Flexible Arbeitszeitgestaltung für (minderjährige) Lehrlinge

LEONIEOBERMEYR / PAULATRAUPMANN (SALZBURG)

Die Modernisierung der Arbeitswelt rückt immer stärker in den Fokus. Dazu zählt auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Im Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes (AZG) gibt es bereits Modelle und Rahmenbedingungen, die die Gleitzeit und die Vier-Tage-Woche ermöglichen. Vorliegender Beitrag untersucht, ob diese auch auf Lehrlinge (insb Jugendliche) übertragbar sind. Denn für sie gilt hinsichtlich der Arbeitszeit das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz (KJBG), das besonders strenge Schutzvorschriften vorsieht.

  1. Grundlagen und Problemaufriss

  2. Arbeitszeitregelungen für minderjährige Lehrlinge

    1. Arbeitszeit- und Arbeitsruherecht

    2. Vollzeit- vs Teilzeitlehrverhältnisse

  3. Gleitzeit

    1. Grundlagen

    2. Begriff und Zweck der Gleitzeit

    3. Analoge Anwendung von § 4b AZG?

    4. Rückbesinnung auf Vereinbarung zur Lage der Arbeitszeit

  4. Vier-Tage-Woche

    1. Problemaufriss

    2. Lösungsansätze

  5. Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß

  6. Fazit und Ausblick

1.
Grundlagen und Problemaufriss

Lehrlinge sind aus der österreichischen Arbeitswelt kaum wegzudenken. Allein im letzten Jahr wurden rund 108.000 Lehrlinge beschäftigt und ausgebildet.1 Und obwohl diese Zahl auf den ersten Blick sehr hoch erscheint, so werden die Rufe nach künftigen Fachkräften wegen des Lehrlingsmangels doch immer lauter. Laut Statistik des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft, die vom BMAW gefördert wurde, ist die Zahl der Lehrlinge in den letzten zehn Jahren um fast 20.000 gesunken.2 Oft wird der Grund dafür in der demografischen Entwicklung der Gesellschaft und den geburtenschwachen Jahrgängen vermutet. Aber auch andere Hintergründe dürfte es diesbezüglich geben, etwa die wirtschaftliche Entwicklung, regionale Unterschiede oder die Konkurrenzstellung zur Sekundarausbildung (Stichwort Akademisierung).3 Doch es werden auch Forderungen nach einer „modernisierten“ Lehre häufiger. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung neuer Berufsfelder für die Ausbildung. Vielmehr könnten moderne, flexiblere Arbeitsformen ein Anreiz für viele Jugendliche 106 sein, eine gewisse Ausbildungsstelle anzunehmen. Viele Betriebe machen bereits für die reguläre Belegschaft davon Gebrauch: Die Gleitzeit ist ein wesentliches Instrument der Flexibilisierung der Arbeitszeit, die aus dem Arbeitsleben kaum mehr wegzudenken ist. Seit Neuestem ist auch die Vier- Tage-Woche immer wieder Teil von gesellschaftlichen Debatten und im Rahmen von Pilotprojekten in diversen Betrieben häufiger im Einsatz. Doch genau diese flexiblen Regelungen erfahren durch das Berufsausbildungsgesetz (BAG)4 bzw das KJBG5 – vor allem hinsichtlich minderjähriger Lehrlinge – massive Einschränkungen.

Das BAG ist das Herzstück des österreichischen Lehrlingsrechts. Es sieht – im Vergleich zum restlichen Arbeitsrecht – vor allem erhöhte Schutzbestimmungen für Lehrlinge vor. Eine der wesentlichen Bestimmungen ist jene der Ausbildungspflicht. Gem § 9 Abs 1 BAG hat der:die Lehrberechtigte für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen. Sie ist die wichtigste Obliegenheit der Lehrberechtigten und wird auch vom OGH in stRsp als ein Recht auf tatsächliche Beschäftigung seitens der Lehrlinge verstanden.6 Sie setzt allerdings auch voraus, dass ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.7 Dies spielt umso mehr eine Rolle, wenn die Lehrvertragsparteien eine Reduktion der wöchentlichen oder täglichen Ausbildungs- bzw Arbeitszeit (zB von Voll- auf Teilzeit, siehe dazu unten) beabsichtigen, da § 13 Abs 7 BAG vorsieht, dass das Ausbildungsziel trotzdem erreicht werden muss, was wiederum mit der Ausbildungspflicht zu erklären ist.8 Welche Inhalte während der Lehrzeit vermittelt werden müssen, ergibt sich aus den jeweiligen Ausbildungsordnungen der konkreten Lehrberufe.9 Die Ausbildungspflicht kann daher ein wesentliches Hindernis für die Einführung flexibler Arbeitsformen für Lehrlinge sein, wenn kein Weg gefunden werden kann, sie zu erfüllen.

Weitere Schranken können sich aus dem KJBG ergeben. Dieses hat vorrangig den arbeitszeitrechtlichen Schutz minderjähriger Beschäftigter und Lehrlinge zum Inhalt. Die Regelungen des AZG10 und darin geregelte Flexibilisierungsmöglichkeiten der Arbeitszeit sind auf diese nicht anwendbar. So etwa kennt das KJBG keine mit § 4b AZG vergleichbare Bestimmung zur Gleitzeit. Zudem gelten verschärfte Bestimmungen zur täglichen und wöchentlichen Ruhezeit (siehe sogleich unten Pkt 2).

