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Teuerungsprämie als insolvenzgesicherter Anspruch?

JENNIFERSCHWAB (WIEN)
  1. Dem Begriff „Entgeltansprüche“ iSd IESG ist der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff zugrunde zu legen. Er umfasst daher alle Leistungen, welche der AG dem AN für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt.

  2. „Laufendes Entgelt“ setzt ein Synallagma zu den vom AN tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen voraus. Gesichert sind nur jene Ansprüche, welche mit den kennzeichnenden Haupt- und Nebenpflichten eines Arbeitsverhältnisses einen solchen Sachzusammenhang aufweisen, dass man davon ausgehen kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis.

  3. Bei einer vom AG gem § 124b Z 408 lit a EStG 1988 gewährten Teuerungsprämie handelt es sich um eine zusätzliche, üblicherweise bisher nicht gewährte Zulage oder Bonuszahlung in den Jahren 2022 und 2023, die aufgrund der durch die Geldentwertung bewirkten unverhältnismäßigen Minderung des Arbeitslohnes gewährt wurde. Sie steht in untrennbarem Konnex mit Arbeitsverhältnis und Arbeitsleistung, betrifft den Kernbereich des durch das IESG versicherten Risikos und ist daher laufendes Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG.

[...]

[5] Die Kl begehrte die Zahlung von Insolvenz- Entgelt und brachte vor, dass es sich bei der Teuerungsprämie um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gem § 1 Abs 2 IESG handle, der kein ausgeschlossener Anspruch nach § 1 Abs 3 IESG sei. Die Teuerungsprämie sei eine freiwillige Leistung des AG, die er nur aus wirtschaftlichen Überlegungen „zur Abgeltung des Einsatzes bzw der Werthaftigkeit der AN“ ausbezahle; sie substituiere in vielen Fällen auch temporäre Lohnerhöhungen, die ebenso gesichert wären, und solle Abhilfe für die gestiegenen Lebenserhaltungskosten schaffen. So wie die Corona-Prämie sei auch die Teuerungsprämie zugesagt und abgerechnet worden, um AN für ihre Leistungen und den Arbeitseinsatz im letzten Jahr zu belohnen.

[6] Die Bekl [...] brachte vor, dass die Kl keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis iSd § 1 Abs 2 IESG geltend mache. Vereinbarungen und Verhaltensweisen, durch die das Risiko im Insolvenzfall missbräuchlich auf sie überwälzt werden solle, seien nichtig bzw liege ein ausgeschlossener Anspruch iSd § 1 Abs 3 IESG vor. Es liege weder eine betriebsübliche Entlohnung vor noch sei diese freiwillige Leistung sachlich gerechtfertigt; die sachliche Rechtfertigung sei von der Kl „bis dato lediglich behauptet“ worden.

[7] Das Erstgericht gab der Klage [...] statt [...]. Die hier gegenständliche Teuerungsprämie nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 habe ihren Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis und sei daher als Anspruch iSd § 1 Abs 2 IESG zu qualifizieren. Da sie bei allen AN abgerechnet worden sei, liege

keine Einzelvereinbarung iSd § 1 Abs 3 Z 2 IESG vor; der Anspruch sei nicht ausgeschlossen. [...]

[8] Das Berufungsgericht hob diese E auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Die Teuerungsprämie stehe in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, weshalb sie als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gem § 1 Abs 2 Z 1 IESG zu qualifizieren sei. Ein Ausschluss des Anspruchs nach § 1 Abs 3 Z 1 IESG komme nicht in Frage, weil die Bekl nicht einmal behauptet habe, dass die Kl von einer allfälligen Benachteiligungsabsicht ihres AG zulasten der Bekl gewusst habe oder wissen hätte müssen. Auf Grundlage des Vorbringens der Kl sei allerdings nicht erkennbar, ob eine sachliche Rechtfertigung für die Auszahlung der Teuerungsprämie iS von § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG vorliege. Die Kl habe nämlich nur behauptet, die Prämie sei aufgrund des hohen Arbeitseinsatzes sämtlicher AN im Kalenderjahr 2022 gerechtfertigt gewesen, habe aber nicht dargetan, warum gerade die ihr gewährte Teuerungsprämie sachlich gerechtfertigt wäre. Diesen Umstand habe das Erstgericht nicht erörtert und die Bekl nicht hinreichend konkret aufgezeigt, sodass zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung die Rechtssache zurückzuverweisen sei.

