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Unfallversicherungsschutz bei gemischten Tätigkeiten von Selbständigen: Objektivierung des betrieblichen Zusammenhangs erforderlich

MONIKAWEISSENSTEINER

Der verstorbene Ehegatte T* der Kl war bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) versichert; von 2015 bis 2020 verfügte er über Gewerbeberechtigungen (ua Heizungstechnik sowie Gas- und Sanitärtechnik) und ab 1.4.2020 bis 3.6.2021 war er als geschäftsführender Gesellschafter der G GmbH pflichtversichert; das Unternehmen umfasste auch die Vermietung von Maschinen, ua Hebebühnen. ­Bereits seit 2013 war er jährlich als selbständiger Dienstleister mit Arbeiten bei einem Festival beauftragt. Er gehörte zum „Kernteam“ der Produktion des Festivals, es entstanden einerseits Freundschaften, aber auch zahlreiche Folgeaufträge.

Eine jahrelang gehegte Idee eines Ausflugs mit Oldtimer-Mopeds zu einem Weinbauern ins Burgenland, der auch seinen Wein auf dem Festival ausschenkte, wurde am 3.6.2021 umgesetzt. Bereits bei der Hinfahrt hatte einer der Teilnehmer Probleme mit seinem Moped, sodass alle neben der Bundesstraße stehen blieben. Kurz darauf fuhr unvermittelt ein Pkw-Lenker in die Gruppe. T* und ein weiterer Teilnehmer verstarben an der Unfallstelle.

Die Bekl anerkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall und lehnte den Anspruch der Kl auf Witwenrente ab.

Das Erstgericht gab der Klage statt, weil eine gemischte Tätigkeit vorgelegen sei, der Motorradausflug habe auch wesentlichen betrieblichen Interessen gedient. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Es fehle an einem objektiven Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Installateur und der Teilnahme am Ausflug.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl zurück, es werde keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

Der OGH verweist auf seine E 10 ObS 17/20b vom 16.4.2020 zu den Grundsätzen des Unfallversicherungsschutzes für Selbständige. Bei Selbständigen richtet sich die Frage, was zur Ausübung einer ­Erwerbstätigkeit gehört, in erster Linie nach berufsrechtlichen Bestimmungen. Daneben bleibt aber noch ein weiter Bereich von Tätigkeiten, die in der Gestaltungsfreiheit des Selbständigen liegen und zur Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung seiner selbständigen Existenz dienen, wie zB Tätigkeiten zu Werbezwecken, im Kundendienst oder zur Pflege des geschäftlichen Ansehens, ohne dass zusätzlich ein objektiver geldwerter Nutzen für den Betrieb konkret eingetreten sein muss. Maßgeblich für den Umfang des Schutzes der gesetzlichen UV ist hier allgemein, ob sich das jeweilige Verhalten als Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit darstellt, indem es im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen.

Der Unfallversicherungsschutz und auch die Frage, ob ein in die betriebliche Sphäre gehöriges besonderes Risiko zum Unfall geführt hat, können immer nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

In einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, in dem eine klare Trennung der versicherten Tätigkeit von privaten Handlungen kaum möglich ist, genügt nach der Rsp nicht die bloße betriebliche Absicht, vielmehr bedarf es der Objektivierung des betrieblichen Zusammenhangs. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rsp, weil die Teilnahme an einem zweitägigen Mopedausflug aus der Sicht eines Außenstehenden objektiv nicht als Ausübung der Erwerbstätigkeit als selbständiger Installateur gesehen werden kann. Der Schutz der gesetzlichen UV besteht, wenn die betrieblichen Inter­essen gegenüber den privaten nicht erheblich in den Hintergrund treten. Ein Abgrenzungskriterium ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre. Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Ausflug auch dann zustande gekommen wäre, wenn das Festival nicht stattgefunden hätte. Dass der konkrete Termin des Ausflugs tatsächlich genau vor dem Beginn der Aufbauphase des Festivals lag und daher geplant war, auch über die Aufgaben beim Festival zu sprechen, 380ändert daran nichts. Die erforderlichen Vorbereitungsgespräche wären ohne den privaten Konnex wohl im Zuge des Beginns der Aufbauarbeiten geführt worden.

Es lag daher kein Arbeitsunfall vor und die Kl hat keinen Anspruch auf Witwenrente.