15Ausbildungskostenrückersatz nur bei beidseitiger Unterschriftlichkeit?
Ausbildungskostenrückersatz nur bei beidseitiger Unterschriftlichkeit?
Eine schriftliche Vereinbarung iSd § 2d AVRAG erfordert Unterschriftlichkeit.
Für eine interpretative Beschränkung der Schriftlichkeit in § 2d AVRAG auf den AN besteht keine Grundlage.
[1] Der Bekl war bei der Kl als Angestellter beschäftigt. Am 24.1.2020 unterschrieb er eine „Rückzahlungserklärung für die Kosten von Ausbildungsveranstaltungen“, die von der Kl nicht unterschrieben wurde.
[2] In dieser heißt es ua:
„Ich verpflichte mich hiermit zur Rückzahlung sämtlicher entstandener Kosten von Ausbildungsveranstaltungen, wenn das Dienstverhältnis innerhalb von 36 Monaten ab dem Ende der Ausbildung durch
Dienstnehmerkündigung
(...)
beendet wird.
Besteht eine Ausbildung aus mehreren Teil(veranstaltung)en, werden die Gesamtkosten berücksichtigt. In diesem Fall läuft die 36-Monatsfrist ab dem Ende der letzten Veranstaltung.
Die Basis des Rückzahlungsbetrages beträgt 100 % der Kursgebühren und der angefallenen Reiseund Unterbringungskosten und verringert sich um jeweils 1/36 für jeden vollen Kalendermonat innerhalb der 36-Monatsfrist.
Zertifizierung Kommerz
Lehrgangs-Kosten. 4.026,00 + ca. 800,00 Reisekosten“
[3] Weiters werden die einzelnen Veranstaltungen des Lehrgangs aufgelistet.
[4] Das Dienstverhältnis endete durch DN-Kündigung zum 31.10.2021.
[5] Die Kl begehrt auf Basis der Erklärung vom 24.1.2020 die Rückzahlung eines Teils der Ausbildungskosten, 3.578,67 € sA.
[6] Der Bekl wendet ua ein, dass es sich bei der Rückzahlungserklärung um keine gültige Vereinbarung iSd § 2d AVRAG handle, weil das zwingende Schriftformerfordernis nicht eingehalten worden sei. Unter Schriftlichkeit sei „Unterschriftlichkeit“ zu verstehen.
[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 2d Abs 2 AVRAG schütze den AN nicht nur vor Übereilung, sondern auch vor der Geltendmachung (weiterer) Rückforderungsansprüche des AG. Nur eine schriftliche Vereinbarung, die auch vom AG unterfertigt sei, biete dem AN Rechtssicherheit. Die Verletzung des Schriftformerfordernisses führe zur gänzlichen Nichtigkeit der Vereinbarung, sodass die Ausbildungskosten nicht zurückgefordert werden könnten.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl gegen diese Entscheidung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht. Gem § 2d Abs 2 AVRAG sei eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen AG und AN zulässig. Das Gebot der Schriftlichkeit bedeute im Allgemeinen „Unterschriftlichkeit“ iS einer eigenhändigen Unterschrift. Zweck des § 2d AVRAG sei, für den AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Er solle nicht unüberlegt eine solche Verpflichtung eingehen. Das Schriftlichkeitsgebot diene zusätzlich 140 auch Beweissicherungszwecken, insb betreffend die Höhe des maximal vom AG rückforderbaren Ausbildungskostenrückersatzes. § 2d AVRAG stelle daher eine Schutzbestimmung für den AN dar. Das Argument, wonach das Schriftlichkeitsgebot auch vor der Geltendmachung (weiterer) Rückforderungsansprüche des AG schütze und dem AN Rechtssicherheit biete, sei entgegenzuhalten, dass ein AG keine Ausbildungskosten zurückfordern könne, die nicht Gegenstand einer Vereinbarung iSd § 2d AVRAG gewesen seien. Der Schutzzweck der Bestimmung sei aber in gleicher Weise erfüllt, wenn eine Vereinbarung zwischen AG und AN nur vom AN unterschrieben worden sei und der AG seine Willenserklärung anders, zB mündlich oder konkludent, durch Verfassen des Schriftstücks und Entgegennahme des vom AN unterschriebenen Schriftstücks abgebe. Damit sei ein Anspruch der Kl auf Rückzahlung anteiliger Ausbildungskosten nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Rückzahlungserklärung nicht die Unterschrift der Kl aufweise. Da aber Feststellungen fehlten, um beurteilen zu können, ob die übrigen Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs vorlägen, sei das erstgerichtliche Urteil aufzuheben.
