Arbeitsrecht und Nachhaltigkeit – Kollektive Rechtsgestaltung*

ELISABETHBRAMESHUBER (WIEN)
Wenngleich Instrumente der kollektiven Rechtsgestaltung mitunter als besonders geeignet erachtet werden, um Unternehmenspflichten in Bezug auf Umweltaspekte zu konkretisieren, so stellt sich dabei dogmatisch auf überbetrieblicher Ebene vor allem die Frage nach der Regelungskompetenz des KollV. Auf betrieblicher Ebene existiert ebenfalls keine explizite Kompetenz der Betriebspartner, Nachhaltigkeitsaspekte qua BV zu erfassen; bei entsprechend weiter Interpretation können hingegen viele der vorhandenen Tatbestände fruchtbar gemacht werden. Durch starke Arbeitsbeziehungen auf überbetrieblicher und betrieblicher Ebene, auf Basis derer gemeinsame Lösungen zu bestmöglicher Ressourcennutzung gefunden werden, können daher auch die vermeintlichen Gegensätze „Arbeit(sschutz)“ und „Umwelt(schutz)“ vereint bzw miteinander ausgeglichen werden.
  1. Einleitung

    • Exkurs: Theoretischer Überbau

  2. Impulse durch die europäische Ebene

  3. Ein Blick über den Tellerrand – die Situation in anderen Mitgliedstaaten

  4. Österreichisches Recht

    1. Überbetriebliche Ebene

      1. Regelungsbefugnis des KollV – § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG

      2. „Nachhaltigkeitsregelungen“ und (vermeintliches) Geldzahlungsgebot

    2. Betriebliche Ebene

  5. Rück- und Ausblick

1.
Einleitung

Bislang sind Nachhaltigkeitsbelange noch nicht notwendigerweise am Radar der kollektiven Rechtsgestaltung aufgetaucht; dies mag damit zusammenhängen, dass in den vergangenen Jahren vor allem Corporate Social Responsibility – CSR – in diesem Zusammenhang propagiert wurde. Wie „nachhaltig“ solche freiwilligen Maßnahmen sind, sei hier dahingestellt; jedenfalls wurde in der arbeitsrechtlichen Literatur die Stärkung von CSR als Zeichen dafür gesehen, dass der Gesetzgeber nicht willens dazu war, entsprechende Maßnahmen auf legislativer Ebene zu verankern, mögen auch Instanzen wie die OECD festhalten, dass es entsprechender „policy action“ bedürfe, damit eine „grüne Transition“ gelingt, die auch gleichzeitig gerecht in Bezug auf Arbeitsplätze ist.* Die NachhaltigkeitsberichterstattungsRL, kurz CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive 2022/2464*) dürfte hier zu einem Paradigmenwechsel führen.

In der – obschon nur spärlich vorhandenen – arbeitsrechtlichen Literatur zu dem Thema wurden hingegen schon bislang vor allem Tarifverträge als ideales Instrument zur Konkretisierung von Unternehmenspflichten in Bezug auf Umweltaspekte angesehen.* Im europäischen Vergleich wird allerdings festgehalten, die kollektive Regelungsebene würde nicht in dem Maße genützt, um das Nachhaltigkeitsthema zu regeln, in dem es grundsätzlich möglich und geboten wäre (‚underused instrument despite its enormous potential‘).*

