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Keine Anwendbarkeit der Abfertigungsregelungen des AngG auf Dienstnehmer des Landes, die in der Hoheitsverwaltung tätig sind

RICHARDHALWAX
§§ 8 Abs 2 und 32 Abs 4 VBO der Stadt Linz

Der Kl war seit 1.6.1982 im Baurechtsamt der Bekl beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist die Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Linz (VBO) anzuwenden, die folgende Regelungen enthält:

„§ 8 Bezüge

(1) Dem Vertragsbediensteten gebühren Monatsbezüge.

(2) Die Monatsbezüge und die Sonderzahlungen der Vertragsbediensteten richten sich – sofern nichts anderes vereinbart wird – sinngemäß nach den für die Beamten der Stadt geltenden Vorschriften (…)291

§ 32 Abfertigung

(1) Den Vertragsbediensteten, deren Dienstverhältnis vor dem 1.9.2003 begonnen hat, gebührt beim Enden des Dienstverhältnisses nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 eine Abfertigung.

(2) Der Anspruch auf Abfertigung besteht nicht, (…) wenn das Dienstverhältnis einverständlich aufgelöst wird und keine Vereinbarung über die Abfertigung zustande kommt (…).

(4) Die Abfertigung beträgt nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von (…) 25 Jahren das Zwölffache des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsbezuges.“

Bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zum 31.1.2022 wurde vereinbart, dass der Kl eine „Abfertigung von zwölf Monatsbezügen“ erhält. Die Bekl zahlte dem Kl daraufhin eine Abfertigung von € 58.602,- brutto.

Der Kl begehrt € 9.767,- sA an weiterer Abfertigung. Bei der Berechnung der Abfertigung seien auch die Sonderzahlungen einzubeziehen. Die Regelung des § 32 VBO sei intransparent und gröblich benachteiligend bzw diskriminierend. ISd umfassenden arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffs sei § 32 Abs 4 VBO dahin zu verstehen, dass der Kl Anspruch auf das Zwölffache des ihm für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts habe, was auch die Sonderzahlungen miteinschließe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rsp zur Anwendbarkeit des AngG in der Hoheitsverwaltung vorliege. Dagegen richtete sich die Revision der Bekl. Der Kl beantragte, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision war zulässig und berechtigt.

Die VBO der Bekl ist eine Vertragsschablone, die kraft einzelvertraglicher Vereinbarung im Dienstvertrag verbindlich wird.

Der weite Entgeltbegriff des allgemeinen Arbeitsrechts, der dazu führt, dass bei der Berechnung der Abfertigung auch Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind, gilt etwa für Gemeindebedienstete nach der VBO für Innsbruck nur, soweit keine abweichenden landesgesetzlichen oder vertraglichen Regelungen bestehen. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die VBO der Bekl in §§ 8 und 12 klar zwischen monatlich auszuzahlenden Monatsbezügen und vierteljährlich auszuzahlenden Sonderzahlungen unterscheidet, sodass der „Monatsbezug“ die Sonderzahlungen nicht miteinschließt. Die Unterscheidung von Monatsbezug einerseits und Sonderzahlungen andererseits führt dazu, dass auch § 32 Abs 4 der VBO dahin auszulegen ist, dass die Sonderzahlungen bei der Berechnung der Abfertigung außer Betracht bleiben müssen. Die zwischen dem Kl und der Bekl getroffene Vereinbarung ist deshalb dahin auszulegen, dass die Sonderzahlungen bei der Berechnung der Abfertigung nicht zu berücksichtigen sind.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Kl nichtsdestoweniger auf die zwingenden Vorschriften des AngG berufen könne. Mit der B-VG-Novelle 1999 wurde Art 21 B-VG novelliert, sodass die Gesetzgebung in Angelegenheiten des Dienst- und Dienstvertragsrechts der Gemeindebediensteten nunmehr den Ländern obliegt. In Oberösterreich fehlt aber noch immer eine landesgesetzliche Regelung der privatrechtlichen Dienstverhältnisse der Bediensteten der oberösterreichischen Städte mit eigenem Statut.

§ 3 AngG macht die Anwendung des Angestelltengesetzes auf Gemeindebedienstete davon abhängig, dass sie in einer „Unternehmung“ iSd § 2 AngG beschäftigt sind. Für Angestellte der Länder, die „behördliche Aufgaben“ zu besorgen hatten, bestand nämlich schon vor der B-VG-Novelle 1974 nach Art 12 Abs 1 Z 8 B-VG keine umfassende Zuständigkeit des Bundes. Nach den klaren Vorgaben des Gesetzgebers sind damit AN, die in der Hoheitsverwaltung tätig und mit behördlichen Aufgaben betraut sind, wie dies auf den Kl zutraf, vom Anwendungsbereich des AngG ausgenommen.

Schrammel (in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 3 AngG Rz 169) undKozak (in Reissner, AngG4 § 3 Rz 3) verstehen das AngG als „allgemeines Auffanggesetz“, das auf vertragliche Dienstverhältnisse zu einer Gemeinde zur Anwendung gelangen soll, wenn das Land von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, sodass es auch auf Beschäftigte in der Hoheitsverwaltung anzuwenden wäre. Die Anwendbarkeit des allgemeinen Zivil- und Arbeitsrechts kann aber nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschriften über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinaus ausgedehnt wird. Da § 3 AngG Bedienstete in der Hoheitsverwaltung aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausnimmt und solche Dienstverhältnisse deshalb nur den Vorschriften des ABGB unterliegen, handelt es sich um keine planwidrige Gesetzeslücke, sondern um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, sodass auch eine analoge Anwendung des AngG ausscheidet.

Im Ergebnis existiert damit keine landes- oder bundesgesetzliche Vorschrift, die dem Kl einen über die VBO hinausgehenden Abfertigungsanspruch gewähren würde.

Der Kl beruft sich darauf, dass die unterschiedliche Behandlung von Bediensteten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und gröblich benachteiligend sei. Da sich die Tätigkeit in einer Behörde wesentlich von jener in einer Unternehmung unterscheidet, ist eine unterschiedliche Behandlung der dort beschäftigten Bediensteten nicht unsachlich. Da der Kl nicht aufgrund seines Alters benachteiligt wird, liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Oö Antidiskriminierungsgesetz vor.292