[9] Der Rekurs an den OGH wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rsp zur Frage fehle, ob eine schriftliche Vereinbarung iSd § 2d Abs 2 AVRAG zwingend auch eigenhändig vom AG zu unterschreiben sei.
[10] Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich der Rekurs des Bekl mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen.
[11] Die Kl beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
[12] Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.
[13] 1. Nach § 2d Abs 2 AVRAG kann eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung zwischen AG und AN verlangt werden (vgl auch IA 605/A 22. GP 8).
[14] 2. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt nach § 886 ABGB durch Unterschrift der Parteien zustande. Das Gebot der Schriftlichkeit bedeutet im Allgemeinen „Unterschriftlichkeit“ und erfordert die eigenhändige Unterschrift unter dem Text, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor (RS0017221, vgl auch RS0078934 [T1]).
[15] 3. Nur im Einzelfall kann einem gesetzlichen Schriftlichkeitsgebot auch ohne Unterfertigung einer Erklärung entsprochen werden; die Zulässigkeit derartiger Ausnahmen richtet sich nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots (RS0017221 [T18]). Die teleologische Reduktion von Formvorschriften ist allerdings mit größter Vorsicht zu handhaben (RS0017221 [T1, T4, T17]). Allgemein soll das Erfordernis der Schriftform gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RS0017221 [T7]). Darüber hinaus liegt der Zweck der Schriftform etwa im Übereilungsschutz, in der Beweissicherung oder in der Rechtssicherheit des Geschäftsverkehrs (4 Ob 6/19i mwN). Bei bloßen Informationspflichten spricht der Zweck eher für Textform ohne eigenhändige Unterschrift (Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 886 Rz 5), geht es doch darum, dem Empfänger bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung zu stellen (Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB7 § 886 ABGB Rz 7; 5 Ob 71/16a Pkt 5.1).
[16] 4. Bei einem zweiseitig verbindlichen Vertrag ist dem Formerfordernis der Schriftlichkeit grundsätzlich nur dann entsprochen, wenn beide Parteien den Vertrag unterzeichnet haben (RS0017232), kommt ein dem Schriftlichkeitsgebot unterliegender Vertrag doch kraft ausdrücklicher Anordnung des § 886 ABGB erst mit der Unterschrift „der Parteien“ zustande (5 Ob 2085/96w; RS0101797).
[17] Zu einseitig verbindlichen Verträgen wird in der Lehre vertreten, dass das Schriftformgebot nach dem Formzweck ausnahmsweise auch dadurch erfüllt sein kann, dass der ausschließlich Verpflichtete ein Schriftstück unterschreibt und der Berechtigte sich damit, wenn auch formlos, einverstanden erklärt (Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB3 [2022] § 886 ABGB Rz 13; Kalss in Kletečka/Schauer [Hrsg], ABGB-ON1.06 § 886 Rz 3).
[18] In der Rsp wurde in Fällen der gewillkürten Schriftform ebenfalls bejaht, dass diese dadurch erfüllt ist, dass der ausschließlich Verpflichtete unterschreibt und der Berechtigte sich damit, wenn auch formlos, einverstanden erklärt (RS0017300).
[19] 5. § 2d AVRAG verlangt eine „schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“. Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz sowohl vom AG als auch vom AN zu unterzeichnen ist (vgl auch Geiblinger, ASoK 2012, 130; Reissner in ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 15).
[20] Die Bestimmung stellt eine Schutzbestimmung zu Gunsten des AN dar. Die dem AN daraus gebührenden Rechte sind nach § 16 AVRAG unabdingbar, die Inhalte des § 2d AVRAG stellen relativ zwingendes Recht dar (9 ObA 85/21x). Zweck des § 2d AVRAG ist, für den AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. Nur so kann eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des AN vermieden werden (9 ObA 48/23h mwN).