*

Für die nachfolgenden Ausführungen scheint mir vor allem eine Differenzierung geboten: Im Lichte der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht von (großen) Unternehmen ist der Nachhaltigkeitsbegriff ein sehr weiter; dabei geht es – stark vereinfacht ausgedrückt – vor allem um „gute“, „soziale“ Arbeitsbedingungen; exemplarisch sei auf die Vorgaben der CSRD für die ESRS5) bzw auf die ESRS selbst verwiesen – zu Sozialfaktoren (das „S“ 97 bei ESG – Environmental Social Governance), die Unternehmen offenlegen müssen, gehören ua gem Art 29b Abs 2 lit b)ii) CSRD „Arbeitsbedingungen, einschließlich sicherer Beschäftigung, Arbeitszeit, angemessene Löhne, sozialer Dialog, Vereinigungsfreiheit, Existenz von Betriebsräten, Tarifverhandlungen, einschließlich des Anteils der Arbeitnehmer, für die Tarifverträge gelten, Informations-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie Gesundheit und Sicherheit“. Die dogmatisch spannende Frage idZ ist vor allem, inwiefern es hier angesichts der nunmehrigen Regelungsdichte auf europäischer Ebene auch einer (noch) stärkeren Einbindung der Belegschaft bedarf.*

Geht es hingegen um die Regelungskompetenzen auf überbetrieblicher und betrieblicher Ebene, scheint eine Einengung des „Nachhaltigkeitsbegriffes“ auf „Umweltthemen“ (im weiteren Sinne) geboten, möchte man hier Neuland betreten, denn: All die soeben genannten Themen sind „Standardthemen“ kollektiver Rechtsgestaltung; die kollektiven Mächte in Österreich haben bereits entsprechende Regelungskompetenzen. Spannend ist jedoch, ob auch darüberhinausgehende Themen, insb „E“-Themen, also „Environment“-Themen, geregelt werden dürfen. Kurz: Können bzw dürfen Umweltbelange durch KollV oder BV erfasst werden?

Exkurs: Theoretischer Überbau

Verstehen wir Nachhaltigkeit im ökologischen und sozialen Sinn so, dass die Ressourcen (AN, Geschäftspartner, Sachmittel) nicht voll auszureizen und gemeinsam bestmöglich zu nutzen sind,* so kann dies durchaus auch als Handlungsauftrag an die kollektiven Mächte gesehen werden – „gemeinsame“ Nutzung.

Über Jahrzehnte hinweg wurde das Nachhaltigkeitsthema jedoch auf Ebene des Arbeitsrechts kaum behandelt – Hintergrund war auch, dass mit einem Engagement für Nachhaltigkeitsaspekte vermeintlich stets der Verlust von Arbeitsplätzen einhergehe, eine aus AN-Perspektive naturgemäß unerwünschte Folge.* Nach dem sogenannten „Business union model“ wird bzw wurde von AN-Vertretern die Verbesserung von Arbeitsbedingungen um – mit Blick auf die Umwelt – mehr oder weniger jeden Preis verfolgt.* In der neueren Lehre wird jedoch auch argumentiert, dass das Verständnis auf AN-Seite für Nachhaltigkeitsbelange steigt, je sicherer Arbeitsbedingungen sind und je stärker auch AN-Vertreter in Entscheidungsprozesse mit eingebunden sind.* Vor allem starke Arbeitsbeziehungen (industrial relations) iS einer starken Sozialpartnerschaft sollen die vermeintlichen Gegensätze „Arbeit(sschutz)“ und „Umwelt(schutz)“ vereinen bzw miteinander ausgleichen können.* „Just Transition“ ist „das“ Schlagwort in diesem Zusammenhang.* Dennoch wird nach wie vor von einem „jobs versus environment dilemma“ gesprochen.* Gleichzeitig steht im Raum, dass das Schaffen von sogenannten „green jobs“ keinesfalls zu einem Verlust an Arbeitsplätzen führen soll, vielmehr würden neue geschaffen.*

Mit diesem theoretischen Überbau ist auch schon der Grundstein für die weiteren Ausführungen gelegt: Manifestiert sich dies bereits im positiven Recht in Österreich? Dass die kollektiven Arbeitsbeziehungen gut und stark sind, muss nicht weiter betont werden. Wird daher aber auch dem Umweltschutz besondere Bedeutung im Rahmen der kollektiven Rechtsgestaltung beigemessen? Ohne hier zu stark vorausgreifen zu wollen, zeigt eine erste Analyse des status quo: eher nein. Inwiefern steht das theoretische Gerüst der kollektiven Rechtsgestaltung einer entsprechenden Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsthemas aber zumindest offen? Zuvor wenden wir uns jedoch der europäischen Ebene zu. Welche Impulse werden dort bzw in anderen Mitgliedstaaten gesetzt?

