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Anspruch auf Pflegegeld für aus der Ukraine Vertriebene

JOHANNARACHBAUER

Ein besonderer Hilfsbedarf gem Art 13 Abs 4 MassenzustromRL besteht auch bei Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung einen ständigen Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) iSd § 4 Abs 1 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) haben.

Das Pflegegeld ist im vorliegenden Zusammenhang als Leistung anzusehen, die für die Gruppe der pflegebedürftigen Personen als „erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“ iSd Art 13 Abs 4 MassenzustromRL zu qualifizieren ist.

Personen, die vorübergehenden Schutz nach der MassenzustromRL genießen, zählen zu dem gem § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erfassten Personenkreis und haben daher bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Pflegegeld.

Sachverhalt

Die in der Ukraine geborene Kl kam am 28.3.2022 aus der Ukraine nach Österreich. Sie und ihre Mutter verfügen über einen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgestellten Ausweis für Vertriebene.

Mit Bescheid vom 22.6.2022 wies die bekl Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Kl auf Gewährung von Pflegegeld ab. Die Kl bringt in ihrer dagegen erhobenen Klage vor, sie sei hinsichtlich ihres Anspruchs auf Pflegegeld österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Verfahren und Entscheidung

Das Erstgericht wies die Klage ab. Auch das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl nicht Folge, ließ aber die Revision zu. Rechtlich erörterte es, eine zur analogen Anwendung berechtigende Gesetzeslücke in § 3a Abs 2 Z 4 BPGG liege nicht vor. Die Kl sei auch nicht nach § 3a Abs 2 Z 1 BPGG österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, weil die notwendige Hilfe im Hinblick auf die medizinische Versorgung in Art 13 Abs 2 Satz 2 MassenzustromRL nur die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten, wovon das Pflegegeld nicht erfasst sei, umfasse und von Art 13 Abs 4 MassenzustromRL ein Geldanspruch für die häusliche Pflege nicht erfasst sei.

Der OGH entschied, dass die von der Kl erhobene Revision zulässig und berechtigt ist. Er hob die Urtei382le der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Originalzitate aus der Entscheidung

„[14] 1.1. § 3a Abs 1 BPGG gewährt Anspruch auf Pflegegeld auch ohne Grundleistung für österreichische Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

[15] Nach § 3a Abs 2 BPGG sind den österreichischen Staatsbürgern (soweit im vorliegenden Fall relevant) gleichgestellt:

Z 1: Fremde, die nicht unter eine der folgenden Ziffern fallen, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen oder Unionsrecht ergibt, oder

[...]

Z 4: Personen, die über einen Aufenthaltstitel a) „Blaue Karte EU“ gemäß § 42 NAG, b) „Daueraufenthalt-EG“ gemäß § 45 NAG, c) „Daueraufenthalt-Familienangehöriger“ gemäß § 48 NAG, d) „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs 2 NAG oder e) gemäß § 49 NAG verfügen.

[16] 1.2. Die in § 3a Abs 2 Z 4 BPGG genannten Fälle betreffen nur jene zusätzlichen Fälle, die nicht bereits durch das unmittelbar anwendbare Staatsvertragsrecht bzw Unionsrecht nach § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erfasst werden (10 ObS 116/20m SSV-NF 34/72; 10 ObS 81/18m).

[17] Im vorliegenden Fall ist daher zunächst zu prüfen, ob die Kl zum Personenkreis gemäß § 3a Abs 2 Z 1 BPGG gehört, der aufgrund des Unionsrechts österreichischen Staatsbürgern im Hinblick auf den Anspruch auf Pflegegeld gleichgestellt ist.

[18] 1.3. Zu betrachten sind im vorliegenden Fall im Rahmen der vorzunehmenden allseitigen rechtlichen Prüfung […] die MassenzustromRL in Verbindung mit dem im Sinn des Art 5 MassenzustromRL ergangenen Durchführungsbeschluss 2022/382/EU […] (künftig: Durchführungsbeschluss des Rates) sowie die Richtlinie 2011/95/EU […] (künftig: StatusRL) […].

[…]

[22] 2.3. Der von der MassenzustromRL erfasste Personenkreis ist nicht in der Richtlinie selbst geregelt. Nach Art 5 Abs 1 MassenzustromRL wird das Vorliegen eines Massenzustroms vielmehr durch einen Beschluss des Rates festgestellt. Dieser Beschluss umschreibt den erfassten Personenkreis […].

[23] Am 4.3.2023 fasste der Rat den hier gegenständlichen Durchführungsbeschluss nach Art 5 Abs 1 MassenzustromRL, mit dem er das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen in die Union feststellte, die infolge eines bewaffneten Konflikts die Ukraine verlassen mussten (Art 1 Durchführungsbeschluss).

