Irrtum und Aufklärung im Arbeitsverhältnis*

CHRISTOPHKIETAIBL (WIEN)
Das Thema des vorliegenden Beitrags betrifft zunächst die seit vielen Jahrzehnten heftig umstrittene Frage, ob Arbeitsverträge wegen Irrtums rückwirkend, also mit Ex-tunc-Wirkung anfechtbar sind; das Thema geht aber weit darüber hinaus. Irrtümer können sich in ganz unterschiedlicher Gestalt nicht bloß bei Arbeitsvertragsschluss ereignen, sondern auch während Vollzug und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auch die Frage nach wechselseitigen Aufklärungspflichten stellt sich in all diesen Phasen des Arbeitsverhältnisses. Der vorliegende Beitrag versucht, Fragen zu Irrtum und Aufklärung in Bezug auf den ganzen Lebenszyklus des Arbeitsverhältnisses hin zu behandeln, und zwar anhand von Fallgruppen und Phänomenen, die auch in der Praxis regelmäßig auftreten.
  1. Einleitung

  2. Irrtum

    1. Grundlagen der Irrtumsdogmatik

    2. Irrtums- und Listanfechtung von Arbeitsverträgen

    3. Irrtum über die Vertragsqualifikation

    4. Mehrleistungsfälle

  3. Aufklärung

    439

    1. Grundlagen

    2. Intensität der geforderten Aufklärung

    3. Aufklärung über eigenes Fehlverhalten?

    4. Präparatorische Aufklärungspflichten und Nachweispflichten

1.
Einleitung

Der vorliegende Beitrag behandelt Fragen zu Irrtum und Aufklärung in Bezug auf den ganzen Lebenszyklus des Arbeitsverhältnisses. Die Fülle der damit angesprochenen Detailfragen und Konstellationen wirft zunächst die Frage nach einer sinnvollen Gliederung auf. Auf den ersten Blick könnte ein Aufbau nach der zeitlichen Abfolge im Arbeitsverhältnis naheliegen, also eine Gliederung und Unterscheidung nach Irrtums- und Aufklärungsfragen bei Begründung, Vollzug und Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Eine Gliederung nach rechtlichen Phänomenen und Rechtsinstituten erscheint aber sinnvoller, wobei der erste Teil des Beitrags Irrtumsfragen behandelt, der zweite Teil das Thema Aufklärungspflichten. Zwar besteht zwischen Irrtum und Aufklärungspflicht häufig ein enger wechselseitiger Zusammenhang, allerdings erscheint eine Gliederung nach diesen beiden Phänomenen schon zur Vermeidung von Redundanzen sinnvoll.

2.
Irrtum
2.1.
Grundlagen der Irrtumsdogmatik

Im Folgenden sollen zunächst einige zentrale zivilrechtliche Grundsätze und Begrifflichkeiten zur Irrtumsdogmatik in Erinnerung gerufen werden, auf welche die Behandlung der arbeitsrechtlichen Fallgruppen aufbauen kann. Irrtum meint eine Fehlvorstellung von der Wirklichkeit, wobei sich die Fehlvorstellung auf Tatsächliches oder auf die Rechtslage beziehen kann. Zur Anfechtung oder Anpassung eines Rechtsgeschäfts kommen nach § 871 Abs 1 ABGB grundsätzlich nur Geschäftsirrtümer in Betracht; also solche, die sich auf den Inhalt des Geschäfts beziehen, beim Arbeitsvertrag zB auf das vereinbarte Entgelt oder die vereinbarte Arbeitspflicht. Auch Irrtümer über die Person des Vertragspartners einschließlich Irrtum über geschäftsrelevante Eigenschaften des Vertragspartners, wie etwa die Ausbildung oder sonstige berufliche Qualifikation des AN, sind typische Geschäftsirrtümer. Demgegenüber sind Motivirrtümer (also Irrtümer über den Beweggrund, warum ein Geschäft mit einem bestimmten Inhalt abgeschlossen wird) grundsätzlich unbeachtlich, so zB der Irrtum über die Entgelthöhe anderer AN* oder über berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Auch Rechtsirrtümer und Rechtsfolgenirrtümer, etwa der Irrtum über die Anwendbarkeit eines bestimmten KollV, oder über die Rechtsfolgen einer bestimmten Auflösungsart sind idR bloße Motivirrtümer. Im Einzelnen kann die Abgrenzung zwischen Motiv- und Geschäftsirrtum schwierig sein. Keine Abgrenzungsfrage stellt sich freilich (sondern liegt Geschäftsirrtum vor), wenn die Parteien den Beweggrund zulässigerweise zum Vertragsinhalt machen, zB wenn sie spezifische Aufstiegs- oder Fortbildungsmöglichkeiten in den Arbeitsvertrag aufnehmen.

Keine Abgrenzungsfrage stellt sich auch bei vorsätzlicher Irreführung, also bei Arglist, weil hier nach § 870 ABGB die arglistige Täuschung als solche den Anfechtungsgrund liefert, sodass nicht mehr weiter unterschieden werden muss, ob die Täuschung beim Gegenüber einen Geschäfts- oder Motivirrtum ausgelöst hat. Arglistige Täuschung kann sowohl durch aktive Vorspiegelung falscher Tatsachen bewirkt werden, also auch durch das Verschweigen aufklärungspflichtiger Umstände und somit das bewusste Ausnutzen eines bereits vorhandenen Irrtums.* Vortäuschung einer in Wahrheit nicht vorhandenen beruflichen Qualifikation durch unrichtige Bewerbungsunterlagen ist daher ebenso arglistig wie zB das arbeitgeberseitige Verschweigen bevorstehender Betriebsänderungen im Bewerbungsgespräch, die für das Arbeitsverhältnis relevant sind, zB ein bevorstehender Betriebsübergang.

Ein enger Zusammenhang besteht zwischen Aufklärungspflichten und Irrtum. Ein Irrtum über Umstände, über welche der andere Teil hätte aufklären müssen, gilt nach allgemeinem Irrtumsrecht (§ 872 Abs 2 ABGB) stets als Geschäftsirrtum, bei vorsätzlichem Verstoß gegen eine Aufklärungspflicht liegt Arglist vor. Maßgeblich sind dabei nicht nur im Gesetz konkret festgelegte Aufklärungspflichten, sondern auch allgemeine Aufklärungspflichten, die sich aus Übung des redlichen Verkehrs und Interessenabwägung ergeben.* Umgekehrt steht vielen Irrtümern aber auch keinerlei Aufklärungspflichtverletzung gegenüber.

