„Green Competition“ an der Grenze zum Arbeitsrecht

MARCUS W. A.SONNBERGER (SALZBURG)
Die Nachhaltigkeitsdiskussion hat in wesentlichen Bereichen des Wirtschaftsrechts Einzug gefunden. Im Kartell- und Lauterkeitsrecht wurden entscheidende Rechtsquellen überarbeitet bzw sind Neuerungen absehbar. Gleichzeitig überschneiden sich diese Gebiete auch mit anderen Rechtsbereichen, wie etwa dem (kollektiven) Arbeitsrecht. Der vorliegende Beitrag untersucht diese „Querschnittsfrage“ mit Blick auf Nachhaltigkeitserwägungen. Insb werden Freistellungen aus solchen Gründen für „kartellierende“ Tarif- bzw Kollektivverträge diskutiert.
  1. Die Aufgabe des Folgenden

  2. Bestandsaufnahme zu relevanten Berührungspunkten

    1. Die Albany-Rechtsprechung und „kartellierende“ Tarifverträge

    2. Relevante Berührungspunkte mit dem Lauterkeitsrecht?

    3. Zwischenfazit

  3. Die (aktuelle) Nachhaltigkeitsdiskussion im Kartellrecht

    1. Zur Genese der Diskussion – insbesondere aus österreichischer Sicht

    2. Die unterschiedlichen Vorteile nach den Horizontalleitlinien

  4. Schlussfolgerungen für „kartellierende“ Tarif- bzw Kollektivverträge

    1. Eine (arbeitsrechtliche) Prämisse

    2. Mögliche Freistellung für unmittelbare Marktregelungen

    3. Mögliche Freistellung für mittelbare Wettbewerbsbeschränkungen

  5. Fazit

1.
Die Aufgabe des Folgenden

Nachhaltigkeit und Umweltschutz werfen mittlerweile in vielen Rechtsbereichen besondere Fragen auf. Sie werden in der Diskussion meistens isoliert für die einzelnen Rechtsgebiete per se betrachtet. Im Folgenden soll die Bedeutung der wettbewerbsrechtlichen Diskussion im „Grenzbereich“ zum Arbeitsrecht beleuchtet werden.* Dafür sind zunächst relevante Berührungspunkte zu identifizieren (2.). Danach ist – aufbauend auf einer Vorarbeit* und soweit relevant – die spezifisch wettbewerbliche Nachhaltigkeitsdiskussion zu erläutern (3.). Im Anschluss werden die Schlussfolgerungen gezogen (4.). Am Ende steht ein Fazit (5.).

2.
Bestandsaufnahme zu relevanten Berührungspunkten
2.1.
Die Albany-Rechtsprechung und „kartellierende“ Tarifverträge

Der wohl wesentlichste und hier interessanteste Berührungspunkt zwischen (kollektivem) Arbeitsund Kartellrecht wird allgemein durch die E des EuGH zur Rs Albany markiert. Demnach seien zwar mit Tarifverträgen zwischen Organisationen, die die AG und die AN vertreten, zwangsläufig gewisse den Wettbewerb beschränkende Wirkungen verbunden. Die Erreichung der mit derartigen Verträgen angestrebten sozialpolitischen Ziele wäre jedoch ernsthaft gefährdet, wenn für die Sozialpartner bei der gemeinsamen Suche nach Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsund Arbeitsbedingungen Art 101 Abs 1 AEUV Geltung hätte. Bei einer sachgerechten und zusammenhängenden Auslegung der Bestimmungen des Vertrages in ihrer Gesamtheit ergebe sich daher, dass die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf diese Ziele geschlossenen Verträge aufgrund ihrer Art 125 und ihres Gegenstands nicht unter das europäische Kartellverbot fallen.* Entsprechendes wird für das österreichische Kartellverbot in § 1 KartG gelten.* Das ist insb für solche Fälle von Bedeutung, die die sogenannte „Zwischenstaatlichkeitsklausel“ des Art 101 Abs 1 AEUV nicht erfüllen.*