2.
Impulse durch die europäische Ebene

Art 19a* (Nachhaltigkeitsberichterstattung) der durch die CSRD geänderten RL 2013/34 legt in Abs 5 – wohl eingedenk des Erwägungsgrundes 52 der CSRD 2022/2464 – fest, dass „(d)ie Unternehmensleitung (...) die Arbeitnehmervertreter auf geeigneter Ebene (unterrichtet) und (...) mit ihnen die einschlägigen Informationen und die Mittel zur Einholung und Überprüfung von Nachhaltigkeitsinformationen98(erörtert). Die Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter wird gegebenenfalls den zuständigen Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen mitgeteilt.

Als interpretationsbedürftig werden insb „auf geeigneter Ebene“ „Mittel“ und „Nachhaltigkeitsinformationen“ erachtet.* Ersten Einschätzungen zufolge werden damit aber keine Erweiterungen der schon bisher nach dem ArbVG bestehenden Mitwirkungsrechte auf betrieblicher Ebene vorgenommen, vielmehr könnten die ESG-Berichtspunkte im Rahmen der sogenannten Wirtschaftsgespräche* gem § 92 iVm § 108 ArbVG thematisiert werden.*

In inhaltlicher Hinsicht ist insb der Standard „S 1“ („Social 1“) der ESRS mit dem Thema „Own workforce“ (eigene Arbeitskräfte) von Interesse.* Ziel ist es, den Benutzern des Nachhaltigkeitsberichts ein Verständnis über die Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens auf die eigenen Arbeitskräfte* zu verschaffen. Interessant sind vor allem zwei Aspekte: die Verpflichtung, über die Existenz von Betriebsräten sowie über die Anzahl der von Kollektivverträgen erfassten Personen der sogenannten own workforce zu informieren.*

3.
Ein Blick über den Tellerrand – die Situation in anderen Mitgliedstaaten

Ein tour d‘horizon, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, lässt den Schluss zu, dass in anderen Mitgliedstaaten, etwa Deutschland* und Frankreich*, das Nachhaltigkeitsthema jedenfalls auf betrieblicher Ebene bereits stärker „angekommen“ zu sein scheint als in Österreich.* In Bezug auf die überbetriebliche Ebene zeigt sich hingegen, dass hier (vor allem gewerkschaftlicher) Anspruch und Wirklichkeit noch weit voneinander entfernt sind.

Eine Studie, die Kollektivverträge in sechs europäischen Ländern (Frankreich, Italien, die Niederlande, Spanien, Ungarn und Vereinigtes Königreich) untersucht hat, zeigt, dass es zwar in einigen Ländern generelle, Zielbestimmungen ähnliche Formulierungen gibt, wonach die Kollektivvertragsparteien sich des Umweltschutzes bewusst sind.* Geht es um konkrete Verpflichtungen, die AG auferlegt werden, finden sich vor allem in Spanien, Frankreich und Italien Kollektivvertragsklauseln, die verpflichtende Trainings- und Ausbildungsprogramme für AN vorsehen, damit der AG im Ergebnis auch nachhaltiger wirtschaften kann.* Aus inhaltlicher Sicht von Interesse sind auch sogenannte „green pay“-clauses: In Italien gibt es solche Klauseln in drei (!) von untersuchten 1.200 Kollektivverträgen. Diese stellen auf die eine oder andere Art und Weise eine Verbindung zwischen dem Entgelt und dem Umweltschutz her; ähnlich in Spanien, wo es vereinzelt entsprechende Bonussysteme gibt.*