2.
Arbeitszeitregelungen für minderjährige Lehrlinge

Die soeben genannten „modernen“ Arbeitsformen haben in den letzten Jahren eine Reihe an Fragen aufgeworfen. Viele davon sind, zumindest in Grundzügen, gelöst worden – allerdings vorrangig für erwachsene AN.11 Diese Lösungsansätze sind nicht immer auf Lehrlinge übertragbar, weil es sich bei eben diesen zumeist um Jugendliche handelt, für die – wie bereits erwähnt – weder das AZG noch das Arbeitsruhegesetz (ARG) gelten.12 Vielmehr finden die Arbeitszeitregelungen für Minderjährige ihren Platz im KJBG, genauer in §§ 10 bis 20 KJBG. Und diese Regelungen sind aufgrund der höheren Schutzbedürftigkeit strenger. In vielerlei Hinsicht gestalten sich moderne Arbeitsformen für Lehrlinge daher (noch) schwieriger. Es sollen im Folgenden also zunächst die für diesen Beitrag relevanten Grundlagen zur Arbeitszeit bei minderjährigen Lehrlingen erörtert werden, um sich der Problemlage abseits der bekannten Regelungen im AZG und ARG bewusst zu werden.

2.1.
Arbeitszeit- und Arbeitsruherecht

Für minderjährige Lehrlinge bestehen sowohl tägliche als auch wöchentliche Höchstarbeitszeiten. Gem § 11 Abs 1 KJBG darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten. Eine Abweichung von § 3 Abs 1 AZG ist an dieser Stelle noch nicht ersichtlich. Vielmehr werden die Unterschiede an anderer Stelle erkennbar: Sowohl im AZG als auch im KJBG gibt es zwar Ausnahmen, die eine Überschreitung der Arbeitszeit uU zulassen, allerdings gestalten sich diese im KJBG um einiges strenger. Diese Ausnahmen, genauer andere Verteilungsmöglichkeiten der Arbeitszeit, finden sich in § 11 Abs 2 bis 2b KJBG (siehe sogleich unten). In allen diesen Fällen darf gem § 11 Abs 3 KJBG die tägliche Arbeitszeit neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit 45 Stunden nicht überschreiten. Die Arbeitszeit kann daher nur minimal ausgedehnt werden. Bis zu zehn Stunden Tagesarbeitszeit sind dann möglich, wenn Reisezeit (in der also keine Arbeitsleistung erbracht wird) vorliegt und der:die Jugendliche das 16. Lebensjahr vollendet hat (Abs 3a). Eine Abweichung durch Vereinbarung zwischen Lehrberechtigten und Lehrlingen darf nicht erfolgen, weil es sich bei § 11 KJBG um zwingendes Recht handelt.13 Daraus ist auch ableitbar, dass minderjährige Jugendliche grundsätzlich keine Überstunden leisten dürfen.14 Eine Ausnahme ist für Vor- und Abschlussarbeiten (§ 12 KJBG) oder auch (in weiterem Ausmaß) bei Notstandsarbeiten (§ 20 KJBG) vorgesehen. Zu beachten ist im Rahmen des Lehrverhältnisses stets, dass 107 Lehrlinge ebenso eine Berufsschulpflicht haben. Die Unterrichtszeit ist ihnen gem § 11 Abs 5 KJBG auf die wöchentliche Arbeitszeit anzurechnen.

Zwei Verteilungsmöglichkeiten werden im Folgenden noch von besonderer Relevanz sein, und zwar die Verteilung zur Erreichung einer längeren Wochenfreizeit (§ 11 Abs 2 KJBG) und eine Ausdehnung der Arbeitszeit im Rahmen eines Durchrechnungszeitraumes (§ 11 Abs 2a KJBG). Das Grundmodell im Rahmen einer 40-Stunden-Woche sieht vor, dass der Lehrling fünf mal acht Stunden arbeitet (Montag bis Freitag).15 Um aber etwa einen kürzeren Freitag zu ermöglichen, kann die Arbeitszeit zB von Montag bis Donnerstag auf neun Stunden ausgedehnt werden (siehe § 11 Abs 2 iVm Abs 3 KJBG). Auch für erwachsene Personen ist dies gem § 4 Abs 2 AZG möglich.16 Der Unterschied besteht aber darin, dass es für minderjährige Lehrlinge zu einer Verlängerung der Wochenfreizeit kommen muss, während bei Erwachsenen auch während der Woche ein kurzer Arbeitstag vereinbart werden, es also zur Verlängerung der täglichen Ruhezeit kommen kann. Dies wäre bei Lehrlingen nur dann möglich, wenn es eine kollektivvertragliche Ermächtigung hierfür gibt (siehe § 11 Abs 2 Satz 2 KJBG). Der jeweils geltende KollV spielt also eine wesentliche Rolle.

So ist der KollV auch bei der Ausdehnung der Arbeitszeit im Rahmen eines mehrwöchigen Durchrechnungszeitraumes gem § 11 Abs 2a KJBG von Relevanz. Es kann in einzelnen Wochen zu einer Überschreitung der Arbeitszeit kommen, wenn in anderen Wochen ein entsprechender Ausgleich hierfür erfolgt. Allerdings muss der KollV eine solche Durchrechnungsregelung gem § 11 Abs 2a Z 1 KJBG zulassen. Nach Schrank reiche es aus, wenn Jugendliche von der kollektivvertraglichen Zulassungsbestimmung (für Erwachsene) nicht ausgenommen sind – einer gesonderten Zulassung bedürfe es daher nicht.17 Des Weiteren muss nach dem KJBG für vergleichbare AN eine ebensolche Regelung bestehen (Z 2) und dem:der AG eine abweichende Arbeitszeiteinteilung für Jugendliche unzumutbar sein (Z 3). Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn Ausbilder:in und Lehrling gemeinsam auf einer Baustelle arbeiten.18 Einzuhalten sind aber stets die Höchstarbeitszeitgrenzen gem § 11 Abs 3 KJBG. Die Wochenarbeitszeit darf in diesem Durchrechnungszeitraum durchschnittlich 40 Stunden nicht überschreiten.

