9Arbeitslosigkeit bei Fortführung der geringfügigen Beschäftigung nach Arbeitslosenversicherungspflicht aufgrund von mehrfach geringfügiger Beschäftigung
Arbeitslosigkeit bei Fortführung der geringfügigen Beschäftigung nach Arbeitslosenversicherungspflicht aufgrund von mehrfach geringfügiger Beschäftigung
Als arbeitslos iSd § 12 Abs 1 und 2 AlVG gilt insb nicht, wer gem § 12 Abs 1 lit h AlVG beim selben DG eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.
Seit 1.4.2024 sind alle DN, die aus einer oder mehreren Beschäftigung/en ein Entgelt erzielen, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 ASVG übersteigt, gem § 1 Abs 1 lit a AlVG arbeitslosenversichert (VfGH 6.3.2023, G 296/2022).
Die zur mehrfach geringfügigen Beschäftigung ergangene Durchführungsweisung des BMAW vom 7.5.2024, 2024-0.343.191, regelt seit 1.4.2024 die Anwendung des § 12 Abs 3 lit h AlVG auf geringfügige Dienstverhältnisse, die nach einer Arbeitslosenversicherungspflicht bei mehrfach geringfügiger Beschäftigung geringfügig fortgeführt werden.
Die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung beim selben DG, also eine bestimmte vertragliche Gestaltung, kann nicht mit dem Wegfall der Vollversicherungspflicht wegen des Nichtüberschreitens der Geringfügigkeitsgrenze infolge der Beendigung einer anderen Beschäftigung gleichgesetzt werden.
[1] Mit Bescheid vom 13.5.2024 sprach die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) der Mitbeteiligten auf Grund ihres Antrags vom 15.4.2024 Arbeitslosengeld ab dem 8.5.2024 zu. Das wurde damit begründet, dass die Mitbeteiligte „aufgrund der aktuellen Bestimmungen zum § 12/3h AlVG“ sämtliche Voraussetzungen für das Arbeitslosengeld (erst) ab 8.5.2024 erfüllt habe.
[2] Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte geltend, dass ihr das Arbeitslosengeld schon ab dem 15.4.2024 zuzuerkennen gewesen wäre.
[3] Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG der Beschwerde statt. Es änderte den Bescheid des AMS dahingehend ab, dass der Mitbeteiligten Arbeitslosengeld ab dem 16.4.2024 zuerkannt wurde.
[4] Das BVwG stellte fest, dass die Mitbeteiligte im Zeitraum 27.11.2023 bis 15.4.2024 eine vollversicherte Beschäftigung bei der DG T ausgeübt habe. Davor sei sie von 19.4.2021 bis 24.11.2023 bei der DG D vollversichert beschäftigt gewesen. Weiters sei sie von 1.6.2016 bis 7.5.2024 in einem geringfügigen Dienstverhältnis beim DG B gestanden. Ihr monatliches Einkommen sei im Jahr 2024 stets unter € 518,44 gelegen.
[5] In seiner rechtlichen Beurteilung widersprach das BVwG mit ausführlicher Begründung der dem Bescheid des AMS zugrunde liegenden Auffassung, wonach ein Fall des § 12 Abs 3 lit h AlVG vorliege, wenn durch Wegfall eines parallel bestehenden vollversicherten Dienstverhältnisses die Vollversicherungspflicht für das geringfügige Dienstverhältnis ende. Mangels Anwendbarkeit des § 12 Abs 3 lit h AlVG sei die Mitbeteiligte bereits ab dem 16.4.2024 arbeitslos gewesen. Sie habe auch sonst alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, weshalb ihr ab diesem Datum Arbeitslosengeld zuzuerkennen gewesen sei.
[6] Gem § 25a Abs 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gem Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei. Zwar möge das AMS entsprechend einer Durchführungsweisung des Bundesministers eine eigene Rechtsansicht betreffend den Anwendungsbereich des § 12 Abs 3 lit h AlVG vertreten, doch stehe dieser der klare Wortlaut der Bestimmung bzw eine eindeutige Rsp des VwGH entgegen, auf die sich das BVwG stützen habe können.
