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Keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung bei vertretbarer Auslegung von Verfallsklauseln im Arbeitsvertrag

DAVIDKOXEDER

Die bei der Bekl beschäftigte Kl hatte im Arbeitsvertrag eine Verfallsklausel, wonach „Ansprüche aus dem diesem Vertrag verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten gegenüber der Arbeitgeberin schriftlich erhoben werden“, vereinbart.

Die Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, wonach der Beginn des dreimonatigen Fristenlaufs wie bei der Verjährungsfrist – mangels abweichender Parteienvereinbarung – mit der Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs beginnt.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl zurück.

In seiner Begründung hielt er fest, dass die nach den §§ 914, 915 ABGB im Einzelfall vorzunehmende Auslegung einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Verfallsklausel nach der Rsp nur dann erhebliche Bedeutung zukommt, wenn aufgrund einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde, das vom OGH iSd Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Darin, dass eine andere Auslegung vertretbar wäre, liegt dagegen keine zu korrigierende Fehlbeurteilung.

Weiters führte der OGH in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung nach § 914 ABGB zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen und darüber hinaus der Wille der Parteien – das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden – zu erforschen ist. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche zu erforschen sind. Für die Beurteilung der „Absicht“ der Parteien iSd § 914 ABGB kommt es maßgebend auf den Zweck der Regelung an, den beide Teile redlicherweise unterstellen mussten.

Der Zweck von Verfallsklauseln liegt darin, dem Beweisnotstand bei späterer Geltendmachung zu begegnen. Sie zwingen den AN, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis möglichst bald und damit zu einer Zeit geltend zu machen, in der nicht nur ihm selbst, sondern auch dem AG die zur Klarstellung des rechtserheblichen Sachverhalts notwendigen Beweismittel in aller Regel noch zur Verfügung stehen.

Dass in anderen Einzelverträgen und Kollektivverträgen der Beginn der Verfallsfrist mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses festgesetzt wird, stellt kein Kriterium für die nach § 914 ABGB vorzunehmende Auslegung der hier zu beurteilenden Verfallsklausel dar.

Richtig ist, dass diese Auslegung der Verfallsklausel zur Folge hat, dass der AN (fällige) Schadenersatzforderungen gegen den AG allenfalls während des aufrechten Arbeitsverhältnisses geltend machen muss. Dieses Ergebnis mag für den AN zwar im Einzelfall unbefriedigend sein, macht die übereinstimmende Auslegung der Vorinstanzen aber noch nicht unvertretbar.

Ergänzend führte der OGH aus, dass die Zweifelsregel des § 915 ABGB nur dann greift, wenn sich zweifelhafte und unklare Äußerungen weder aus der Parteiabsicht noch aus der Verkehrsübung erklären lassen, wobei dies gegenständlich nicht der Fall ist. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war die außerordentliche Revision der Kl somit zurückzuweisen.