[9] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den OGH mangels Rsp zur Frage der Qualifikation einer Teuerungsprämie als gesicherten Anspruch nach § 1 Abs 2 IESG zu.

[10] Der Rekurs der Bekl beantragt, den Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im klagsabweisenden Sinne zu entscheiden.

[11] Die Kl beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[12] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und teilweise berechtigt: [...]

[13] 1.1.1. Nach § 1 Abs 2 IESG sind aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche (§ 1 Abs 3 IESG) aus dem Arbeitsverhältnis gesichert, auch wenn sie gepfändet, verpfändet oder übertragen worden sind, und zwar ua Entgeltansprüche, insb auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Z 1) sowie sonstige Ansprüche gegen den AG (Z 3).

[14] 1.1.2. Insolvenz-Entgelt gebührt nach § 1 Abs 3 IESG nicht für ausgeschlossene Ansprüche, darunter (Z 1) Ansprüche nach § 1 Abs 2 IESG, die durch eine iSd §§ 438 ff EO bzw der IO anfechtbare Rechtshandlung erworben wurden, und (Z 2) Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder auf Anordnung der Geschäftsaufsicht (lit a) oder in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Anordnung der Geschäftsaufsicht bzw vor der Kenntnis vom Beschluss nach § 1 Abs 1 Z 2 bis 6 IESG (lit b) abgeschlossen wurde, soweit diese Ansprüche über den durch Gesetz, KollV oder BV zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche 148 Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist.

[15] 1.2.1. Zweck des IESG ist eine sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von AN im Falle der Insolvenz ihres AG. Versichertes Risiko ist im Kernbereich die Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (RS0076409). Ein nach den Bestimmungen des IESG geltend gemachter Anspruch muss einer im Gesetz taxativ (RS0076541) normierten Kategorie gesicherter Ansprüche zugeordnet werden; eine Umgehung ist unzulässig (RS0120409 [T1]).

[16] Der Begriff „Entgeltansprüche“ iSd IESG ist im arbeitsrechtlichen Sinn zu verstehen, umfasst alle Leistungen des AG, die dieser dem AN für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt, und schließt insb Lohn, Gehalt, unregelmäßige Einkünfte wie Provisionen, Zulagen, Prämien, sonstige leistungsbezogene Entgelte, Überstundenentlohnung, Sonderzahlungen sowie Vergütungen für Diensterfindungen ein (RS0076555; 8 ObS 1/21m mwN).

[17] „Laufendes Entgelt“ setzt somit ein Synallagma zu den vom AN tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen voraus (vgl RS0127035). Es sind nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Hauptpflichten und Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, dass davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (RS0076409 [T4]).

[18] 1.2.2. In den Materialien zum IRÄG 1994 (ErläutRV 1384 BlgNR 18. GP 11) ist als Beispiel für sachliche Rechtfertigung iSd § 1 Abs 3 Z 2 IESG lediglich das eines Spezialisten zur Unternehmenssanierung angeführt; negativ werden als Beispiele für sachlich nicht gerechtfertigte Vereinbarungen eine Vordienstzeitenanrechnung für andere AN und die Übernahme eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis erwähnt.

[19] In der Rsp wurde jedoch bereits wiederholt festgehalten (vgl 8 ObS 6/22y mwN), dass als entscheidende Kriterien für die sachliche Rechtfertigung einer höheren, über dem betriebsüblichen Niveau liegenden Entlohnung vor allem die Bedeutung der Arbeit des jeweiligen AN und auch der damit verbundene Arbeitseinsatz anzusehen sind und daran in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht die sachliche Rechtfertigung einer höheren Entlohnung zu messen ist. [...] Die sachliche Rechtfertigung ist immer dann zu bejahen, wenn auch ein das Unternehmen fortführender Insolvenzverwalter in einer gleichartigen Situation bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt iSd § 81 IO nicht umhingekommen wäre, eine Gehaltserhöhung in diesem Ausmaß zu gewähren. [...]

[20] 2.1. § 124b Z 408 lit a EStG 1988, der durch Art 1 Z 3 lit c Teuerungs-Entlastungspaket, BGBl I 2022/93, eingeführt wurde, lautet:

„Zulagen und Bonuszahlungen, die der AG in den Kalenderjahren 2022 und 2023 aufgrund der Teuerung zusätzlich gewährt (Teuerungsprämie), sind

  • bis 2.000 Euro pro Jahr steuerfrei und zusätzlich

  • bis 1.000 Euro pro Jahr steuerfrei, wenn die Zahlung aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs 5 Z 1 bis 7 erfolgt.

Es muss sich dabei um zusätzliche Zahlungen handeln, die üblicherweise bisher nicht gewährt wurden. Sie erhöhen nicht das Jahressechstel gemäß § 67 Abs 2 und werden nicht auf das Jahressechstel angerechnet.“

[21] 2.2. Der Initiativantrag, auf den diese Bestimmung zurückgeht, wurde wie folgt begründet (IA 2662/A BlgNR 27. GP 11):

„Zahlt der AG einem AN in den Jahren 2022 und 2023 auf Grund der gestiegenen Preise zusätzlichen Arbeitslohn, soll diese Maßnahme steuerlich entlastet werden: Derartige zusätzliche Zahlungen sollen als ‚Teuerungsprämie‘ in den Kalenderjahren 2022 und 2023 bis zu einem Betrag von insgesamt 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei sein. Die Zahlungen dürfen üblicherweise bisher nicht gewährt worden sein; Belohnungen, die aufgrund von Leistungsvereinbarungen gezahlt werden, fallen daher nicht unter diese Befreiung. [...]“

[...]

[23] 3.1. Der Rekurs der Bekl beharrt darauf, dass die Teuerungsprämie kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis sei, zumal diese – anders als eine Bleibeprämie (8 ObS 6/22y) – nicht von einer tatsächlichen Arbeitsleistung abhänge und nur „wegen der Teuerung“ freiwillig gewährt werde; sie sei auch nicht mit der nach dem IESG gesicherten Corona-Prämie (gemeint: der durch Art 11 3. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/23, eingeführte § 124b Z 350 EStG 1988) zu vergleichen, weil diese besondere Belastungen mit den durch die Pandemie individuell erschwerten Arbeitsbedingungen hätte ausgleichen sollen. Die Teuerungsprämie dagegen sehe einen solchen Ausgleich nicht vor und sei eine nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehende, rein steuer- und abgabenrechtliche Regelung.

[24] 3.2. Nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 handelt es sich bei der Teuerungszulage um vom AG dem AN zusätzliche, üblicherweise bisher nicht gewährte Zulagen oder Bonuszahlungen in den Jahren 2022 und 2023, die im Hinblick darauf gewährt wurden, dass die Geldentwertung eine unverhältnismäßige Minderung des Arbeitslohnes bewirkte. Nach dem in den Materialien zum Ausdruck kommenden Zweck soll damit eine steuerliche Entlastung für einen in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund der gestiegenen Preise gewährten zusätzlichen Arbeitslohn bewirkt werden.

[25] 3.3. Der erkennende Senat teilt vor diesem Hintergrund die Ansicht des Berufungsgerichts [...], dass eine solche Teuerungsprämie in untrennbarem Konnex mit Arbeitsverhältnis und -leistung steht, sie ohne diese nicht denkbar wäre und sie den Kernbereich des durch das IESG versicherten Risikos betrifft; sie soll gerade vor dem Hinter 149 grund der Geldentwertung die Bestreitung des Lebensunterhalts der AN trotz Insolvenz des AG sicherstellen.

[26] Wesentliche Unterschiede zwischen der Teuerungsprämie und der Regelung nach § 124b Z 350 EStG 1988, welche eine differenzierte Behandlung in Ansehung der Qualifikation als Arbeitsentgelt nahelegen würden, sind weder vom Wortlaut der beiden Bestimmungen (arg: „zusätzliche Zahlungen ... aufgrund der COVID-19-Krise / der Teuerung“) noch von ihrer – gleichlaufend gestalteten – Gesetzessystematik geboten.

[27] Die Teuerungsprämie nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 ist daher als laufendes Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG anzusehen.

[28] 4.1. Der Rekurs führt unter der Überschrift „zur finanziellen Schieflage“ aus, die Bekl habe ausreichendes Vorbringen zum Kenntnisstand über die finanzielle Schieflage bei der Kl und der Schuldnerin erstattet, „um entsprechende Feststellung erforderlich zu machen“. Es widerspreche der Intention des Gesetzgebers, dass zu einem Zeitpunkt, wo die finanzielle Lage des Unternehmens äußerst prekär sei, vom AG dennoch freiwillig ausgeschüttete Prämien, denen insb keine entsprechende zu den sonstigen regulären Arbeitsleistungen hinzukommende Gegenleistung des AN gegenüberstehe, dennoch nach dem IESG gesichert sein sollten, da dies eine unzulässige Risikoüberwälzung auf die Bekl wäre.