[7] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der VwGH erwogen hat:
[8] Das AMS bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, dass seit 1.4.2024 mehrere geringfügige Beschäftigungen, die insgesamt über der Geringfügigkeitsgrenze lägen, sowie geringfügige Beschäftigungen, die parallel zu einer vollversicherten Beschäftigung ausgeübt würden, der Pflichtversicherung in der AlV unterlägen. Wenn man davon ausgehe, dass in diesen Fällen sämtliche geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse beendet werden müssten, um den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit herbeizuführen, sei konsequenterweise auch § 12 Abs 3 lit h AlVG entsprechend anzuwenden (Hinweis auf Pfalz, Mehrfache geringfügige Beschäftigung in der Sozialversicherung, insb in der Arbeitslosenversicherung, ZAS 2024/25). Es fehle an einer Rsp des VwGH zu der Frage, ob bei einem Wegfall der Arbeitslosenversicherungspflicht des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses eine „neue geringfügige Beschäftigung“ iSd § 12 Abs 3 lit h AlVG iVm § 1 Abs 4 AlVG vorliege. Die Definition von „neuer geringfügiger Beschäftigung“ in § 12 Abs 3 lit h AlVG habe sich durch den Wegfall einer Wortfolge in § 1 Abs 4 AlVG mit 1.4.2024 geändert. Es sei entscheidend, ob der Wegfall der Vollversicherung eines Dienstverhältnisses und dessen Fortsetzung als geringfügiges Dienstverhältnis der Aufnahme 114 einer geringfügigen Beschäftigung beim selben DG iSd § 12 Abs 3 lit h AlVG gleichzusetzen sei.
[9] Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
[...]
[11] Die im vorliegenden Fall strittigen Auslegungsfragen ergeben sich aus der Aufhebung der Wortfolge „Abs 2“ in § 1 Abs 4 AlVG (betreffend die Abgrenzung des Kreises der in der AlV Pflichtversicherten) durch das Erkenntnis des VfGH vom 6.3.2023, G 296/2022, mit Wirkung vom 1.4.2024. Diese Aufhebung hat dazu geführt, dass nun alle DN, die aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielen, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 ASVG übersteigt, gem § 1 Abs 1 lit a AlVG arbeitslosenversichert sind (vgl Rn 44 des Erkenntnisses des VfGH). Die Pflichtversicherung in der AlV besteht also auch für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, wenn das daraus zustehende Entgelt zusammen mit dem Entgelt aus weiteren (geringfügigen oder vollversicherten) Beschäftigungsverhältnissen über der Geringfügigkeitsgrenze liegt.
[12] Das bedeutet aber nicht, dass dem formell unveränderten § 12 Abs 1 iVm Abs 6 lit a AlVG nun ein anderer Inhalt beizumessen wäre. Weiterhin steht daher eine (sei es nicht beendete, sei es neu aufgenommene) bloß geringfügige Beschäftigung der Arbeitslosigkeit grundsätzlich nicht entgegen (vgl auch den Hinweis auf § 12 Abs 6 lit a AlVG in Rn 39 des genannten Erkenntnisses des VfGH). Es genügt somit, dass gem § 12 Abs 1 Z 1 AlVG (zumindest) eine anwartschaftsbegründende Erwerbstätigkeit beendet wird und gem § 12 Abs 1 Z 2 AlVG keine Pflichtversicherung in der PV mehr besteht sowie mit dem/den verbleibenden oder/ und neu hinzukommenden Entgeltanspruch/Entgeltansprüchen insgesamt nicht (mehr) die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird (also gem § 12 Abs 1 Z 3 iVm Abs 6 lit a AlVG keine der Arbeitslosigkeit entgegenstehende „neue oder weitere“ Beschäftigung ausgeübt wird; vgl zum Zusammenhang zwischen § 12 Abs 1 Z 3 und Abs 6 lit h AlVG VwGH 2.5.2012, 2009/08/0155).
[13] Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit Beitragsgrundlagen aus einer nicht beendeten geringfügigen Beschäftigung in die Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes einzubeziehen sind (vgl dazu Pfalz, ZAS 2024/25). Sie ist durch Auslegung des § 21 AlVG zu beantworten, berührt aber nicht die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit iSd § 12 AlVG. Im vorliegenden Fall kamen ohnedies noch keine nach der ab 1.4.2024 geltenden Rechtslage unter Einbeziehung von Beiträgen aus geringfügigen Beschäftigungen gebildeten Beitragsgrundlagen für die Bemessung des Anspruchs in Betracht.