[21] 6. Für eine interpretative Beschränkung der Schriftlichkeit in § 2d AVRAG auf den AN besteht allerdings keine Grundlage. Die teleologische Reduktion verschafft der „ratio legis“ gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht im Fehlen einer nach der „ratio legis“ notwendigen Ausnahmeregel (RS0008979 [T4]). Zwar richtet sich die Reichweite des Formgebots auch nach dem Formzweck. Dieser liegt, wie zuvor dargestellt, im Schutz des AN, dem die Reichweite der Verpflichtung, die er 141 eingeht, deutlich gemacht werden soll, aber letztlich auch in der Erleichterung und Sicherung des Beweises des Umfangs der Vereinbarung. Wenn daher der Gesetzgeber die Schriftlichkeit nicht auf die Verpflichtungserklärung des AN beschränkt, kann das nicht als planwidrig überschießend und unsachlich angesehen werden.
[22] 7. Eine Rückzahlungsvereinbarung wie die vorliegende ist auch nicht nur einseitig verbindlich. Selbst wenn sich in ihr der AN unter bestimmten Umständen zum Kostenersatz verpflichtet, resultiert daraus auch die Verpflichtung des AG für den Fall, dass der AN die in Aussicht genommene Ausbildung absolviert, zumindest vorläufig die Kosten dafür zu übernehmen. Weiters ergibt sich daraus die Verpflichtung des AG, sofern die Bedingungen für den Kostenersatz nicht eintreten, diese Ausbildungskosten endgültig zu tragen.
[23] 8. Die Kl argumentiert damit, dass der Ausbildungskostenrückersatz bereits in dem auch von ihr unterfertigten Dienstvertrag aus dem Jahr 2012 zugrunde gelegt war und die nur vom Bekl unterfertigte „Verpflichtungserklärung“ nur die Konkretisierung dieser Rückersatzvereinbarung behandelt, für die eine nochmalige Unterschrift des AG nicht notwendig sei.
[24] Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass ein Ausbildungskostenrückersatz in Form einer Rahmenvereinbarung mit nachfolgender ergänzender Vereinbarung für die konkreten Kosten einer bestimmten Ausbildung wirksam vereinbart werden kann, ist daraus für die Kl nichts zu gewinnen. Sieht das Gesetz eine bestimmte Form der Vereinbarung vor, dann muss diese schriftliche Vereinbarung jedenfalls die wesentlichen Vertragspunkte umfassen (Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB3 [2022] § 886 ABGB Rz 16). Das sind aber bei der Rückzahlungsvereinbarung die konkrete Ausbildung und die Gesamtkosten, deren Rückzahlung gefordert werden kann. Da diese erst in der „Rückzahlungserklärung“ enthalten waren, ist allein dadurch, dass die Grundlagenvereinbarung von beiden Parteien unterfertigt wurde, nicht von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses auszugehen.
[25] Demnach liegt auch in der Vereinbarung im Dienstvertrag keine von beiden Parteien unterfertigte Rückzahlungsvereinbarung.
[26] 9. Die Verletzung des Schriftformerfordernisses führt zur (gänzlichen) Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Vereinbarung (9 ObA 121/20i Pkt 5 mwN).
[27] 10. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und das klagsabweisende erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen.
Der Abschluss einer Vereinbarung über den Rückersatz von Ausbildungskosten hat schriftlich zu erfolgen (§ 2d Abs 2 AVRAG). In der vorliegenden E hatte sich der OGH erstmals mit der Frage zu befassen, ob zur Erfüllung des Schriftformgebots die Unterschrift des AN genügt oder auch die Unterschrift des AG erforderlich ist. Dabei sind zwei Fragen zu unterscheiden: Zunächst ist zu untersuchen, ob eine wirksame Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz überhaupt Unterschriftlichkeit verlangt oder ob auch Textform ausreichend ist. Sollte Unterschriftlichkeit erforderlich sein, ist der Frage nachzugehen, ob diese Form nur vom AN oder auch vom AG zu wahren ist.