Die daraus resultierende Ausnahme für Tarifvereinbarungen vom Kartellverbot ist jedoch keine pauschale;* sie unterliegt vielmehr den kumulativen – und unionsrechtlich zu beurteilenden – Bedingungen, dass die Vereinbarung (1) ihrer Art nach aus einem sozialpartnerschaftlichen Dialog hervorgeht sowie (2) nach ihrem Gegenstand unmittelbar sozialpolitische Ziele verfolgt und zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von AN beiträgt.* Das erste Kriterium ist vor allem wesentlich, weil mögliche Koordinierungswirkungen zwischen den im verhandelnden Verband zusammengeschlossenen AG potenziell verbotsrelevant sind.* Doch wird auch eine Gewerkschaft beispielhaft als „Unternehmen“ betrachtet, wenn sie mit einem AG-Verband eine Kollektivvereinbarung schließt, die sich nicht auf die Arbeitsbedingungen bezieht, sondern etwa zu einem ökologisch „fairen“ Einkaufsverhalten verpflichtet. * Im Übrigen wird auch ganz abgesehen davon diskutiert, ob bzw inwiefern das „Marktverhalten“ am Arbeitsmarkt nicht überhaupt der kartellrechtlichen Kontrolle unterliegt.* Zudem haben sich in jüngerer Zeit auch Neuerungen ergeben. So hat die Kommission Leitlinien zur Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union auf Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen veröffentlicht.* Vor dem Hintergrund insb der Tendenz zur Untervergabe und Auslagerung von Geschäftsprozessen und persönlichen Dienstleistungen als auch der Digitalisierung von Produktionsprozessen und der Zunahme der Online-Plattformwirtschaft hat sie darin klargestellt, dass (a) Tarifverträge von Solo-Selbstständigen, die sich in einer vergleichbaren Situation wie AN befinden, nicht in den Anwendungsbereich von Art 101 AEUV fallen, und (b) die Kommission nicht gegen Tarifverträge von Solo-Selbstständigen vorgehen wird, die ein Ungleichgewicht der Verhandlungsmacht gegenüber ihrer/ihren Gegenpartei/en aufweisen.*

Im vorliegenden Zusammenhang wesentlicher ist gleichwohl das zweite Kriterium der Albany-Ausnahme. So ist es zunächst denkbar, dass Tarifvereinbarungen in ihrem „Gegenstand“ über den von dieser Ausnahme abgedeckten Bereich hinausgehen, indem sie etwa unmittelbare Marktregelungen enthalten. Beispielhaft genannt werden Regelungen über die Preise von Gütern und Dienstleistungen, über Geschäftsbedingungen mit Dritten oder über die Festlegung der Produktpalette.* Hinzu kommen allerdings auch solche Fälle, in denen die Vereinbarung in ihrem „Gegenstand“ zwar grundsätzlich dem geschützten Bereich zugeordnet werden kann, sich gleichwohl mittelbar trotzdem auf Wettbewerbsbedingungen auswirken kann, indem sie wettbewerblich relevante Entscheidungsspielräume am betroffenen Markt beschneidet bzw determiniert; sie werden treffend als tarifliche Regelungen mit „Doppelwirkung“ bezeichnet.* Als Beispiele genannt werden ein tarifvertragliches Produktionsverbot oder eine Verpflichtung der Unternehmen, am Wochenende zu schließen, sowie eine Regelung über die Einsatzgebiete von Außendienstmitarbeitern, die als Marktabgrenzungsvereinbarung gedeutet werden könnte.* Für die genuin kartellrechtliche Beurteilung solcher Fälle ist zudem und gerade im vorliegenden Zusammenhang wesentlich, dass für eine mögliche Freistellung nach Art 101 Abs 3 AEUV nicht (erneut) bzw zumindest nicht 126 unmittelbar auf jene Gesichtspunkte rekurriert werden kann, die schon für die Albany-Ausnahme beurteilt werden mussten (aber nicht hinreichend waren).*

