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Transport einer Arbeitskollegin mit dem Skidoo-Aufseher im Betrieb?

ANDREASWELLENZOHN

Am 16.12.2019 ereignete sich in einem Skigebiet abseits der Piste ein Unfall, an welchem der Bekl als Lenker des von seinem Vater gehaltenen Schneemobils (auch: „Skidoo“) und die Kl, welche auf dem Sozius des Skidoos saß, beteiligt waren und bei dem die Kl verletzt wurde. Sowohl die Kl als auch der Bekl waren DN des Vaters des Bekl, der Inhaber und Betreiber eines Gasthofs im Skigebiet ist.

Um zu ihrer Arbeitsstätte zu gelangen, fuhr die Kl für gewöhnlich mit der Seilbahn bis zur Mittelstation, wo sie vom Vater des Bekl mit dem Skidoo abgeholt und zur Alm gebracht wurde. Nach Dienstende wurde sie vom Vater des Bekl oder manchmal auch vom Bekl mit dem Skidoo wieder zur Talstation der Seilbahn hinuntergeführt. Am Unfallstag war die Seilbahn nicht in Betrieb. Der Vater des Bekl beauftragte den Bekl damit, die Kl mit dem Skidoo von der Talstation abzuholen und zur Alm zu bringen. Der Bekl wählte die Route entlang der Piste bis zur Alm. Der Bekl wollte in der Folge zur Rückseite der Alm zufahren. Dazu verließ er unterhalb der Alm die Piste und fuhr im freien Gelände nach oben. In der Folge ereignete sich der Unfall, bei dem die Kl verletzt wurde.

Die Kl begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von Schmerzengeld, Kosten der Haushaltsführung, des Pflegeaufwands, der Therapie und an unfallkausalen Spesen. Der Bekl habe den Unfall durch eine unzutreffende Wahl der Fahrtlinie verschuldet. Der Bekl wandte dagegen ein, dass er im Unfallszeitpunkt als Aufseher im Betrieb anzusehen sei und in den Genuss des Haftungsprivilegs des § 333 Abs 4 ASVG gelange.

Das Erstgericht bestätigte die Ansicht des Bekl und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht verneinte dagegen die Eigenschaft als Aufseher im Betrieb und gab über Berufung der Kl dem Klagebegehren mit dem angefochtenen Zwischenurteil dem Grunde nach statt. Ein Kraftwagenlenker sei nur dann Betriebsaufseher, wenn ihm eine Weisungsbefugnis zukomme, die über die Verantwortlichkeit hinausgehe, die jeder Kraftfahrer gegenüber seinem Mitfahrer habe. Der Umstand, dass die Fahrt auf einem Dienstauftrag beruhe oder im Interesse des Betriebs liege, genüge für sich alleine nicht zur Annahme der Aufsehereigenschaft. 294

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Bekl. Der OGH erklärte diese für zulässig und berechtigt und führte aus:

Ein Kraftwagenlenker ist nur dann Betriebsaufseher, wenn ihm eine Weisungsbefugnis zukommt, die über die Verantwortlichkeit hinausgeht, die jeder Kraftfahrer gegenüber seinem Mitfahrer hat. Er muss also jemand sein, der über die Durchführung von Betriebsvorgängen bestimmen kann. Dass er mitfahrenden Personen in seiner Funktion als Kraftfahrzeuglenker Anweisungen über das Verhalten in Kraftfahrzeugen geben kann, ist dafür nicht schon ausreichend. Es kommt darauf an, ob dem betreffenden Lenker ein gewisser Pflichtenkreis und eine mit Selbständigkeit verbundene Stellung zukommt, ob er für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich ist, oder ob er lediglich den Wagen zu bedienen und zu pflegen und die Beladung zu verantworten hat. Bei der Beförderung von Personen ist zu unterscheiden, ob der Lenker für deren Sicherheit nur nach den Vorschriften über den Straßenverkehr verantwortlich ist (§ 106 KFG, § 4 StVO) oder ob noch darüber hinausgehende Pflichten und Befugnisse bestehen.