[14] Was § 12 Abs 3 lit h AlVG betrifft, so ist diese Bestimmung schon ihrem klaren Wortlaut nach nicht auf eine Konstellation wie die hier vorliegende anzuwenden. Die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung beim selben DG – also eine bestimmte vertragliche Gestaltung – kann nicht mit dem Wegfall der Vollversicherungspflicht wegen des Nichtüberschreitens der Geringfügigkeitsgrenze infolge der Beendigung einer anderen Beschäftigung gleichgesetzt werden.
[15] Das wird durch auch vom BVwG ins Treffen geführte teleologische Überlegungen gestützt: Die genannte, durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl Nr 201, (damals als lit i) eingefügte Bestimmung sollte nämlich nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP 234 f) Missbrauchsmöglichkeiten hintanhalten, seien doch vermehrt Fälle aufgetreten, in denen ein AN beim selben AG von einem vollversicherten Dienstverhältnis in ein geringfügiges Dienstverhältnis wechsle und daneben Arbeitslosengeld beziehe. In einem solchen Fall solle der Anspruch auf Arbeitslosengeld daher ausgeschlossen sein, wenn zwischen dem Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung nicht ein Zeitraum von mehr als einem Monat liege. Es entspricht der Rsp des VwGH, dass die vom Gesetzgeber angenommene Missbrauchsmöglichkeit des vom jeweiligen Bedarf des AG abhängigen Wechsels des AN in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei (teilweiser) Substitution des Entgeltausfalles durch Arbeitslosengeld indiziert ist, wenn zwischen einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis und einer späteren geringfügigen Beschäftigung beim selben DG ein Zeitraum von weniger als einem Monat liegt (vgl VwGH 6.3.2018, Ra 2017/08/0048). Wird aber ein Beschäftigungsverhältnis unverändert fortgeführt, während der Wegfall der Vollversicherungspflicht nur die Folge der Beendigung eines anderen Beschäftigungsverhältnisses mit einem anderen DG ist, dann ist die Möglichkeit eines Missbrauchs von vornherein ausgeschlossen (vgl auch VwGH 23.5.2012, 2011/08/0138, wo der VwGH mangels Missbrauchsmöglichkeit die Anwendung des § 12 Abs 3 lit h AlVG auf selbständige Erwerbstätigkeiten ablehnte).
[16] Da die behauptete Rechtsverletzung daher nicht vorliegt und schon der Inhalt der Revision dies erkennen ließ, war die Revision gem § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.
Arbeitslosigkeit liegt gem § 12 Abs 3 lit h AlVG nur dann nicht vor, wenn das geringfügige Dienstverhältnis ohne Unterbrechung von einem Monat beim selben DG aufgenommen wird. War das geringfügige Dienstverhältnis aber nur aufgrund der seit 1.4.2024 in Kraft getretenen Gesetzesänderung zur mehrfach geringfügigen Beschäftigung arbeitslosenversicherungspflichtig, stellt der VwGH nun klar, dass dennoch zu keinem Zeitpunkt ein vollversichertes Dienstverhältnis vorlag, welches die Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat. Auch macht es keinen Unterschied, ob mehrere geringfügige Beschäftigungen insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten oder ob die geringfügige Beschäftigung parallel zu einer vollversicherten Beschäftigung ausgeübt wurde. 115
Die Versicherungspflicht beginnt aufgrund einer mehrfach geringfügigen Beschäftigung entweder mit Meldung der besonderen Formalversicherung gem § 471g ASVG oder gem § 471f ASVG rückwirkend mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist. Bei der besonderen Formalversicherung muss die der Vollversicherung unterliegende Person dem Versicherungsträger glaubhaft mitteilen, dass ihre monatlichen allgemeinen Beitragsgrundlagen aus zwei oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz den im § 5 Abs 2 ASVG angeführten Betrag im monatlichen Durchschnitt voraussichtlich übersteigen werden. Erst ab dem Zeitpunkt, für den erstmals die Beiträge entrichtet worden sind, besteht dann eine besondere Formalversicherung und endet erst, wenn die Person die genannte Mitteilung widerruft. Für Personen, die mit Dienstleistungsscheck entlohnt werden, endet die besondere Formalversicherung mit Ablauf des ersten Kalendermonats, wenn für zwei aufeinander folgende Kalendermonate kein Dienstleistungsscheck eingelöst wird. Gem § 471h ASVG beginnt die Pflichtversicherung in dem Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und zwar rückwirkend mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist und endet mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem die Voraussetzungen hierfür wegfallen. Sowohl bei der Pflichtversicherung gem § 471h ASVG als auch bei der besonderen Formalversicherung gem § 471g ASVG wird die Pflichtversicherung durch den Dachverband erst einige Monate später festgestellt. Ausschließlich die Zusammenrechnung der geringfügigen Einkünfte führt zur Pflichtversicherung. Jedes für sich betrachtete Dienstverhältnis bleibt für sich aber als geringfügiges Dienstverhältnis bestehen. Die derzeitige Gesetzeslage zur Pflichtversicherung von mehrfach geringfügigen Beschäftigungen lässt eine andere Auslegung nicht zu.