In zeitlicher Hinsicht können relevante Geschäftsirrtümer nach § 1487 ABGB innerhalb von drei Jahren ab Geschäftsabschluss geltend gemacht werden, bei arglistiger Irreführung ist die Geltendmachung nach § 1478 ABGB dreißig Jahre lang möglich. Dabei wirkt die Irrtumsanfechtung nach § 877 ABGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück, sie beseitigt den Vertrag also ex-tunc, was konsequent ist, weil der Irrtum als Willensmangel dem Rechtsgeschäft von Anfang an anhaftet, also ein Wurzelmangel ist; dies im Unterschied zur vorzeitigen Auflösung aus wichtigem Grund, die nur für die Zukunft wirkt, was sich daraus erklärt, dass die vorzeitige Auflösung von der Funktion her typischerweise erst während der Vertragsabwicklung auftretende Störungen zum Gegenstand hat. 440

2.2.
Irrtums- und Listanfechtung von Arbeitsverträgen

2.2.1. Mit der zeitlichen Dimension von Irrtumsanfechtung und vorzeitiger Auflösung ist zugleich die bereits eingangs erwähnte Frage nach der Irrtums- und Listanfechtung von Arbeitsverträgen angesprochen, insb, ob eine rückwirkende Anfechtung möglich ist. Diese Frage beschäftigt seit vielen Jahrzehnten das Schrifttum und scheint bis heute nichts an ihrer Faszination eingebüßt zu haben: auch im jüngeren Schrifttum wird dazu regelmäßig publiziert und diskutiert, zum Teil auch monographisch.* Angesichts der Fülle an unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Thema, die sich zum Teil stark, zum Teil aber auch nur subtil unterscheiden, droht der Meinungsstand unübersichtlich zu werden. Es geht nachfolgend keineswegs darum, alle vertretenen Standpunkte im Detail nachzuzeichnen oder dazu abschließend Stellung zu beziehen. Dafür fehlt es hier an ausreichend Raum. Die nachfolgenden Ausführungen verfolgen vielmehr den Zweck, angesichts des verworrenen Meinungsstandes den Blick wieder auf die wesentlichen Grundfragen der Arbeitsvertragsanfechtung zu richten und auf mögliche Brüche und Wertungswidersprüche hinzuweisen, welche in der Detaildiskussion in den Hintergrund zu rücken drohen.

In diese Richtung zB P. Bydlinski/Ibler, Die Wirkungen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen wegen eines Willensmangels, JBl 2016, 2 ff.

Um welche Grundfragen geht es also konkret und in welchem Rahmen bewegt sich das denkbare und auch tatsächlich vorhandene Meinungsspektrum? Eine Extremposition geht davon aus, dass die allgemeinen Irrtumsregeln uneingeschränkt und ohne jegliche Modifikation auch auf Arbeitsverträge zur Anwendung kommen;* das andere Ende des Meinungsspektrums geht davon aus, dass die Irrtumsregeln auf Arbeitsverträge gar keine Anwendung finden, sondern gänzlich vom Auflösungsrecht aus wichtigem Grund verdrängt werden – dass also ein Irrtum im Ergebnis überhaupt nur geltend gemacht werden kann, wenn er zugleich unter einen arbeitsrechtlichen Auflösungstatbestand subsumierbar ist.* Selbst wenn man dieser zweiten Extremposition anhängt, scheint aber relevant, dass auch diese Auffassung wohl nicht die bloße Vertragsanpassung wegen Irrtums ausschließen kann, weil ja die Vertragsanpassung keinesfalls durch die vorzeitige Auflösung ersetzt wird – falls also zB der AG bloß das Entgelt reduzieren möchte, wenn nachträglich ein Irrtum über die Ausbildung des AN hervorkommt.* Vertragsanpassung muss wohl stets auch neben dem Auflösungsrecht aus wichtigem Grund möglich sein. Soweit es hingegen um die Anfechtung wegen Irrtums geht, scheint jedenfalls dann viel für einen Vorrang des Auflösungsrechts aus wichtigem Grund zu sprechen, wenn das Gesetz Irrtümer bei Vertragsschluss spezifisch als Auflösungsgrund regelt.* Das betrifft etwa die Tatbestände nach § 82a lit a GewO 1859, § 34 Abs 2 lit a VBG, § 122 Abs 1 Z 1 ArbVG – diese berechtigen grob gesagt dann zur Entlassung, wenn der AN durch unwahre Angaben bei der Einstellung getäuscht hat, und sie gehen dann wohl nach der Lex-specialis-Regel der Irrtumsanfechtung in diesen Täuschungsfällen vor. Wo sich hingegen die Gründe zur vorzeitigen Auflösung nicht spezifisch auf einen Irrtum bei Vertragsschluss beziehen, sondern eher auf Störungen und Fehlverhalten bei der Vertragsabwicklung, und das betrifft die meisten der vorzeitigen Auflösungsgründe, dort scheint wenig für eine Verdrängung der Irrtumsanfechtung zu sprechen.

2.2.2. Räumt man daher der Irrtumsanfechtung zumindest partiell auch neben den arbeitsrechtlichen Auflösungstatbeständen Platz ein, stellt sich in weiterer Folge die Frage, ob die Irrtumsanfechtung auch rückwirkend möglich sein soll, oder nur für die Zukunft. Gegen die rückwirkende Anfechtung wird von vielen mit Rückabwicklungsschwierigkeiten beim bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis argumentiert; nur bei Arglist soll es nach vielen Stellungnahmen stets zur Ex-tunc-Anfechtung und Rückabwicklung kommen – dies mit dem Argument, der Betrüger, der sich zB durch Vortäuschen einer Ausbildung ein Dienstverhältnis erschleicht und dieses lange aufrecht hält, könnte ansonsten die bis zur Entdeckung erlangten Entgeltvorteile behalten.*

Die Rückabwicklung bei Arglist erscheint auf den ersten Blick wertungsmäßig einleuchtend. Zugleich passt dazu aber wenig, dass beim schlichten Geschäftsirrtum die Ex-tunc-Anfechtung wegen Rückabwicklungsschwierigkeiten stets ausgeschlossen sein soll, obwohl der schlichte Irrtum nur drei Jahre ab Vertragsschluss geltend gemacht werden kann, sodass dann auch die Rückabwicklung höchstens für diesen Zeitraum in Betracht kommt. Wenn aber schon in diesem Zeitraum die Rückabwicklung angeblich so kompliziert ist, dass sie generell ausgeschlossen werden muss, dann ist wenig einzusehen, warum bei Arglist, wo die Anfechtung bis zu 30 Jahre nach Vertragsabschluss möglich ist, die Rückabwicklung für diesen langen Zeitraum möglich sein soll.*