4.
Österreichisches Recht

Durchsucht man das ArbVG nach dem Begriff „Umwelt“, wird man nur an einer Stelle fündig: Gem § 92a Abs 1 Z 1 ArbVG hat der Betriebsinhaber den BR insb „bei der Planung und Einführung neuer Technologien zu den Auswirkungen zu hören, die die Auswahl der Arbeitsmittel oder Arbeitsstoffe, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und die Einwirkung der Umwelt auf den Arbeitsplatz für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben“, dies „rechtzeitig“. Gibt es keine Belegschaftsorgane, sind gem § 11 Abs 6 Z 1 ASchG die Sicherheitsvertrauenspersonen zu hören.

Im ASchG finden sich auch noch zwei weitere Stellen, an denen das Thema „Umwelt“ angeschnitten wird: Zu den allgemeinen Grundsätzen der Gefahrenverhütung zählt auch die „Planung der Gefahrenverhütung mit dem Ziel einer kohärenten Verknüpfung von Technik, Tätigkeiten und Aufgaben, Arbeitsorganisation, Arbeitsabläufen, Arbeitsbedingungen, Arbeitsumgebung, sozialen Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz“ (§ 7 Z 7 ASchG). Gibt es einen Arbeitsschutzausschuss, so kann dessen Vorsitzender den Sitzungen „von sich aus oder auf Empfehlung von Mitgliedern des Ausschusses Sachverständige, sonstige Personen mit Aufgaben auf dem Gebiet des Arbeitnehmer- oder Umweltschutzes sowie das zuständige Arbeitsinspektorat beiziehen“ (§ 88 Abs 6 ASchG).

Der Blick über den Tellerrand hat jedoch gezeigt, dass sowohl auf überbetrieblicher als auch auf betrieblicher Ebene durchaus Regelungspotential im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte besteht. Nachfolgend soll punktuell untersucht werden, inwiefern auch das ArbVG „nachhaltigkeitsfit“ ist, oder ob hier Handlungsbedarf de lege ferenda besteht.

4.1.
Überbetriebliche Ebene

Auf überbetrieblicher Ebene stellt sich auch im Lichte der (vermeintlich) idealen Eignung von Kollektivverträgen, 99 Nachhaltigkeitsaspekte zu regeln, vor allem die Frage, ob dies von der Regelungskompetenz des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG erfasst wäre. Darüber hinaus gilt es idZ zu bedenken, wie weit die Ausnahme vom Kartellverbot des Art 101 AEUV überhaupt reicht (4.1.). Geht es konkret um sogenannte „green pay-Klauseln“, die es ja offensichtlich in anderen Ländern bereits gibt, so stellt sich ua die Frage, inwiefern dies mit einem (vermeintlichen) Barzahlungsgebot in Einklang gebracht werden kann (4.1.).

4.1.1.
Regelungsbefugnis des KollV – § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG

In Deutschland gab es bereits in den späten 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Tarifverträge mit Umweltbezug. 1988 wurde in einem Tarifvertrag, den die GGLF (Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, heute Teil der IG BAU) unterzeichnet hatte, ua vereinbart, dass bei bestimmten Arbeiten ein anerkannt umweltfreundliches Kettenschmieröl verwendet werden sollte. Däubler beschreibt dies deswegen als bemerkenswert, weil nicht nur ein Verfahren wie Information und Beratung, sondern eine bestimmte inhaltliche Vorgabe – zu einem umweltfreundlichen Produktionsprozess – gemacht wurde. Konkret dagegen gerichtete rechtliche Bedenken gab es – zumindest Däubler zufolge – keine.*

Damit ist auch schon der neuralgische Punkt für überbetriebliche, kollektivvertragliche Regelungen angesprochen: Handelt es sich bei „Umweltthemen“ tatsächlich um gegenseitige aus dem Arbeitsverhältnis entspringende Rechte und Pflichten der AG und der AN iSd § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG? Für Deutschland hält etwa Junker iZm den Grenzen der Tarifautonomie fest, dass Tarifverträge, die Unternehmerverhalten normativ regeln wollen, unwirksam sind.*

