163

Entlassung einer Universitätsprofessorin wegen Ehrverletzungen

ANDREASWELLENZOHN

Die Kl war bei der Bekl als Universitätsprofessorin beschäftigt. Die Bekl erreichten zahlreiche Beschwerden, wonach die Kl als Institutsvorstand die Arbeitsleistungen ihrer Kollegen auf unsachliche Weise kritisiere. So hatte die Kl einem Mitarbeiter wegen seiner mangelnden Leistungen einen Krankenhausaufenthalt vorgeschlagen und die angeblich schlechten Leistungen einer Mitarbeiterin auf eine „pränatale Störung“ zurückgeführt. Auch Studierende beschwerten sich darüber, dass die Kl sie als „Analphabeten“, „dumm“, „faul“ und „niveaulos“ bezeichnet habe. Die Kl selbst berichtete davon, dass sie während einer Prüfung eine Studentin gefragt hat, ob sie „Drogen genommen“ habe, weil sie sich „blöd“ angestellt habe.

Zu einer Mitarbeiterin mit einer Büropflanze äußerte die Kl, dass man das in der Psychiatrie auch so mache, zuerst eine Pflanze, dann ein Haustier. Später meinte die Kl zu dieser Mitarbeiterin, dass ihr Verhalten während eines Forschungsprojekts ein Grund gewesen wäre, sie in die Psychiatrie einzuweisen. Während eines Gesprächs am 9.4.2018 stellte die Kl die Arbeitsfähigkeit dieser Mitarbeiterin in Frage, warf ihr vor, absichtlich krank zu sein, und erteilte ihr den Rat, zweimal wöchentlich eine Therapie in Anspruch zu nehmen und besprach mit ihr die Auswahl des Psychiaters, sodass diese ihr Dienstverhältnis vorzeitig beenden und die Universität noch während des Studienjahrs verlassen wollte. Am 26.4.2018 langte die Beschwerde dieser Mitarbeiterin im Rektorat der Bekl ein, sodass die Kl nach Besprechungen und einer Abstimmung im Rektorat mit Zustimmung des BR am 3.5.2018 entlassen wurde. Zwischen dem Einlangen der Beschwerde und der Entlassung lagen ein Wochenende, ein Fenstertag und ein Feiertag.

Die Kl begehrte mit ihrer Klage die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu die Anfechtung der Entlassung. Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren der Kl ab. Der OGH erachtete die außerordentliche Revision der Kl mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig und führte aus:

Entgegen dem Revisionsvorbringen beruht die Entscheidung der Vorinstanzen nicht nur auf anonymen Beschwerden, sondern auch auf den Aussagen der Kl gegenüber Studenten und Mitarbeitern des Instituts, wie sie vom Erstgericht festgestellt wurden. ­Soweit sich die Kl darauf beruft, dass sie als Institutsvorstand die Leistungen von Studierenden und Nachwuchswissenschaftern bewerten musste, ist ihr dahin zustimmen, dass eine sachliche Kritik an den Arbeitsleistungen oder der fachlichen Eignung keinen Entlassungsgrund darstellt, selbst wenn sie objektiv unrichtig ist. Wohl aber ist es nach § 27 Z 6 AngG als ein wichtiger Grund anzusehen, der den DG zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, wenn sich der Angestellte in diesem Zusammenhang erhebliche Ehrverletzungen gegen Mitbedienstete zuschulden kommen lässt.

Nach der Rsp des OGH kann die ohne konkrete Anhaltspunkte aufgestellte unsachliche Behauptung einer psychischen Erkrankung eine Beleidigung darstellen. Ob der Entlassungsgrund des § 27 Z 6 AngG verwirklicht wurde, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist die Stellung des AN im Betrieb, sein Bildungsgrad, die Art des Betriebs, der dort herrschende Umgangston, die Gelegenheit, bei der die Äußerung gefallen ist, und das bisherige Verhalten des AN zu berücksichtigen. Allgemein gilt, dass Angestellte in leitender Stellung strengeren Anforderungen unterliegen. Insb angesichts ihrer Stellung als Universitätsprofessorin und der leitenden Funktion als Institutsvorstand ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Entlassung der Kl aufgrund ihres beleidigenden Verhaltens gegenüber Studierenden und Institutsmitarbeitern gerechtfertigt war, von der bisherigen Rsp gedeckt. Soweit sich die Kl auf die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre beruft, kann sie daraus kein Recht ableiten, Studierende oder Mitarbeiter des Instituts in ihrer Ehre zu verletzen, sodass auch insofern keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen wird.

Der Grundsatz, dass die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf dem Gedanken, dass ein AG, der eine Verfehlung seines AN nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht. Nach der Rsp ist bei juristischen Personen aber zu berücksichtigen, dass die Willensbildung aufwändiger ist als bei physischen Personen. Die Vorinstanzen haben deshalb mit Recht auf die Notwendigkeit einer internen Abstimmung im Rektorat verwiesen. Ob eine Entlassung rechtzeitig vorgenommen wurde, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und hat deshalb keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Die außerordentliche Revision der Kl war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.353