Nach § 2d Abs 2 AVRAG erfordert der Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz eine „schriftliche Vereinbarung
“. Nach § 886 S 1 ABGB ist unter Schriftlichkeit grundsätzlich Unterschriftlichkeit zu verstehen. Die hA geht demnach auch davon aus, dass § 2d AVRAG Unterschriftlichkeit verlange (so zB Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 15 [Stand 1.1.2018, rdb.at]).
Nach hA kann jedoch abhängig vom Zweck, welchen der Gesetzgeber mit der Anordnung der Schriftform verfolgt, die Notwendigkeit einer Unterschrift ausnahmsweise entfallen. Vor allem zur Erfüllung reiner Informationspflichten reicht es regelmäßig aus, dass bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung gestellt werden (P. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer [Hrsg], ABGB7 [2023] § 886 Rz 7; S. Dullinger in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 886 Rz 5 [Stand 1.11.2014, rdb.at]; OGH 26.2.2019, 4 Ob 6/19i). Wenn der OGH nun zutreffend ausführt, § 2d Abs 2 AVRAG habe den Zweck, für den AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Ausbildungskosten zu schaffen, so könnte dies für eine teleologische Reduktion des Formerfordernisses sprechen. Allerdings weist der OGH – zu Recht – auch darauf hin, die Schriftform solle dem AN auch die Reichweite der einzugehenden Verpflichtung deutlich machen. Der damit angesprochene Übereilungsschutz steht einer Reduktion des Schriftformerfordernisses entgegen (vgl OGH 23.9.2010, 5 Ob 133/10k).
Dem OGH ist damit im ersten Schritt beizupflichten. Schriftlich iSd § 2d Abs 2 AVRAG meint unterschriftlich iSd § 886 ABGB. Diese Formvorschrift wurde im gegenständlichen Sachverhalt nur bei der Erklärung des AN, nicht aber bei der Erklärung des AG gewahrt.
Es bleibt daher zu klären, ob eine schriftliche Vereinbarung iSd § 2d Abs 2 AVRAG vorliegen kann, wenn die Vereinbarung nur vom AN unterschrieben wurde. Nach § 886 S 1 ABGB kommt ein Vertrag, für welchen das Gesetz Schriftlichkeit verlangt, durch die Unterschrift „der Parteien
“ zustande. Daraus leitet die hA ab, dass grundsätzlich die Unterzeichnung durch beide Parteien erforderlich ist (P. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer [Hrsg], ABGB7 § 886 Rz 1; OGH 23.1.2020, 6 Ob 192/19g mwN). Auch § 2d Abs 2 AVRAG fordert eine schriftliche Vereinbarung zwischen AG und AN, was für die Erforderlichkeit beider Unterschriften sprechen könnte. 142 Allerdings geht die hA davon aus, dass es bei einseitig verbindlichen Verträgen ausreichen könne, wenn der Verpflichtete unterschreibt und sich der Berechtigte nur formlos einverstanden erklärt (Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB3 [2022] § 886 Rz 13 mwN). Für die Rückersatzvereinbarung geht der OGH jedoch davon aus, dass diese nicht nur einseitig verbindlich sei. Sie enthalte nämlich auch die Verpflichtung des AG, zumindest vorläufig die Kosten der Ausbildung zu übernehmen. Dieses Argument überzeugt in dieser Allgemeinheit jedoch nicht: Die Verpflichtung des AG zur Tragung der Ausbildungskosten resultiert oftmals nicht aus der Vereinbarung, sondern bereits aus dem Gesetz – sei es als Aufwandersatz nach § 1014 ABGB analog, sei es aus dem neu geschaffenen § 11b AVRAG oder einer spezielleren Regelung. In diesen Fällen schafft die Rückersatzvereinbarung Pflichten nur für den AN, der AG ist hingegen nur begünstigt. Selbst wenn im konkreten Fall die Kostentragung des AG auch aus einer Vereinbarung resultiert, wäre zu bedenken, dass es sich nach zutreffender Ansicht des OGH (29.3.2001, 8 ObA 224/00z) bei der Kostentragung und der Rückersatzpflicht um zwei getrennte Fragen handelt. Dass beide Aspekte in einer Vereinbarung geregelt werden, macht die Rückersatzverpflichtung daher nicht zu einer zweiseitig verpflichtenden Vereinbarung. Unter diesen Voraussetzungen wäre es mE naheliegend, die Rückersatzvereinbarung als einseitig verbindlich zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, dass sich aus der Rückersatzvereinbarung – wie der OGH ausführt – die Verpflichtung des AG ergibt, die Ausbildungskosten endgültig zu tragen, sofern die Bedingungen für den Kostenersatz nicht eintreten. Dieser Umstand ist vielmehr das Ergebnis der bereits thematisierten Kostentragungspflicht und des Fehlens einer Rückersatzpflicht. Eine eigenständige Verpflichtung, die aus einer einseitig verpflichtenden eine zweiseitig verpflichtende Vereinbarung machen würde, ist darin hingegen nicht zu erblicken.