Ganz generell ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach dem Verständnis des ArbVG Kollektivverträge „Gesamtvereinbarungen zur Regelung von Arbeitsbedingungen“ sind. Kollektivverträge, die ebensolche (Mindest-)Standards regeln, sind Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten Sozialautonomie. Diese gewährleistet Verbänden der AG und der AN, innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens die Arbeitsbedingungen autonom, ohne staatlichen Einfluss, zu regeln.* IZm Nachhaltigkeitsfragen ieS, also Umweltschutzangelegenheiten, könnte nun die Frage aufgeworfen werden, ob diese verfassungsrechtlich garantierte Sozialautonomie, die sich aus Koalitionsfreiheit (Art 11 EMRK) und der auch durch Art 120a B-VG geschützten beruflichen Selbstverwaltung ergibt, im Ergebnis auch Kollektivverträge schützt, die nicht Arbeitsbedingungen ieS, sondern Aspekte des Umweltschutzes regeln. Dies ist deswegen von Bedeutung, da ja die Normwirkung von Kollektivverträgen letztlich auch nur so weit geht, wie dies die Verfassung den Kollektivvertragsparteien zugesteht, dh nur im Rahmen der Sozialautonomie. MaW, anderen Gegenständen eines KollV, die über die Regelungskompetenzen des § 2 ArbVG hinausgehen, kann schon aus verfassungsrechtlicher Perspektive keine Normwirkung zukommen.* Unzulässige Inhaltsnormen können (maximal) schuldrechtliche Wirkung entfalten und qua Einwirkungspflicht der Kollektivvertragspartner für die Kollektivvertragsunterworfenen von Relevanz sein.*

IZm „green-pay-Klauseln“ wird angesichts von Kollektivvertragsautonomie und Innovations- bzw Rechtsfortbildungsfunktion* des KollV eine Subsumtion unter § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG durchaus möglich sein; bei Aspekten, die die Produktionsbedingungen, aber auch sonstige, den Privatbereich tangierende Verhaltensweisen betreffen, und nicht die Arbeitsbedingungen ieS, wird zu differenzieren sein.

Zulässige Inhaltsnormen sind nach § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG nur solche, die ihre Wurzel im Arbeitsverhältnis haben; grundsätzlich kann nur der typische, regelmäßige und wiederkehrende Inhalt eines Arbeitsverhältnisses auch einer kollektivvertraglichen Regelung unterworfen werden.* Geprägt wurde diese Trias von Kuderna, demzufolge im Kontrast dazu der einzelvertraglichen Regelung solche Rechte und Pflichten überlassen werden sollten, die „ihrem Wesen nach (...) von den individuellen Interessen und Bedürfnissen der Parteien des EinzelV bestimmt werden“. Beispielhaft genannt wird auch eine ganz bestimmte Art der Verrichtung der Arbeitsweise, die auf die Person des AN zugeschnitten ist.* E contrario muss dies aber auch bedeuten, dass generelle Vorgaben zur Art der Arbeitsverrichtung – die etwa auch das Thema Ressourcenschonung (zB Verpflichtung zum sparsamen Wassereinsatz bei der konkreten Arbeitsverrichtung, oder zum Stromsparen) etc miteinbeziehen – sehr wohl unter § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG subsumiert werden können. Maßgebend ist hinsichtlich des Erfordernisses der Typizität die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise des betreffenden Berufs- bzw Wirtschaftszweiges.*

Klauseln zum Spraydoseneinsatz* etwa kann in dieser Hinsicht daher nichts entgegengehalten werden; idZ sei auch auf die bereits genannte Innovationsfunktion 100 des KollV verwiesen. Jener kann dieser nur nachkommen, wenn Spielraum besteht, solange im Ergebnis Ziel der Regelung ist, auf das einzelne Arbeitsverhältnis einzuwirken und dieses auszugestalten.* Problematisch scheint in dieser Hinsicht daher eine Klausel, der zufolge „(b)ei der Reinigung der Schutzkleidung (die dem AN obliegt, Anm) ... auf die jeweiligen Pflegeetiketten und die geltenden Umweltschutzvorschriften (auch für den Privatbereich) zu achten (ist)“.* Darf ein KollV derart auf das Privatleben einwirken?

Zu bedenken ist mit Blick auf die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien schließlich die Kartellausnahme nach Art 101 AEUV: Die sogenannte „Albany-Ausnahme“ besagt, dass zwischen den Sozialpartnern abgeschlossene Tarifverträge, die auf die Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen abzielen, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Art 101 AEUV fallen; andernfalls würden die mit Tarifverträgen verfolgten sozialpolitischen Ziele „ernsthaft gefährdet“.* Die sozialpolitischen Ziele, auf die der EuGH 1999 rekurrierte, waren ua gemäß dem Abkommen über Sozialpolitik* die „Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials im Hinblick auf ein dauerhaftes hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen“;* auch auf die Aufgabe der Gemeinschaft gem Art 2 EGV (idF Amsterdam 1997), „eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens“, „ein hohes Beschäftigungsniveau“ und „ein hohes Maß an sozialem Schutz“ zu fördern, wird verwiesen. Schon damals rekurrierte Art 2 EGV idF Amsterdam (wie auch jetzt Art 3 Abs 3 EUV) auch auf „ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“ als ein von der Gemeinschaft zu förderndes Ziel; in der Rs Albany verweist der EuGH darauf jedoch gerade nicht. Dass der EuGH Kollektivvereinbarungen, die nicht der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im engeren Sinne dienen, folglich unter Umständen als wettbewerbswidrig einstufen könnte, sei hier daher nur einmal in den Raum gestellt.

4.1.2.
„Nachhaltigkeitsregelungen“ und (vermeintliches) Geldzahlungsgebot

IZm sogenannten „green pay-Klauseln“ könnte sich pro futuro – natürlich je nach konkreter Ausgestaltung – vor allem die Frage stellen, inwiefern dadurch gegen ein (vermeintliches) Barzahlungsgebot verstoßen werden könnte. Als Denkanstoß sei auch idZ auf eine Regelung in einem deutschen Tarifvertrag verwiesen, und zwar in jenem für Fahrradleasing vom 25.2.2020 (ver.di [Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft] und VKA [Vereinigung der kommunalen AG-Verbände]); in Deutschland gibt es – zumindest im Hinblick auf die Tarifautonomie – offensichtlich keine Bedenken.* Gegenstand des Tarifvertrags ist eine eingeschränkte Entgeltumwandlung zwecks Leasing von Fahrrädern. Der Tarifvertrag enthält eine Zulassungsnorm, wonach „Beschäftigte und Arbeitgeber einzelvertraglich vereinbaren (können), künftige monatliche Entgeltbestandteile der Beschäftigten zum Zwecke des Leasings von Fahrrädern gemäß § 63a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sowie leasing-fähigen Zubehörs umzuwandeln“ (§ 2 Abs 1 S 1).*

Beurteilte man eine solche Regelung vor dem Hintergrund des ArbVG, so ist als einschlägige Vorgabe zunächst der relativ zwingende Charakter kollektivvertraglicher Regelungen gem § 3 ArbVG zu beachten. IZm dem Mindestentgelt versteht die Judikatur dies, sofern der KollV selbst nichts anderes vorsieht, als Geldzahlungsgebot. MaW, das in Geld zu bezahlende Mindestentgelt ist einem Günstigkeitsvergleich mit Sachbezügen entzogen. Kurz: Naturallöhne sind grundsätzlich nur im überkollektivvertraglichen Bereich möglich.*