[…]

[29] […] [D]ie Rechtsprechung [beurteilt] Personen, denen zuvor gemäß § 8 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war, auf der Grundlage von Artt 28, 29 StatusRL aF (RL 2004/83/EG) und Artt 29, 30 StatusRL 2011/95/EU als vom Personenkreis des § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erfasst […]. Diese Personen haben daher bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Pflegegeld […].

[…]

[32] Art 29 StatusRL verpflichtet die Mitgliedstaaten, Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde, die „notwendige Sozialhilfe“ wie Staatsangehörigen des Mitgliedstaats zu gewährleisten, wobei die Leistung für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde, auf Kernleistungen beschränkt werden kann (ebenso Art 28 StatusRL aF). Nach Art 30 StatusRL haben die Mitgliedstaaten zugunsten von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde, für den Zugang zu medizinischer Versorgung zu denselben Bedingungen wie die eigenen Staatsangehörigen Sorge zu tragen. […]

[33] 2.7. Zum Verhältnis der StatusRL zur Massen­zustromRL ist klarzustellen, dass der vorübergehende Schutz nach der MassenzustromRL nicht die Anerkennung des Flüchtlingsstatus im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention berührt (Art 3 MassenzustromRL). Vertriebene im Sinn der MassenzustromRL können auch in den Anwendungsbereich von „sonstigen internationalen oder nationalen Instrumenten, die internationalen Schutz gewähren“, fallen. Dies gilt insbesondere für Personen, die aus Gebieten ­geflohen sind, in denen ein bewaffneter Konflikt oder dauernde Gewalt herrscht (Art 2 lit c MassenzustromRL). Nach Art 17 Abs 1 MassenzustromRL ist zu gewährleisten, dass Personen, die vorübergehenden Schutz nach der MassenzustromRL genießen, jederzeit einen Asylantrag stellen können.

[34] Aus all dem folgt, dass von der MassenzustromRL erfasste Personen bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen auch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (im österreichischen Recht gemäß § 8 AsylG) erlangen können. […]

[35] 2.8. Allerdings gelten die in Artt 28, 29 StatusRL normierten Rechte nur für Personen, denen aufgrund des materiellen Vorliegens der einen oder anderen Schutzform (als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz) internationaler Schutz zuerkannt, denen also ein Status verliehen wurde […]. Die weiteren Rechte knüpfen demnach nicht nur hinsichtlich der subsidiär Schutzberechtigten, sondern auch hinsichtlich der Konventionsflüchtlinge an die Zuerkennung eines Status an, auch wenn die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus aufgrund der Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention nur deklarativ erfolgt (vgl ErwGr 21 StatusRL).

[…]

[37] Die Frage der Erforderlichkeit einer förmlichen Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus muss im vorliegenden Fall allerdings nicht näher erörtert werden, weil die Einbeziehung der Kl in den Personenkreis gemäß § 3a Abs 2 Z 1 BPGG bereits aus der MassenzustromRL zu gewinnen ist.

3.1. Art 13 MassenzustromRL lautet:

„Abs 1 […]

Abs 2: Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die notwendige383Hilfe in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie im Hinblick auf die medizinische Versorgung erhalten, sofern sie nicht über ausreichende Mittel verfügen. Unbeschadet des Absatzes 4 umfasst die notwendige Hilfe im Hinblick auf die medizinische Versorgung mindestens die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten.

[…]

Abs 4: Die Mitgliedstaaten gewähren Personen, die vorübergehenden Schutz genießen und besondere Bedürfnisse haben, beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt geworden sind, die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe.“

[…]

[40] 3.3. Es trifft zu, dass der EuGH in den Rs Jauch (EuGHC-215/99 vom 8.3.2001) und Hosse (C-286/ 03 vom 21.2.2006) das (Bundes- ebenso wie das Landes-)Pflegegeld unter die Kategorie der Leistungen bei Krankheit im Sinn der damals noch geltenden WanderarbeitnehmerVO (EWG) 1408/71 (aktuell VO 883/2004) einreihte. Diese Auslegung erfolgte ausgehend von den in Art 4 Abs 1 VO 1408/71 (aktuell Art 3 Abs 1 VO 883/2004) aufgezählten Zweigen der sozialen Sicherheit. Daraus ist aber noch nicht zwingend abzuleiten, dass das Pflegegeld bei der Auslegung anderer Unionsrechtsakte, die nicht der Sozialrechtskoordinierung, sondern der Festlegung bestimmter Leistungspflichten dienen, die anders als nach dem Zweig der sozialen Sicherheit, dem sie zugehören, umschrieben sind, zwingend als „medizinische Versorgung“ (vgl Art 13 Abs 2 MassenzustromRL) im Gegensatz zu anders definierten Kategorien von Leistungen zu qualifizieren wäre.

[…]

[42] 3.4. Im vorliegenden Fall kommt es aber gar nicht darauf an, ob das Pflegegeld von der „notwendige[n] Hilfe im Hinblick auf die medizinische Versorgung“ oder der „notwendige[n] Hilfe in Form von Sozialleistungen“ gemäß Art 13 Abs 2 MassenzustromRL erfasst ist, weil Art 13 Abs 4 MassenzustromRL eine Sonderregelung für Personen enthält, die vorübergehenden Schutz genießen und besondere Bedürfnisse haben: Diese Personen haben nach Art 13 Abs 4 MassenzustromRL einen Anspruch auf „die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“, die nach der ausdrücklichen Anordnung des Art 13 Abs 2 Satz 2 MassenzustromRL jedenfalls über den Mindeststandard der „notwendige[n] Hilfe im Hinblick auf die medizinische Versorgung“ hinausgeht.

[43] 3.5. Die Aufzählung der Personen mit besonderen Bedürfnissen in Art 13 Abs 4 MassenzustromRL ist demonstrativ ausgestaltet („beispielsweise“). Sie unterstellt den darin aufgezählten Personengruppen […] typisiert einen gesteigerten Hilfsbedarf. Ein besonderer Hilfsbedarf besteht aber – unabhängig von den diesem Bedarf zugrunde liegenden Gründen – auch bei Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung einen ständigen Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) im Sinn des § 4 Abs 1 BPGG haben. […]

[44] 3.6. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich beim Pflegegeld um eine im Sinn des Art 13 Abs 4 MassenzustromRL „erforderliche“ Hilfe handelt, ist auf die Wertungen zurückzugreifen, die der Rechtsprechung zur Einbeziehung von subsidiär Schutzberechtigten in den anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 3a BPGG zugrunde liegen […]. Danach zählt das Pflegegeld zu den „Kernleistungen“ bei Krankheit im Sinn des Art 29 Abs 2 StatusRL aF (RL 2004/83/EG).

[45] Diese Wertung als „Kernleistung“ ist auch ausschlaggebend dafür, das Pflegegeld im vorliegenden Zusammenhang als Leistung anzusehen, die für die Gruppe der pflegebedürftigen Personen als „erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“ im Sinn des Art 13 Abs 4 MassenzustromRL zu qualifizieren ist.

[46] 3.7. Dies gebietet eine Auslegung des § 3a Abs 2 Z 1 BPGG, die dem durch das Unionsrecht gebotenen Ergebnis gerecht wird; die definierte Personengruppe ist daher im Hinblick auf den Anspruch auf Pflegegeld aufgrund unionsrechtlicher Erwägungen den österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen.

[47] Die zur Gewährung von Pflegegeld an Personen mit subsidiärem Schutzstatus geäußerten methodischen Bedenken gegen eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 3a Abs 2 Z 1 BPGG bei Fehlen einer ausdrücklichen Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern in der relevanten unionsrechtlichen Bestimmung […] stehen einer solchen Auslegung angesichts des Gebots, der Wirksamkeit des Unionsrechts zum Durchbruch zu verhelfen, nicht entgegen.“

Erläuterung

Mit der vorliegenden E wird festgestellt, dass Personen, die aufgrund des Krieges in der Ukraine nach Österreich geflüchtet sind und hier ein Aufenthaltsrecht als Vertriebene iSd § 62 AsylG bzw Art 2 lit a MassenzustromRL haben, auch ohne Grundleistung Anspruch auf Pflegegeld nach § 3a Abs 2 BPGG haben.

Der OGH beschäftigt sich in seinem Urteil mit den Anspruchsvoraussetzungen auf Pflegegeld ohne Grundleistung, also für Personen, die insb keine Pension oder Rente aufgrund eines Arbeitsunfalls bzw einer Berufskrankheit beziehen. Solche Personen können nur dann einen Anspruch auf Pflegegeld haben, wenn sie österreichischen Staatsbürger:innen gleichgestellt sind. Nach § 3a Abs 2 BPGG kommt es zu einer Gleichstellung, wenn sich eine solche aus Staatsverträgen oder durch Unionsrecht ergibt (Z 1), wenn dem:der Betroffenen Asyl gewährt wurde (Z 2), wenn ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (Z 3) oder einer der taxativ aufgelisteten Aufenthaltstitel (Z 4) vorliegt. Der Aufenthaltstitel der Kl, Vertriebene iSd § 62 AsylG, ist unter den Aufenthaltstiteln nach Z 2 bis 4 nicht aufgelistet. Da 384die in Z 4 genannten Tatbestände nur die Fälle betreffen, die nicht schon nach Z 1 erfasst sind, prüft der OGH die vom Berufungsgericht verneinte analoge Anwendung der Z 4 nicht, sondern befasst sich vielmehr mit der Frage, ob sich eine Gleichstellung aus dem Unionsrecht iSd Z 1 ergibt.