Zudem ist zu beachten, dass minderjährige Lehrlinge auch strengere Ruhezeitvorschriften einzuhalten haben. Gem § 16 Abs 1 Z 2 KJBG muss die tägliche Ruhezeit für minderjährige Lehrlinge mindestens zwölf Stunden betragen. Sie ist gem Abs 2 innerhalb von 24 Stunden nach Arbeitsbeginn zu gewähren. Die wöchentliche Freizeit muss gem § 19 Abs 1 KJBG grundsätzlich mindestens zwei ununterbrochene Kalendertage umfassen und zwingend den Sonntag beinhalten.19 Eine Abweichung ist nur dann möglich, wenn eine Ausnahme von der Sonn- und Feiertagsruhe gem § 18 KJBG vorliegt. Des Weiteren sind sowohl das Nachtarbeitsverbot gem § 17 KJBG als auch die abweichenden Ruhepausenregelungen gem § 15 KJBG zu beachten.

Insgesamt zeigt sich also, dass sowohl die Arbeitszeit- als auch die Arbeitsruheregelungen im KJBG zum Schutz der Jugendlichen deutlich strenger sind als jene im AZG und ARG.

2.2.
Vollzeit- vs Teilzeitlehrverhältnisse

Das hängt allerdings auch damit zusammen, dass Lehrverhältnisse grundsätzlich als Vollzeit-Arbeitsverhältnisse ausgestaltet sind.20 Es gilt die gesetzliche oder kollektivvertragliche Normalarbeitszeit. Einer Verkürzung dieser Zeit steht die Ausbildungsund Beschäftigungspflicht entgegen.21 Gem § 13 Abs 7 BAG kann die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit allerdings dann bis auf die Hälfte der Normalarbeitszeit reduziert werden, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel auch so erreicht werden kann. Das geht nur in folgenden, gesetzlich genannten Fällen:

  1. bei der Betreuung eines Kindes bis zum Eintritt des Schulalters (Z 1),

  2. bei Vorliegen gesundheitlicher Probleme (Z 2),

  3. bei Kurzarbeit (Z 3).

In diesen Konstellationen sind also sogenannte „Teilzeit-Lehrverhältnisse“ möglich. Unklar ist, wie zu prüfen ist, ob das Ausbildungsziel auch mit einer geringeren Arbeitszeit erreicht werden kann. Es ist hier wohl auf die geistigen und körperlichen Fähigkeiten sowie auf das bisher Gelernte des jeweiligen Lehrlings abzustellen, also eine individuelle Prüfung vorzunehmen.22 Kann dieses Ausbildungsziel in der geringeren Zeit nicht erreicht werden, darf gem § 13 Abs 7 BAG zumindest in den Z 1 und 2 die Dauer des Lehrverhältnisses verlängert werden. Zu beachten ist, dass die Berufsschulzeit nicht von der Reduktion umfasst ist, sondern es einer separaten Vereinbarung bedarf.23 Zudem ist die Kurzarbeit bei Lehrlingen seit 31.12.2022 (zumindest derzeit) nicht mehr möglich (siehe ebenso § 13 Abs 7 letzter Satz BAG). Eine weitere mögliche Konstellation außerhalb des § 13 Abs 7 BAG bietet § 13 Abs 1a BAG. In Verbindung mit einer weiteren Ausbildung kann die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit mit damit einhergehender Verlängerung der Lehrdauer reduziert werden. Diese Ausnahme kommt etwa im Spitzensport zum Tragen.24 Dass „Teilzeit-Lehrverhältnisse“ nur in den genannten gesetzlichen Ausnahmefällen zulässig sind, wird in der Folge (insb im Rahmen der Vier-Tage-Woche) noch eine Rolle spielen. 108

3.
Gleitzeit
3.1.
Grundlagen

Die Gleitzeit findet ihre gesetzliche Grundlage in § 4b AZG. Wie bereits erwähnt, erstreckt sich der Geltungsbereich des AZG gem § 1 leg cit auf AN und Lehrlinge, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben. Die folgenden Ausführungen sollen sich daher auf die rechtlichen Besonderheiten und die Frage der Zulässigkeit von Gleitzeitregelungen bei minderjährigen Lehrlingen beschränken.

Gleitende Arbeitszeit bedeutet im Wesentlichen, dass AN selbst bestimmen können, wann ihre tägliche Normalarbeitszeit innerhalb eines bestimmten Rahmens beginnt und endet. Es handelt sich also um eine gewisse Art der Durchrechnung der Arbeitszeit,25 mit der Konsequenz, dass es nicht bei jedem Überschreiten der Normalarbeitszeitgrenzen des § 3 Abs 1 AZG automatisch zu Überstunden und der Generierung entsprechender Zuschläge kommt.26 Die Besonderheit des § 4b AZG ist, dass es für die Durchrechnung der Arbeitszeit, anders als sonst (mit Ausnahme der Handelsbranche), keiner kollektivvertraglichen Erlaubnis bedarf. Bei der Gleitzeit ist das schon dann zulässig, wenn eine entsprechende BV oder in betriebsratslosen Betrieben eine Einzelvereinbarung abgeschlossen wurde.27