Aber selbst wenn man die Vereinbarung mit dem OGH als zweiseitig verpflichtend qualifizierte, bliebe zu fragen, ob der Zweck der Formvorschrift nicht eine teleologische Reduktion dahingehend verlangt, dass die Erfüllung der Form durch den AN ausreicht. Der Zweck der Transparenz und Information wird gewahrt, wenn und weil die Vereinbarung dem AN in diesem Fall dauerhaft als Text zur Verfügung steht. Der Übereilungsschutz wird für den AN gewahrt, weil die Signalwirkung der Unterschrift für den AN erhalten bleibt (vgl dazu OGH 20.10.1999, 5 Ob 266/99z). Der OGH verweist als zusätzlichen Zweck des Schriftformgebots aber auch noch auf die Erleichterung und Sicherung des Beweises des Umfangs der Vereinbarung. Für die Beweisbarkeit der Vereinbarung könnte aus der Sicht des AN die Unterschrift des AG durchaus relevant sein. Allerdings ist für das Vorliegen einer Rückersatzpflicht ohnehin der AG behauptungs- und beweispflichtig und der Inhalt der getroffenen Vereinbarung ist schon aufgrund der Textform problemlos feststellbar. Ein Bedürfnis nach einfacher Beweisbarkeit bestünde für den AN (nur) hinsichtlich der Zusage der Kostenübernahme durch den AG, sofern diese nicht ohnehin aus dem Gesetz folgt. Die Verpflichtung des AG, Ausbildungskosten des AN zu tragen, kann jedoch auch formfrei vereinbart werden. Die Formvorschrift des § 2d Abs 2 AVRAG bezieht sich nur auf die Rückersatzvereinbarung, an deren Beweisbarkeit aber nur der AG interessiert sein wird. Darin liegt auch der Unterschied zu anderen, auf den ersten Blick ähnlichen Konstellationen, in welchen die Rsp die Unterschrift beider Parteien fordert: So wird es zwar in den meisten Fällen der Vermieter sein, der ein Interesse daran hat, eine Befristungsvereinbarung zu beweisen. Allerdings kann auch der Mieter ein Interesse daran haben, beweisen zu können, dass er nicht mehr an den Mietvertrag gebunden ist oder dieser aufgrund der Befristung vom Vermieter nicht ordentlich kündbar ist (vgl dazu OGH 14.5.1996, 5 Ob 2085/96w; OGH 20.12.2010, 5 Ob 208/10i). Ein vergleichbares Interesse des AN an der Beweisbarkeit einer Rückersatzvereinbarung ist nicht erkennbar.
Ebenso wenig liegen andere Zwecke vor, die beidseitige Unterschriftlichkeit erfordern würden. Insb dient das Schriftformgebot des § 2d Abs 2 AVRAG nicht der Rechtssicherheit des Geschäftsverkehrs, dem Gläubigerschutz, fiskalischen Interessen, der Sicherung fachkundiger Beratung oder der Sicherung der Überwachung (dazu S. Dullinger in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 886 Rz 12 [Stand 1.11.2014, rdb.at]).