2.2.
Relevante Berührungspunkte mit dem Lauterkeitsrecht?

Das Lauterkeitsrecht weist an sich ebenso mögliche Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht auf. Zu nennen sind hier vor allem das unlautere Abwerben von AN als Betriebsstörung* bzw deren unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch* sowie generell der mögliche unlautere Verstoß gegen arbeitsrechtliche Normen in der Fallgruppe Rechtsbruch.* Auch die Nachhaltigkeitsdiskussion hat im Lauterkeitsrecht bereits beachtliche Fahrt aufgenommen. Namentlich hat die Kommission bereits am 30.3.2022 einen Vorschlag für eine RL zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen*sowie – als lex specialis – am 22.3.2023 einen Vorschlag für eine RL über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (RL über Umweltaussagen)* veröffentlicht. Doch auch schon nach geltender Rechtslage zeigen sich mitunter nachhaltigkeits- bzw umweltschutzbezogene Implikationen.* Gleichwohl ist speziell in dieser Nachhaltigkeitsdiskussion bislang kein wirklicher Wertungszusammenhang mit den eingangs besprochenen Berührungspunkten von Lauterkeits- und Arbeitsrecht auszumachen. Für „arbeitsrechtliche Institutionen“ wie Gewerkschaften und Unternehmensverbände in ihrer Rolle als AG-Vertreter kommt hinzu, dass diese (dabei) typischerweise nicht einmal im geschäftlichen Verkehr auftreten und deshalb insb nicht § 1 Abs 1 UWG unterfallen.*

2.3.
Zwischenfazit

Betrachtet man die „Grenze“ zwischen Arbeitsund Wettbewerbsrecht, so zeigen sich zwar einige Berührungspunkte zwischen diesen beiden Rechtsgebieten. Vor dem Hintergrund von Nachhaltigkeits- und Umweltschutzerwägungen stellen sich im lauterkeitsrechtlichen Zusammenhang indes keine wirklichen Systemfragen. Anders ist es im Kartellrecht. So kann das Kartellverbot namentlich über die (Gegen-)Ausnahmen zur Albany-Rsp des EuGH ein unmittelbarer Beurteilungsmaßstab für kollektivvertragliche Regelungen werden. Folglich kann sich dabei auch die spezifische Nachhaltigkeitsdiskussion zu Art 101 AEUV bzw § 1 KartG als mitunter entscheidend erweisen. Das ist im Folgenden aber noch genauer zu erläutern:

3.
Die (aktuelle) Nachhaltigkeitsdiskussion im Kartellrecht
3.1.
Zur Genese der Diskussion – insbesondere aus österreichischer Sicht

Vor allem durch den „Green Deal“ der Europäischen Kommission* wurde im europäischen Kartellrecht eine umfangreiche Diskussion ausgelöst, inwiefern dieses zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz beitragen kann. Dabei wurden mehrere Ansatzpunkte diskutiert.* Mittlerweile steht gleichwohl die Möglichkeit einer Freistellung aus solchen Gründen im Zentrum.* Dafür lässt sich aus österreichischer Sicht nicht nur die Ergänzung durch das Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz (KaWeRÄG) 2021 in § 2 Abs 1 KartG 127 anführen.* In ihren neuen Horizontalleitlinien hat sich die Kommission vielmehr selbst in einem eigenen Kapitel sogenannten Nachhaltigkeitsvereinbarungen gewidmet.* Der wohl wesentlichste Teil darin liegt in der Differenzierung möglicher Vorteile, die für die Abnehmer der Produkte („Verbraucher“)* aus der gesteigerten Nachhaltigkeit bzw den Umweltschutzverbesserungen resultieren können.* Ein zentraler Streitpunkt in der vorhergehenden Diskussion lag nämlich in dem Freistellungskriterium nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 Abs 1 KartG, wonach an den für eine Freistellung konstitutiven Effizienzgewinnen auch die Verbraucher angemessen beteiligt werden müssen. Das war insb in Konstellationen fraglich, in denen „grüne“ Vorteile (nur) der Allgemeinheit zu Gute kommen (zB generell bessere Luftqualität durch geringeren CO2-Ausstoß).* Der österreichische Gesetzgeber hat das bekanntlich im bejahenden Sinne normiert, und zwar mit Blick sogar auf den Fall, dass die positiven (Folge-)Wirkungen erreichter Effizienzgewinne erst zeitlich versetzt – nämlich für künftige Generationen – eintreten.* Die zwischenzeitig veröffentlichten Nachhaltigkeitsleitlinien der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB)* betonen allerdings auch, dass der insofern tatbestandliche Beitrag der Effizienzgewinne zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft „wesentlich“ sein muss (vgl auch den Wortlaut von § 2 Abs 1 KartG nF). Das ist nach Ansicht der Behörde dann der Fall, wenn die Effizienzgewinne aus ökologischen Vorteilen,* die durch die Kooperation verwirklicht werden, die negativen Auswirkungen der Kooperation auf den Wettbewerb am betroffenen Markt mindestens ausgleichen (Nr 88). Insb ermöglicht die Nachhaltigkeitsausnahme somit eine Rechtfertigung wettbewerbsbeschränkender Nachhaltigkeitskooperationen, die zwar erhebliche Effizienzgewinne aus ökologischen Vorteilen verwirklichen, aber deren positive Auswirkungen auf die Verbraucher des betroffenen Marktes alleine nicht ausreichen, um die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb auf diesem betroffenen Markt auszugleichen (Nr 87).