Das KJBG kennt das Konzept der Gleitzeit nicht. § 11 leg cit legt die Höchstarbeitszeit strikt fest und es kann nur in den oben beschriebenen Fällen davon abgewichen werden. Ausgehend vom bloßen Wortlaut müsste man daher schlussfolgern, dass die Regelung gleitender Arbeitszeit für minderjährige Lehrlinge nicht möglich ist. Allerdings wird in der Literatur vielfach vertreten, dass man die Gleitzeit unter Anwendung des Durchrechnungsmodells gem § 11 Abs 2a KJBG (siehe oben) auch für diese Beschäftigtengruppe einführen könnte. Die Maßstäbe des § 4b AZG sollten dieser Ansicht zufolge analog auf die minderjährigen Lehrlinge angewendet werden.28 Die durch das KJBG eröffnete Durchrechnungsmöglichkeit müsste folglich der Gleitzeitperiode in § 4b AZG entsprechen. Die Gleitzeitperiode des AZG ist schließlich ein für die gleitende Arbeitszeit spezifischer Durchrechnungszeitraum, der zwar gesetzlich nicht auf eine bestimmte Anzahl von Wochen oder Monaten beschränkt ist; es wird aber davon ausgegangen, dass eine zu lange (etwa mehrere Monate andauernde) Gleitzeitperiode sittenwidrig sein kann.29 Ein mehrwöchiger Durchrechnungszeitraum (entsprechend § 11 Abs 2a KJBG) wäre jedoch wohl denkbar und zulässig.30 Setzte man die beiden Durchrechnungszeiträume gleich, so wäre es diesen Stimmen in der Literatur zufolge also durchaus möglich, gleitende Arbeitszeit auch für minderjährige Lehrlinge zuzulassen, wenn eine vergleichbare Regelung für erwachsene AN besteht und eine abweichende Vereinbarung der Lage der Arbeitszeit für den Lehrling unzumutbar wäre.

UE ist eine derartige Lösung wohl aber nicht ohne weiteres möglich, zumal die Durchrechnungsregelung des KJBG auch eine kollektivvertragliche Zulassung eines solchen Flexibilisierungsmodells erfordert, die soweit ersichtlich derzeit nur in wenigen KollV überhaupt besteht. Neben dieser (faktischen) Zulassungsproblematik bestehen jedoch auch rechtliche Bedenken gegen diese Ansicht, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.

3.2.
Begriff und Zweck der Gleitzeit

Es gibt zwei Kernelemente, die für die gleitende Arbeitszeit von zentraler Bedeutung sind: Erstens können die AN die Lage ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Zweitens muss im Gegenzug nicht automatisch jede mehrgeleistete Arbeitsstunde als Überstunde gewertet und damit auch zuschlagspflichtig ausbezahlt werden, was einen Vorteil für AG darstellt.31 Schon hier eröffnet sich die erste Diskrepanz zwischen allgemeinem Arbeitszeitrecht und den Schutzbestimmungen des KJBG: Bei minderjährigen Lehrlingen sind zuschlagspflichtige Überstunden die Ausnahme, da das KJBG die Leistung von Überstunden schlicht nicht erlaubt. Dh, dass der zentrale Vorteil der Gleitzeit aus AG-Sicht, nämlich die Möglichkeit einer Ausdehnung der Arbeitszeit, ohne dass eine Zuschlagspflicht entsteht, hier gar nicht zum Tragen kommen kann. Die Einführung einer echten Gleitzeit für Minderjährige würde daher wohl auch das Risiko bergen, eine Umgehungskonstruktion dieses Verbots darzustellen.

Für jugendliche Lehrlinge kann es bei der Frage der Zulässigkeit der Einführung von Gleitzeitregelungen also „nur“ darum gehen, dass sie den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen dürfen. Es soll im Folgenden geprüft werden, ob eine Gleitzeitvereinbarung dafür dienlich bzw überhaupt zulässig ist.

3.3.
Analoge Anwendung von § 4b AZG?

Die bisherigen Stimmen in der Literatur32 gehen davon aus, dass der Abschluss einer Gleitzeitvereinbarung auf Grundlage des § 11 Abs 2a KJBG möglich wäre. In dieser Hinsicht könnte argumentiert werden, dass die Erlaubnis einer Durchrechnung, die tendenziell eher zulasten der Gestaltungsfreiheit von AN ausgerichtet ist, im Umkehrschluss auch beinhalten könnte, dass eine Regelung zuguns ten der AN – wie die Gleitzeit in der Gestaltungsform 109 des § 4b AZG – erst recht zulässig sein muss. Die erste Problematik besteht hier jedoch bereits in dem vom Gesetzgeber gewählten Wortlaut der Bestimmung. Während in § 4b AZG nie von einer Durchrechnung die Rede ist, wurde in § 11 Abs 2a KJBG genau diese Begrifflichkeit gewählt. Zum Zeitpunkt der Einführung des Abs 2a (1997)33 gab es im AZG bereits die gleitende Arbeitszeit. Dem Gesetzgeber kann also kaum unterstellt werden, die Gleitzeit mit dem Begriff der Durchrechnung mitgemeint zu haben. Auch aus den Materialien lässt sich keine derartige Intention feststellen.34 Genauso wenig vermag es zu überzeugen, dass der Gesetzgeber in zwei Gesetzen, die beide das Arbeitszeitrecht beinhalten, unterschiedliche Terminologien für bestimmte Begriffe verwendet hat. Zudem erscheint auch der Schutzgedanke des KJBG gegen eine solche extensive Auslegung zu sprechen: So könnte man davon ausgehen, dass minderjährige Lehrlinge aufgrund ihres Alters und der damit einhergehenden potentiellen Unreife auch hinsichtlich ihrer selbstständigen Arbeitszeiteinteilung nach den Grundgedanken des KJBG weiter eingeschränkt sein sollen als volljährige Lehrlinge.