Ebenso fällt auf, dass im Zusammenhang mit der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen, wo sich eigentlich die gleichen Rückabwicklungsschwierigkeiten stellen müssten, diese kaum je thematisiert werden und die Ex-tunc-Wirkung der Nichtigkeit ohne weiteres zugelassen wird.* Schließlich erscheint noch bemerkenswert, dass die gegen die Ex-tunc- Anfechtung pauschal ins Treffen geführten Rückabwicklungsschwierigkeiten oftmals kaum näher im Detail konkretisiert werden; wenn überhaupt wird meist nur auf die schwierige Bewertung der in natura nicht mehr rückstellbaren Arbeitsleistung 441 verwiesen. Dabei scheint aber weitgehend Einigkeit darüber zu bestehen, dass die Bewertung der erbrachten Arbeitsleistung nicht nach der tatsächlichen individuellen Nutzenverschaffung für den AG zu erfolgen hat, sondern objektiv nach § 1152 ABGB, sodass als bereicherungsrechtliche Vergütung ein angemessenes, ortsübliches Entgelt gebührt.* In der Entgeltbemessung nach § 1152 ABGB liegt aber wohl kaum ein unüberwindbares Hindernis. Umgekehrt scheinen die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen bei rückwirkender Entgeltrückstellung bzw Entgeltanpassung vergleichsweise herausfordernder, diese werden in der Literatur zu den Rückabwicklungsschwierigkeiten aber kaum jemals angesprochen.

Die dargelegten Brüche und Unstimmigkeiten sollen hier aber nicht weiter verfolgt werden; dies wie gesagt nicht nur aus Platzgründen, sondern auch deshalb, weil die Frage der arbeitsvertraglichen Irrtumsanfechtung aus praktischer Sicht wohl nur vergleichsweise wenig relevant ist. Dies zeigt sich schon in der spärlich vorhandenen Judikatur zu dieser Frage, die überdies klar und gefestigt ist. Die Rsp nimmt zwar keine generelle Verdrängung der Irrtumsregeln durch das Lösungsrecht aus wichtigem Grund an, sie lässt die Irrtumsanfechtung aber generell nur mit Ex-nunc-Wirkung zu, und zwar auch bei Arglist.* Neben der gefestigten und klaren Position der Rsp ist außerdem zu bedenken, dass in der Praxis viele AG wohl auch schon deshalb die rückwirkende Anfechtung nur wenig nutzen würden, weil damit doch Rechtsunsicherheit hinsichtlich Details der Rückabwicklung einhergeht, auch wenn die Rückabwicklungsschwierigkeiten wohl kaum so unüberwindbar sind, wie oftmals unterstellt. Außerdem wird in manchen Fällen eine Rückabwicklung auch schon deshalb gar nicht erforderlich sein, weil das für die erbrachte Arbeitsleistung bereicherungsrechtlich gebührende angemessene Entgelt ohnedies dem tatsächlich bezogenen Entgelt entspricht. Und in jenen Fällen, in denen das tatsächlich bezogene Entgelt über dem angemessenen liegt, würde die Rückabwicklung, also die Rückzahlung der Entgeltdifferenz, in den schlichten Irrtumsfällen ohne Arglist regelmäßig am Einwand gutgläubigen Verbrauchs scheitern.

Unabhängig davon ist schließlich noch zu bedenken, dass viele der praktisch relevanten Anfechtungsfälle Irrtümer über Eigenschaften betreffen, welche dem Schutzbereich des Gleichbehandlungsrechts unterliegen, sodass eine Anfechtung – selbst bei vorsätzlicher Täuschung zB über Schwangerschaft oder Familienplanung – ausscheidet, weil insoweit das Gleichbehandlungsrecht die zivilrechtlichen Irrtumsregeln verdrängt.*

Im Folgenden sollen daher noch andere Irrtumsfragen bei Abschluss and Vollzug des Arbeitsverhältnisses näher beleuchtet werden, welche für die Praxis bedeutsamer sind als die (wenn auch dogmatisch reizvolle) Frage der Ex-tunc-Anfechtung.

2.3.
Irrtum über die Vertragsqualifikation

Damit sind zunächst Irrtümer über das Vorliegen eines Arbeitsvertrages und somit über die Vertragsqualifikation angesprochen. Die hM qualifiziert den Irrtum über die richtige rechtliche Einordnung des Vertrages, also den Irrtum über die Rechtsfolgen des Vereinbarten, tendenziell als unbeachtlichen Motivirrtum.* Dies scheint in dieser Allgemeinheit zwar zweifelhaft, und jedenfalls dann, wenn die Parteien ausdrücklich einen freien Dienstvertrag abschließen wollen, gehören der Vertragstyp und die damit verbundene Rechtsfolge der Nichtanwendbarkeit des Arbeitsrechts wohl zum Geschäftsinhalt. Allerdings lehnt die mittlerweile stRsp in den Fällen der Fehlqualifikation eine spätere Vertragskorrektur, insb eine Entgeltkorrektur, unter pauschaler Berufung auf AN-Schutzgründe generell ab und spricht arbeitsrechtliche Nachzahlungsansprüche auf Basis des ursprünglich vereinbarten (typischerweise höheren) Selbständigenhonorars zu; dies soll sogar dann gelten, wenn der AG einen Arbeitsvertrag angeboten und der AN auf der Fehlbehandlung als Selbständiger beharrt hat.* Die Lehre hat gegen diese Judikatur in der Vergangenheit bereits mehrfach Bedenken angemeldet, auf die hier verwiesen werden kann;* abgesehen von einigen unterinstanzlichen Entscheidungen ist die Rsp diesen Bedenken bislang auch nicht gefolgt und erscheint eine Änderung der Rsp wenig wahrscheinlich.

2.4.
Mehrleistungsfälle

2.4.1. Praktisch äußerst relevant ist ein Irrtumsphänomen, das im Arbeitsverhältnis regelmäßig in ganz unterschiedlichen Gewändern und Facetten auftritt, und das man allgemein mit dem Oberbegriff der nicht geschuldeten Mehrleistungen beschreiben kann. Dazu zählen sämtliche Fälle, in denen eine zunächst objektiv nicht geschuldete Leistung oder Vergünstigung vom AG erbracht wird, wobei dies ganz unterschiedliche Gründe haben kann: Überweisungsfehler oder Fehler in der Lohnverrechnung ebenso wie die Gewährung von Zulagen, Zusatzurlauben und anderer Leistungen wegen rechtsirriger Anwendung lohngestaltender Vorschriften. Ferner zählen zu den Mehrleistungsfällen die Leistungsgewährung auf Basis einer unwirksamen BV im Glauben an deren Verbindlichkeit sowie die bewusste Erbringung faktischer Mehrleistungen wie Prämien oder Gutscheine im Glauben, diese Übung jederzeit wieder einstellen zu können.