Für die Aufseherqualifikation bei Beförderung anderer Betriebsangehöriger ist maßgeblich, dass die Beförderung des Arbeitskollegen nicht aus persönlicher Gefälligkeit, sondern im Interesse des Betriebs und im Rahmen der Abwicklung übertragener Aufgaben erfolgte. Ein solcher AN hat nämlich nicht nur für die persönliche Sicherheit der Mitfahrer zu sorgen, sondern darüber hinaus deren Transport nach den Interessen des Betriebs sachgemäß durchzuführen. Begründet wird die Bejahung der Aufsehereigenschaft in diesen Fällen überdies in der Regel damit, dass derjenige, der über einen entsprechenden Auftrag seines AG Betriebsangehörige an einen bestimmten Arbeitsplatz befördert, einen, wenn auch beschränkten, Teilbereich von Vorgängen, die der Erreichung des Betriebszwecks dienen, also hinsichtlich der beförderten Betriebsangehörigen eine Aufgabe im Rahmen der betrieblichen Organisation zu erfüllen hat. Auf die Anzahl der beförderten Personen kommt es nicht an, weil ein Aufseher im Betrieb auch nur einen AN zu beaufsichtigen haben kann.

Kein Aufseher, sondern „gewöhnlicher“ Kfz-Lenker ist hingegen derjenige, der einen im selben Betrieb tätigen Kollegen im eigenen Kraftfahrzeug in den Betrieb oder zu einer anderen Arbeitsstelle mitnimmt, ohne dass ihm diese Beförderung vom AG aufgetragen worden wäre.

Der Bekl beförderte die Kl, seine im gleichen Betrieb tätige Arbeitskollegin, im Unfallszeitpunkt über ausdrücklichen Auftrag des AG mit dem Skidoo zur Arbeitsstätte. Dies entsprach nach den Feststellungen auch dem üblichen vom AG organisierten Fahrtendienst für die Kl, die regelmäßig mit dem Skidoo zur Arbeitsstätte – in der Regel vom AG selbst – geführt wurde. Die Beförderung der Kl erfolgte nicht aus bloßer Gefälligkeit des Bekl, sondern lag im Interesse des Betriebs und erfolgte im Rahmen der Abwicklung einer dem Bekl übertragenen Aufgabe, sodass seine Aufsehereigenschaft im konkreten Fall zu bejahen ist.

Während sich das Berufungsgericht auf ältere Rsp stützt, wonach der Umstand, dass die Fahrt auf einem Dienstauftrag beruht, für sich allein für die Aufsehereigenschaft des Lenkers nicht ausreicht (OGH 21.9.1978, 2 Ob 115/78), stellt der OGH seit der E 4 Ob 51/84 vom 27.11.1984 für die Beurteilung der Eigenschaft als Aufseher im Betrieb maßgeblich auf das Kriterium eines Dienstauftrags zur Beförderung – im Gegensatz zur Beförderung aus bloßer persönlicher Gefälligkeit – ab. So wurde vom OGH etwa die Aufsehereigenschaft des Lenkers eines Pistengeräts, der Arbeitskollegen über Anordnung des AG im Rahmen der betrieblichen Organisation zur Erreichung des Betriebszwecks beförderte, bejaht (OGH 14.1.1986, 4 Ob 167/85).

Auch im vorliegenden Fall wurde die Kl regelmäßig im Rahmen eines vom AG organisierten Fahrdienstes mit dem Skidoo zur Arbeitsstätte gebracht, sodass sich der vorliegende Sachverhalt in diesem Punkt entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht von den von ihm zitierten OGH-Entscheidungen 4 Ob 51/84 (vom 27.11.1984) und 14 ObA 43/87 (vom 20.5.1987) unterscheidet. Der Revision war daher Folge zu geben und das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.