[29] 4.2. Nach der stRsp des erkennenden Senats kann regelmäßig allein aus der zeitlichen Komponente des „Stehenlassens“ von Entgeltansprüchen nicht darauf geschlossen werden, dass der AN missbräuchlich das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds überwälzen wolle. Allerdings kann im Einzelfall und unter Heranziehung eines „Fremdvergleiches“ (vgl RS0114470; RS0112127) dann, wenn zum „Stehenlassen“ von Entgelt weitere Umstände hinzutreten, die konkret auf den Vorsatz des AN schließen lassen, das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu überwälzen, die Geltendmachung eines Anspruchs auf Insolvenz-Entgelt missbräuchlich sein (RS0119679; RS0116935; 8 ObS 4/20a; 8 ObS 5/22a).

[30] 4.3. Tatsächlich wurde hier die Prämie aufgrund von vom Berufungsgericht als schlüssig zustandegekommen qualifizierten jeweiligen Einzelvereinbarungen [...] im Dezember 2022 abgerechnet, bevor der AG im Jänner 2023 insolvent wurde. Dass die Kl oder andere AN zu diesem Zeitpunkt schon länger offene Entgeltansprüche gehabt hätten, hat die Bekl nicht vorgebracht und ist auch nicht hervorgekommen; dasselbe gilt für Umstände dahin, dass die Kl eine besondere Nahebeziehung zum AG gehabt oder sonst konkretes Wissen über dessen Insolvenz gehabt und deshalb die Vereinbarung über die Teuerungsprämie getroffen hätte. Es wurde auch nicht behauptet und es ist auch nicht hervorgekommen, dass die Höhe der gewährten Teuerungsprämie in einem auffälligen Missverhältnis zu Arbeitsausmaß oder Lohnhöhe der Kl (von unstrittig 3.780 € brutto) gestanden wäre.

[31] 4.4. Insgesamt ist daher dem Berufungsgericht auch dahin zuzustimmen, dass konkreter Missbrauchsvorsatz oder gar -absicht der Kl nicht behauptet wurde, sodass ein Ausschlussgrund iSd § 1 Abs 3 Z 1 IESG nicht näher in Betracht kommt.

[32] 5.1. Zum Ausschlussgrund nach § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG führt der Rekurs ins Treffen, die Kl habe im erstinstanzlichen Verfahren zur Begründung der sachlichen Rechtfertigung der gewährten Teuerungsprämie lediglich vorgebracht, dass sich die AN durch ihren hohen Arbeitseinsatz im letzten Arbeitsjahr eine derartige Prämie, also eine Zuzahlung zum laufenden Gehalt, sachlich gerechtfertigt verdient hätten; die Bekl habe darauf erwidert, dass damit kein hinreichendes Vorbringen der Kl zur betriebsüblichen Entlohnung und zur sachlichen Rechtfertigung erstattet worden sei. Dem habe sich das Berufungsgericht angeschlossen, jedoch rechtsirrig vermeint, diese Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens wäre trotz des konkreten Bestreitungsvorbringens erörterungsbedürftig gewe sen.

[33] 5.2. Der erkennende Senat hält vor dem Hintergrund der oben bereits dargelegten Zwecke des Insolvenz-Entgelts und der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Zweckbestimmung der Teuerungsprämie und ihrer steuerlichen Befreiung jedoch dafür, dass die sachliche Rechtfertigung der Teuerungsprämie in ihrer konkreten Ausgestaltung darin zu erblicken ist, dass die Kl ihre (Vollzeit-) Arbeitsverpflichtung trotz der hohen Geldentwertung erfüllte, und dass die vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so gewünschte und durch Befreiung von Lohnnebenkosten auch geförderte Zusatzentlohnung einen Beitrag zur Beibehaltung der Äquivalenz zwischen Arbeitsleistung und Bezahlung leisten sollte. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es daher nicht notwendig, eine zusätzliche konkrete sachliche Rechtfertigung darzulegen [...]. Hier liegt eine ausreichende sachliche Rechtfertigung der steuerlich begünstigten Zusatzzahlung im Umstand der auch die Kl treffenden Geldentwertung und der dessen ungeachtet von ihr erbrachten Arbeitsleistung. [...]