3.2.
Die unterschiedlichen Vorteile nach den Horizontalleitlinien

Näher zu betrachten sind gleichwohl die angesprochenen Horizontalleitlinien der Kommission, die nun am 21.7.2023 im Amtsblatt veröffentlicht wurden. So werden diese – wie schon ihre Vorgänger und ähnliche Dokumente der Kommission – die kartellrechtliche Diskussion in Europa allgemein und damit gerade auch in Nachhaltigkeitsfragen wesentlich prägen („Soft Law“).* Sie differenzieren in der hier interessierenden Frage, wie bereits angesprochen, zwischen individuell nutzungsabhängigen (Nr 571 ff), individuell nutzungsunabhängigen (Nr 575 ff) und kollektiven (Nr 582 ff) Vorteilen der Verbraucher aus der besseren Nachhaltigkeit bzw den Umweltschutzsteigerungen. Diese sind grundsätzlich alternativ für eine Freistellung hinreichend, können aber auch kumulativ angeführt werden (Nr 590).

Die erstgenannten Vorteile ergeben sich aus der Nutzung des Produktes selbst und verbessern die Erfahrungen der Verbraucher mit dem betreffenden Produkt unmittelbar. Das kann sich in Form verbesserter Produktqualität oder Produktvielfalt oder als Preissenkung infolge von Kosteneinsparungen zeigen (Nr 571). Die zweitgenannten Vorteile ergeben sich daraus, dass die Verbraucher die Auswirkungen ihres nachhaltigen Verbrauchs auf andere erkennen, indem sie zB den Verbrauch eines nachhaltigen Produkts höher bewerten als den eines nicht nachhaltigen Produkts, weil das nachhaltige Produkt weniger negative Auswirkungen auf andere hat (Nr 575). So kann etwa die Wahl auf ein bestimmtes Waschmittel fallen, nicht weil es besser reinigt, sondern weil es das Wasser weniger verschmutzt (Nr 576).

Im hier interessierenden Zusammenhang interessiert indes am meisten die wohl schwierigste Kategorie, nämlich jene der kollektiven Vorteile. Diese treten unabhängig von der individuellen Wertschätzung des Produkts durch die Verbraucher auf und kommen einem größeren Teil der Gesellschaft und nicht nur den Verbrauchern auf dem relevanten Markt zugute (Nr 582). Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich jedoch insoweit, als es nach Ansicht der Kommission (dennoch) erforderlich ist, dass sich die Verbraucher auf dem relevanten Markt im Wesentlichen mit den Begünstigten dieser „kollektiven“ Vorteile überschneiden oder Teil von ihnen sind (Nr 587 lit c). Etwa eine verbesserte 128 Luft für (auch) jene Autofahrer, die einen betroffenen und weniger umweltschädlichen Kraftstoff kaufen, kann mithin genügen; anders mag es hingegen bei Umweltvorteilen aus dem geringeren Einsatz von Düngemitteln und Wasser für die Produktion von Baumwolle für Kleidung liegen, da diese Vorteile nur in dem Gebiet auftreten, in dem die Baumwolle angebaut wird, und sich die daraus Begünstigten daher wahrscheinlich nicht mit den Verbrauchern der Kleidung wesentlich überschneiden (Nr 585).