All diese Phänomene und die zu ihrer Bewältigung entwickelten rechtsgeschäftlichen Konstruktionen sind zwar wohlbekannt; es geht dabei um die Rechtsfiguren „betriebliche Übung“, „freie Betriebsvereinbarung“, „schlüssige Vertragsergänzung“, „Judikat 33 neu“ (also Rückforderungsausschluss von Mehrleistungen bei gutgläubigem 442 Verbrauch) sowie die „Lehre von Willens- und Wissenserklärung“. Obwohl diese Rechtsfiguren als Standardrepertoire in der Arbeitswelt und in der Arbeitsgerichtsbarkeit seit vielen Jahrzehnten laufend zum Einsatz gelangen, besteht nicht selten Unsicherheit über die genaue Abgrenzung und das Verhältnis dieser Rechtsfiguren zueinander, und oftmals erscheint der Einsatz dieser Rechtsinstitute in der Praxis oft wenig konsequent und stimmig. Dies trägt erheblich zur Rechtsunsicherheit und Intransparenz bei und führt dazu, dass vor allem in der unterinstanzlichen Rsp und in der betrieblichen Praxis durchaus vergleichbare Sachverhalte, wie zB die Überzahlung kollektivvertraglicher Zuschläge wegen Fehlauslegung des anwendbaren KollV, einmal als schlüssige Vertragsergänzung nach § 863 ABGB und das andere Mal als für die Zukunft einstellbare Zahlung einer Nichtschuld beurteilt werden. Nun ist zwar richtig, dass die rechtsgeschäftliche Beurteilung stets vom Einzelfall abhängt und damit eine gewisse Rechtsunsicherheit in der Natur der Sache liegt. Gerade dann erscheint es aber umso mehr geboten, dass zumindest in Bezug auf die zur Einzelfallbeurteilung herangezogenen rechtlichen Maßstäbe und Kriterien größtmögliche Klarheit und Vorsehbarkeit besteht. Zu diesem Zweck sollen nachfolgend jene rechtsgeschäftlichen Grundsätze dargelegt werden, die zentral für die richtige Einordnung und vorhersehbare Lösung der Fälle nicht geschuldeter Mehrleistungen im Arbeitsverhältnis sind.

Aus rechtsgeschäftlicher Sicht geht es in sämtlichen Konstellationen darum, ob die Überzahlung den Arbeitsvertrag schlüssig ergänzt und einen Anspruch für die Zukunft bewirkt; falls nicht, ist die Überzahlung nach Hervorkommen des Irrtums einstellbar, sodass sich dann nur noch die Frage nach einem allfälligen Rückforderungsausschluss für die Vergangenheit wegen gutgläubigem Verbrauch nach den Grundsätzen des Judikats 33 neu stellt. Judikat 33 neu und schlüssige Einzelvertragsergänzung schließen einander somit aus.

2.4.2. Zur Beurteilung, wann eine nicht geschuldete Mehrleistung des AG eine schlüssige Verpflichtung bewirkt, ist nach der in der Rechtsgeschäftslehre herrschenden Vertrauenstheorie nicht die Willenslage beim AG maßgeblich, sondern einzig und allein die Vertrauenslage beim AN – ob dieser also von der Mehrleistung berechtigt auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen des AG schließen durfte. Für einen solchen Schluss ist dann aber zunächst unabdingbare Grundvoraussetzung, dass der AN überhaupt erkennen konnte, dass ihm der AG mehr leistet als geschuldet.* Dieses rechtsgeschäftliche Prinzip mag zwar trivial erscheinen, es wird in der Praxis aber nicht selten übersehen, obwohl es bei irrtümlicher Mehrleistung eine schlüssige Verpflichtung des AG regelmäßig ausschließt: Sei es, dass die Parteien von der Anwendung eines unrichtigen KollV ausgegangen sind und daher die Zahlungen als nach diesem KollV geschuldet ansehen mussten, oder sei es, dass der AN Berechnungs- und Überweisungsfehler wegen Unübersichtlichkeit der Rechts- oder Abrechnungslage gar nicht erkennen konnte. In diesen und ähnlichen Fällen kommt schon mangels Erkennbarkeit der Überzahlung kein Vertrauen auf einen schlüssigen Verpflichtungswillen des AG zur Überzahlung in Betracht. Der AN kann hier nur darauf vertraut haben, dass die empfangene Leistung dem Geschuldeten entspricht. Dieses Vertrauen ist aber kein Vertrauen auf einen rechtsgeschäftlichen Überzahlungswillen, sondern auf eine in Wahrheit nicht bestehende Rechtslage und somit auf eine unrichtige Wissensmitteilung des AG über die Rechtslage. Das enttäuschte Vertrauen auf eine solche Mitteilung kann dann die Rückforderung des Übergenusses für die Vergangenheit ausschließen oder zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichten, wenn der AN im Vertrauen auf die Leistung disponiert und zB eine private Anschaffung vorgenommen hat. Auch noch so intensives Vertrauen auf eine unrichtige Wissensmitteilung bewirkt aber kein berechtigtes Vertrauen auf einen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des AG. Erfüllungswirkung kann einer unrichtigen Wissensmitteilung ausnahmsweise nur dann zukommen, wenn sie beim AN nachhaltige und endgültige Vertrauensdispositionen auslöst, die im Wege des Schadenersatzes nicht ausgleichbar sind.*

Das ist praktisch vor allem dann der Fall, wenn die Mehrleistungen über einen so langen Zeitraum erfolgt sind, dass nach der Erfahrung zwar ohne weiteres von intensiven Vertrauensdispositionen ausgegangen werden muss, diese Dispositionen aber angesichts der langen Zeitdauer nicht mehr konkret feststellbar sind. Nur in einer solchen Situation erweist sich die gesetzliche Differenzierung zwischen Willens- und Wissenserklärungen lückenhaft und kann diese Lücke durch analoge Anwendung der Willenserklärungsregeln auf eine bloße Wissenserklärung geschlossen werden.

Das ist praktisch vor allem dann der Fall, wenn die Mehrleistungen über einen so langen Zeitraum erfolgt sind, dass nach der Erfahrung zwar ohne weiteres von intensiven Vertrauensdispositionen ausgegangen werden muss, diese Dispositionen aber angesichts der langen Zeitdauer nicht mehr konkret feststellbar sind. Nur in einer solchen Situation erweist sich die gesetzliche Differenzierung zwischen Willens- und Wissenserklärungen lückenhaft und kann diese Lücke durch analoge Anwendung der Willenserklärungsregeln auf eine bloße Wissenserklärung geschlossen werden.

