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Ablaufhemmung eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund Schwangerschaftsmeldung: Wann liegt eine Befristung „zur Erprobung“ vor?

Sara NadinePöcheim

Der Kl war bei der Bekl ab 1.6.2022 beschäftigt, wobei im Arbeitsvertrag in Bezug auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde wie folgt: „Im gegenseitigen Interesse wird eine Probezeit für die Dauer von einem Monat vereinbart, während welcher das Dienstverhältnis von beiden Seiten täglich gelöst werden kann. Die beiden darauffolgenden Monate gelten als befristetes Arbeitsverhältnis. Wird dieses Arbeitsverhältnis über diese drei Monate hinaus ohne besondere Befristung fortgesetzt, geht es in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über.“ Die Bekl verwendet solche Befristungen standardmäßig in den von ihr abgeschlossenen Dienstverträgen, ohne dass darüber mit der Kl gesprochen worden wäre. Nach Meldung der Schwangerschaft am 6.7.2022 teilte die Bekl der Kl mit, dass das Dienstverhältnis über den Ablauf der Befristung nicht weiter fortgesetzt würde.

Mit ihrer Klage begehrte die Kl das Entgelt vom Befristungsende bis zum Beginn des Mutterschutzes.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht sprachen der Kl € 11.179,35 brutto an Entgelten für die Zeit von 1.9.2022 bis zum Beginn des Mutterschutzes am 14.12.2022 zu, weil die dreimonatige Befristung nicht zur Erprobung abgeschlossen worden sei, sodass der Ablauf der Befristung nach § 10a Abs 1 MSchG gehemmt worden sei. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Kl wies der OGH mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Der OGH begründet dies wie folgt:

Nach § 10a Abs 1 MSchG wird der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zu dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 MSchG gehemmt, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist. Eine sachliche Rechtfertigung der Befristung liegt nach § 10a Abs 2 MSchG ua vor, wenn diese zur Erprobung abgeschlossen wurde und aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist.

Weiters führt der OGH aus, dass bereits mit der E 9 ObA 89/09t vom 28.7.2010 ausgesprochen wurde, dass es nach § 10a Abs 2 MSchG nicht nur darauf ankommt, dass aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist, sondern das Gesetz darüber hinaus verlangt, dass das Dienstverhältnis „zur Erprobung“ abgeschlossen wurde, wobei aus einer dreimonatigen Befristung, bei welcher der erste Monat gesetzlicher Probemonat sein soll, noch nicht darauf geschlossen werden kann, dass die gesamte Befristung dem Zweck der Erprobung dient. Die bloße Tatsache, dass die Befristung gerechtfertigt ist, weil die Verwendung eine längere Erprobung erfordert, reicht damit nicht aus (so auch Wolfsgruber-Ecker in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 10a MuttSchG Rz 9). Vielmehr muss aus der getroffenen Vereinbarung hervorgehen, dass die Befristung der Erprobung der AN dient (ebenso Gerhartl, Befristung zur Erprobung und Schwangerschaft, taxlex 2011, 24 [25]).

In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden muss (Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 19 AngG Rz 19). Jedenfalls aber muss der AG den Zweck der Erprobung bei Vertragsschluss hinlänglich deutlich gemacht haben (Trost in Löschnigg/Melzer [Hrsg], 243AngG11 § 19 Rz 27). Letztlich ist die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Zweck der Erprobung ausdrücklich vereinbart werden muss, aber nicht entscheidungswesentlich, weil die Bekl der Kl im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in keiner Weise vermittelt hat, dass auch die dreimonatige Befristung der Erprobung dienen würde.