Der VwGH hat mit diesem Erkenntnis auch nochmals bestätigt, dass es einer vertraglichen Änderung des Dienstverhältnisses bedarf. Eine ausschließliche Versicherungspflicht und die Fortführung des geringfügigen Dienstverhältnisses schließt Arbeitslosigkeit aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelung nicht aus. In diesem Zusammenhang wird in gegenständlichem Erkenntnis auch auf bereits vorliegende VwGH-Judikatur vom 2.5.2012, 2009/08/0155, verwiesen.
Bereits in diesem Erkenntnis wurde klargestellt, wenn man § 12 Abs 1 Z 3 AlVG dahin verstehen wollte, dass die Ausübung einer neuen (dh nach Beendigung der anwartschaftsbegründenden Erwerbstätigkeit begonnenen) oder weiteren (dh schon neben einer anwartschaftsbegründenden oder sonst nach § 12 Abs 3 AlVG Arbeitslosigkeit ausschließenden Erwerbstätigkeit ausgeübten) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) Arbeitslosigkeit auch dann ausschließen würde, wenn sie geringfügig wäre, stünde dies im Widerspruch zu § 12 Abs 6 AlVG, wonach geringfügig Erwerbstätige iS dieser Bestimmung ausdrücklich als arbeitslos gelten (vgl zur Systematik des § 12 AlVG mit Ausnahmen und Gegenausnahmen das herausgegebene VwGH-Erkenntnis vom 4.7.2007, 2007/08/0092).
Soll § 12 Abs 6 AlVG nicht ohne Anwendungsbereich bleiben, ist daher – wie bereits nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl I 2007/104 – davon auszugehen, dass die Ausübung einer „geringfügigen Erwerbstätigkeit“ in den in § 12 Abs 6 AlVG näher festgelegten Grenzen weiterhin Arbeitslosigkeit iSd § 12 Abs 1 AlVG nicht ausschließt, egal ob diese Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) noch während der aufrechten (anwartschaftsbegründenden oder die Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs 3 AlVG ausschließenden) Erwerbstätigkeit oder erst nach deren Beendigung aufgenommen wird, sofern keine Pflichtversicherung in der PV (§ 12 Abs 1 Z 2 AlVG) vorliegt. Somit ist auch eine Unterbrechung von einem Monat für das Vorliegen der Arbeitslosigkeit nicht notwendig, auch wenn das geringfügige Beschäftigungsverhältnis aufgrund von mehrfacher geringfügiger Beschäftigung zuvor gem § 471g ASVG oder gem § 471h ASVG arbeitslosenversicherungspflichtig war. Weiterhin wird § 12 Abs 3 lit h AlVG ohne gesetzliche Änderung nur auf geringfügige Beschäftigungen Anwendung finden, die unmittelbar an ein vollversichertes Dienstverhältnis beim selben DG ohne Unterbrechung von einem Monat aufgenommen werden. Die seit 1.4.2024 geltende Arbeitslosenversicherungspflicht bei mehrfach geringfügiger Beschäftigung begründet keine andere Auslegung des § 12 Abs 3 lit h AlVG und sind die in der Durchführungsweisung zu § 12 Abs 3 lit h AlVG ergangene Regelungen zur Verwaltungspraxis rechtswidrig (DRdA-infas 2024, 416 [337]).