Mit diesen Grundsätzen lassen sich jene praktisch häufigen Fälle lösen, in denen schon mangels Erkennbarkeit der Mehrleistung grundsätzlich keine schlüssige rechtsgeschäftliche Verpflichtung des AG für die Zukunft in Betracht kommt. Es verbleiben daher jene Konstellationen, in welchen dem AN der Umstand der Mehrleistung erkennbar war, zB weil bei bislang gleichbleibendem Zeitlohn plötzlich deutlich höhere Gehaltszahlungen einlangen, oder weil am Urlaubskonto plötzlich ein höheres Urlaubsausmaß ausgewiesen ist, oder weil sich der AN selbst mit den anwendbaren lohngestaltenden Vorschriften auseinandergesetzt und deshalb an der Richtigkeit der fehlerhaften Lohnabrechnung zumindest Zweifel haben musste. Auch in solchen Fällen scheidet freilich eine schlüssige Verpflichtung des AG aus, weil der AN hier trotz erkannter Mehrleistung einen Irrtum des AG für möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich halten musste und daher nicht ohne Zweifel auf 443 eine willentliche Mehrleistung des AG schließen durfte – und sohin auch nicht auf einen schlüssigen Verpflichtungswillen zur Mehrleistung iSd § 863 ABGB.

Damit verbleiben für eine schlüssige rechtsgeschäftliche Verpflichtung des AG überhaupt nur jene Fälle, in denen der AN die Mehrleistung als solche erkennt und sich ihm die Mehrleistung überdies als willentliche und bewusste Zuwendung darstellt, sohin die typischen Fälle der betrieblichen Übung, wie etwa die wiederkehrende Gewährung von Gutscheinen, zusätzlichen Sonderurlauben, Gewinnbeteiligungen und ähnlichen Zusatzleistungen, die erkennbar nicht irrtümlich erfolgen, und wo die hM zu Recht ohne weiteres eine entsprechende Einzelvertragsergänzung qua Betriebsübung annimmt.* Zwar unterliegt der AG auch in diesen Betriebsübungsfällen regelmäßig einem Irrtum, und zwar dem Irrtum über die im Arbeitsrecht bestehende Verkehrssitte, wonach bei überobligatorischer, wiederkehrender Leistungsgewährung nur ein hinreichend deutlicher Vorbehalt die Bindung für die Zukunft ausschließt.* Beim Irrtum des AG über diese Verkehrssitte handelt es sich aber um einen unbeachtlichen Motivirrtum über die rechtsgeschäftlichen Wirkungen des eigenen Leistungsverhaltens; und selbst wenn man einen Geschäftsirrtum annehmen würde, wäre dieser hier unbeachtlich, weil er vom AN weder veranlasst wurde noch diesem auffallen musste.

2.4.3. Zusammenfassend ist in Mehrleistungsfällen daher die rechtsgeschäftliche Vertrauenslage wie folgt und müssen folgende drei Fallgruppen unterschieden werden: (1) Die Betriebsübungsfälle, in denen die Mehrleistung eine schlüssige Einzelvertragsergänzung bewirkt, zeichnen sich dadurch aus, dass dem AN die Mehrleistung als solche erkennbar ist und er auch auf einen entsprechenden Mehrleistungswillen des AG vertrauen darf. (2) Muss der AN hingegen auch eine bloß irrtümliche Gewährung der Mehrleistung für möglich halten und verlangt er vom AG trotzdem keine Aufklärung, so fehlt es für eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung am schützenswerten Vertrauen, und überdies ist mangels guten Glaubens die Überzahlung auch für die Vergangenheit rückforderbar. (3) War für den AN nicht einmal der Umstand der Mehrleistung erkennbar, so ist der AN jedenfalls gutgläubig in dem Sinn, dass mangels Erkennbarkeit der Mehrleistung als solcher auch ihre Irrtümlichkeit nicht erkennbar war. Dieser gute Glaube kann dann die Rückforderung für die Vergangenheit ausschließen und zum Ersatz von Vertrauensschäden berechtigen, er kann aber umgekehrt keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung für die Zukunft bewirken. Zu einer ausnahmsweisen Erfüllungswirkung für die Zukunft kann es hier nur kommen, wenn, insb bei lang andauernder Mehrleistungsgewährung, die dadurch ausgelösten Vertrauensdispositionen schadenersatzrechtlich nicht ausgleichbar sind.

Eine scharfe gedankliche Trennung dieser drei Fallgruppen und Vertrauenslagen ist für eine systematische und rechtssichere Beurteilung von Mehrleistungsfällen unerlässlich, wohingegen ein generelles und undifferenziertes „Vertrauensdenken“ ohne klare Trennung der genannten Fallgruppen letztlich nur dazu führt, dass die maßgeblichen rechtsgeschäftlichen Kategorien verschwimmen, was dann in weiterer Folge die Beurteilung von Mehrleistungsfällen zufällig und wenig vorhersehbar macht.

3.
Aufklärung
3.1.
Grundlagen

In Bezug auf Aufklärungspflichten im Arbeitsverhältnis ist zunächst festzuhalten, dass Aufklärungspflichten oftmals in einem engen wechselseitigen Zusammenhang mit dem Irrtumsrecht stehen.* Aufklärungspflichten erscheinen allerdings noch viel schwieriger allgemein fassbar als irrtumsrechtliche Fragen, weil Aufklärungspflichten in besonders hohem Ausmaß von situativen Einzelfallumständen abhängen. Sofern Aufklärungspflichten nicht gesetzlich geregelt sind, kommt es nach hM darauf an, ob der andere Teil in der gegebenen Situation nach der Übung des redlichen Verkehrs Aufklärung von seinem Gegenüber erwarten kann, was eine Abwägung der wechselseitigen Interessen voraussetzt.* Insofern kann es nachfolgend weder darum gehen, ob und welche Aufklärungspflichten in einer ganz bestimmten Situation bestehen, noch darum, Pauschalaussagen zum Bestand oder Nichtbestand von Aufklärungspflichten zu formulieren, deren Gültigkeit dann ohnedies erst wieder im Einzelfall überprüft und modifiziert werden müsste.

Dass solche Aussagen kaum möglich sind, zeigt bereits die oftmals ganz unterschiedlich beantwortete Frage nach einer Aufklärungspflicht des AG über AN-Rechte oder für den AN sonst günstige Umstände. Denn so richtig auf der einen Seite die Aussage ist, dass keine generelle Pflicht des AG zur Aufklärung über AN-Rechte besteht, so häufig sind zugleich die Fälle, in denen dann im Einzelfall situationsbedingt eine solche Pflicht doch bejaht wird, zB wenn sich der AN offenkundig in einem Rechtsirrtum befindet und zB einer einvernehmlichen Auflösung in Unkenntnis über einen bestehenden Bestandschutz zustimmt;* oder weil die Initiative zu einer Vertragsänderung vom AG ausgeht, insb wenn es um Entscheidungen von besonderer Tragweite geht, wie etwa die Umwandlung von Versorgungszusagen;* oder wenn der AN zu erkennen gibt, dass er beraten werde möchte* oder zumindest erkennbar auf eine Beratung vertraut;* oder wenn der AG von sich aus durch aktive Informationserteilung den Eindruck der Vollständigkeit und Richtigkeit erweckt;* oder weil 444 dem AG angesichts der Unternehmensgröße und Sachkunde, wie zB eigene Personal- und Rechtsabteilung, die Informationsbeschaffung leichter fällt.*

