164Keine Neuberechnung des Besoldungsdienstalters bei Abschluss eines zweiten Dienstvertrags neben karenziertem Vertragsbedienstetenverhältnis
Keine Neuberechnung des Besoldungsdienstalters bei Abschluss eines zweiten Dienstvertrags neben karenziertem Vertragsbedienstetenverhältnis
Die Kl studierte Lehramt Mathematik und Physik und war ab 1.9.2013 Vertragsbedienstete nach dem VBG und als solche als Vertragslehrerin bei der Bekl bei der Bildungsdirektion beschäftigt. Von 1.12.2017 bis einschließlich 5.9.2022 wurde ihr ein Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge gewährt. Von 1.12.2017 bis 30.11.2020 arbeitete sie an der Universität *.
Seit 1.12.2020 arbeitet die Kl wieder für die Bekl als Vertragsbedienstete für das BM für Bildung, Wissenschaft und Forschung an der Pädagogischen Hochschule. Es wurde ein neuer Dienstvertrag unterfertigt, in dem der Dienstbeginn mit 1.12.2020 angegeben und festgehalten ist, dass das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit bis 31.8.2022 eingegangen ist. Die Karenzierung ihres Dienstverhältnisses zur Bildungsdirektion blieb aufrecht. Anlässlich des neuen Dienstvertrags wurde eine Neuberechnung des Besoldungsdienstalters vorgenommen.
Aufgrund des ursprünglichen Dienstvertrags wurden der Kl bei Festsetzung des Besoldungsdienstalters am 7.9.2015 1.106 Tage angerechnet, darunter auch Zeiten einer Tätigkeit vor Beginn des Dienstverhältnisses.
Zum 1.12.2020 errechnete die Bekl 2.739 Tage an Vordienstzeiten und zwar die Tätigkeit als wissenschaftliche Projektmitarbeiterin von 1.3. bis 31.8.2013 als einschlägige Berufstätigkeit zu 50 % mit 92 Tagen; die Tätigkeit als Vertragslehrerin von 2.9.2013 bis 30.11.2017 mit 1.551 Tagen und die Tätigkeit an der Universität von 1.12.2017 bis 30.11.2020 mit 1.096 Tagen. Weitere Tätigkeiten vor dem 2.9.2013, die bei der früheren Berechnung als Vordienstzeiten anerkannt worden waren, wurden nicht mehr berücksichtigt.
Die Kl begehrte die Zahlung von € 1.526,- brutto sA und die Feststellung, dass die Bekl verpflichtet sei, ihr auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu zahlen, die sich daraus ergeben, dass Vordienstzeiten im Gesamtausmaß von 3.017 Tagen angerechnet werden. Die Bekl bestritt. Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Kl diese Entscheidung dahin ab, dass es der Klage stattgab. Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Anwendung des § 26 Abs 7 VBG bei einer Karenzierung des bisherigen Bundesdienstverhältnisses oberstgerichtliche Rsp nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Bekl mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Die Kl beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Die Revision war laut OGH zur Klarstellung zulässig und auch berechtigt.
Die Kl hat ihre Ansprüche primär auf § 26 Abs 7 VBG gestützt. Nach dieser Bestimmung sind Vordienstzeiten jedenfalls anzurechnen, wenn sie bereits im unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis angerechnet worden sind. Wurde beim unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis das Besoldungsdienstalter infolge einer Überleitung nach den Bestimmungen des § 94a VBG pauschal bemessen, so unterbleibt eine Ermittlung und die Einstufung hat auf Grundlage des bisherigen pauschal bemessenen 375 Besoldungsdienstalters zu erfolgen. Voraussetzung für die Anrechnung nach dem hier relevanten 1. Fall des § 26 Abs 7 VBG ist daher ein „unmittelbar vorangegangenes Bundesdienstverhältnis“.
Die Kl befindet sich seit 2.9.2013 durchgehend in einem Dienstverhältnis zur Bekl. Beginnend mit 1.12.2017 war ihr ein Karenzurlaub gegen Entfall der Bezüge bewilligt worden, wodurch das Dienstverhältnis nicht endete. Nach stRsp bewirkt eine Karenzierung des Arbeitsverhältnisses die vorübergehende Sistierung seiner Hauptpflichten, nämlich der Arbeitspflicht und Entgeltpflicht, bei gleichzeitigem Weiterbestehen des Arbeitsvertrags, der weder beendigt noch unterbrochen wird.