Mit dem Durchführungsbeschluss 2022/382/EU ­wurde infolge des Kriegs in der Ukraine am 4.3.2022 ein Massenzustrom von Vertriebenen in die EU festgestellt und damit die Mechanismen der MassenzustromRL „aktiviert“. Diese legt Mindestnormen hinsichtlich des Inhalts des vorübergehenden Schutzes fest, der dem erfassten Personenkreis gewährleistet werden muss. Deren Zugang zu Sozialleistungen und medizinischer Versorgung wird in Art 13 MassenzustromRL geregelt, wobei Abs 2 festlegt, dass „notwendige Hilfe in Form von Sozialleistungen“ sowie „im Hinblick auf die medizinische Versorgung“ zusteht. Zu beachten ist, dass das Mindestmaß hinsichtlich der medizinischen Versorgung mit „Notversorgung und unbedingt erforderlicher Behandlung von Krankheiten“ festgelegt wird. Nach Abs 4 ist für Personen mit besonderen Bedürfnissen zusätzlich die „erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“ zu gewähren. Das OLG Linz war der Ansicht, dass das Pflegegeld nicht von Art 13 Abs 2 MassenzustromRL erfasst sei, weil es weder Notversorgung noch unbedingt erforderliche Krankenbehandlung darstelle. Es sei auch nicht von Abs 4 gedeckt, da dieser keinen Geldanspruch für die häusliche Pflege umfasse.

Ob das Pflegegeld unter die notwendige Hilfe in Form von Sozialleistungen oder im Hinblick auf die medizinische Versorgung iSd Art 13 Abs 2 MassenzustromRL fallen kann, verfolgt der OGH nicht weiter. Stattdessen verweist er darauf, dass bereits aufgrund von Art 13 Abs 4 MassenzustromRL eine Gleichstellung zu erfolgen hat. Die dort genannten Personengruppen – unbegleitete Minderjährige und Personen, die besondere Gewalt überlebt haben – stellen nur eine demonstrative Aufzählung von Menschen mit besonderem Hilfsbedarf dar. Auch Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung einen ständigen Betreuungs- und Hilfsbedarf iSd BPGG haben, sind – so der OGH – erfasst und haben daher Anspruch auf erforderliche medizinische und sonstige Hilfe. Zur Klärung der Frage, ob das Pflegegeld als erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu werten ist, greift der OGH erneut auf seine ältere Rsp zur Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten zurück (vgl oben). Die dort relevante StatusRL aF legte fest, dass subsidiär Schutzberechtigten zumindest die Kernleistungen der notwendigen Sozialhilfe (Art 29) und die Kernleistungen der medizinischen Versorgung (Art 29) gewährt werden müssen. Laut EG 34 StatusRL aF ist bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung die Möglichkeit der Einschränkung auf Kernleistungen so zu verstehen, dass zumindest ua Unterstützung bei Krankheit umfasst ist, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates eigenen Staatsangehörigen gewährt werden. Der OGH stellte diesbezüglich zuerst fest, dass die in EG 34 enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist und die mangelnde Nennung des Pflegegeldes nicht bedeutet, dass dieses keine der Kernleistungen darstellt. Der OGH entschied weiter, da Pflegegeld europarechtlich eine Leistung bei Krankheit darstellt und der Terminus „Kernleistungen“ jedenfalls auch die „Unterstützung bei Krankheit“ umfasst, dass das Pflegegeld zu den Kernleistungen zählt (RS0129314). In der vorliegenden E greift der OGH auf diese ältere Bewertung des Pflegegeldes als Kernleistung iSd StatusRL aF zurück und legt fest, dass es daher auch als „erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“ iSd Art 13 Abs 4 MassenzustromRL qualifiziert werden muss. Aufgrund des Gebots, der Wirksamkeit des Unionsrechts zum Durchbruch zu verhelfen, ist die betroffene Personengruppe daher iSd § 3a Abs 2 BPGG österreichischen Staatsbürger:innen gleichzustellen.

Da das Erstgericht keine Feststellungen zum Pflegebedarf der Kl getroffen hatte, wurde die Rechtssache zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.