Aus OGH8 ObA 61/13y* wird allerdings abgeleitet, dass eine Durchbrechung des Anrechnungsverbots für (individuell) vereinbarte Naturalleistungen auf das existenzsichernde Mindestentgelt dann zulässig sein muss, wenn der KollV dies selbst vorsieht (Anm: etwa im Wege einer Zulassungsnorm, siehe Fahrradleasing-TarifV) und wenn die sozialpolitische Zweckbestimmung der Existenzsicherung eingehalten ist (Anm: wenn also das kollektivvertragliche Mindestentgelt weit über dem „Existenzminimum“* liegt). Der Hotel- und Gastro-KollV etwa enthält daher nach wie vor eine Vorschrift zu Mahlzeiten und Wohngelegenheiten. Damit eine entsprechende Anrechnung stattfinden kann, bedarf es einerseits einer einzelvertraglichen Vereinbarung, andererseits sind die für die Inanspruchnahme von Wohngelegenheiten in Betracht kommenden Kosten „unter Weglassung einer Verdienstspanne für den Arbeitgeber zwischen den Vertragspartnern (Anm: also den Kollektivvertragsparteien) zu vereinbaren“. Zudem sind diese „im jeweils gültigen Lohnabkommen festzulegen“. Die tatsächlich im KollV festgesetzten Beträge werden sodann „vom Lohn einbehalten“ (Pkt 11. des Rahmen-KollV). Daraus wie auch aus der E 1019 ObA 92/15t* kann geschlossen werden, dass bei entsprechender Regelung im KollV zum Verhältnis Mindestentgelt und Naturalleistungen (iS einer Öffnungsklausel*) sehr wohl auch eine entsprechende Anrechnung möglich ist und insofern nicht in Bezug auf das gesamte kollektivvertragliche Mindestentgelt ein Barzahlungsgebot besteht. Eine entsprechende Fahrradleasing-Regelung wäre daher auch nach österreichischem Kollektivvertragsrecht möglich.*

4.2.
Betriebliche Ebene

Im Hinblick auf die betriebliche Ebene sei abschließend nur kurz erörtert, welche Nachhaltigkeitsbelange bereits de lege lata* von den Betriebspartnern geregelt werden können; vorausgesetzt, man lässt eine entsprechend weitere Interpretation insb der „wirtschaftlichen, sozialen (und) gesundheitlichen“ Interessen iSd § 38 ArbVG zu. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit* sind folgende Tatbestände zu nennen:

Auf Basis von § 97 Abs 1 Z 6 ArbVG (zweckentsprechende Benützung von Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln) könnten zB Vorgaben zu besonders spritsparender Dienstwagennutzung gemacht werden; dabei geht es aber nicht nur um die dienstliche Benützung, es kann auch die private geregelt werden. Denkbar sind darüber hinaus etwa auch Vorschriften über Wartung, Kontrolle und Verwahrung von Arbeitskleidung (und daher wohl auch die umweltschonende Reinigung zuhause).*

§ 97 Abs 1 Z 8 ArbVG, auf Basis dessen nach wohl hA auch Anreize zur Inanspruchnahme bestimmter Schutzeinrichtungen inkl Prämien* geregelt werden können,* könnte bei weiter Interpretation auch finanzielle Anreize zu emissionsreduzierender Arbeitsweise setzen, wenn damit (indirekt) auch die Gesundheit des AN geschützt wird; insofern ist idZ auch an Prämien zu denken.

Eindeutig dürfte die Einschlägigkeit von § 97 Abs 1 Z 9 ArbVG sein – unter die menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung muss bei entsprechend weiter Interpretation auch die Berücksichtigung von Umweltbelangen, die sich unmittelbar auf den einzelnen Arbeitsplatz auswirken, subsumiert werden können.