Diese Judikaturbeispiele zeigen anschaulich, dass generelle Aussagen zu Aufklärungspflichten selbst zu einzelnen Sachfragen (wie hier zur Aufklärung über die Rechtslage) kaum möglich sind. Zugleich zeigen diese Beispiele aber auch, dass im Arbeitsrecht wohl keine im Vergleich zum allgemeinen Vertragsrecht erhöhten Aufklärungspflichten bestehen – die in den Judikaturbeispielen zum Ausdruck kommenden Kriterien, wie etwa Tragweite der Entscheidung, Rechtsschein und wechselseitige Inanspruchnahme von Vertrauen, Informationsasymmetrie und Kosten der Informationsbeschaffung, wären gleichermaßen auch außerhalb des Arbeitsrechts zur Begründung allfälliger Aufklärungspflichten einschlägig.*

Im Folgenden geht es darum, wesentliche Strukturelemente und Kategorien zur Aufklärungsdogmatik im Arbeitsverhältnis herauszuarbeiten, welche dann die systematische und kontinuierliche Einzelfallbeurteilung erleichtern. Im Zuge dessen soll zugleich auch kurz zu einzelnen inhaltlichen Sachfragen Stellung genommen werden, die in der Praxis regelmäßig auftreten.

3.2.
Intensität der geforderten Aufklärung

Bei der Wirkung von Aufklärungspflichten kann zunächst nach der Intensität der geforderten Aufklärung dahin unterschieden werden, ob die Aufklärung aktiv, also ohne Nachfrage des anderen Teils erfolgen muss. Aktiv offenlegungspflichtig sind wohl jedenfalls Umstände, welche der Vertragserfüllung von vornherein entgegenstehen, zB eine bereits bei Vertragsschluss vorliegende dauernde Arbeitsunfähigkeit.*

Weniger intensiv (und daher auch eher zu bejahen) wirken eingeschränkte Aufklärungspflichten, die erst durch Nachfrage des Gegenübers ausgelöst werden. In dieser Konstellation setzt die Aufklärungspflicht zunächst eine zulässige Frage voraus, also eine Frage, an deren Beantwortung ein gerechtfertigtes Informationsbedürfnis besteht, dem keine überwiegenden Geheimhaltungsinteressen des anderen Teils gegenüberstehen. Hierher gehören zB Fragen des AG über die bisherige berufliche Laufbahn und Qualifikation. Ebenso müssen kollektivvertraglich oder gesetzlich anrechenbare Vordienstzeiten im Bewerbungsgespräch nur auf Nachfrage bekannt gegeben werden.*

Sofern im Schrifttum allerdings regelmäßig von einer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung zulässiger Fragen die Rede ist,* erscheint diese Aussage missverständlich: Auch auf zulässige Fragen kann der AN die Antwort verweigern, ohne dass dies rechtswidrig ist. Wenn allerdings eine zulässige Frage beantwortet wird, muss die Antwort wahr sein. Allerdings ist dies letztlich keine Besonderheit zulässiger Fragen, weil auch ungefragt mitgeteilte Umstände wahr sein müssen.*

Der Begriff der zulässigen Frage ist daher primär als Gegensatz zu den unzulässigen Fragen relevant, und zwar insofern, als bei den unzulässigen Fragen neben der Antwortverweigerung weitergehend ein Recht zur bewussten Falschantwort bestehen kann. Ein solches Recht zur Lüge hat der OGH schon früh zur Frage nach der Schwangerschaft bejaht*, und Gleiches ist heute wohl jedenfalls auch bei unzulässigen Fragen nach anderen vom Gleichbehandlungsrecht geschützten Merkmalen geboten. Fraglich ist allerdings, ob ein solches Recht zur Lüge bei unzulässigen Fragen generell besteht, also unabhängig vom Schutzbereich des GlBG. Dies ist wohl zu bejahen, und zwar schon deshalb, weil die Rechtswidrigkeit einer unzulässigen Frage wohl jene einer falschen Antwort im Ergebnis beseitigt – die falsche Antwort dient hier der Sicherung des Rechts des Befragten auf Privatsphäre, welches die Unzulässigkeit der Frage begründet, und in welches die unzulässige Frage rechtswidrig einzugreifen versucht. Ebenso ist hier bei wertender Betrachtung nicht die falsche Antwort, sondern die unzulässige Frage ursächlich für den Irrtum des AG.*

Die Einordnung einer Frage als zulässig oder unzulässig sowie die generelle Bejahung eines Rechts zur Falschantwort bei unzulässigen Fragen haben somit erhebliche praktische Bedeutung. Dies lässt sich anschaulich zB anhand der weit verbreiteten Frage nach dem bisherigen Gehalt im Bewerbungsgespräch veranschaulichen. Während diese Frage jedenfalls nach Umsetzung der geplanten Lohn-Transparenz-RL unzulässig sein wird,* ist die Zulässigkeit derzeit in Österreich noch wenig diskutiert.* Zwar sprechen schon jetzt Gründe gegen die Zulässigkeit der Frage nach dem bisherigen Gehalt, und zwar unabhängig von gleichbehandlungsrechtlichen Erwägungen.* Zwingend ist diese Auffassung aber nicht.* Sieht man die Frage (noch) für zulässig an, so wäre die unrichtige Gehaltsangabe wohl als arglistige Täuschung iSd § 870 ABGB zu werten und käme allenfalls sogar vorzeitige Vertragsauflösung wegen Vertrauensunwürdigkeit in Betracht. Sieht man die Frage hingegen als unzulässig an, so scheidet Arglist aus, weil die Rechtswidrigkeit der Frage jene der falschen 445 Antwort aufhebt. Auch ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung scheidet dann aus, weil hier das Fehlverhalten des unzulässig fragenden AG jenem des AN die erforderliche Schwere nimmt.* Zugleich zeigt allerdings das Beispiel der Frage nach dem bisherigen Gehalt, dass mitunter selbst die Zulässigkeit der Falschantwort keine ausreichende Abhilfe schafft. Der AG kann ja stets einen Gehaltsnachweis verlangen, der sich letztlich dem Recht auf Falschantwort entzieht. Die Nichtvorlage des Gehaltsnachweises kommt im Ergebnis einer Antwortverweigerung gleich.

