Laimer/Peer/WieserFehl- und Abwesenheitszeiten in der betrieblichen Praxis – Handbuch

Manz Verlag, Wien 2022, XX, 226 Seiten, gebunden, € 52

MONIKA DRS (WIEN)

Nach der am Cover angeführten Punktation geht es im vorliegenden Werk vor allem um folgende Themen: Krankenstand, Urlaub, Karenz, Elternteilzeit und Papamonat. Tatsächlich wird in dem Buch primär der Mutterschutz, inkl Elternkarenz und Elternteilzeit sowie die im AVRAG geregelten Fälle der Karenz und Teilzeit behandelt, dh die Wiedereingliederungsteilzeit, Bildungskarenz und -teilzeit, Familienhospizkarenz und -teilzeit, Pflegekarenz und -teilzeit, Altersteilzeit, Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts und das Solidaritätsprämienmodell. Die Ausführungen zum Urlaub fallen schon wesentlich kürzer aus; die klassischen Dienstverhinderungen, die in der betrieblichen Praxis zu Fehl- und Abwesenheitszeiten führen, wie der Krankenstand, aber auch die anderen wichtigen, die Person des AN betreffenden Dienstverhinderungsgründe und die Feiertage werden in dem Buch dann nur sehr kurz beleuchtet. Dafür werden aber auch noch der Präsenz- und Zivildienst, die Kurzarbeit und die Sonderbetreuungszeit angesprochen.

Die Autor:innen haben sich die Aufgabe gesetzt, einen komprimierten Überblick der wesentliche Fehlund Abwesenheitszeiten im Laufe eines Arbeitsverhältnisses zu bieten. Sie konzentrieren sich dementsprechend weitgehend auf die Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen, ergänzt um einige Verweise auf neuere Rsp und Zitate aus ausgewählten Kommentaren; auf eine umfassende Einarbeitung bzw auf eine Auseinandersetzung mit der zu diesem Thema erschienenen, zum Teil kontroversiellen Literatur haben sie bewusst verzichtet.

Exemplarisch sollen nun ein paar Punkte kritisch beleuchtet werden:

Zurecht weisen die Autor:innen darauf hin, dass der Urlaubsanspruch im UrlG in Werktagen normiert ist; in der Folge gehen sie dann aber regelmäßig von einen Anspruch in Arbeitstagen aus. Hierzu sei anzumerken, dass der AG eine Umrechnung auf Arbeitstage nur vornehmen darf, wenn er eine entsprechende Vereinbarung mit dem AN getroffen hat; diese kann aber konkludent bzw im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zustande kommen, zB wenn ein AN mit einer Fünf-Tage-Woche den Urlaub tageweise verbraucht.

Was den Urlaubsanspruch bei einem Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit und die dazu bestehende Rechtsprechungsdivergenz OGH (Umrechnung des Urlaubsanspruchs auf reduzierte Arbeitszeit) – EuGH (Umrechnung des vor einer Arbeitszeitreduktion entstandenen Urlaubsanspruchs auf die reduzierte Arbeitszeit ist grundsätzlich unzulässig) betrifft, ist zunächst anzumerken, dass der EuGH seine These nur zum Wechsel von Vollzeit zur Teilzeit vertritt: In der Rs Greenfield kam er nämlich anlässlich eines Umstiegs von Teilzeit auf Vollzeit zu dem Ergebnis, dass eine Aufwertung alter Urlaubsansprüche (dh eine Umrechnung) zulässig sei, da dies für den AN günstiger ist. Ferner 511 ist zu beachten, dass der EuGH bei einem Wechsel von Vollzeit auf Teilzeit nicht jegliche Umrechnung auf die reduzierte Arbeitszeit für unzulässig hält: Seines Erachtens ist diese zulässig, wenn es dem AN möglich gewesen wäre, den Urlaub noch in der Vollzeitphase zu verbrauchen. Es liegt daher am AG, dass er seinen AN rechtzeitig darauf hinweist, dass er den bereits erworbenen Urlaub noch vor der Arbeitszeitreduktion verbrauchen muss, wenn er eine Umrechnung auf die reduzierte Arbeitszeit verhindern möchte; Voraussetzung ist allerdings, dass der AN dann auch wirklich die Möglichkeit hat, den fraglichen Urlaub vor der Arbeitszeitreduktion zu verbrauchen. Weigert sich der AN dennoch, den davor erworbenen Urlaub zu verbrauchen, dann darf der AG den Urlaubsanspruch auch nach der Rsp des EuGH auf die reduzierte Arbeitszeit umrechnen.

