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Vertragliche Überwälzung der Ausbildungskosten zur zahnärztlichen Assistenz ist nicht zulässig

ADMIRBAJRIC

Die 1998 geborene Kl war beim Bekl als zahnärztliche Assistentin in Ausbildung ab 5.9.2016, zunächst befristet bis 4.12.2016, danach unbefristet beschäftigt. Auf dieses Ausbildungsverhältnis war der KollV für Angestellte bei Zahnärzten idF ab 1.4.2014 anwendbar. Das kollektivvertragliche Bruttogehalt der Kl betrug zu Beginn ihres Dienstverhältnisses entsprechend ihrer Einstufung als auszubildende Assistentin € 476,-.

Der Bekl kündigte das Dienstverhältnis am 30.1.2020 auf, sodass es am 31.3.2020 endete. Zu diesem Zeit350punkt hatte die Kl ihre praktische Ausbildung bereits abgeschlossen. Ihre theoretische Ausbildung endete am 29.6.2020. Die kommissionelle Abschlussprüfung legte die Kl am 4.7.2020 erfolgreich ab.

Für den theoretischen Lehrgang, den die Kl am zahnärztlichen Fortbildungsinstitut der Landeszahnärztekammer absolvierte, zahlte sie insgesamt eine Kursgebühr von € 4.165,-. Zuvor (im Jahr 2017) hatte sie dem Bekl erklärt, sie werde die Ausbildungskosten selbst bezahlen, weil ihr dieser versprochen hatte, sie bis zur Beendigung der Ausbildung zu beschäftigen.

Die Kl begehrt vom Bekl den Ersatz der von ihr gezahlten Ausbildungskosten.

Der Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Laut OGH-E 9 ObA 66/21b vom 2.9.2021 sei die Ausbildung in der zahnärztlichen Assistenz geeignet, eine Lehrausbildung zu begründen. Eine Überwälzung der Finanzierung der Kosten einer Standardausbildung zum Lehrberuf der zahnärztlichen Assistenz auf die Kl sei nicht zulässig gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Bekl nicht Folge. Es teilte im Ergebnis die Rechtsauffassung des Erstgerichts und ergänzte, dass aus der zwingenden Wirkung der Regelungen des BAG über die Ausbildungspflicht und die Pflicht zur Zahlung einer Lehrlingsentschädigung folge, dass das Verbot der Überwälzung der Ausbildungskosten auf die Auszubildende auch nicht durch vertragliche Vereinbarung umgangen werden dürfe.

Laut OGH war die Revision zulässig, aber nicht berechtigt.

Der OGH stellte voran, dass der Bekl in seiner Revision nicht die Richtigkeit der OGHE 9 ObA 66/21b in Frage stellt, sondern meint, dass der dort zu beurteilende Sachverhalt, in dem die Frage zu klären gewesen sei, ob eine nach dem Zeitpunkt des Übergangs des befristeten Dienstverhältnisses in ein unbefristetes, gemeinsam mit der Obsorgeberechtigten unterzeichnete Rückzahlungsvereinbarung einer Minderjährigen, einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte, mit dem hier gegenständlichen Fall nicht vergleichbar sei.

Nach Ansicht des Senats sind die Grundsätze der OGH-E 9 ObA 66/21b sehr wohl auf den hier zu beurteilenden Fall anwendbar.

Die Ausbildung in der zahnärztlichen Assistenz (ZASS) wird sowohl im 2. Abschnitt des 3. Hauptstücks des Zahnärztegesetz als auch im 2. Hauptstück der ZASS-Ausbildungsverordnung geregelt. Danach erfolgt die Ausbildung in der zahnärztlichen Assistenz im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Angehörigen des zahnärztlichen Berufes. Die Ausbildung dauert drei Jahre und umfasst eine theoretische und praktische Ausbildung in der Dauer von mindestens 3.600 Stunden, wobei mindestens 600 Stunden auf den theoretischen Unterricht und mindestens 3.000 Stunden auf die praktische Ausbildung entfallen. Die theoretische Ausbildung ist in einem Lehrgang für zahnärztliche Assistenz zu absolvieren, die praktische Ausbildung ist in zahnärztlicher Assistenz nach Anordnung und unter Anleitung und Aufsicht eines Angehörigen des zahnärztlichen Berufes durchzuführen. § 8 Abs 3 des KollV für Zahnarztangestellte enthält Mindestgehälter für zahnärztliche AssistentInnen in Ausbildung für das erste, zweite und dritte Ausbildungsjahr, die jeweils einen Bruchteil des Mindestgehalts für das erste Berufsjahr betragen.

In seiner E 9 ObA 66/21b kam der OGH zu der Erkenntnis, dass eine Rückforderung von Lehrgangskosten zur Ausbildung zur zahnärztlichen Assistenz aufgrund des Charakters eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz, im Rahmen dessen eine gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolviert werde und eine Entlohnung zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt vorliege, nicht in Betracht komme.

In der E9 ObA 66/21b leitete der OGH aus der in § 9 Abs 1 BAG normierten Ausbildungspflicht des Lehrberechtigten und vor dem Hintergrund des besonderen Ausbildungscharakters eines Lehrverhältnisses die Unzulässigkeit einer Ausbildungskostenrückersatzklausel im Lehrverhältnis nach dem BAG ab. In einer Gesamtschau stelle sich nach Ansicht des OGH die Situation in einer in § 81 Zahnärztegesetz (ZÄG) geregelten und in der Lehrberufsliste enthaltenen Ausbildung in der zahnärztlichen Assistenz aber nicht entscheidend anders dar als bei einem Lehrling mit einem Lehrvertrag. Auch eine Überwälzung der Kosten einer erfolgreich abgeschlossenen Standard-Ausbildung zum Lehrberuf der zahnärztlichen Assistenz komme daher nicht in Betracht.

Laut OGH hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass auch eine Überwälzung der Kosten der theoretischen Ausbildung durch eine vertragliche Vereinbarung nicht in Betracht kommt, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese Vereinbarung zu Beginn oder während des Ausbildungsverhältnisses abgeschlossen wurde.

Der Revision des Bekl war daher nicht Folge zu geben.