Die in der Durchführungsweisung getroffenen Regelungen und Auslegungen wurden mit den fehlenden notwendigen gesetzlichen Änderungen aufgrund der mehrfach geringfügigen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung begründet. Zwar hat sich der VwGH zur allgemeinen Geltung und Anwendung der Durchführungsweisung nicht geäußert, doch ergibt sich aus den geltenden gesetzlichen Regelungen und der bisherigen Judikatur die Rechtswidrigkeit der darin widersprechenden getroffenen Auslegungen und die damit verbundene Verwaltungspraxis des AMS. Die in der Durchführungsweisung begründete Verknüpfung des § 12, von Abs 1 und 3 und der nunmehrigen Zusammenrechnung aller Beitragsgrundlagen für die Frage der Geringfügigkeit, sodass davon auszugehen ist, dass Abs 1 die Beendigung sämtlicher Dienstverhältnisse, die der AlV unterliegen, für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit verlangt, wird mit gegenständlichem Erkenntnis widerlegt. 116 Der VwGH verweist ausdrücklich auf den formell unveränderten § 12 Abs 3 lit h AlVG, sodass die in der Durchführungsweisung getroffene Auslegung keine rechtliche Deckung findet, auch nicht aufgrund der geänderten Arbeitslosenversicherungspflicht von mehrfach geringfügigen Beschäftigungen ab 1.4.2024.
Aufgrund dieses Erkenntnisses bedarf es einer umgehenden Änderung der Verwaltungspraxis, die aufgrund der Durchführungsweisung des BMAW vom 7.5.2024, 2024-0.343.191, zu § 12 Abs 3 lit h AlVG erfolgt. Zu kritisieren ist jedenfalls, dass jene arbeitslose Personen, die keine Beschwerde gegen einen ablehnenden Bescheid eingebracht haben, da diese auf die Rechtssicherheit vertraut haben, weiterhin mit den finanziellen Einbußen, bedingt durch die fehlende Leistung aus der AlV oder aufgrund der notwendigen Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses für das Vorliegen von der Arbeitslosigkeit bzw den dadurch festgestellten Rückzahlungsverpflichtungen, konfrontiert sind und es zu keiner amtswegigen Aufhebung der Bescheide kommt.
Die durch die Durchführungsweisung zur mehrfach geringfügigen Beschäftigung und den somit ohne Gesetzesänderung getroffenen Regelungen zur Umsetzung beinhalten weitere Regelungen, die dem Gesetz widersprechen. Das BVwG hat in gegenständlicher E darauf verwiesen, dass es sich bei einer Durchführungsweisung um eine Verwaltungsverordnung, die an unterstellte Verwaltungsorgane adressiert ist, die allgemeine Rechtslage nicht berühren und bloß intern wirken (vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 [2017] Rz 741), handelt. Einer bloßen Verwaltungsanweisung ist kein normativer Charakter beizumessen (vgl VwGH 17.9.1996, 94/05/0071; VwGH 20.10.1999, 94/13/0027). Dies wird daher auch für die weiteren Regelungen, die dem Gesetz widersprechen, gelten. Insb ist auf die seit 1.4.2024 geltende Verwaltungspraxis, die auf Grundlage der Durchführungsweisung zum Ruhen der Leistung bei einer geringfügigen Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung führt, zu verweisen. Das BVwG bestätigt auch bereits in seiner E vom 4.11.2024, W266 2295119-1, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Urlaubsersatzleistung, die aus einer geringfügigen Beschäftigung gebührt, eine solche durch § 16 Abs 1 lit l AlVG hintanzuhaltende Doppelversorgung darstellen würde, zumal es systemwidrig ist, dass die geringfügige Beschäftigung der Arbeitslosigkeit nicht schadet, der Bezug einer Urlaubsersatzleistung nach Beendigung der geringfügigen Beschäftigung jedoch schon, wenn auch nur iS eines Ruhens. Dazu verweist das BVwG auf Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz (23. Lfg 2024) § 16 AlVG Rz 400, wonach der Ruhenstatbestand des § 16 Abs 1 lit l AlVG bei Anspruch auf Ersatzleistung bei Urlaubsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung weiterhin nicht zur Anwendung kommen kann. Eine andere Interpretation würde zu dem unsachlichen Ergebnis führen, dass der Bezug von Leistungen aus der AlV und der gleichzeitige Urlaubsverbrauch während einer nicht der Pflichtversicherung unterliegenden geringfügigen Beschäftigung möglich ist, während die Abgeltung des Urlaubsanspruchs nach Ende der geringfügigen Beschäftigung zum Ruhen des Leistungsanspruch führen soll. Ob das AMS auch hier für die Einstellung der geänderten Verwaltungspraxis auf Grundlage der Durchführungsweisung eine Klarstellung des VwGH verlangen wird, bleibt abzuwarten. 117