ZinndorfÄnderung von Versorgungszusagen – Das Drei-Stufen-Modell des Bundesarbeitsgerichts
Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2023, 386 Seiten, gebunden, € 99,90
ZinndorfÄnderung von Versorgungszusagen – Das Drei-Stufen-Modell des Bundesarbeitsgerichts
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Veröffentlichung einer deutschen Dissertation aus dem Wintersemester 2022/23. Die Arbeit widmet sich dem vor allem in Krisenzeiten besonders aktuellen Thema, ob bzw wie betriebliche Altersvorsorgezusagen nachträglich wieder geändert werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei betrieblichen Pensionszusagen um keine zwingenden gesetzlichen Ansprüche handelt; sie beruhen auf privatautonomen Entscheidungen der AG und AN. Der Gesetzgeber gibt lediglich zum Schutz der AN, die ihre Arbeitsleistung im Vertrauen auf diese Zusagen oft über einen sehr langen Zeitraum hinweg erbringen, einen rechtlichen Rahmen vor. Auf der einen Seite steht also das Besitzstandsinteresse der AN, auf der anderen Seite aber das Änderungsinteresse des AG, der oft nicht alle später eintretenden Eventualitäten vorhergesehen hat. Der deutsche Gesetzgeber hat keine eigenen betriebspensionsrechtlichen Regelungen erlassen, unter welchen Voraussetzungen Leistungszusagen wieder geändert werden dürfen. Die Gerichte waren daher gezwungen, eine Antwort auf diese Frage zu finden; zu diesem Zweck wurde vom Ruhegeldsenat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein Prüfschema entwickelt – das der Arbeit zugrunde liegende Drei-Stufen-Modell, welches auf einem Urteil aus dem Jahr 1985 basiert: 1. Besitzstandsstufe: bereits erdiente Teilbeträge – diese können dem Versorgungsberechtigten außer bei zwingenden Gründen (§§ 242, 313 BGB) nicht mehr entzogen werden, 2. Besitzstandsstufe: Leistung ist an dynamische Faktoren geknüpft (zB Prozentsatz des letzten Gehalts) – Eingriffe in diese Dynamik bedürfen triftiger Gründe; 3. Besitzstandsstufe: noch nicht erdiente Teilbeträge (dh zukünftige dienstzeitabhängige Steigerungsbeträge) – Eingriffe bedürfen sachlichproportionaler Gründe.
Das Buch bietet zunächst einen guten Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland, wobei sich das 3. Kapitel mit der Änderung von Versorgungszusagen beschäftigt. Was man in diesen Kapiteln nicht erwarten darf, ist eine vertiefende Auseinandersetzung mit der bisher zu diesem Thema erschienenen Literatur und Judikatur; ein Aspekt, der für all jene, die sich in das Thema bloß einlesen wollen, von Vorteil ist. Im 4. Kapitel wird dann die Besitzstandsschutzrechtsprechung des Ruhegeldsenates des BAG, das sogenannte „Drei- Stufen-Modell“ vorgestellt, im 5. Kapitel folgt eine Übersicht über die bisher erschienene kritische Literatur zum Drei-Stufen-Modell. Im 6. Kapitel, dem zentralen Thema der Arbeit, geht es um die kritische Auseinandersetzung des Autors mit dem Drei-Stufen-Modell des BAG, inklusive eines eigenen Vorschlags zu einer Kodifikation des Besitzstandsschutzes, wobei er sich vor allem für ein bloß zweistufiges Modell ausspricht; er plädiert für die Zusammenlegung der 1. und 2. Besitzstandsstufe des BAG, da die erdienten dynamischen Teilbeträge (= Besitzstandsstufe des BAG) seines Erachtens keinen geringeren Besitzstandsschutz rechtfertigen. Am Ende folgt noch eine übersichtliche Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Arbeit.