3.3.
Aufklärung über eigenes Fehlverhalten?

Fraglich ist, ob eine Aufklärungspflicht des AN über eigenes Fehlverhalten bestehen kann, insb über bislang nicht hervorgekommene Entlassungsgründe. Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn bei einvernehmlicher Vertragsauflösung Beendigungsansprüche wie etwa die Abfertigung alt oder eine Direktpension anfallen, die bei Kenntnis des Entlassungsgrundes nicht zur Auszahlung gelangt wären (weil dann das Arbeitsverhältnis durch Entlassung geendet hätte und nicht durch einvernehmliche Auflösung). Bei nachträglichem Hervorkommen des Entlassungsgrundes kann man erwägen, ob der AG die einvernehmliche Auflösung wegen Arglist nach § 870 ABGB anfechten kann, was wiederum davon abhängt, ob das Verschweigen des Entlassungsgrundes ein arglistiges Verhalten darstellt bzw ob eine Aufklärungspflicht über Entlassungsgründe besteht. Bejaht man dies und fällt die einvernehmliche Auflösung weg, so entfällt zugleich der Rechtsgrund für die Pensionsleistung oder die Abfertigung und könnten diese Zahlungen bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass List den Getäuschten (ebenso wie schlichter Irrtum) nicht bloß zur Anfechtung iS einer Vertragsaufhebung berechtigt, sondern auch zur bloßen Vertragsanpassung, falls dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. Im hier interessierenden Fall der einvernehmlichen Auflösung entspricht dem hypothetischen Parteiwillen nur die bloße Anpassung der damaligen Vertragsaufhebung, weil der Arbeitsvertrag ja jedenfalls (und unabhängig vom später bekannt gewordenen Entlassungsgrund) beendet werden sollte. Der jetzt hervorgekommene Entlassungsgrund gibt daher keinen Anlass, die Vertragsauflösung als solche zu beseitigen (was zum Wiederaufleben des Arbeitsvertrages führen würde), sondern bloß zur Beseitigung der Rechtsfolgen der einvernehmlichen Auflösung; also Anpassung der Vertragsauflösungsvereinbarung dahingehend, dass diese die Rechtsfolgen einer Entlassung hat und daher nach § 7 BPG kein Pensionsanspruch und nach § 23 AngG keine Abfertigung zusteht. Dies hat auch der OGH in einer Entscheidung zu einer durch List erschlichenen einvernehmlichen Auflösung ähnlich gesehen.*

Fraglich ist aber wie gesagt, ob das Verschweigen von Entlassungsgründen überhaupt arglistig ist. Zu Betriebspensionen gibt es dazu, soweit zu sehen, keine Rsp. In Bezug auf die Rückforderung der gesetzlichen Abfertigung bei nachträglichem Hervorkommen eines Entlassungsgrundes besteht zwar Rsp, diese ist aber nicht einheitlich. Während der OGH in einigen Entscheidungen zur Abfertigung die „Korrektur der Beendigungsart“ ua mit der Begründung ablehnt, den AN treffe grundsätzlich keine aktive Aufklärungspflicht über gesetzte Entlassungsgründe,* hat er in einer anderen Entscheidung zur (in concreto als Vergleich gewerteten) einvernehmlichen Auflösung das Verschweigen des Entlassungsgrundes als arglistig angesehen.* Im Schrifttum gibt es zu dieser Frage kaum Stellungnahmen. Vereinzelt wird nur kryptisch gesagt, dass zwar der AN nicht generell zur Mitteilung von Entlassungsgründen verpflichtet wäre, dass aber „das arglistige Verheimlichen“ eines Entlassungsgrundes rechtswidrig wäre und den AG zur Anfechtung berechtige.*

Insgesamt lässt sich die Frage nach der Arglist in den interessierenden Fällen wohl nicht einheitlich beantworten, weil die Arglistbeurteilung (ebenso wie die vorgelagerte Frage nach einer Aufklärungspflichtverletzung) stark einzelfallsituativ-bezogen und auch motivabhängig ist. Hat zB der AN die einvernehmliche Auflösung initiiert, um einer Entdeckung des Entlassungsgrundes zuvorzukommen, so liegt wohl jedenfalls arglistiges Verhalten vor. Wenn umgekehrt der AG die Kündigung ausspricht, kann das Verschweigen des bis dahin unentdeckten Entlassungsgrundes wohl nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände als arglistig angesehen werden. Zu beachten ist allerdings, dass nach allgemeinen Grundsätzen falsche Antworten auf (zulässige) Fragen des AG generell als arglistig gelten,* sodass der AG wohl jedenfalls dann die einvernehmliche Auflösung anfechten könnte, wenn er zuvor nach allfälligen Entlassungsgründen gefragt und dies vom AN wahrheitswidrig verneint wurde. Gleiches muss gelten, wenn zB im Zuge einer einvernehmlichen Auflösung der AN in der Auflösungsvereinbarung das Nichtvorliegen von Entlassungsgründen wahrheitswidrig bestätigt. Der AG hat im Hinblick auf Beendigungsansprüche ein berechtigtes Interesse an dieser Information, und der AN kann Angaben dazu auch verweigern; falls er sich äußert, müssen die Angaben allerdings wahr sein.

3.4.
Präparatorische Aufklärungspflichten und Nachweispflichten

3.4.1. Die bisher behandelten Aufklärungspflichten gehören allesamt der Gruppe der präventiven Aufklärungspflichten an. Sie dienen vorsorglich dem Schutz des Gegenübers vor Irrtümern, und sie sind typischerweise nicht einklagbar, sondern haben im Verletzungsfall schadenersatzrechtliche, irrtumsrechtliche oder beendigungsrechtliche Folgen. 446 Zuletzt soll noch kurz eine zweite Gruppe von Aufklärungspflichten erwähnt werden, und zwar die sogenannten präparatorischen Aufklärungspflichten, welche dazu dienen, durch Sachverhaltsaufklärung die Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen.* Diese Aufklärungspflichten sind selbständig einklagbar, so zB der Anspruch eines durch Arbeitsunfall verletzten AN auf Bekanntgabe der in der Betriebsorganisation verantwortlichen Arbeitskollegen zwecks Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen.* Die Frage nach präparatorischen Auskünften stellt sich regelmäßig auch bei Entgeltnachzahlungen nach § 1155 ABGB, wenn der nachzahlungspflichtige AG anrechenbare Einkünfte vermutet, diese ihm aber nicht positiv bekannt sind. Nach hM ist der AG für die Anrechnungsvoraussetzungen behauptungs- und beweispflichtig, also bezüglich Art und Höhe der anrechenbaren Einkünfte. In der Praxis hat der AG aber oftmals kaum Möglichkeiten, Informationen über anrechenbare Einkünfte des AN im fraglichen Zeitraum zu erlangen. Es stellt sich dann die Frage, ob den AN eine Auskunftspflicht oder -obliegenheit trifft, insb ob vom AN die Vorlage von Steuererklärungen und Einkommensnachweisen verlangt werden kann. Der OGH bejaht hier dem Grunde nach eine Auskunftsobliegenheit des AN (beruhend auf Treuepflicht und Beweisnähe), die aber nicht zur Beweislastumkehr führen dürfe.* Diese auf den ersten Blick kryptische Aussage ist wohl so zu verstehen, dass Inhalt und Umfang der Auskunftsobliegenheit vom konkreten (plausiblen) Vorbringen des AG betreffend anrechenbare Einkünfte abhängen: Kann der AG nicht einmal einen anrechenbaren Bezug dem Grunde nach dartun, schließt eine schlichte Bestreitung jeglichen Erwerbs die Anrechnung wohl aus; ein „Freibeweis“ durch Vorlage von Einkommensunterlagen käme in dieser Situation einer Beweislastumkehr gleich. Kann hingegen der AG dem Grunde nach anrechnungspflichtige Einkünfte des AN plausibel dartun, so verlangt die Auskunftsobliegenheit eine Mitwirkung bei Ermittlung des konkreten Anrechnungsbetrages, insb auch durch Einkommensnachweise.* Über die dargelegte Auskunftsobliegenheit hinaus können anrechenbare Einkünfte im Prozess wohl auch über das Fragerecht der Parteien nach § 184 ZPO erkundet werden;* allenfalls könnte man auch die Anwendung von Art XLII EGZPO (Zivilprozess ordnung – Einführungsgesetz) erwägen, wonach ein Auskunftsanspruch betreffend verheimlichtes Vermögen besteht.