[36] 5.5. Zusammengefasst ist eine sachliche Rechtfertigung der Gewährung der Teuerungsprämie hier nicht weiter erörterungsbedürftig und inhaltlich zu bejahen.

[37] Der Anspruch der Kl besteht damit zu Recht, ohne dass auf die [...] Frage der Betriebsüblichkeit eingegangen werden muss (vgl RS0120260).

[38] [...] Dem Rekurs des Bekl ist daher Folge zu geben [...] und in der Sache selbst iSd schon vom Erstgericht [...] ausgesprochenen Stattgebung des Klagebegehrens zu erkennen.

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Das IESG dient der sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen entgeltwerten aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von AN im Fall der Insolvenz ihres AG. Versichertes Risiko ist daher im Wesentlichen die Gefahr der gänzlichen oder teilweisen Nichterfüllung der Entgeltansprüche, auf welche 150 die AN typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (vgl RS0076409; Gahleitner in ZellKomm3 § 1 IESG Rz 1).

In der gegenständlichen E war fraglich, ob eine gem § 124b Z 408 lit a EStG 1988 gewährte Teuerungsprämie Entgelt iSd IESG und damit ein gesicherter Anspruch ist. Dies hat der OGH mit den im folgenden dargestellten Argumenten bejaht.

2.
Gesicherte Ansprüche

Mit Rücksicht auf die Zielsetzung des IESG (siehe 1.) hat der Gesetzgeber bestimmte Kategorien von Ansprüchen als gesicherte Forderungen anerkannt. Ein geltend gemachter Anspruch muss also einer in § 1 Abs 2 IESG normierten Anspruchsart zugeordnet werden können (OGH 24.3.2015, 8 ObS 1/15b). Gesichert sind gem § 1 Abs 2 IESG im Gesetz taxativ aufgezählte (OGH 29.10.1993, 9 ObS 25/93; OGH 19.12.1990, 9 ObS 16/90) nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche (Abs 3) aus dem Arbeitsverhältnis, auch wenn sie gepfändet, verpfändet oder übertragen worden sind. Allgemeine Voraussetzung für die Qualifikation als gesicherte Forderung ist zunächst, dass es sich um einen Anspruch „aus dem Arbeitsverhältnis“ handelt. Es sind also nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Hauptund Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, dass man davon ausgehen kann, der Anspruch habe seinen Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (OGH 16.11.2005, 8 ObS 24/05w; OGH 7.8.2003, 8 ObS 4/03a).

Zu den gesicherten Ansprüchen zählen Entgeltansprüche, insb auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Z 1), Schadenersatzansprüche (Z 2), sonstige Ansprüche gegen den AG (Z 3) und die zur entsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten (Z 4), wie zB Prozesskosten, welche dem AN zur Durchsetzung der Ansprüche nach Z 1 bis 3 rechtskräftig zugesprochen oder im Fall eines Insolvenzverfahrens gem § 109 IO festgestellt wurden. Dem Begriff „Entgeltansprüche“ iSd IESG ist der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff zugrunde zu legen. Er umfasst daher alle Leistungen, welche der AG dem AN für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt. Er umfasst insb Lohn, Gehalt, Prämien, sonstige leistungsbezogene Entgelte, Überstundenentlohnungen, Sonderzahlungen sowie Vergütungen für Diensterfindungen (RS0076555).

Die ausgeschlossenen Ansprüche finden sich in § 1 Abs 3 IESG (siehe dazu 3.2.).

3.
Teuerungsprämie als gesicherter Anspruch?
3.1.
Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis?

Der Insolvenz-Entgelt-Fonds vertrat die Meinung, dass es sich bei der Teuerungsprämie um keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handle. Diese Ansicht begründete der Fonds damit, dass die Teuerungsprämie nicht von einer tatsächlichen Arbeitsleistung abhänge und nur „wegen der Teuerung“ freiwillig gewährt werde. Dass der Anspruch seine Wurzel im Arbeitsverhältnis selbst hat, ist aber Voraussetzung für die Sicherung des Anspruchs durch das IESG. Im Hinblick auf die Teuerungsprämie war der Insolvenz-Entgelt-Fonds der Ansicht, die Teuerungsprämie würde keinen Ausgleich für erschwerte Arbeitsbedingungen vorsehen, sondern es würde sich um eine rein steuer- und abgabenrechtliche Regelung handeln, die nicht mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stünde.