Vorweg sei angemerkt, dass die Arbeit übersichtlich aufgebaut ist und durch eine klare, gut lesbare Sprache und die am Ende zahlreicher Unterkapitel folgenden Zusammenfassungen besticht. Darüber hinaus enthält das Buch auf S 140 ff einige Beispiele, die die Wirksamkeitskontrolle des Drei-Stufen-Modells des BAG gut veranschaulichen. Dadurch bietet es auch für LeserInnen, die das deutsche Recht der betrieblichen Altersversorgung nicht bzw nicht so gut kennen, eine interessante Lektüre.
Aus österreichischer Sicht ist anzumerken, dass sich das deutsche Betriebspensionsrecht, insb im Zusammenhang mit nachträglichen Änderungsmöglichkeiten 160 von Versorgungszusagen, doch sehr deutlich vom österreichischen Recht unterscheidet: So enthält insb das österreichische Betriebspensionsgesetz (BPG) – im Gegensatz zum deutschen Recht, das mangels entsprechender gesetzlicher Regelung auf die Rsp des BAG angewiesen ist – seit Inkrafttreten des BPG im Jahr 1990 klare gesetzliche Regelungen, unter welchen Voraussetzungen ein AG einerseits für aktive AN Beitrags-/Prämienleistungen bzw den Erwerb zukünftiger Anwartschaft einseitig einstellen, aussetzen bzw einschränken darf und andererseits für LeistungsbezieherInnen einer direkten Leistungszusage selbst Leistungen einseitig aussetzen bzw einschränken (nicht aber einstellen) darf: In Österreich bedarf es neben erheblichen wirtschaftlichen Gründen vor allem eines entsprechenden Vorbehalts in der – die betriebliche Altersvorsorge einräumenden – arbeitsrechtlichen Grundlagenvereinbarung (zB Einzelvereinbarung oder BV), anderenfalls ist eine einseitige Änderung durch den AG nicht mehr möglich; dies gilt nach hM selbst dann, wenn der Fortbestand des Unternehmens durch die Aufrechterhaltung der Pensionszusagen gefährdet wäre.
Den österreichischen Gerichten bleibt bei einseitigen Änderungen durch den AG nur noch die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insb der unbestimmten Gesetzesbegriffe „Gefährdung des Weiterbestands des Unternehmens“ durch die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen und der „zwingenden wirtschaftlichen Gründe“, die den AG zu entsprechenden einseitigen Maßnahmen berechtigen. Für einvernehmliche Änderungen (zB durch Einzelvereinbarung oder durch BV) kennt hingegen auch das österreichische Recht keine betriebspensionsrechtlichen Vorgaben. Eine Ausnahme besteht zB für den Wechsel der Pensionskasse bzw Versicherung (im Pensionskassengesetz [PKG] bzw Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG]). Bei sonstigen Änderungen (zB Wechsel von leistungs- zu beitragsorientierter Pensionszusage) besteht hingegen weitgehende Vertragsfreiheit (Grenze Sittenwidrigkeit). Soweit diese allerdings auf Einzelvereinbarung beruhen, verlangt der OGH umfassende Information des (ehemaligen) AN durch den AG. Darüber hinaus sieht das österreichische Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) für die Kündigung von Betriebsvereinbarungen über Pensionskassenzusagen bzw betriebliche Kollektivversicherungen vor, dass die Kündigung nur für neu eingestellte AN wirksam wird, während für die bereits davor beschäftigten AN die BV (statt der sonst nach einer Kündigung eintretenden Nachwirkung) voll wirksam bleibt. Soweit man also aus den Ausführungen des Autors etwas für das österreichische Recht ableiten will, muss man diese doch im Detail sehr unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersvorsorge in den beiden Ländern berücksichtigen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das vorliegende Werk einen äußerst informativen und interessanten Einblick in das deutsche Betriebspensionsrecht bietet. Dem Autor ist es dabei sehr gut gelungen, die nicht so einfache Materie in leicht verständlicher Art aufzubereiten. Das Buch kann daher allen Interessierten nur aufs Wärmste empfohlen werden.