Darüber hinaus würde eine analoge Anwendung des § 4b AZG das Vorliegen einer planwidrigen Lücke voraussetzen. Dem steht schon grundsätzlich entgegen, dass das AZG Minderjährige35 und das KJBG Volljährige36 generell von ihren Anwendungsbereichen ausschließen. Von einer Planwidrigkeit kann hier wohl kaum ausgegangen werden.37 Hinzu kommt, dass das KJBG ein erhöhtes Schutzniveau zugunsten der minderjährigen AN vorsieht. Eine analoge Gesetzesanwendung verlangt jedoch ein vergleichbares Schutzbedürfnis in vergleichbaren Fällen (maßgebende Ähnlichkeit).38 Allerdings ergibt sich schon aus den übrigen arbeitszeitrechtlichen Beschränkungen im KJBG bzw der Existenz dieses Normenkomplexes an sich,39 dass minderjährige Lehrlinge bzw AN besonders schutzwürdig sind und damit ein den Normunterworfenen des AZG vergleichbares Schutzbedürfnis gerade nicht vorliegen kann.

Zudem stellen sich uE noch zwei weitere Probleme: Zum einen könnte es zu Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Ausbildungspflicht kommen. So etwa, wenn der Lehrling in Zeiten ein- bzw ausgleitet, in denen die übrigen AN bzw konkret die Ausbildungsbeauftragten schon oder nicht mehr arbeiten bzw wenn der Lehrling ein angesammeltes Zeitguthaben aufbrauchen möchte. Gerade auch die der Gleitzeit inhärente Ankündigungslosigkeit der Entscheidung über Beginn und Ende der Arbeitszeit könnte in diesem Zusammenhang problematisch sein. Zum anderen ergibt sich vor allem auch aus dem zuletzt genannten Punkt ein besonderes Risiko einer unzulässigen Überschreitung der Höchstarbeitszeitgrenzen. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn Stunden über einen gewissen Zeitraum aufgebaut, aber nicht wieder eingelöst werden,40 unabhängig davon, ob eine Gleitzeitvereinbarung in Verbindung mit der genannten Durchrechnungsmöglichkeit des § 11 Abs 2a KJBG geschlossen wird oder nicht.

3.4.
Rückbesinnung auf Vereinbarung zur Lage der Arbeitszeit

Die oben genannten Problemfelder könnten allerdings auf einem anderen Wege gelöst werden. Eine Gleitzeitvereinbarung für minderjährige Lehrlinge soll letztlich bloß ermöglichen, dass diese den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit wie ihre volljährigen Kolleg:innen selbstständig bestimmen können. Das Verbot der Leistung von Überstunden lässt sich mit dem Konzept einer echten Gleitzeitvereinbarung nicht in Einklang bringen.

Anzudenken wäre daher eine Vereinbarung zwischen Lehrling und Lehrbeauftragten, die es erlaubt, die Lage der Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen selbst zu bestimmen. Zu denken wäre hier vor allem an eine BV iSd § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG, die es ermöglicht, eine generelle Regel zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festzulegen. Generell bedeutet in dem Fall, dass es sich zumindest um eine anhand allgemeiner Merkmale bestimmbare AN-Gruppe handeln muss,41 was bei Lehrlingen zweifelsohne anzunehmen ist. Zudem ergeben sich keinerlei Beschränkungen, die es verbieten würden, den Lehrlingen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu ermöglichen, den Beginn und das Ende der insgesamt aber fix bemessenen täglichen Arbeitszeit selbst zu wählen. Ein generelles freies Bestimmen wäre uE aber aufgrund der einzuhaltenden Höchstarbeitszeitgrenzen bzw der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten des KJBG nicht möglich. Denkbar wäre in diesem Sinne jedoch, bspw den Beginn der Arbeitszeit zwischen 8:00 und 10:00 Uhr und ihr Ende zwischen 16:00 und 18:00 Uhr in das Ermessen des Lehrlings zu stellen. Ein Verbot derartiger Konstruktionen auch im Regelungsregime des KJBG ist uE nicht ersichtlich.

Es ist davon auszugehen, dass in betriebsratspflichtigen Betrieben mit BR eine derartige Regelung mittels BV auf Grundlage des § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG möglich sein wird (außer der KollV sieht eine Regelung dazu vor).42 Ansonsten könnte dies mittels Einzelvereinbarung zwischen Lehrling und Lehrbeauftragten umgesetzt werden. Fraglich ist jedoch, ob es dazu einer kollektivvertraglichen Ermächtigung bedarf, weil etwa § 11 Abs 2 Satz 2 KJBG dies (zumindest teilweise) für die verlängerte Wochenfreizeit vorsieht. Angesichts der Tatsache, dass § 11 KJBG sehr explizit regelt, wann eine kollektivvertragliche Erlaubnis vorliegen muss und 110 zudem die Regelung der Lage der Arbeitszeit (mit Ausnahme von Einschränkungen bei der Nachtoder Schichtarbeit etc) offengelassen wurde, ist aber wohl eher davon auszugehen, dass in diesem Fall keine entsprechende Ermächtigung im KollV notwendig ist.

Lediglich für die Kombination derartiger Regelungen zur Lage der Arbeitszeit mit etwa der Möglichkeit der Verlängerung der Wochenfreizeit (und der unterschiedlichen Verteilung auf die einzelnen Wochentage) bräuchte es folglich eine kollektivvertragliche Zulassung. Damit wäre es jedoch in weiterer Folge möglich, die tägliche bzw wöchentliche Höchstarbeitszeit auf neun bzw 45 Stunden zu erhöhen und dafür die tägliche Normalarbeitszeit an einem bestimmten Tag zu verkürzen. Im Ergebnis hätte man damit ein gleitzeitähnliches Konstrukt, das jedoch nicht zur Umgehung diverser Verbote im KJBG ausgenutzt werden dürfte.

