften Vereitelung des Abschlusses einer vom AG bezahlten Ausbildung anknüpft, analog zu § 2d Abs 2 AVRAG der Schriftform bedarf. Dafür spricht mE jedenfalls, dass der Zweck des Schriftlichkeitsgebots, nämlich dem AN vor Augen zu führen, welche finanziellen Verpflichtungen allenfalls auf ihn zukommen, in derartigen Konstellationen gleichfalls schlagend wird. Eine solche Vereinbarung wird damit auch nur bei Abschluss vor Ausbildungsbeginn zulässig sein (vgl OGH 2.9.2021, 9 ObA 85/21x).

4.
Beweisprobleme

Es entspricht allgemeinen schadenersatzrechtlichen Beweislastgrundsätzen (§ 1296 ABGB), dass – wie der OGH festhält – der AG für die schuldhafte Vereitelung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung beweispflichtig ist. Hinzunehmen ist idZ, dass das maßgebliche Verhalten des AN mitunter im privaten Bereich gesetzt wird und für den AG sohin nicht ganz einfach überprüfbar ist (vgl dazu den Einwand von Mazal, ecolex 2024, 534). Dabei handelt es sich um keine Ausnahmeerscheinung im Arbeitsrecht, so liegt etwa auch die Beweislast dafür, dass der AN eine Dienstverhinderung wegen Krankheit oder Unglücksfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, beim AG und werden die Gründe hier iaR gleichfalls in der privaten Sphäre zu finden sein. Der AG kann sich idZ, wie der OGH zutreffenderweise betont, zwar nicht mit einem Anscheinsbeweis behelfen, da es an der typischen formelhaften Verknüpfung zwischen negativen Prüfungsergebnissen und der Verletzung der Bemühensverpflichtung mangelt; maW also keine Erfahrungssätze bestimmter typischer und daher wahrscheinlicher Geschehensabläufe existieren, die als mittelbarer Beweis dienen könnten. Zulässig ist jedoch die Erbringung eines Indizienbeweises. Fehlender Lerneifer oder der Prüfungsleistung abträgliches Verhalten am Vorabend bspw können für AG so, wenngleich wohl auf Extremfälle beschränkt, beweisbar sein. Allerdings kann sich auch eine Aufklärungsobliegenheit des AN über ihm bekannte eigene Unzulänglichkeiten, zB körperlicher, geistiger oder sprachlicher Natur, die dem Ausbildungserfolg entgegenstehen, nach den Umständen des Einzelfalls aus der Treuepflicht ergeben.

Im Anlassfall wurde der AN kein Verschulden am Unterbleiben des erfolgreichen Ausbildungsabschlusses nachgewiesen; die Ursachen für den negativen Prüfungserfolg blieben letztlich ungeklärt. Die Bekl hatte durchaus gelernt und war zu den Prüfungen angetreten; konkrete Indizien, die für eine Verletzung der Bemühensverpflichtung sprechen würden, hatte die Kl nicht vorgebracht und dahingehende Feststellungen wurden nicht getroffen. Die AN war sohin aus dem Titel des Schadenersatzes nicht zur Rückzahlung verpflichtet.

5.
Sittenwidrigkeit der Vereinbarung

Die vorliegende Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung hätte den konkreten Fall ihrem Wortlaut nach zwar durchaus erfasst, der OGH beurteilte diese jedoch als sittenwidrig und damit unwirksam iSv § 879 ABGB; dies unter Verweis auf § 2d Abs 2 Satz 1 AVRAG e contrario, die Wertungen des Abs 4 par cit (rückforderungsschädliche Beendigungsarten) und die allgemeine arbeitsrechtliche Risikoverteilung. Das ist schlüssig, trifft den AN auch aus dem Arbeitsvertrag lediglich die Verpflichtung, sich entsprechend seiner Qualifikation redlich zu bemühen, die vereinbarten Dienste zu leisten. Die Arbeitspflicht ist erfüllt, wenn das Ergebnis zwar mangelhaft, dem AN aber kein Sorgfaltsverstoß anzulasten ist. Ihn vertraglich selbst für den Fall des unverschuldeten Nichtabschlusses der Ausbildung zur Rückzahlung zu verpflichten, stünde mit diesem Grundsatz in Widerspruch. Das Risiko, die für des Absolvieren einer Ausbildung geeignete Person auszuwählen, fällt idS in die Sphäre des AG. 127

Nach der vorliegenden E kann sohin ein genereller, vom Verschulden losgelöster Rückforderungsanspruch nicht wirksam vereinbart werden. Ein Anspruch auf Rückerstattung, etwa auch von Stornokosten, kann bei Fehlen eines positiven Ausbildungsabschlusses nur gegeben sein, wenn der AN diesen schuldhaft vereitelt hat. Offenlassen konnte der OGH letztlich mangels Entscheidungsrelevanz, ob ein bei Verschulden bestehender Rückzahlungsanspruch analog den Beschränkungen des DHG einer Mäßigung unterliegen kann. Dies wird mE dann der Fall sein, wenn eine (arbeitsvertragliche) Fortbildungsverpflichtung besteht oder zumindest das Interesse des AG an der Ausbildung jenes des AN überwiegt, und die Ausbildungszeit als Arbeitszeit gilt, da diesfalls der vom DHG vorausgesetzte Zusammenhang mit der Dienstleistung vorliegt (vgl Mosing, RdW 2013, 402 [405]; Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 6/263).