Der OGH hingegen teilte diese Ansicht nicht: Die vom AG im Anlassfall gewährte Teuerungsprämie wurde aufgrund der durch die Geldentwertung bewirkten unverhältnismäßigen Minderung des Arbeitslohnes gewährt. Die EStG-Regelung soll eine steuerliche Entlastung für einen in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund der gestiegenen Preise gewährten zusätzlichen Arbeitslohn bewirken. Die Teuerungsprämie steht dem OGH zufolge in untrennbarem Konnex mit Arbeitsverhältnis und -leistung, wäre ohne diese nicht denkbar und betrifft einen Kernbereich des durch das IESG versicherten Risikos. Ihr Ziel liegt in der Sicherstellung der Bestreitung des Lebensunterhalts der AN trotz Insolvenz des AG vor dem Hintergrund der Geldentwertung.

In seiner Argumentation nahm der OGH auch auf andere Prämien Bezug, die einen gesicherten Anspruch nach dem IESG darstellen. Dabei bezog er sich zunächst auf eine E zu einer Bleibeprämie (OGH 30.8.2022, 8 ObS 6/22y; siehe auch OGH 25.6.2021, 8 ObS 1/21m). Bleibe- (oder auch Halte-)prämien sind Zusagen an bestimmte AN oder AN-Gruppen, welche auf die Mitarbeiterbindung abzielen. Es handelt sich idR um Sonderzahlungen, die in Voraussetzungen und Zweck einer Treueprämie ähnlich sind. Sind diese Bleibeprämien von einer tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig, so sind sie als Sonderzahlung anzusehen und damit als gesichertes Entgelt gem § 1 Abs 2 Z 1 IESG zu qualifizieren.

Zudem bezog sich der OGH in seiner Entscheidungsfindung auch auf die „Corona-Prämie“. Grundlage dieser Prämie ist der durch das 3. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/23, Art 11) eingeführte § 124b Z 350 EStG. Die Prämie sollte besondere Belastungen mit den durch die Pandemie individuell erschwerten Arbeitsbedingungen ausgleichen. Auffallend ist aber, dass der OGH die Sicherung der „Corona-Prämie“ durch das IESG offenbar voraussetzt; Entscheidungen zur „Corona- Prämie“ bestehen nicht.

Im Ergebnis ist die E wohl richtig, eine stichhaltigere, detaillierte Begründung, warum die Teuerungsprämie denn nun in „untrennbarem Konnex mit dem Arbeitsverhältnis“ stehen solle, wäre aber wünschenswert gewesen. Sowohl bei einer Bleibeprämie als auch bei der „Corona-Prämie“ ist dieser Zusammenhang leichter herzustellen. Um den Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zu bejahen, stellt der OGH (siehe sogleich) offenbar auf die Zielsetzung der gewährten Leistungen ab. 151

Eine Bleibeprämie wird zur Sicherung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses gewährt (OGH 30.8.2022, 8 ObS 6/22y; siehe auch OGH 25.6.2021, 8 ObS 1/21m; siehe ausführlich Rath, DRdA 2022, 249 [251]). Sie wäre also tatsächlich ohne das Arbeitsverhältnis gar nicht denkbar.

Da es bei Gewährung der „Corona-Prämie“ um den Ausgleich der besonderen Belastungen der durch die Pandemie erschwerten Arbeitsbedingungen ging, ist auch hier der Konnex ganz deutlich erkennbar. Arbeitsbedingungen können schon begrifflich nie ohne das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis bestehen.