Problematisch ist mE auch der zur Urlaubsverjährung angeführte Praxistipp, dass Urlaubsaufzeichnungen nur maximal den dreifachen Jahresurlaubsanspruch ausweisen sollten (dh bei 25 Arbeitstagen pro Jahr maximal 75 Arbeitstage). Diesbezüglich ist die Rsp des EuGH zu berücksichtigen, wonach ein AN seinen Urlaubsanspruch nicht verliert, wenn der AG seinen AN nicht zum Urlaubsverbrauch aufgefordert und ihn gleichzeitig über seinen offenen Urlaubsanspruch und die Rechtsfolgen bei Nichtverbrauch aufgeklärt hat. Nur wenn der AN seinen bezahlten Jahresurlaub aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht genommen hat, nachdem er vom AG in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht (Art 7 der Arbeitszeit-RL und Art 31 Abs 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union) dem Verlust des Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Auch wenn der OGH bisher dem EuGH nicht gefolgt ist, führt mE aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts kein Weg daran vorbei. Dh in den Urlaubsaufzeichnungen sollte immer der ganze nicht verbrauchte und nicht verjährte Urlaubsanspruch aufscheinen.

Zu erwähnen sei auch noch, dass das MSchG – wie im AN-Schutzrecht üblich (im Gegensatz zu zahlreichen Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts, vgl zB § 1 UrlG und § 1 EFZG: „Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht“) – nicht auf den AN-Begriff des ABGB (§ 1151) verweist, weshalb das MSchG mE auch auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden ist, deren Arbeitsvertrag (zB aufgrund eines Verstoßes gegen das AuslBG) nichtig ist.

Was die Stillzeiten betrifft, sind diese mE nicht als Arbeitszeit einzustufen, auch wenn sie gem § 9 Abs 2 MSchG wie Arbeitszeit zu bezahlen sind („Durch die ... Stillzeit darf kein Verdienstausfall eintreten“). § 9 Abs 1 MSchG spricht in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich von „Freizeit“. Hier gilt wohl nichts anderes als zB bei einer Dienstverhinderung durch Krankheit oder durch andere wichtige, die Person des AN betreffende Gründe, bei der die AN finanziell so zu stellen sind, als hätten sie gearbeitet, auch wenn die Zeiten der Dienstverhinderung dadurch nicht zur Arbeitszeit werden.

Bedenken bestehen mE auch in Bezug auf die Empfehlung der Autor:innen, bestehende Gleitzeitregelungen für werdende und stillende Mütter nicht nur vorübergehend einzuschränken, sondern alternativ auch auszusetzen, soweit diese Aussetzung nur werdende und stillende Mütter betrifft. Dies stellt mE eine unzulässige Diskriminierung der Frauen dar. Um den arbeitszeitrechtlichen Beschränkungen des MSchG zu entsprechen (Verbot von Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit, Beschränkung der Arbeitszeit auf maximal neun Stunden pro Tag und maximal 40 Stunden in der Woche), reicht es wohl aus, wenn man die Gleitzeitvereinbarung in Bezug auf werdende und stillende Mütter entsprechend dem MSchG einschränkt, statt die Frauen von der Gleitzeitmöglichkeit zur Gänze auszuschließen.

Zur Pflegekarenz ist zu erwähnen, dass §§ 14c f AVRAG in Bezug auf die notwendige Pflege oder Betreuung eines „nahen Angehörigen“ eben nicht – wie von den Autor:innen angemerkt – auf § 16 UrlG (Pflegefreistellung) verweisen, sondern auf § 14a AVRAG (Sterbebegleitung), der aber neben den in § 16 UrlG genannten noch etliche sonstige Personen anführt, für die eine Sterbebegleitung in Anspruch genommen werden kann. ME ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf § 14a AVRAG klarstellen wollte, dass auch bei der Pflegekarenz von diesem weiten Begriff des nahen Angehörigen auszugehen ist, weshalb zB auch Geschwister erfasst sind, die nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht unter die „nahen Angehörigen“ gem § 16 UrlG zu subsumieren sind (in diesem Sinn auch die Erläuterungen zur RV 2407 24. GP 3).

Auch wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Sonderbetreuungszeit bereits ausgelaufen ist, sei noch erwähnt, dass die von den Autor:innen vertretene Ansicht, dass Sonderbetreuungszeit zwar tageweise oder halbtageweise, nicht aber stundenweise konsumiert werden kann, zwar so in der Richtlinie zur Sonderbetreuungszeit stand, aber keinen Niederschlag im Gesetz (§ 18b AVRAG) gefunden hat und daher mE nicht zu folgen ist.

Abschließend ist aber festzuhalten, dass das vorliegende Buch alles in allem einen interessanten Überblick über die doch sehr breite Materie bietet und daher jedem, der sich in das Thema einlesen möchte, zu empfehlen ist. 512