171

Keine diskriminierende Kündigung wegen Krankenständen

GREGORKALTSCHMID

Die Kl war bei der Bekl als Zustellerin beschäftigt. 2020 musste die Kl aufgrund von Problemen in der Schulter operiert werden. Die Diagnose ließ keine längere Einschränkung erwarten. Sie musste sich aber immer wieder in Krankenstand begeben. Aufgrund dieser Krankenstände wurde sie in der Folge gekündigt.

Die Kl bekämpfte diese Kündigung, weil sie darin eine Behindertendiskriminierung erkannte.

Die Vorinstanzen wiesen die Kl übereinstimmend ab, da weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Behindertendiskriminierung vorliege.

Der OGH erachtete die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Er begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

[…]

2. Nach § 3 BEinstG ist eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Die Bestimmung des § 3 BEinstG steht mit der Umsetzung der GleichbehandlungsrahmenRL 2000/78/EG in Zusammenhang.

Zur Frage nach der Abgrenzung von Krankheit und Behinderung stellte der EuGH zunächst fest, dass Krankheit von Behinderung zu unterscheiden ist und Krankheit per se nicht als Diskriminierungsgrund nach der RL 2000/78/EG zu qualifizieren ist. In der Folge hielt er differenzierend fest, dass der Begriff „Behinderung“ iSd RL 2000/78/EG dahin auszulegen ist, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insb auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen AN, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist. […]

4. Unter Bezugnahme auf die Rsp des EuGH zur Frage nach der Abgrenzung von Krankheit und Behinderung hat auch der OGH bereits ausgesprochen, dass Krankheit und Behinderung nicht ohne weiteres miteinander gleichgesetzt werden können. Krankheit kann als solche nicht als ein weiterer Grund neben den Gründen angesehen werden, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der RL 2000/78/EG verboten ist. Läuft eine undifferenzierte Berechnung krankheitsbedingter Fehlzeiten eines AN aber darauf hinaus, dass Fehlzeiten wegen mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheit Zeiten allgemeiner „schlichter“ Krankheiten gleichgesetzt werden, so kann dies aber eine mittelbare Diskriminierung eines AN bewirken. Ein behinderter AN hat nämlich aufgrund seiner Behinderung typischerweise ein zusätzliches Risiko von mit seiner Krankheit zusammenhängenden Krankenständen und ist auf diese Weise einem höheren Risiko im Zusammenhang mit der Beendigung seines Dienstverhältnisses ausgesetzt als ein nicht behinderter.

5. Von diesen Grundsätzen ausgehend, haben die Vorinstanzen übereinstimmend eine unmittelbare Diskriminierung der Kl verneint. Nach den Feststellungen wurde die Kl nicht wegen einer Behinderung (Funktionsbeeinträchtigung), sondern wegen ihrer erheblichen massiven Krankenstände gekündigt. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt die außerordentliche Revision der Kl nicht auf. […]

7. Ausgehend vom Kündigungszeitpunkt (dem von der Kl behaupteten Diskriminierungszeitpunkt) war ex ante gesehen nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Schulterproblematik der Kl unter Bedachtnahme auf die notwendige Operation und den erforderlichen Nachbehandlungen um eine Behinderung iSd § 3 BEinstG handelt. Der sich im Wesentlichen aus dem postoperativen Heilungsverlauf der Kl ergebende Krankenstand ist mit den innerstaatlich und unionsrechtlich geforderten langfristigen Auswirkungen auf die Teilhabe am Berufsleben, wie sie bei einer Behinderung vorliegt, nicht gleichzusetzen. Auch konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Kl aufgrund ihrer Schulterverletzung typischerweise ein zusätzliches Risiko von Krankenständen gehabt hätte.

Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen.