157Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand: Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet nicht mit Beendigung des laufenden Arbeitsjahres
Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand: Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet nicht mit Beendigung des laufenden Arbeitsjahres
Der Kl war bei der Bekl von 6.3.2019 bis 28.2.2023 als Arbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch einvernehmliche Auflösung mit 28.2.2023. Die einvernehmliche Auflösung erfolgte während eines Krankenstands des Kl, der von 17.1. bis 14.5.2023 dauerte. Die Bekl zahlte dem Kl das Entgelt bis einschließlich 5.3.2023 fort.
Der Kl begehrte von der Bekl zuletzt € 1.217,35 brutto sA Entgeltfortzahlung für die Zeit von 6.3. bis 6.4.2023. Dabei handelt es sich um den Entgeltfortzahlungsbetrag bis zur Erschöpfung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungsdauer für das am 6.3.2022 begonnene Arbeitsjahr (§ 2 Abs 1, Abs 4 EFZG).
Die Bekl beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, der Entgeltfortzahlungsanspruch sei jeweils als Kontingent eines Arbeitsjahres zu sehen. Da der 5.3.2023 der letzte Tag des am 6.3.2022 begonnenen Arbeitsjahres des Kl gewesen sei, ende die Entgeltfortzahlung an diesem Tag.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt, der OGH ließ die ordentliche Revision zwar zu, wies sie aber als unberechtigt ab.
§ 5 EFZG geht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis auch während einer Arbeitsverhinderung oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung gem § 2 EFZG beendet werden kann. In den in § 5 EFZG genannten Fällen – darunter die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses während einer Arbeitsverhinderung – bleibt aber der Entgeltfortzahlungsanspruch für die vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet.
Die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs ergibt sich aus § 2 Abs 1 EFZG. Bei wiederholter Arbeitsverhinderung innerhalb eines Arbeitsjahres besteht der Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 2 Abs 4 EFZG nur insoweit, als die Dauer gem Abs 1 noch nicht erschöpft ist. Diese Bestimmung hat (lediglich) die folgende Konsequenz: Die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach Abs 1 verringert sich um alle innerhalb desselben Arbeitsjahres gelegenen Zeiträume, für die der AN bereits einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach Abs 1 hatte. MaW: Die in Abs 1 geregelte Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs darf innerhalb eines Arbeitsjahres nicht überschritten werden.
Aus dem EFZG ergibt sich dagegen nicht, dass der AN im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während einer Arbeitsverhinderung einen Anspruch nur bis zum (fiktiven) Ende des laufenden Arbeitsjahres hätte.
Der OGH betonte wiederholt, dass mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres ein „neuer Anspruch“ auf Entgeltfortzahlung entsteht. Endet das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahres und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, so gibt § 5 EFZG trotz weiterdauernden Krankenstandes keine geeignete Grundlage dafür ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 2 Abs 1 EFZG entstehen zu lassen (RS0126339 [Abgehen von OGH 7.6.2006, 9 ObA 115/05k]). Diese Entscheidungen sind hier aber nicht einschlägig, weil der Kl keinen „neuen“ Entgeltfortzahlungsanspruch geltend macht, sondern nur die „alte“ Entgeltfortzahlung jenes Arbeitsjahres ausschöpft, in dem die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erfolgte.
Der OGH bezeichnete die Regelungen des § 2 Abs 1, 4 EFZG mehrmals als „Kontingentsystem“ (zuletzt zB OGH 21.1.2004, 9 ObA 144/03x; OGH 14.10.2008, 8 ObA 44/08s; OGH 24.2.2009, 9 ObA 174/08s). Der Entgeltfortzahlungsanspruch sei „auf das Arbeitsjahr abgestellt“ (OGH 28.1.1999, 8 ObA 163/98y; OGH 18.3.1999, 8 ObA 215/98w; OGH 21.1.2004, 9 ObA 144/03x). Jüngst hielt er (auch) zur vergleichbaren Bestimmung des § 8 Abs 1 AngG fest, dass sie „die Kontingente der Entgeltfortzahlung“ auf das Arbeitsjahr beziehe (OGH 23.11.2023, 9 ObA 73/23k). Die Bekl nennt das „Grundsatz der Jahreskontingenz“. Daraus folgt aber nicht, dass der AN in einem Fall des § 5 EFZG eine Entgeltfortzahlung nur bis zum (fiktiven) Ende seines letzten 367 Arbeitsjahres beanspruchen könnte. Vielmehr gewährleistet § 5 EFZG in den darin geregelten Fällen die Ausschöpfung des noch nicht verbrauchten Kontingents des Entgeltfortzahlungsanspruchs für das laufende Arbeitsjahr. Dem kranken AN soll der volle Anspruch auch dann gewahrt bleiben, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Arbeitsverhinderung erfolgt. Die Ansicht der Bekl, der AN könne die Entgeltfortzahlung nur bis zum (fiktiven) Ende des letzten Arbeitsjahres beanspruchen, würde diesen Zweck des § 5 EFZG aushöhlen und stünde auch mit dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 5 und des § 2 Abs 1, 4 EFZG in Widerspruch.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.