4.
Vier-Tage-Woche
4.1.
Problemaufriss

Es ist zunehmend ersichtlich, dass die Vier-Tage- Woche gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt.43 Das liegt nicht zuletzt am Wunsch nach einem längeren Wochenende. Viele Betriebe kommen diesem Wunsch nach und stellen deshalb auf eine Vier-Tage-Woche um. Für erwachsene AN besteht diese Möglichkeit grundsätzlich, wenn die tägliche Arbeitszeit durch KollV, BV oder Einzelvereinbarung auf zehn Stunden ausgedehnt wird oder Gleitzeit vereinbart ist.44 Auch bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden kann daher im Rahmen einer Vier-Tage-Woche gearbeitet werden. Sind in diesem Betrieb aber auch Lehrlinge beschäftigt, kommt es zu einem großen Problem: Diese können nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen nicht wöchentlich im Rahmen einer Vier-Tage-Woche arbeiten. Das liegt zunächst daran, dass die tägliche Höchstarbeitszeit für Lehrlinge grundsätzlich gem § 11 Abs 1 KJBG acht Stunden beträgt. Abgesehen davon, dass die Vier-Tage-Woche keine Ausnahme für die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit darstellt (siehe oben), wäre auch hier die zulässige Tagesarbeitszeit gem § 11 Abs 3 KJBG maximal neun Stunden. Eine gleichartige gesetzliche Regelung mit einer Ausdehnungsmöglichkeit auf bis zu zehn Stunden täglicher Normalarbeitszeit wie im AZG besteht für minderjährige Lehrlinge nicht. Damit geht sich eine Vier-Tage-Woche bei einer Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder auch nur 38 bzw 38,5 Stunden (je nach KollV) gem den Regelungen im KJBG nicht aus.45 Zudem ist zu beachten, dass im Lehrverhältnis eine Ausbildungspflicht besteht (siehe oben) und auch diese jedenfalls bei einer Vier-Tage-Woche erfüllt sein muss. Diese Ausbildungspflicht kann am 5. Tag aber nicht eingehalten werden, da an diesem Tag in vielen Fällen keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Lehrling besteht (keine anderen AN im Betrieb, keine Home-Office-Möglichkeit etc). Fraglich ist daher, inwiefern eine Vier-Tage-Woche bei (minderjährigen) Lehrlingen dennoch möglich ist oder welche gesetzlichen Regelungen es hierfür bräuchte.

4.2.
Lösungsansätze

Wie soeben ausgeführt, ist eine wöchentliche Vier- Tage-Woche bei minderjährigen Lehrlingen nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Allerdings besteht die Möglichkeit, von der Ausdehnung der Arbeitszeit im Rahmen eines mehrwöchigen Durchrechnungszeitraumes gem § 11 Abs 2a KJBG Gebrauch zu machen (siehe oben). Denn dann könnte der Lehrling zumindest alle zwei Wochen eine Vier-Tage-Woche in Anspruch nehmen.46 In der Praxis hilft das aber kaum, weil Betriebe idR gänzlich eine Vier-Tage-Woche einführen. Auch zu beachten ist, dass ein sogenanntes „Mischsystem“ schon bei erwachsenen AN etliche Probleme aufwirft.47

Anzudenken wäre grundsätzlich auch die Verteilungsmöglichkeit hinsichtlich der Erreichung einer längeren Wochenfreizeit gem § 11 Abs 2 KJBG, denn die Vier-Tage-Woche soll des Öfteren einem verlängerten Wochenende dienen. Allerdings ist die tägliche Höchstarbeitszeit auch hier gem § 11 Abs 3 KJBG auf maximal neun Stunden beschränkt. Dieses Modell wäre daher nur bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 36 Stunden möglich.48

Es bedürfte derzeit also eines „Teilzeit-Lehrverhältnisses“, um die Vier-Tage-Woche in vollem Ausmaß in Anspruch nehmen zu können. Eine Reduktion der Ausbildungszeit auf bis zur Hälfte der Normalarbeitszeit ist aber nur in den taxativ aufgezählten Fällen des § 13 Abs 7 BAG bzw § 13 Abs 1a BAG möglich (siehe oben), weshalb nur dort eine Vier-Tage-Woche in Frage käme. Soll die Vier-Tage-Woche nicht nur bei Kinderbetreuung, gesundheitlichen Problemen oder weiterer Ausbildung möglich sein, müsste man andenken, diese als weitere Ausnahme in § 13 Abs 7 BAG zu implementieren. Allerdings muss beachtet werden, dass das Lehrverhältnis grundsätzlich als Vollzeitarbeitsverhältnis ausgestaltet ist (siehe oben) und sich die Ausnahmen auf sachlich nachvollziehbare Gründe beschränken. Eine Vier-Tage-Woche ist uE diesen Gründen nicht gleichzustellen. Dafür spricht ebenso, dass es bei einer Verhinderung aus persönlichen Gründen von über vier Monaten gem § 13 Abs 3 BAG zu keiner Anrechnung der Fehlzeiten auf die Lehrzeit mehr kommt. Selbst aus uU sachlichen Gründen kann die Lehrzeit daher nicht verkürzt werden. Zudem muss stets die Ausbildungspflicht gewahrt und die Ausbildungsziele erreicht werden. Diesbezüglich ist auch nochmals auf die Judikatur des OGH49 hinzuweisen, dass 111 eine Verkürzung der Normalarbeitszeit der Ausbildungspflicht grundsätzlich widerspricht.