4.
Schlussfolgerungen für „kartellierende“ Tarif- bzw Kollektivverträge
4.1.
Eine (arbeitsrechtliche) Prämisse

Im Vorstehenden wurden die Grundlagen für den gegenständlichen „Grenzgang“ erhoben. Die folgenden Ausführungen stehen nun vor der Herausforderung, diese miteinander in Beziehung zu setzen. Konkret ist mithin zu beurteilen, inwieweit Nachhaltigkeits- und Umweltschutzgründe für eine Freistellung allfälliger kartellierender Wirkungen von Tarifverträgen in Betracht kommen. Als Ausgangspunkt erscheinen dafür die oben bereits angeführten Beispielfälle dienlich. Freilich sind diese der vornehmlich deutschen Diskussion entnommen. Inwiefern die dort behandelten Gegenstände von Tarifverträgen auch nach österreichischem (kollektiven) Arbeitsrecht zulässig wären, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Die folgenden Ausführungen müssen insofern mit der Prämisse ihrer Zulässigkeit arbeiten. Besonders schädlich wird das allerdings nicht sein. Die dahinterstehenden Grundgedanken sind ohnehin verallgemeinerungsfähig.

4.2.
Mögliche Freistellung für unmittelbare Marktregelungen

Relativ eindeutig ist zunächst die Relevanz der dargelegten Freistellungsdiskussion aus Nachhaltigkeits- und Umweltschutzgründen für solche Tarifverträge, die unmittelbare Marktregelungen enthalten. Aus österreichischer Sicht wäre gleichwohl gerade für solche Regelungen erst zu beurteilen, ob sie überhaupt in Kollektivverträgen vereinbart werden können bzw inwiefern das allenfalls in auch kartellrechtlich relevanter Weise geschehen könnte.* Jedenfalls aber könnten etwa für die bereits genannte Festlegung einer (nachhaltigen) Produktpalette die daraus resultierenden Vorteile für die Verbraucher – bei Erfüllen auch aller anderen Kriterien von Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 Abs 1 KartG – für eine Freistellung vorgebracht werden. Vergleichsweise illustrativ kann dafür nämlich auf die Entscheidung der Kommission in der Rs CECED* verwiesen werden, die für die europäische Nachhaltigkeitsdiskussion im Kartellrecht überhaupt prägend ist bzw war:*

Gegenständlich war eine Vereinbarung von nationalen Fachverbänden und Herstellern von Haushaltsgeräten, wobei letztere diese entweder direkt unterzeichnet haben oder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in einem nationalen Verband daran gebunden waren (Nr 2 der E). Die Vertragspartner vereinbarten darin ua, dass sie zeitlich gestaffelt in zwei Schritten keine Haushaltswaschmaschinen der Effizienzklassen G, F, (teilweise) E und (teilweise) D mehr herstellen und einführen werden (Nr 19). Die Kommission bejahte einen wesentlichen Beitrag zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt unter angemessener Beteiligung der Verbraucher (Nr 47 ff und Fazit in Nr 57). Sie sah in der Vereinbarung nämlich einen wirtschaftlichen Nutzen für den Einzelnen in Form des niedrigeren Stromverbrauchs (Nr 52 ff). Darüber hinaus resultiere daraus aber auch ein Umweltnutzen für die Gesellschaft, der – errechnet aus den vermiedenen externen Kosten der Stromerzeugung – die höheren Anschaffungskosten für energieeffizientere Waschmaschinen schätzungsweise um mehr als das Siebenfache übersteige (Nr 55 f).

Ähnlich wie die in dieser E gegenständliche Vereinbarung von ua Fachverbänden könnten somit auch Tarifverträge – bei unterstellter Zulässigkeit auch nach österreichischem Recht – die Produktpalette der Mitglieder eines abschließenden (AG-)Verbandes einschränken bzw determinieren. Sollten dafür indes Nachhaltigkeits- bzw Umweltschutzvorteile sprechen, können diese wie in der skizzierten Kommissionsentscheidung und unter den Bedingungen insb der Horizontalleitlinien bzw § 2 Abs 1 KartG nF als Freistellungsgründe angeführt werden.

4.3.
Mögliche Freistellung für mittelbare Wettbewerbsbeschränkungen

Schwieriger zu beurteilen sind demgegenüber solche Fälle, die die Markt- und Wettbewerbsbedingungen nur allenfalls mittelbar beschränken (können).* Zu denken wäre hier etwa an die oben bereits angesprochenen Regelungen zur Lage von Arbeitszeiten etwa im Handel, die damit faktisch gleichzeitig die Öffnungszeiten determinieren.* Die damit einhergehende Einschränkung im Marktauftritt kann nämlich nicht nur für die eigenen AN 129 vorteilhaft sein, sondern auch energiepolitische Ziele verfolgen. Das hat sich in jüngerer Zeit vor allem in der Diskussion ebensolcher Öffnungszeitenbeschränkungen im Winter 2022/2023 („Energiekrise“) gezeigt,* die nicht zuletzt von Gewerkschaftsseite gefordert wurden.*) Ihre Zulässigkeit nach österreichischem kollektiven Arbeitsrecht wird zudem vergleichsweise wohl weniger fraglich sein.*

In kartellrechtlicher Hinsicht werden die damit einhergehenden Energieeinsparungen sogar umso gewichtiger. So können – wie bereits angesprochen* – die zugleich verfolgten arbeitspolitischen Ziele, sofern sie keine Ausnahme nach der Albany- Rsp rechtfertigen, nicht (erneut) bzw zumindest nicht unmittelbar für eine mögliche Freistellung ins Treffen geführt werden. Etwa für die dargelegten Arbeitszeitenregelungen bzw die dadurch faktisch erreichte Öffnungszeitenbeschränkung erweisen sich mithin aber ihre umweltschonenden Auswirkungen insofern sogar als zentral. So wird ua für solche Vereinbarungen in der Literatur überhaupt nur ausnahmsweise eine Freistellungsfähigkeit erkannt.* Indes werden dabei gerade die dargelegten Umweltziele außer Betracht gelassen. Inhaltlich können diese aber auf eine ähnliche Weise für eine Freistellung sprechen, wie es bereits oben anhand der Rs CECED dargelegt wurde (Vermeidung der externen Kosten aus der Strommehrerzeugung). An der genannten Literaturstelle wird zwar noch die Bedingung nach Art 101 Abs 3 lit b AEUV (keine Möglichkeit zur Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren) als Gesichtspunkt gegen eine Freistellung ins Treffen geführt. Dem ist zuzugeben, dass dieses Kriterium im Einzelfall – wie sonst auch – durchaus ein Freistellungshindernis bilden kann.* Eine allzu pauschale Hürde sollte daraus indes nicht abgeleitet werden.* So wird gerade im Nachhaltigkeitszusammenhang betont, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt sein kann bzw ein hinreichender Restwettbewerb bestehen bleibt, wenn sich die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung auf den gesamten Wirtschaftszweig erstreckt, solange die Parteien der Vereinbarung zumindest in Bezug auf einen wichtigen Wettbewerbsparameter – wie zB den Preis – weiterhin in starkem Wettbewerb stehen.*

5.
Fazit

Arbeitsrecht und Wettbewerbsrecht weisen durchaus Berührungspunkte auf, in denen speziell auch die kartellrechtliche Nachhaltigkeitsdiskussion relevant, wenn nicht sogar mitunter entscheidend sein kann. Zwar werden die zentralen Anwendungsfelder der letztgenannten wohl in Zukunft primär nicht in solchen Fällen liegen. An den Grenzen der Albany-Rsp des EuGH erhebt sich ihre Relevanz jedoch im Gleichklang mit derjenigen der Kartellverbote überhaupt, und zwar wenn es um die Beurteilung „kartellierender“ Tarif- bzw Kollektivverträge geht. Insb ist das für Regelungen wesentlich, die sich mittelbar auf den Markt bzw wettbewerblich auswirken (können). Beispielhaft konnte das für Vereinbarungen über die Lage der Arbeitszeit im Handel gezeigt werden, die faktisch die Öffnungszeiten und damit den Marktauftritt gebundener Unternehmen determinieren, indes gleichzeitig auch zu Energieeinsparungen führen können. Für das umweltschonende Potenzial solcher Maßnahmen legte nicht zuletzt auch deren Diskussion im Winter 2022/2023 ein beredtes Zeugnis ab. 130