Bei der Teuerungsprämie ist dieser Schluss schwieriger zu ziehen: Die Teuerung betrifft im Unterschied zum aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses (Bleibeprämie) und zu den Arbeitsbedingungen („Corona-Prämie“) nicht nur das Arbeitsverhältnis. Zwar sorgt auch die Teuerungsprämie für einen Ausgleich, dieser ist aber nicht so leicht wie bei einer Bleibeprämie oder der „Corona-Prämie“ in Bezug zum Arbeitsverhältnis zu setzen. Freilich ist auch der den AN aufgrund der gestiegenen Preise gewährte zusätzliche Arbeitslohn ohne das Arbeitsverhältnis nicht denkbar. Bei der Preissteigerung in den Jahren 2022 und 2023 handelt es sich – anders als beim aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie den Arbeitsbedingungen – aber um einen Umstand außerhalb des Arbeitsverhältnisses, der ausgeglichen werden soll. Die Zielsetzung liegt also nicht im geschützten Bereich. Unbestritten ist zwar, dass dieses Argument grundsätzlich auch auf die Corona-Pandemie zutrifft: Auch die Pandemie betraf – wie auch die Teuerung – nicht nur AN. Bei der Pandemie handelt es sich also um einen Umstand, der außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegt. Ausgeglichen werden sollten aber die durch die Pandemie erschwerten Arbeitsbedingungen, nicht die Pandemie an sich. Bei der Teuerungsprämie sollte aber unmittelbar der außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegende Umstand der Teuerung ausgeglichen werden.

Im Ergebnis wird die E aber wohl zutreffen: Ausschlaggebendes Argument ist, dass alle diese Leistungen als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung gewährt werden und damit Entgelt im arbeitsrechtlichen Sinn vorliegt, welches durch das IESG gesichert ist.

3.2.
Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 1 Abs 3 IESG?

Im Hinblick auf einen allfälligen Ausschluss der Teuerungsprämie vom IESG befasste sich der OGH einerseits mit dem Ausschlussgrund der anfechtbaren Rechtshandlungen (§ 1 Abs 3 Z 1 IESG) als auch mit dem Ausschluss einzelvertraglicher Ansprüche (§ 1 Abs 3 Z 2 IESG). Beide Ausschlussgründe verneinte der OGH jedoch schon deshalb, weil der Insolvenz-Entgelt-Fonds kein substantiiertes Vorbringen in diese Richtungen erstattet hatte. Hinsichtlich § 1 Abs 3 Z 1 IESG hatte der Fonds keinen konkreten Missbrauchsvorsatz der Kl behauptet.

Nach § 1 Abs 3 Z 2 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt nicht für Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder auf Anordnung der Geschäftsaufsicht oder in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Anordnung der Geschäftsaufsicht bzw vor der Kenntnis vom Beschluss nach Abs 1 Z 2 bis 6 IESG abgeschlossen wurde, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, KollV oder BV zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Der OGH erblickt die sachliche Rechtfertigung der Teuerungsprämie einerseits in der Erfüllung der (Vollzeit-)Arbeitsverpflichtung der Kl trotz der hohen Geldentwertung. Außerdem sollte die vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewünschte und durch Befreiung von Lohnnebenkosten geförderte Zusatzentlohnung einen Beitrag zur Beibehaltung der Äquivalenz von Arbeitsleistung und Bezahlung leisten.

4.
Exkurs: Mitarbeiterprämie (§ 124b Z 447 EStG) als gesicherter Anspruch?

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass innerhalb eines Gesetzes dasselbe Begriffsverständnis zugrunde gelegt wird und dass der Aufbau eines Gesetzes und der Standort der jeweiligen Norm bei der Auslegung eine Rolle spielt (Kodek in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 6 Rz 61, 78). Solche dogmatischen Überlegungen stellt der OGH auch in vorliegender E überzeugend an: Die „Corona-Prämie“ und die Teuerungsprämie sind beide in § 124b EStG 1988 geregelt (Z 350; Z 408). Sowohl der Wortlaut (arg: „zusätzliche Zahlungen ... aufgrund der COVID-19-Krise/der Teuerung“) als auch die Gesetzessystematik stimmen hier überein.

Zutreffend ist daher die Annahme von Wiesinger (PV-Info 10/2024, 25 [25 f]), dass die gegenständliche E wohl auch auf Mitarbeiterprämien für das Jahr 2024 anzuwenden sein wird. Auch diese sind im EStG in ebendieser Regelung (§ 124b Z 447 leg cit, BGBl I 2023/200) geregelt. Auch die Mitarbeiterprämie ist arbeitsrechtlich als Entgelt zu qualifizieren. Wenn also sowohl für die „Corona-Prämie“ als auch für die Teuerungsprämie insolvenzrechtlicher Entgeltschutz besteht, wird dies auch auf die Mitarbeiterprämie zutreffen. 152