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Bezug einer Urlaubsersatzleistung begründet keinen Berufsschutz

MAXIMILIANWIELANDER

Der 1969 geborene Kl begehrte mittels Antrags vom 6.7.2021 eine Invaliditätspension. Er hatte in Nordmazedonien eine Fachausbildung im Bauwesen abgeschlossen, die mit der österreichischen Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Tiefbauer gem § 27a BAG gleichgehalten wird. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag hat er 89 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit sowie – ua – einen Beitragsmonat der Pflichtversicherung (September 2017) infolge des Bezugs von Urlaubsersatzleistung gem § 9 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) erworben. Die Bekl lehnte mit Bescheid vom 21.1.2022 den Antrag des Kl ab.

Der Kl ist aufgrund seines eingeschränkten Leistungskalküls nicht mehr in der Lage, eine Tätigkeit als Tiefbauer im Rahmen jeglicher qualifizierten Ausprägung auszuüben, jedoch noch Berufstätigkeiten im Hilfskraftbereich, für die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Dienstposten in ausreichender Anzahl vorhanden sind.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil der Kl mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 255 Abs 2 ASVG keinen Berufsschutz genieße. Der Bezug einer Urlaubsersatzleistung begründe nach der Rsp und dem Wortlaut der Norm keinen Berufsschutz iS dieser Bestimmung. Invalidität läge auch gem § 255 Abs 3 ASVG nicht vor.

Der Kl erhob eine außerordentliche Revision und führte darin aus, dass die Nichtberücksichtigung der Urlaubsersatzleistung ihn gegenüber einem DN, der seinen Urlaub konsumiert, unsachlich schlechter stelle. Die vom Berufungsgericht zitierte Rsp sei zu § 255 Abs 4 ASVG ergangen und überzeuge deshalb nicht.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück und verwies auf die E 10 ObS 85/14v vom 30.9.2014, worin er bereits ausgeführt hat, dass es in der Frage des Berufsschutzes letztlich auf den tatsächlichen Einsatz bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rsp zu einer konkreten Fallgestaltung liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft. Das ist auch im gegenständlichen Verfahren der Fall, worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hat.

Der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung entsteht gem § 10 UrlG mit der Auflösung des Dienstverhältnisses und ist auch in diesem Zeitpunkt fällig. Laut OGH ändert der Umstand, dass die Pflichtversicherung für die Zeit des Bezugs von Urlaubsersatzleistung gem § 11 Abs 2 ASVG weiter besteht, nichts daran, dass nach der Beendigung eines Dienstverhältnisses keine Erwerbstätigkeit mehr iSd § 255 Abs 2 ASVG ausgeübt werden kann.

Der vom Kl behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 7 B-VG ist nach Ansicht des OGH entgegenzuhalten, dass eine Regelung (hier: § 255 Abs 2 ASVG) nicht schon dann gleichheitswidrig ist, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Dem Gesetzgeber steht verfassungsrechtlich insoweit ein Gestaltungsspielraum zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist. Gerade im Sozialversicherungsrecht ist dabei eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstellt und damit Härten in Einzelfällen nicht ausschließen kann.

Das System des Berufsschutzes bedingt einen leichteren Zugang zur Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, je besser die versicherte Person ausgebildet ist, weil das Verweisungsfeld kleiner ist. Der Kl vermag nicht aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum verletzt, wenn dieser einerseits – durchaus zu Gunsten des Versicherten – die Pflichtversicherung für den Zeitraum der Gewährung einer Urlaubsersatzleistung weiter bestehen lässt (§ 11 Abs 2 Satz 2 ASVG), andererseits für die Erhaltung des – privilegierten – Berufsschutzes iSd § 255 Abs 2 ASVG die Ausübung einer qualifizierten Erwerbstätigkeit fordert.