Hält man die teleologische Reduktion des Schriftformgebots auf Textform mit der hA grundsätzlich für zulässig, so müsste eine solche Reduktion, wo das Telos dies indiziert, auch nur für eine der beiden Parteien möglich sein (so auch S. Dullinger in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 886 Rz 9 [Stand 1.11.2014, rdb.at]). Zu einem anderen Ergebnis wird kommen, wer eine teleologische Reduktion der Formvorschrift nur bei Wissenserklärungen, nicht aber bei Willenserklärungen zulässt (so Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], ABGB3 § 886 Rz 39). Dann müsste aber konsequenterweise auch die Ausnahme für einseitig verbindliche Verträge überdacht werden: Auch eine rein begünstigende Schenkung ist annahmebedürftig (Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 [2015] Rz 839 f), der Schenkungsvertrag entsteht daher durch kongruente Willenserklärungen. Für Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe sieht § 1 Abs 1 lit d NotAktsG das Formerfordernis des Notariatsakts vor. Nach Auffassung des OGH reicht es jedoch aus, wenn die Willenserklärung des Schenkenden in Form eines Notariatsaktes erfolgt. Für die Annahmeerklärung, die ebenso als Willenserklärung zu qualifizieren ist, wird das Formerfordernis hingegen teleologisch reduziert (OGH 20.10.1999, 5 Ob 266/99z). Wenn aber eine teleologische Reduktion des Formgebots auch bei Willenserklärungen möglich ist, dann erschiene es nicht nachvollziehbar, die Reduktion für eine Partei nur bei einseitig verbindlichen Verträgen in Betracht zu ziehen. Zuzugestehen ist freilich, dass die teleologische Reduktion bei einseitig 143 verbindlichen Verträgen (und Wissenserklärungen) häufiger angezeigt sein wird als bei zweiseitig verbindlichen Verträgen (vgl P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand [2001] 11 ff, 76). Ein kategorischer Ausschluss zweiseitig verpflichtender Vereinbarung wäre jedoch gesondert zu begründen und würde – wie der hier anzutreffende Sachverhalt anschaulich zeigt – dem Telos der Formvorschriften nicht gerecht werden.
Aus all diesen Gründen hätten mE gute Argumente für eine teleologische Reduktion des Schriftformgebots dahingehend gesprochen, dass die Unterschrift des AN für die Wirksamkeit der Rückersatzvereinbarung ausreicht. Erklärbar ist die E im Ergebnis wohl damit, dass der OGH bei der teleologischen Reduktion von Formvorschriften tendenziell sehr zurückhaltend ist (vgl RS0017221 [T1, T4, T17]). Dieser Zugang ist iSd Rechtssicherheit auch nachvollziehbar (vgl Welser in Rechberger [Hrsg], Formpflicht und Gestaltungsfreiheit [2002] 1 [5 f]), im Einzelfall führt er aber – wie in der gegenständlichen E – zu Härtefällen. Die richtige Balance zwischen der von Welser favorisierten Rechtssicherheit und der von Gschnitzer (in Klang/Gschnitzer [Hrsg], ABGB2 IV/1, 268) befürchteten Schikane durch Formvorschriften ist schwierig zu finden.
Uneingeschränkt zuzustimmen ist dem OGH bei der Beurteilung der im (beiderseits unterschriebenen) Arbeitsvertrag getroffenen Rahmenvereinbarung für den Ausbildungskostenrückersatz. Diese kann isoliert betrachtet keine wirksame Vereinbarung über Ausbildungskostenrückersatz sein, weil entscheidende Details (konkrete Ausbildung und Gesamtkosten) fehlen. Sie ist aber auch nicht in der Lage, das Formgebrechen der später nur vom AN unterfertigten „Verpflichtungserklärung
“ zu heilen. Wie der OGH zu Recht ausführt, muss eine Vereinbarung, für welche das Gesetz eine bestimmte Form vorsieht, zumindest die wesentlichen Vertragspunkte umfassen, damit das Formgebot gewahrt wird. Welche Angaben in diesem Sinn wesentlich sind, bestimmt der Formzweck (allg Kalss in Kletečka/Schauer [Hrsg], ABGB-ON1.06 § 886 Rz 4 [Stand 1.8.2022, rdb.at]; P. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer [Hrsg], ABGB7 § 886 Rz 2). Vor allem ohne die Angabe der Höhe der Ausbildungskosten, die erst in der „Verpflichtungserklärung
“ genannt war, kann der Zweck der Formvorschrift des § 2d Abs 2 AVRAG jedenfalls nicht erreicht werden.