Die Revision der Bekl geht davon aus, dass durch den „neuen Dienstvertrag“ beginnend mit 1.12.2020 neben dem ursprünglichen (karenzierten) Dienstverhältnis ein zweites Vertragsbedienstetenverhältnis begründet wurde. Letztlich kann aber im konkreten Fall dahingestellt bleiben, ob zwei parallel laufende Dienstverhältnisse zwischen denselben Vertragsparteien oder nur ein einziges durchgehendes Dienstverhältnis mit geänderter Verwendung vorliegt:
Dienstrechtsgesetze für öffentlich Bedienstete wie das VBG sind dadurch gekennzeichnet, dass sie für die Dienstverhältnisse zu bestimmten Körperschaften den wesentlichen Inhalt des Dienstvertrags zwingend, also weder durch KollV noch BV noch Einzelvertrag abdingbar, festlegen. Die Entlohnung von Vertragsbediensteten hat grundsätzlich nach den jeweils geltenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, also nach den jeweils geltenden zwingenden Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften, zu erfolgen. Von diesen zwingenden Vorschriften können nach § 36 VBG nur in Ausnahmefällen abweichende Regelungen getroffen werden. Derartige Dienstverträge sind als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der Genehmigung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.
Auch die Auswirkungen einer Verwendungsänderung auf die Besoldung ist im Gesetz ausdrücklich geregelt (vgl § 69 VBG): Dabei ist für den Fall einer bloßen Verwendungsänderung eine nachträgliche Neubemessung des Ausmaßes der anzurechnenden Vordienstzeiten nicht vorgesehen. Diese zwingenden besoldungsrechtlichen Bestimmungen würden umgangen, wenn durch Abschluss eines zweiten Dienstvertrags unter Aufrechterhaltung des bisherigen Dienstverhältnisses, bei gleichzeitiger Karenzierung, eine Neuberechnung des Besoldungsdienstalters ermöglicht würde und zu einer anderen – sei es günstigeren oder ungünstigeren – Einstufung führen würde als bei Annahme eines einheitlichen durchgehenden Dienstverhältnisses.
Besoldungsrechtlich ist daher der Vertragsbedienstete so zu stellen, wie er bei einem durchgehenden Dienstverhältnis allenfalls mit geänderter Verwendung einzustufen wäre. Eine Neuberechnung des Besoldungsdienstalters hat nicht zu erfolgen. Auf § 26 Abs 7 VBG kommt es daher nicht an.
Für den konkreten Fall bedeutet das, dass die Kl, mit der auch bei Wiederaufnahme der Tätigkeit kein Sondervertrag abgeschlossen wurde, ab diesem Zeitpunkt besoldungsrechtlich so zu stellen ist, als wäre sie (unter Berücksichtigung der Karenzierung) durchgehend bei der Bekl beschäftigt gewesen. Es ist daher zunächst vom bereits ursprünglich ermittelten Besoldungsdienstalter auszugehen. In diesem waren aber die von der Kl enthaltenen Vordienstzeiten im geltend gemachten Umfang berücksichtigt. Sie sind daher auch bei der nunmehrigen Einstufung zu berücksichtigen.
Die Rechtssache ist aber noch nicht spruchreif. Die Bekl hat aufgrund der Annahme, dass wegen des Abschlusses eines zweiten Dienstverhältnisses eine Neuberechnung des Besoldungsdienstalters durchzuführen ist, ihrer Berechnung überwiegend andere Zeiten als bei der erstmaligen Bemessung zugrunde gelegt. Die Einbeziehung oder Nichteinbeziehung dieser Zeiten ist aber für die Berechtigung des Klagebegehrens ebenso von Bedeutung wie die Berücksichtigung der Zeiten vor Beginn des Dienstverhältnisses. Nach § 182a ZPO muss das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien erörtern und darf seine Entscheidung in der Hauptsache auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Dementsprechend darf das Gericht die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat. Den Parteien darf nämlich nicht die Möglichkeit entzogen werden, zu diesem neuen rechtlichen Gesichtspunkt Tatumstände und Rechtsansichten vorzubringen. Das Überraschungsverbot gilt auch im Revisionsverfahren. Den Parteien ist daher die Möglichkeit zu geben, zum (Nicht-)Vorliegen von weiteren anrechenbaren Zeiten Stellung zu nehmen und Vorbringen zu erstatten. Bei Beurteilung der Berücksichtigung solcher Zeiten werden dabei insb auch die gesetzlichen Regelungen über die Auswirkungen einer Karenzierung für zeitabhängige Rechte zu beachten sein. 376