Nach § 97 Abs 1 Z 12 ArbVG soll die pauschale Festlegung von Diäten und Kilometergeldern zulässig sein,* sofern damit keine partiell verdeckte Entgeltauszahlung erfolgt;* unter dieser Prämisse müsste konsequenterweise auch der (teilweise) Ersatz des Klimatickets zulässiger Inhalt sein, sofern nachgewiesen werden kann, dass dieses zu betrieblichen Zwecken eingesetzt wird und insofern ein Aufwand entsteht.

Eine Koppelung betrieblichen Vorschlagswesens an innovative Nachhaltigkeitsvorschläge könnte unter § 97 Abs 1 Z 14 ArbVG subsumiert werden. Hier ist auch eine Koppelung mit Kollektivverträgen möglich, wie Pkt XV. des KollV der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zeigt: „Über die Vergütung für Verbesserungsvorschläge können Betriebsvereinbarungen gemäß § 97 Abs. 1 Z. 14 Arbeitsverfassungsgesetz abgeschlossen werden.“ IdZ wird den Betriebspartnern auch eine eingeschränkte Entgeltkompetenz zugestanden,* sodass auch Vergütungen für nachhaltige Verbesserungsvorschläge vorgesehen werden können.

Schließlich könnte § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG einschlägig sein: die Zahlung von leistungs- bzw erfolgsbezogenem Entgelt, wenn auf Basis eines generellen Zielvereinbarungssystems eine bestimmte Emissionsreduktion erreicht wird (es sich also um eine mit bestimmten Zielvorgaben verknüpfte Prämie handelt).* „Green pay“ könnte somit zumindest im eingeschränkten Ausmaß auch auf betrieblicher Ebene verfolgt werden.

5.
Rück- und Ausblick

Zweierlei scheint mir abschließend iZm der kollektiven Rechtsgestaltung bemerkenswert: Erstens sollte § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG im Lichte der Innovationsfunktion des KollV zwar nicht zu eng interpretiert werden; die Abgrenzung zwischen einer (noch) zulässigen Regelung von Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis einerseits und einer darüberhinausgehenden, nicht mehr von der normativen Wirkung erfassten Regelung von sonstigen Wirtschaftsbedingungen wird jedoch nicht immer leicht fallen. Dies zeigt auch die deutsche Diskussion – trotz Art 9 Abs 3 GG, wonach Gegenstand 102der Tarifautonomie nicht nur die Arbeits-, sondern auch die Wirtschaftsbedingungen, sind, wird eine allzu starke Ausdehnung der Regelungsbefugnis der Tarifparteien auch auf Produktionsbedingungen durchaus kritisch gesehen. Bezeichnend ist schließlich, dass selbst iZm bestehenden „Nachhaltigkeitsregelungen“ in anderen europäischen Ländern festgehalten wird, diese würden letztlich bloß schuldrechtliche Wirkung entfalten („not mandatory“).

Zweitens zeigen gerade die Regelungen iZm Schlechtwetter(entschädigungen) einerseits im Bauarbeiterschlechtwetterentschädigungsgesetz*, andererseits in diversen Kollektivverträgen (siehe Arbeiter Stein- und keramische Industrie, Zusatzprotokoll zur Schlechtwetterentschädigung), dass ein stärkeres Zusammenspiel zwischen Belegschaftsorgan und Betriebsinhaber in Nachhaltigkeits- und Umweltbelangen jedenfalls nicht systemfremd ist. Das Betriebsverfassungsrecht ist zudem durchaus offen formuliert, sodass selbst iZm den CSRD/ESRS-Nachhaltigkeitsberichtspflichten – und ich traue mich, eine vorsichtige Prognose aufzustellen – in absehbarer Zeit nicht mit legislativen Aktivitäten zu rechnen sein wird. Von einem wachsenden Bewusstsein der kollektiven Mächte zeugen dafür punktuelle Kollektivvertragsregelungen – Stichwort Klimaticket*. Insofern lohnt es sich durchaus, dieses Thema nachhaltig mitzuverfolgen. 103