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Verspätete Entlassung, wenn der Sachverhalt für den Arbeitgeber hinreichend aufklärbar war

RICHARDHALWAX

Der Kl wurde am 5.2.2021 vom Vorstand der Bekl entlassen. Die von der Bekl im Verfahren für die Entlassung des Kl ins Treffen geführten Sachverhalte waren bereits Gegenstand der Schlussbesprechung der Bekl mit dem einen bestimmten Teil ihrer Gebarung prüfenden Kärntner Landesrechnungshof am 13.11.2020, bei der die Rechnungshofprüfer ihre Ergebnisse präsentierten und erläuterten. An dieser Schlussbesprechung nahm ua der (Allein-)Vorstand der Bekl teil. Dieser sah aus den Inhalten der Präsentation noch keine Veranlassung, den Tätigkeitsbereich des Kl im Hinblick auf Verfehlungen zu überprüfen und wollte den vorläufigen schriftlichen Bericht des Landesrechnungshofs abwarten. Nach dessen Einlangen am 12.1.2021 nahm der Vorstand der Bekl nicht sogleich in diesen Einsicht. Die bei der Bekl für die Betreuung von Rechnungshofprüfungen zuständige Mitarbeiterin war bis 19.1.2021 noch auf Urlaub. Nach ihrer Urlaubsrückkehr wurde am 21.1.2021 eine Rechtsanwaltskanzlei um Sichtung und Prüfung einer „personalrechtlichen Relevanz“ ersucht.

Der Kl begehrte die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis über den 5.2.2021 hinaus aufrecht fortbestehe. Das Berufungsgericht beurteilte die Entlassung des Kl als verspätet und gab der Klage statt. Die außerordentliche Revision der Bekl wurde vom OGH mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen.

Der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Entlassung besagt, dass der AG – bei sonstigem Verlust des Entlassungsrechts – die Entlassung ohne Verzug, dh sofort nachdem ihm der Entlassungsgrund bekannt geworden ist, aussprechen muss.

Ein Beendigungsgrund gilt als bekannt geworden, sobald der Auflösungsberechtigte über alle Einzelheiten Bescheid weiß, die er für eine fundierte Entscheidung benötigt. Bei einem zweifelhaften Sachverhalt muss der AG die zu seiner Klärung erforderlichen und zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchführen, will er nicht sein Entlassungsrecht verlieren. Diese Obliegenheit zur Nachforschung nach einem Entlassungsgrund besteht dann, wenn dem AG konkrete Umstände zur Kenntnis gelangt sind, die die Annahme rechtfertigen, dass das Verhalten des DN eine Entlassung rechtfertigt.

An dieser Rsp hat sich das Berufungsgericht orientiert und sie jedenfalls vertretbar auf den festgestellten Sachverhalt angewendet.

Die Bekl vertritt in der außerordentlichen Revision die Ansicht, es sei nicht auf die Schlussbesprechung, sondern auf das Einlangen des vorläufigen Berichts des Landesrechnungshofs abzustellen, und dass ausgehend von diesem die Entlassung noch rechtzeitig erfolgt sei. Als Grund für die Relevanz des Zeitpunkts des vorläufigen Rechnungshofberichts führt sie an, die Annahme einer Pflicht der Bekl, die ihr in der Schlussbesprechung bekanntgewordenen Sachverhalte auf ihre Richtigkeit und Eignung zur Entlassung zu prüfen, bedeutete eine „parallele Nachforschungspflicht des geprüften Unternehmens hinsichtlich prüfungsgegenständlicher Sachverhalte“. Dies überspannte nach Ansicht der Bekl den Grundsatz der Unverzüglichkeit bei Ausspruch einer Entlassung.

Der Bekl ist zu erwidern, dass weder den Bestimmungen über den Landesrechnungshof in der Kärntner Landesverfassung noch dem Kärntner Landesrechnungshofgesetz 1996 entnommen werden kann, dass bei Prüfung eines AG durch den Landesrechnungshof die (Arbeits-)Rechtslage eine Modifikation erfahren soll, vielmehr ist der Rechnungshof als Organ des Landtags tätig. Die Annahme der Bekl, sie wäre nicht bereits aufgrund der Schlussbesprechung (zumindest) zur Überprüfung der bekannt gewordenen Sachverhalte verpflichtet gewesen, weil eine solche „Doppelprüfung“ dem in der öffentlichen Verwaltung geltenden Effizienzprinzip widerspräche, ist auch insoweit unrichtig, als es hier ja um Informationen aus dem Betrieb der Bekl ging. Dass eine – dem allgemeinen Arbeitsrecht entsprechende – selbstständige Überprüfung potentiell entlassungstauglicher Sachverhalte durch den AG bei gleichzeitig laufender Überprüfung der Gebarung des AG durch den Landesrechnungshof den Grundsatz der Unverzüglichkeit bei Ausspruch einer Entlassung überspannt, ist ebenso wenig ersichtlich.

Richtig ist zwar, dass nach der Rsp überall dort, wo ein vorerst undurchsichtiger und/oder zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, den der AG mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst gar nicht aufklären kann, dem AG das Recht zuzubilligen ist, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die hierfür zuständige Behörde mit der Entlassung zuzuwarten. Dies ist bei unklarer Sachlage anerkanntermaßen insb bei einem Strafverfahren der Fall, bietet dieses doch oft Möglichkeiten der Aufklärung, welche der AG nicht besitzt. Der Kärntner Landesrechnungshof hatte hier keine besonderen Ermittlungsmöglichkeiten, welche über die Möglichkeiten eines AG zur selbstständigen Aufklärung eines Sachverhalts hinausgehen und den umfangreichen Möglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Strafgericht zur Aufklärung eines Sachverhalts auch nur nahekommen. Dass die der Bekl zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichten, den in der Schlussbesprechung bekannt gewordenen Sachverhalt – soweit nötig – weiter aufzuklären, ist nicht ersichtlich, beschränkte sich doch die Tätigkeit des Landesrechnungshofs (auch) nach der Schlussbesprechung auf die Einholung weiterer Auskünfte seitens der Bekl und die Durchsicht von von ihr stammenden Unterlagen.352