55Bonifikation („Pensionszuschlag“) für eine ehemalige Beamtin bei Inanspruchnahme einer ASVG-Alterspension erst nach Erreichen des Regelpensionsalters?
Bonifikation („Pensionszuschlag“) für eine ehemalige Beamtin bei Inanspruchnahme einer ASVG-Alterspension erst nach Erreichen des Regelpensionsalters?
Mit der Bonifikation gem § 5 Abs 4 APG wird nur ein freiwilliger Aufschub des Pensionsantritts honoriert. Die Pensionserhöhung kann daher nur dann beansprucht werden, wenn der Pensionsantritt trotz bereits bestehenden Anspruchs auf Alterspension verschoben wird.
Die Leistung der Überweisungsbeträge gem § 311 ASVG führt zwar zur Anerkennung der im pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis erworbenen Anwartschaften, sie kann aber die Unterschiede zwischen verschiedenen Versicherungssystemen – hier das unterschiedliche Regelpensionsalter – nicht ex post beseitigen.
Aus den §§ 312 und 313 ASVG ergibt sich nicht die Rechtsfolge, dass die Leistung des Überweisungsbetrags der Festsetzung eines Stichtags prinzipiell voranzugehen habe: Der Stichtag wird vielmehr maßgeblich durch den Antrag bestimmt (§ 223 Abs 2 ASVG). Die Rechtsfolge einer verspäteten Zahlung des Überweisungsbetrags besteht gem § 312 Abs 1 letzter Satz ASVG (nur) darin, dass er mit dem Aufwertungsfaktor nach § 108c ASVG, der für das Jahr des Ausscheidens aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gilt, aufzuwerten ist.
[1] Die [...] Kl war von 1.12.1978 bis 11.8.1981 bei der VOEST-ALPINE AG und von 14.3.1994 bis 30.11.2001 als Vertragslehrerin beim Land OÖ beschäftigt. Mit 1.12.2001 wurde sie in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zum Land OÖ aufgenommen, wofür die Bekl [die PVA] einen Überweisungsbetrag gem § 308 ASVG in Höhe von 11.422,85 € leistete. Mit Wirksamkeit zum 31.8.2021 erklärte die Kl den Austritt aus diesem Dienstverhältnis. Sie hatte schon zuvor, am 26.5.2021, bei der Bekl einen Antrag auf Alterspension ab 1.9.2021 gestellt. Das Land OÖ leistete daraufhin einen Überweisungsbetrag gem § 311 ASVG an die Bekl und zahlte den seinerzeit von der Bekl erhaltenen Überweisungsbetrag zurück. [...]
[2] Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2021 gewährte die Bekl der Kl ab 1.9.2021 eine Alterspension von 2.243,72 € monatlich.
[3] Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Kl die Zuerkennung einer Alterspension von zumindest 2.440,05 € brutto monatlich ab 1.9.2021. Die Bekl habe nicht berücksichtigt, dass die Kl ihre Pension erst 25 Monate nach Erreichen des Regelpensionsalters von 60 Jahren beansprucht habe, sodass ihr nach § 5 Abs 4 APG eine Erhöhung der Pensionsleistung im Ausmaß von 8,75 % gebühre.
[4] Die Bekl wendete ein, dass die Kl die Mindestversicherungszeit erst durch Entrichtung des Überweisungsbetrags erfüllt habe, sodass sie keine Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG beanspruchen könne.
[5] Das Erstgericht verpflichtete die Bekl zur Leistung einer Alterspension von 2.251,57 € monatlich ab 1.9.2021 und wies das Mehrbegehren ab. Aufgrund der in § 313 Abs 2 ASVG normierten Wartefrist habe die Kl ihre Mindestversicherungszeit erst nach Erreichen des 62. Lebensjahres erfüllt und einen Monat später die Alterspension beansprucht, sodass sich die Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG auf 0,35 % beschränke.
[6] Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Bekl nicht Folge. Über Berufung der Kl änderte es das Urteil dahin ab, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wurde. Nach § 313 Abs 2 ASVG führe der Wechsel in das Sozialversicherungssystem zu einer Wartezeit von fünf Jahren bzw bis zum 62. Lebensjahr, habe aber keine Auswirkungen auf die Berechnung der Pensionshöhe. Auch der Zeitpunkt der Zahlung des Überweisungsbetrags sei für den Pensionsanspruch ohne Bedeutung. Aufgrund des Regelpensionsalters von 60 Jahren habe die Kl nach § 5 Abs 4 APG Anspruch auf eine Bonifikation für 25 Monate, was einer Erhöhung von 8,75 % entspreche. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einschlägiger höchstgerichtlicher Rsp zulässig sei.
[...]
[9] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist auch teilweise iSd Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.
[10] 1. Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, inwieweit einer ehemaligen Beamtin, die nach dem Ausscheiden aus ihrem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis die Alterspension ungeachtet des dann für sie geltenden Regelpensionsalters von 60 Jahren (§ 16 Abs 6 APG) nach § 313 Abs 2 ASVG erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres beanspruchen kann, eine Bonifikation nach § 5 Abs 4 APG gebührt.
[11] 2.1 Ist ein DN aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien oder nach früherem Recht rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne dass aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe-(Versorgungs-)genuss erwachsen ist und ohne dass ein außerordentlicher Ruhe-(Versorgungs-)genuss in der Höhe des normalmäßigen Ruhe-(Versorgungs-)genusses unwiderruflich gewährt wird, so hat der DG, soweit in § 311 Abs 3 und 4 ASVG nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten. [...]
[12] 2.2 Die Wirkung der Zahlung des Überweisungsbetrags regelt § 313 ASVG. Nach § 313 Abs 1 ASVG idF des SRÄG 2010, BGBl I 2010/62, gelten volle Monate, die berücksichtigt sind, in den an einen Versicherungsträger nach § 311 ASVG (§ 175 479 GSVG; § 167 BSVG) geleisteten oder zurückgezahlten Überweisungsbeträgen (Z 1) sowie in den aus Anlass der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis vom DN oder der DN geleisteten besonderen Pensionsbeiträgen (Z 2) als Versicherungsmonate iSd ASVG, wenn sie im Überweisungsbetrag als solche berücksichtigt wurden. [13] 2.3 [...]
[14] 2.4 Mit dem SRÄG 2010 reagierte der Gesetzgeber auf den möglichen Wechsel einer größeren Anzahl von Beamtinnen und Beamten in das ASVG-System. Versicherungsmonate nach § 313 Abs 1 ASVG werden gem § 313 Abs 2 Satz 1 ASVG erst ab dem 61. Kalendermonat nach dem Austritt aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis leistungswirksam, spätestens aber ab dem Monatsersten nach der Erreichung des Anfallsalters nach § 4 Abs 2 APG. Fällt der Zeitpunkt der Erreichung des Anfallsalters nach § 4 Abs 2 APG selbst auf einen Monatsersten, so gilt gem § 313 Abs 2 letzter Satz ASVG dieser Tag als Monatserster iSd § 313 Abs 2 Satz 1 ASVG. Folge dieser Novellierung war, dass nach dem Ausscheiden aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis jene Versicherungsmonate, für die ein Überweisungsbetrag geleistet wurde, nicht mehr sofort als Beitragsmonate wirksam wurden, sondern erst nach fünf Jahren oder spätestens ab Erreichen des Korridorpensionsalters von 62 Jahren. Damit wurde das Ziel verfolgt, die große finanzielle Belastung für das Versicherungssystem nach dem ASVG, die sich daraus ergeben konnte, dass Personen kurz vor Erreichen des 55. bzw 60. Lebensjahres von einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis in das ASVG-System wechselten, abzuwenden (VfGHG 21/2013; ErläutRV 785 BlgNR 24. GP 7).
[15] 3.1 Hat eine versicherte Person bereits das Regelpensionsalter erreicht und arbeitet weiter, anstatt die Pension zu beanspruchen, so sieht § 4 Abs 5 [richtig: § 5 Abs 4] APG (ebenso wie § 261c ASVG) eine Erhöhung der Pension („Bonifikation“) wegen des Aufschubs der Geltendmachung des Anspruchs vor (Rainer/Pöltner in Der SV-Komm [307. Lfg] § 5 APG Rz 86 ff).
[16] 3.2 Das Regelpensionsalter von weiblichen Versicherten, die – wie das auf die Kl zutrifft – das 60. Lebensjahr vor dem 1.1.2024 vollenden, wird nach § 16 Abs 6 APG mit der Vollendung des 60. Lebensjahres erreicht (§ 253 Abs 1 ASVG). Tritt die versicherte Person die Pension nicht zum Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters an, so erhöhen sich die Pensionsleistungen nach § 5 Abs 4 APG „frühestens ab dem Vorliegen der Mindestversicherungszeit“ um 0,35 % für jeden Monat des späteren Pensionsantritts, höchstens jedoch um 12,6 % der Leistung. Der VfGH verneinte eine Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs 2 bis 4 APG und führte dazu aus, dass sich der Gesetzgeber für ein System von Ab- und Zuschlägen in Abhängigkeit vom tatsächlichen Pensionsantrittsalter im Vergleich zum – noch unterschiedlichen – Regelpensionsalter entschieden hat, wodurch es – derzeit – zu einer unterschiedlichen Behandlung von Frauen und Männern kommt. Diese Unterschiede sind jedoch auf Regelungen zurückzuführen, die sich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf das BVG Altersgrenzen (BGBl 1992/832) stützen können bzw auf dieses verweisen (G 107/2019).
[17] 3.3 Dass die Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG den Ablauf der Mindestversicherungszeit erfordert, wurde mit dem SVAG 2015, BGBl I 2015/2, in das Gesetz aufgenommen, um einen Gleichklang mit der Parallelvorschrift in § 261c ASVG herbeizuführen, wonach der „Aufschub- Bonus“ für die spätere Inanspruchnahme der Alterspension seit jeher frühestens „ab dem Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit“ nach § 236 ASVG gebührt (ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 13). Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass nur ein freiwilliger Aufschub honoriert wird und die Pensionserhöhung nur dann beansprucht werden kann, wenn bereits ein Anspruch auf Alterspension besteht, der Pensionsantritt aber dennoch verschoben wird (Pöltner/Pacic, ASVG § 5 APG Anm 7; Panhölzl in Der SV-Komm [292. Lfg] § 261c ASVG Rz 11).
[18] 3.4 Dementsprechend hat der OGH bereits zu 10 ObS 29/09a SSV-NF 23/27 – zum Fall einer Änderung des Geschlechts – darauf hingewiesen, dass diese Bonifikation einen Anreiz schaffen soll, dass eine an sich pensionsberechtigte Person trotz Erreichens des Regelpensionsalters noch keine Pensionsleistungen in Anspruch nimmt. In diesen Genuss hätte die damalige Kl allerdings bis zur Anerkennung ihrer neuen geschlechtlichen Identität gar nicht kommen können, da sie bis dahin noch als Mann zu gelten hatte. Als Mann sei sie – mangels Erreichens des 65. Lebensjahres – im Zeitraum zwischen dem Erreichen des 60. Lebensjahres und des späteren Zeitpunkts der Wirksamkeit der Eintragung der Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister aber nicht berechtigt gewesen, eine Regelpension zu beanspruchen, sodass ein nach § 261c ASVG zu honorierender Aufschub der Geltendmachung einer Alterspension gar nicht denkbar war. Ein Tatbestand, der eine solche Bonifikation rechtfertigen könnte, liege daher erst ab demjenigen Zeitpunkt vor, zu dem die Kl auch rechtlich als Frau anzusehen ist.
[19] 3.5 Der VfGH hat erst jüngst in der E G 192/2022 vom 28.2.2023 eine Verfassungswidrigkeit des § 313 Abs 2 ASVG verneint. Er verneinte eine behauptete Unsachlichkeit dieser Bestimmung und führte dazu ua aus:
„Dem Gesetzgeber ist nicht entgegenzutreten, wenn er mit dem Ziel der Vermeidung der Leistungsoptimierung eine Wartefrist vorsieht. Wie aus den Gesetzesmaterialien (RV 785 BlgNR 24. GP 7 f) hervorgeht, soll durch die in § 313 Abs 2 ASVG festgelegte Wartezeit verhindert werden, dass Personen allein zum Zweck der Leistungsoptimierung zwischen den Versorgungssystemen wechseln. Bei Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis wird die versicherte Person einer Versichertengemeinschaft zugeordnet, deren Angehörige Versicherungszeiten unter rechtlich anderen Bedingungen erworben haben als Personen, die in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden sind. Die Leistung eines Überweisungsbetrages durch den DG kann 480 diese Unterschiede zwischen den DN nicht ex post beseitigen. Die Wartezeit bewirkt, dass Personen, die bisher der Versichertengemeinschaft nicht angehört haben, erst dann Versicherungsleistungen beziehen können, wenn sie der Risikogruppe eine gewisse Zeit angehört haben.“
[20] 4.1 Daraus folgt, dass die Kl aufgrund der Anrechnungsbestimmung in § 313 Abs 2 ASVG erst nach Vollendung ihres 62. Lebensjahres – hier ab 1.8.2021 – eine Alterspension beanspruchen konnte. Ein Pensionsantritt vor diesem Zeitpunkt war ihr nicht möglich, weil sie nicht dem ASVG unterlag. Die Leistung der Überweisungsbeträge führt zwar zur Anerkennung der Anwartschaften, die die Kl im pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis erworben hat, durch die Bekl. Die Leistung der Überweisungsbeträge kann aber – wie der VfGH ausgeführt hat – die Unterschiede zwischen verschiedenen Versicherungssystemen – hier das für die Kl unterschiedliche Regelpensionsalter – nicht ex post beseitigen. § 5 Abs 4 APG kann daher, worauf das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, im konkreten Fall frühestens ab einem Pensionsantritt ab 1.9.2021 – einen Monat nach Vollendung des 62. Lebensjahres der Kl – zur Anwendung gelangen.
[21] 4.2 Dem Argument der Bekl, dass vor Eintritt der Leistungswirksamkeit des Überweisungsbetrags keine rückwirkende Bonifikation gem § 4 Abs 2 APG zukommen könne, kommt keine Berechtigung zu:
[22] 4.2.1 Die Bekl erkennt selbst, dass die Wartefrist des § 313 Abs 2 ASVG bei Erreichen des Anfallsalters nach § 4 Abs 2 APG (Vollendung des 62. Lebensjahres) verkürzt wird (arg: „spätestens“). Dem Gesetz ist nur zu entnehmen, zu welchen Zeitpunkten die Fälligkeit der Überweisungsbeträge eintritt (§ 312 ASVG). Aus den §§ 312 und 313 ASVG ergibt sich jedoch nicht die von der Bekl behauptete Rechtsfolge, dass die Leistung des Überweisungsbetrags der Festsetzung eines Stichtags prinzipiell voranzugehen habe: Der Stichtag wird vielmehr maßgeblich durch den Antrag bestimmt (§ 223 Abs 2 ASVG). Wird ein Antrag gestellt, so ist, worauf die Bekl zutreffend hinweist, der Überweisungsbetrag gem § 312 Abs 1 ASVG unverzüglich zu leisten. Der Fälligkeitszeitpunkt für die Leistung des Überweisungsbetrags in den Fällen des § 313 Abs 2 ASVG ergibt sich aus § 312 Abs 2 ASVG. Bei verspäteter Zahlung ist der Überweisungsbetrag gem § 312 Abs 1 letzter Satz ASVG mit dem Aufwertungsfaktor nach § 108c ASVG, der für das Jahr des Ausscheidens aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gilt, aufzuwerten.
[23] 4.2.2 Als weitere Voraussetzung normiert § 5 Abs 4 APG schließlich noch das Vorliegen der Mindestversicherungszeit, die in § 4 Abs 1 APG geregelt ist. Anspruch auf Alterspension hat gem § 4 Abs 1 APG die versicherte Person nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelpensionsalter), wenn bis zum Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) mindestens 180 Versicherungsmonate nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz vorliegen, von denen mindestens 84 aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden (Mindestversicherungszeit). Die Mindestversicherungszeit hat die Kl infolge der dargestellten Wirkung der Leistung der Überweisungsbeträge – unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Leistung – im vorliegenden Fall schon vor Vollendung des 62. Lebensjahres erworben.
[24] 4.3 Der Kl gebührt daher, worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, zwar die Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG, weil sie die Alterspension mit Vollendung des 62. Lebensjahres hätte beanspruchen können, dies aber nur für einen Monat, weil der Pensionsantritt mit 1.9.2021 erfolgte.
[25] 5.1 Dass die Kl damit eine geringere Pension bezieht als eine AN mit gleichen Versicherungszeiten, die immer in der gesetzlichen PV versichert war und erst mit Vollendung ihres 62. Lebensjahres die Alterspension beansprucht, ist letztlich eine Folge des höheren Pensionsantrittsalters von Beamten, das nach § 313 Abs 2 ASVG auch bei einem Wechsel in die gesetzliche SV fortwirkt. Wie bereits ausgeführt, kommt der Leistung eines Überweisungsbetrags durch den DG keine ex post-Wirkung zu.
[26] 5.2 Den verfassungsrechtlichen Bedenken der Kl ist entgegenzuhalten, dass der VfGH einen Vergleich zwischen Beamtendienstrecht und Sozialversicherungsrecht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes seit jeher ablehnt, weil es sich um verschiedene Regelungssysteme handelt (VfGHB 377/91 VfSlg 13.829; G 300/02 VfSlg 16.923; B 1081/2013 VfSlg 19.884; zuletzt G 192/2022).
[...]
Der Rechtsstreit, der der vorliegenden E zugrunde liegt, beruht auf dem Zusammentreffen zweier Eigenheiten der gesetzlichen Regelungen über die Altersversorgung in Österreich.
Zum einen existieren – trotz aller Bemühungen um eine sogenannte „Pensionsharmonisierung“ – grob gesprochen zwei (insgesamt die allermeisten Erwerbstätigen und ihre Angehörigen umfassende) Systeme nebeneinander, deren mangelnde Vergleichbarkeit am Maßstab des Gleichheitssatzes vom VfGH regelmäßig betont wird (vgl etwa VfGHB 377/91 VfSlg 13.829 und zuletzt VfGH 28.2.2023, G 192/2022): auf der einen Seite die gesetzliche PV, beruhend auf dem Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG, und auf der anderen Seite die – nach der stRsp des VfGH Entgelt darstellenden (vgl etwa VfGH G 184/87 ua VfSlg 11.665) – Ruhe- und Versorgungsgenüsse auf Grund von (nach den entsprechenden Ausnahmebestimmungen im ASVG „pensionsversicherungsfreien“) öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen zu Bund, Ländern und Gemeinden, kompetenzrechtlich auf Art 10 Abs 1 Z 16 bzw Art 21 B-VG gestützt.
Zum anderen gilt in der gesetzlichen PV – und nur dort – für Frauen ein niedrigeres Pensionsantritts 481 alter als für Männer. Dies ist durch das Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten (BGBl 1992/382 – „BVG Altersgrenzen“) verfassungsrechtlich abgesichert. In § 3 des genannten BVG ist auch schon festgelegt, dass die Altersgrenze für weibliche Versicherte (gem § 253 Abs 1 ASVG und Parallelbestimmungen: Vollendung des 60. Lebensjahres) beginnend mit 1.1.2024 jährlich bis 2033 mit 1.1. um sechs Monate zu erhöhen ist; diese Bestimmung wird in § 16 Abs 6 APG widergespiegelt, der für weibliche Versicherte, die das 60. Lebensjahr vor dem 1.1.2024 vollenden, die Weitergeltung des § 253 Abs 1 ASVG samt Parallelbestimmungen (anstelle des § 4 Abs 1 APG) normiert. Schon im Hinblick auf die dargestellte verfassungsrechtliche Grundlage, aber auch auf Grund der Rsp des VfGH zur mangelnden Vergleichbarkeit der Systeme, können gegen die Ungleichbehandlung von Frauen, die der gesetzlichen PV unterliegen, gegenüber Frauen, die einen Anspruch auf Ruhegenuss aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis haben, keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht werden.
Dasselbe gilt für die Ungleichbehandlung zwischen männlichen und weiblichen Versicherten innerhalb der gesetzlichen PV: Unabhängig davon, welche Argumente für die Sachlichkeit der Differenzierung allenfalls ins Treffen geführt werden können (zu denken ist insb an die in einer Durchschnittsbetrachtung stärkere Belastung von Frauen durch Familienarbeit; vgl aber VfGHB 686/90 VfSlg 12.528, wo diese Rechtfertigung für ein unterschiedliches Pensionsanfallsalter nicht als ausreichend angesehen wurde), ist sie jedenfalls durch das BVG Altersgrenzen gedeckt. Das gilt grundsätzlich ebenso für weitere, Männer und Frauen unterschiedlich treffende pensionsrechtliche Folgen, die sich daraus ergeben, namentlich auch iZm der „Bonifikation“ nach § 4 Abs 5 APG (vgl VfGH 4.12.2019, G 107/2019).
Bei aller zumindest formalen Unterschiedlichkeit zwischen der gesetzlichen PV einerseits und den dienstrechtlichen Ruhe- und Versorgungsgenüssen andererseits war es dennoch seit jeher ein Anliegen der Gesetzgebung, die Durchlässigkeit zwischen den Systemen zu wahren. Niemand sollte auf Grund eines Wechsels aus einem privatrechtlichen in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis oder umgekehrt einen Nachteil erleiden, indem bisher erworbene pensionsrechtliche Anwartschaften verlorengehen. § 311 ASVG sieht daher vor, dass dann, wenn ein DN aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausscheidet, ohne dass aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe- (Versorgungs-)genuss erwachsen ist, der DG dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten hat (den umgekehrten Fall des Wechsels aus der gesetzlichen SV in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis regelt § 308 ASVG). Die Zahlung des Überweisungsbetrags bewirkt gem § 313 ASVG, dass die in diesem berücksichtigten Monate als Versicherungsmonate nach dem ASVG gelten.
Die trotz einer mittlerweile erfolgten weitgehenden materiellen Annäherung der Systeme nach wie vor bestehenden Unterschiede mögen nun allerdings dazu verleiten, durch einen im richtigen Zeitpunkt stattfindenden Wechsel die individuellen Pensionsansprüche zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu optimieren. Dem wurde von der Gesetzgebung durch § 313 Abs 2 ASVG eine Schranke gesetzt. Darin wird (mit Ausnahmen für Leistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder des Todes) bestimmt, dass die durch den Überweisungsbetrag nach § 311 ASVG erworbenen Versicherungsmonate erst ab dem 61. Kalendermonat nach dem Austritt aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis leistungswirksam werden, spätestens aber ab dem Monatsersten nach der Erreichung des Anfallsalters für die Korridorpension nach § 4 Abs 2 APG (Vollendung des 62. Lebensjahres). Es gilt also grundsätzlich eine Wartefrist von fünf Jahren, die jedoch jedenfalls mit Erreichen des 62. Lebensjahres endet. Das bedeutet, dass die Wartefrist bei einem Wechsel in die gesetzliche PV mit diesem Zeitpunkt oder danach ganz entfällt. Die Belastung der ASVG-Versichertengemeinschaft durch den Wechsel von Beamtinnen und Beamten in das ASVG-System, die dadurch die Möglichkeit eines früheren Pensionsantritts erwirken (vgl die ErläutRV 785 BlgNR 24. GP 7), wird durch die Regelung somit nur abgemildert.
Im vom OGH entschiedenen Fall schöpfte die Kl ihre Möglichkeiten nahezu vollständig aus, indem sie (soweit es der hinsichtlich des Geburtsdatums anonymisierten E zu entnehmen ist) den Austritt aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Ende des auf den Monat der Vollendung des 62. Lebensjahres folgenden Monats erklärte und einen Antrag auf Alterspension zum Ersten des nächstfolgenden Monats stellte. Zum Zeitpunkt des Wechsels stand dem Pensionsantritt keine Wartefrist mehr entgegen. Hätte die Kl ihren Austritt schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres erklärt, so hätte sie – trotz Erreichens des Regelpensionsalters nach dem ASVG – mangels Erfüllung der Wartefrist zu diesem Zeitpunkt noch keine Alterspension beanspruchen können.
Der VfGH hat bereits – in dem auch vom OGH zitierten Beschluss G 192/2022 vom 28.2.2022 – die Behandlung eines Antrags auf Aufhebung des § 313 Abs 2 ASVG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Eigentumsrecht abgelehnt und dazu insb ausgeführt, dass die versicherte Person bei Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis einer Versichertengemeinschaft zugeordnet werde, deren Angehörige Versicherungszeiten unter rechtlich anderen Bedingungen erworben hätten als Personen, die in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden seien. Die Leistung des Überweisungsbetrags durch den DG könne diese Unterschiede zwischen den DN nicht ex post beseitigen. 482
Der Zweck des § 313 Abs 2 ASVG, diesen Unterschieden durch eine Wartefrist Rechnung zu tragen, würde aber wesentlich konterkariert, wenn ein Pensionsantritt nach Erreichen des Regelpensionsalters, der wegen der Wartefrist nicht schon früher erfolgen hätte können, so honoriert wird wie ein freiwilliger Aufschub des Pensionsantritts – also so, als gäbe es die Wartefrist nicht. Darauf wird in Bezug auf die Mindestversicherungszeit nach § 4 Abs 1 APG bzw Wartezeit nach § 236 ASVG (jeweils 180 Monate für die Alterspension) in § 5 Abs 4 APG und § 261c ASVG (der dem § 5 Abs 4 APG im Wesentlichen entspricht) ausdrücklich Bedacht genommen: Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Mindestversicherungszeit bzw Wartezeit abgelaufen ist, gebührt die Bonifikation. Für die sich aus § 313 Abs 2 ASVG ergebende Wartezeit kann schon aus gleichheitsrechtlichen Gründen nichts anderes gelten; der Begriff „Mindestversicherungszeit“ in § 5 Abs 4 APG, aber auch der mit dem Verweis auf § 236 ASVG verknüpfte Begriff „Wartezeit“ in § 261c ASVG sind daher so zu lesen, dass sie auch die Frist nach § 313 Abs 2 ASVG erfassen.
Auch wenn die Kl schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden wäre, hätte sie daher für die Nichtinanspruchnahme der Alterspension bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres mangels Erfüllung der Wartefrist nach § 313 Abs 2 ASVG keine Bonifikation nach § 5 Abs 4 APG geltend machen können.
Der OGH operiert noch mit einem zweiten Argument, indem eine Rückwirkung des Systemwechsels iSd Fiktion, dass die Versicherten in den durch den Überweisungsbetrag leistungswirksam gewordenen Monaten tatsächlich schon der gesetzlichen SV unterlegen seien, ausgeschlossen wird.
Dazu kommt der Gerichtshof auf eine eigene Vorentscheidung zurück (OGH 21.4.2009, 10 ObS 29/09a), der zugrunde lag, dass eine am 20.8.1945 als Mann geborene Person sich einige Monate nach Vollendung des 61. Lebensjahrs einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte und dann zum Stichtag 1.3.2007 eine Alterspension nach dem ASVG beantragte. Die Bonifikation nach § 261c ASVG für Inanspruchnahme der Alterspension erst nach Erreichen des für Frauen geltenden Regelpensionsalters wurde ihr nicht gewährt. Dies war laut OGH ua im Hinblick auf den Zweck der Bonifikation nach § 261c ASVG gerechtfertigt. Mit dieser Leistung solle nämlich ein Anreiz geschaffen werden, dass eine an sich pensionsberechtigte Person trotz Erreichens des Regelpensionsalters noch keine Pensionsleistungen in Anspruch nehme; in diesen Genuss hätte die Kl allerdings bis zur Anerkennung ihrer neuen geschlechtlichen Identität gar nicht kommen können, da sie bis dahin noch als Mann zu gelten gehabt habe und als Mann – mangels Erreichens des 65. Lebensjahres – in diesem Zeitraum nicht berechtigt gewesen sei, eine Regelpension zu beanspruchen, sodass ein nach § 261c ASVG zu honorierender Aufschub der Geltendmachung einer Alterspension gar nicht denkbar gewesen sei.
Es werden also bei der Anwendung des § 261c ASVG bzw § 5 Abs 4 APG die für die versicherte Person zum Stichtag geltenden Bestimmungen über das Regelpensionsalter nicht auch auf Zeiträume angewendet, die vor Erfüllung der Voraussetzungen für die Geltung dieser Bestimmungen (Wechsel des Geschlechts, Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis) lagen. Das ist im Hinblick auf den offenkundigen Zweck des § 261c ASVG bzw § 5 Abs 4 APG, Versicherte zu einem späteren als dem gesetzlich möglichen Antritt der Alterspension zu motivieren, folgerichtig – denn dieser Motivation bedarf es nur dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung für den Aufschub des Pensionsantritts jeweils getroffen wird, aktuell (und nicht nur ex post betrachtet auf Grund der Annahme einer Rückwirkung) erfüllt wären. (Eine andere Frage ist, zu welchem Zeitpunkt ein Wechsel der Geschlechtsidentität überhaupt rechtliche Wirkungen zeigt – so ging es in der zitierten OGH-E 10 ObS 29/09a auch darum, ob die Eintragung des neuen Geschlechts konstitutiv wirkt, und in OGH 21.6.2022, 10 ObS 29/22w – betreffend den umgekehrten Fall einer Umwandlung vom weiblichen zum männlichen Geschlecht – um die Maßgeblichkeit der noch als Frau zurückgelegten Erwerbsbiographie.)
Der OGH kommt letztlich zum Ergebnis, dass der Kl die Bonifikation für einen Monat – den August 2021 – gebührt. Denn mit Vollendung des 62. Lebensjahres, somit ab 1.8.2021, hätte sie eine Alterspension beanspruchen können. Sie habe daher Anspruch auf eine Erhöhung der Pensionsleistung nach § 5 Abs 4 APG für einen Monat, weil der Pensionsantritt mit 1.9.2021 erfolgt sei.
Das dürfte aber dem Grundsatz der „Nichtrückwirkung“ iSd zweiten Argumentationsstrangs des OGH widersprechen. Denn der Austritt aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis erfolgte nach den Feststellungen zum 31.8.2021. Mit 1.8.2021 hätte die Kl daher noch keine Alters pension nach dem ASVG beanspruchen können, weil sie noch nicht der gesetzlichen PV unterlag. Der Begründung mit der Wartefrist – iSd ersten Argumentationsstrangs des OGH – hätte es in dieser Fallkonstellation gar nicht bedurft.
Richtig ist, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Leistung des Überweisungsbetrags ankommt: Er wird auch bei verspäteter Überweisung (vgl zur Fälligkeit § 312 ASVG) mit dem Zeitpunkt des erklärten Austritts aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis wirksam und ermöglicht – bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen – einen Pensionsantritt ab diesem Zeitpunkt, sofern die Leistungswirksamkeit nicht noch durch die Wartefrist nach § 313 Abs 2 ASVG aufgeschoben ist. Der Antritt einer Pension nach dem ASVG vor dem Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis kommt hingegen nicht in Betracht. Für Zeiträume 483 vor dem Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ist daher auch keine Bonifikation nach § 4 Abs 5 APG zu gewähren.
Die vorhandenen, eingangs dargestellten Unterschiede zwischen im weiteren Sinn pensionsrechtlichen Regelungen führen mitunter zum verständlichen Bestreben, durch geschickte individuelle Rechtsgestaltung zur Anwendbarkeit möglichst günstiger Bestimmungen zu gelangen. Regelungen, die Nachteile bei einem Wechsel zwischen den Systemen verhindern sollen, werden so zu Hebeln, um Vorteile zu lukrieren. Damit das nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft geht, wurden auf gesetzlicher Ebene Beschränkungen wie die Wartefrist nach § 313 Abs 2 ASVG eingeführt. Wie viele Unklarheiten die Regelungen noch offen lassen, zeigt der vorliegende Fall. Er wurde vom OGH mE weitgehend überzeugend gelöst.
Die Wurzel des Problems bilden freilich die bestehenden Unterschiede selbst, die vielfach als ungerecht wahrgenommen werden. Sie haben jedoch Grundlagen im Verfassungsrecht: Einerseits in den verschiedenen Kompetenztatbeständen für Sozialversicherungswesen und Dienstrecht, andererseits – noch bis 31.12.2033 – im BVG Altersgrenzen. Es geht daher auf einfachgesetzlicher Ebene in erster Linie um Vorhersehbarkeit: Die Unterschiede mögen hinzunehmen sein, sollen aber nicht zusätzlich noch zu Überraschungen führen. In diesem Sinn wären klarere gesetzliche Bestimmungen (etwa eine explizite Erwähnung der Wartefrist nach § 313 Abs 2 ASVG in § 361c ASVG und § 5 Abs 4 APG) wünschenswert.