Diese Judikatur stellt aber nur auf die Verkürzung der Normalarbeitszeit ab. Es ist damit also nicht gesagt, dass man nicht von vornherein eine andere Normalarbeitszeit für Lehrlinge vorsehen kann. Man könnte also andenken, die Normalarbeitszeit bei Lehrlingen von 40 oder 38 bzw 38,5 Stunden (je nach KollV) ganz generell kollektivvertraglich auf 36 Stunden herabzusetzen,50 um in Betrieben mit Lehrlingen die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche zu schaffen. Somit würde weder ein „Teilzeit-Lehrverhältnis“ vorliegen noch es zu einer Verkürzung der Normalarbeitszeit kommen. Allerdings stellt sich auch hier die Frage nach der Erfüllung der Ausbildungspflicht. UE kann bei einer Herabsetzung der Normalarbeitszeit von vier Stunden noch keine Verletzung der Ausbildungspflicht bejaht werden. Denn schlussendlich beinhalte weder das BAG noch die einzelnen Ausbildungsvorschriften eine genaue Stundenanzahl, die für die Erfüllung der Pflicht notwendig ist. Vielmehr geht es darum, alle notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse, die in den jeweiligen Ausbildungsvorschriften für das Berufsbild genannt sind, zu erlernen. Dafür spricht auch, dass etwa der SWÖ-KollV sowohl für AN als auch für Lehrlinge bereits jetzt eine Normalarbeitszeit von 37 Stunden vorsieht.51 Zu beachten ist aber, dass bei einer Normalarbeitszeit von 36 Stunden auch die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 iVm Abs 3 KJBG (Erreichen einer längeren Wochenfreizeit) vorliegen müssen. Denn nur so ist es möglich, an vier Tagen jeweils neun Stunden zu arbeiten. Ist ein solches Modell nicht gegeben, müsste die Normalarbeitszeit kollektivvertraglich auf 32 Stunden herabgesetzt werden. Ob die Ausbildungspflicht dann noch erfüllt werden kann, lässt sich nicht so pauschal beantworten. Die Grenzziehung in der Praxis wird schwierig sein und wohl vom jeweiligen Lehrberuf abhängen. Es ist hier insb Bedacht auf die Ausbildungsordnungen und deren Umfang zu nehmen.

Fraglich ist demnach, ob die Herabsetzung der Normalarbeitszeit und damit Reduzierung der Ausbildungszeit eine optimale Lösung ist – insb in Hinblick auf die Erfüllung der Ausbildungspflicht. Zu beachten ist generell auch, dass die Lehre Jugendlichen eine gute Basis und Perspektive bieten soll. Es ist aber nicht außer Acht zu lassen, dass eine Vier-Tage-Woche des Öfteren auch für Lehrlinge wünschenswert wäre. UE wäre daher – trotz aller Wichtigkeit der Höchstarbeitszeitgrenzen für Jugendliche – anzudenken, im KJBG eine ähnlich gelagerte Regelung wie für erwachsene AN, also eine Ausdehnungsmöglichkeit der Arbeitszeit auf zehn Stunden täglich, zu implementieren. Nur so könnten Lehrlinge auch in Betrieben mit einer Vier-Tage-Woche tätig sein und die Erfüllung der Ausbildungspflicht wäre aus arbeitszeitrechtlicher Sicht sichergestellt. Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass es sich bei Lehrlingen zumeist um Minderjährige handelt und gerade deren Gesundheitsschutz oberste Priorität haben sollte. Es wäre daher empfehlenswert, nicht generell die Möglichkeit eines zehnstündigen Tages zuzulassen, sondern etwa auf eine Feststellung arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit abzustellen.52 Damit müssten jedenfalls Arbeitsmediziner:innen beigezogen werden. Generell wird in diesem Zusammenhang wohl auch auf die unterschiedlichen Branchen Bedacht zu nehmen sein.

5.
Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß

An den oben beschriebenen Regelungen des BAG und KJBG zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Schutz von, vor allem minderjährigen, Lehrlingen einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Flexible Arbeitszeitgestaltungen sind daher nach geltendem Recht – wie soeben dargestellt – nicht oder nur innerhalb enger Grenzen möglich. Umso wichtiger ist es, diese Grenzen einzuhalten. Kommt es zu Verstößen gegen die genannten gesetzlichen Schutzvorschriften, können diese selbstverständlich sanktioniert werden bzw beendigungsrechtliche Konsequenzen mit sich tragen. Die in Frage kommenden Sanktionsmöglichkeiten sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Zunächst ordnet das KJBG gem § 30 Abs 1 KJBG Verwaltungsstrafen im Falle der Verletzung von Bestimmungen des zweiten Abschnitts (also den Schutzvorschriften für Jugendliche) an. Es kann eine Geldstrafe iHv € 72,– bis € 1.090,– verhängt werden, und zwar gegenüber dem:der Unternehmer:in.53 Dies gilt nur, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt. § 28 Abs 2 AZG ordnet für erwachsene AN bzw Lehrlinge ähnliche Strafhöhen an. Bei wiederholten Übertretungen kann es zu höheren Geldstrafen kommen oder gem § 31 KJBG ein Verbot der Beschäftigung von Jugendlichen verhängt werden.

Für die Lehrlinge selbst stellt sich hingegen die Frage, ob sie das Lehrverhältnis im Falle von Verstößen gegen die Arbeitszeitbestimmungen auflösen können. Abgesehen von einer Auflösung innerhalb der ersten drei Monate gem § 15 Abs 1 BAG sowie im Rahmen eines Mediationsverfahrens gem § 15a BAG (diese haben de facto nichts mit der Verletzung selbst zu tun) bietet sich vor allem ein Austritt gem §§ 15 Abs 4 lit b und lit d BAG an. Zweiteres käme jedenfalls dann in Frage, wenn gegenüber dem:der Unternehmer:in ein Verbot der Beschäftigung Jugendlicher gem § 31 KJBG verhängt wird.54 Denn das würde zur faktischen Unfähigkeit des:der Lehrberechtigten führen, die den Lehrling zum Austritt berechtigt. 112

Fraglich ist hingegen, ob man bei der Verletzung von Arbeitszeitregelungen schon von einer gröblichen Vernachlässigung der Pflichten sprechen und damit auch § 15 Abs 4 lit b BAG zum Tragen kommen kann. Die Judikatur zieht § 15 Abs 4 lit b BAG vor allem dann heran, wenn die Erreichung des Ausbildungszieles erheblich erschwert oder sogar vereitelt wird.55 Dazu kann es bei den hier besprochenen flexiblen Arbeitszeitmodellen durch Nichteinhaltung der Ausbildungspflicht tatsächlich kommen. Das wäre etwa dann, wenn es im Rahmen der Vier-Tage-Woche zu einer unrechtmäßigen Verkürzung der Arbeitszeit kommt, oder bei nicht konformer Gleitzeitvereinbarung mit unterschiedlichen Anwesenheitszeiten der Lehrlinge und der anderen AN, zu bejahen. Der Austrittsgrund kann des Weiteren aber wohl auch dann verwirklicht sein, wenn die Arbeitszeitregelungen des KJBG nicht eingehalten werden. Höchstgerichtliche Rsp zu solchen Verstößen gegen das KJBG gibt es, soweit ersichtlich, zwar keine; das OLG Wien hat aber etwa dann eine gröbliche Pflichtenverletzung bejaht, wenn es zu einer Verletzung des Beschäftigungsverbotes am Sonntag gem § 18 KJBG kommt.56 Es können offensichtlich also auch durchaus Verletzungen der Arbeitszeitregelungen für § 15 Abs 4 lit b BAG relevant sein. Dies muss umso mehr gelten, als bereits bei erwachsenen AN eine Austrittsmöglichkeit bei einem eklatanten Verstoß gegen die Bestimmungen des AZG (etwa Überschreitung der Höchstarbeitszeiten durch viele Überstunden) vom OGH bejaht wurde.57 Im Falle der Gleitzeit müsste es also wohl ebenso eine Austrittsmöglichkeit für den Lehrling geben, wenn es dadurch regelmäßig zu Überstunden kommt (aufgrund des generellen Überstundenverbots unabhängig davon, ob diese abgegolten werden oder nicht). Aufgrund der höheren Schutzbedürftigkeit und strengeren Regelungen des KJBG muss uE bei Lehrlingen die Grenze aber geringer angesetzt werden und auch schon „kleinere“ Verletzungen gegen die Arbeitszeitvorschriften zu einer Austrittsmöglichkeit gem § 15 Abs 4 lit b BAG berechtigen. Es ist dabei aber stets eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Vorliegen müssen zudem jedenfalls die Voraussetzungen gem § 15 Abs 2 BAG sowie die Unverzüglichkeit der Geltendmachung58 und die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Lehrverhältnisses.59

Es zeigt sich also, dass auch im Falle von Verstößen in Zusammenhang mit Gleitzeitvereinbarungen oder der Vier-Tage-Woche Sanktionsmechanismen greifen. Dies spricht umso mehr dafür, vor allem die Vier-Tage-Woche auch für minderjährige Lehrlinge gesetzlich zu regeln und hier Klarheit zu schaffen. Allerdings sind uE auch die Sanktionsbestimmungen reformbedürftig. Denn in ihrer derzeitigen Form schützen sie Lehrlinge nicht ausreichend vor Verstößen. Durch die geringen Strafhöhen (maximal rund € 1.000,– gem § 30 Abs 1 KJBG) trägt der:die AG kaum einen Schaden. Zudem wäre höchstgerichtliche Rsp, inwiefern der Lehrling bei solchen Verstößen (ohne ein Verbot der Beschäftigung Jugendlicher) tatsächlich ein Austrittsrecht hat, wünschenswert.

6.
Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass flexible Arbeitszeitmodelle auf minderjährige Lehrlinge nicht so einfach angewendet werden können. Das KJBG sieht strenge Grenzen hinsichtlich der Höchstarbeitszeit vor, die nur in eingeschränkten Fällen ausgedehnt werden können. Zudem besteht eine Ausbildungspflicht für Lehrlinge gem § 9 BAG. Eine echte Gleitzeitvereinbarung ist daher für Minderjährige wohl kaum zulässig. Sie ist aber wegen der im KJBG nicht anfallenden Überstundenproblematik auch nicht notwendig: Wünscht man die bloße selbstständige Einteilung für Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit für die minderjährigen Lehrlinge, so kann eine BV (oder allenfalls Einzelvereinbarung) über die Lage der Arbeitszeit Abhilfe schaffen. Die Vier-Tage-Woche ist de lege lata bloß im Rahmen von (nur sehr eingeschränkt möglichen) „Teilzeit-Lehrverhältnissen“ zulässig. Soll die Option hingegen für alle minderjährigen Lehrlinge eröffnet werden, müsste die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit generell auf 36 Stunden herabgesetzt werden oder eine Aufnahme der Vier-Tage-Woche ins KJBG erfolgen. Angesichts der schnell voranschreitenden Modernisierung der Arbeitswelt wäre dies auch für die Rechtssicherheit der Lehrlinge und der Lehrbeauftragten vorteilhaft. Die Öffnung gegenüber flexiblen Arbeitsformen für Lehrlinge wäre schließlich auch ein gutes Argument, die Attraktivität der Fachberufsausbildung wieder zu erhöhen. 113