3.4.2. Von den präparativen Aufklärungspflichten können schließlich noch spezifische Nachweis- und Dokumentationspflichten unterschieden werden. Dazu sollen hier kurz zwei Fragen herausgegriffen werden. So machen zB manche Kollektivverträge die Vordienstzeitenanrechnung davon abhängig, dass bei sonstigem Verfall die Vordienstzeiten innerhalb einer bestimmten Frist ab Arbeitsbeginn nachgewiesen werden. Da eine solche Nachweispflicht aber typischerweise nur den Beweisinteressen des Verpflichteten dient, hier also des anrechnungspflichtigen AG, setzt die Aktualisierung und Berufung auf die Nachweispflicht wohl stets ein entsprechendes Verlangen des AG zum Nachweis voraus. In diesem Sinn sagt auch die Rsp, dass der AG auch bei unbedingt formulierter Nachweispflicht im KollV den AN auf die Nachweispflicht hinweisen und entsprechende Vordienstzeitennachweise verlangen muss, und dass andernfalls auch kein Verfall der Vordienstzeitenanrechnung eintritt.*

3.4.3. Zuletzt soll noch kurz auf eine im jüngeren Schrifttum behauptete Nachweispflicht eingegangen werden, wonach die Wirksamkeit einer durch einen (innen)bevollmächtigten Vertreter des AG ausgesprochenen Kündigung vom Vollmachtsnachweis abhänge, wobei der Vollmachtsnachweis so frühzeitig erfolgen müsse, dass danach noch die gesamte Kündigungsfrist gewahrt ist.* Für diese (soweit zu sehen bislang weder in Rsp noch Lehre vertretene) These besteht aber de lege lata wohl keine Rechtsgrundlage. Begründet wird die angebliche Pflicht zum Vollmachtsnachweis mit dem „Klarstellungsinteresse“ des AN, wonach dieser während der gesamten Kündigungsfrist Klarheit über die Wirksamkeit der Kündigung haben müsse (und somit auch über das Vorliegen einer ausreichenden Vollmacht zum Kündigungsausspruch). Nun ist zwar unbestreitbar, dass der AN ein solches Interesse regelmäßig haben wird. Allerdings folgt daraus noch nicht, insb nicht ohne gesetzliche Grundlage, dass deshalb eine (trotz Vollmacht) an sich wirksam ausgesprochene Kündigung unwirksam werden soll, nur weil die Vollmacht nicht nachgewiesen wird. Für ein solches Abgehen von den allgemeinen Grundsätzen des Vollmachtsrechts und von der durch Privatautonomie geschützten Formfreiheit besteht mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung kein Anlass. Entgegen der erwähnten Literaturmeinung folgt dies auch nicht aus der Rsp des OGH, wonach die nachträgliche Sanierung einer (zunächst vollmachtslos) ausgesprochenen Kündigung durch spätere Genehmigung nur möglich ist, wenn gerechnet vom Genehmigungsakt noch die gesamte Kündigungsfrist gewahrt ist.* Dies begründet die Rsp zwar ua auch mit einem entsprechenden Klarstellungsinteresse des AN; allerdings sind dieser Fall und der jetzt interessierende in wesentlichen Punkten so verschieden, dass eine Übertragung der Rsp kaum in Betracht kommt. In den vom OGH entschiedenen Fällen ging es um Konstellationen, in denen die Kündigung zunächst (mangels Bevollmächtigung) unwirksam war, sodass ein Schwebezustand eintritt, weil die Wirksamkeit der Kündigung durch einen späteren Genehmigungsakt des AG bedingt ist. Da nun die Kündigung bedingungsfeindlich 447 und zugleich die Kündigungsfrist zwingend ist, folgt daraus, dass der AN jedenfalls ein berechtigtes Interesse daran hat, dass der Schwebezustand (die Bedingtheit) der Kündigung noch vor Beginn der Kündigungsfrist beendet wird, sodass dann während der gesamten Dauer der Kündigungsfrist eine wirksame Kündigung vorliegt. Ansonsten würde bei nachträglicher Genehmigung die Kündigungsfrist im Ergebnis verkürzt und unterlaufen. Im jetzt interessierenden Fall der Innenbevollmächtigung ist die Kündigung aber von Anfang an wirksam (der mangelnde Vollmachtsnachweis ändert ja nach allgemeinem Vollmachtsrecht nichts an der Wirksamkeit der Vollmacht), es besteht daher weder ein Schwebezustand noch eine Bedingtheit der Kündigung, sondern diese ist von Anfang an während der gesamten Dauer der Kündigungsfrist wirksam. Die OGH-Judikatur scheint daher schon deshalb nicht übertragbar. Außerdem würde die angestrebte Übertragung der OGH-Judikatur hier bewirken, dass eine wirksame, zunächst mangelfrei ausgesprochene Kündigung außer Kraft gesetzt wird, obwohl es in der OGH-Judikatur doch bloß um die genau umgekehrten Fälle geht, in denen eine anfänglich unwirksame Kündigung später nur noch eingeschränkt saniert werden kann. Die Judikatur zur zunächst vollmachtslos ausgesprochenen Kündigung erweist sich daher als nicht einschlägig für den Fall der mit Innenvollmacht wirksam ausgesprochenen Kündigung.