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In wessen Sphäre fällt die Dienstverhinderung eines Arbeitnehmers bei Dienstfreistellung nach Verweigerung der Einhaltung der durch Arbeitgeberweisung eingeführten 3-G-Regel?

RICHARDHALWAX

Der Kl war seit 2.7.2009 bei der Bekl als Straßenbahnfahrer beschäftigt. Zu den Aufgaben des Straßenbahnfahrers zählt es ua, gehbehinderten Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen in den Straßenbahnzug zu helfen, wobei Sicherheitsabstände zu den Fahrgästen von einem Meter oder mehr nicht eingehalten werden können.

Am 13.7.2021 erließ die Geschäftsführung der W* für alle Konzernunternehmen, zu denen auch die Bekl zählt, eine Konzern-RL mit einheitlichen Rahmenbedingungen für COVID-19-Schutzmaßnahmen. Seither galt bei der Bekl die Weisung, dass sich am Arbeitsplatz nur Personen aufhalten dürfen, die vollständig geimpft, von einer COVID-19-Erkrankung genesen oder negativ auf COVID-19 getestet waren (3-G). In den Räumlichkeiten der Bekl war überdies ein Mindestabstand von einem Meter vorgesehen. Eine Wahlmöglichkeit, entweder einen 3-G-Nachweis zu erbringen oder eine FFP2-Maske zu tragen, war nicht vorgesehen. In Wien war im Sommer 2021 ein 3-G-Nachweis problemlos beizubringen.

Am 9.8.2021 forderte ein Vorgesetzter den Kl auf, ihm einen 3-G-Nachweis vorzulegen, über den der Kl nicht verfügte. Als der Kl äußerte, sich weder impfen noch testen zu lassen, wurde er vom Vorgesetzten auf die dienstrechtlichen Konsequenzen bei Nichteinhaltung der 3-G-Pflicht hingewiesen. Auch am 10.8.2021 erbrachte der Kl im Dienst keinen 3-G-Nachweis und verweigerte das Tragen einer Maske. Daraufhin wurde er bis auf Widerruf vom Dienst freigestellt. Gegen die Einstellung des Entgelts protestierte der Kl mit Schreiben seines Anwalts vom 18.8.2021. Die Bekl kündigte das Dienstverhältnis des Kl zum 30.11.2021 und meldete den Kl mit diesem Tag von der SV ab.

Der Kl begehrt die Zahlung des Entgelts für die Dauer der Dienstfreistellung. Er brachte im Wesentlichen vor, zum Zeitpunkt der Dienstfreistellung am 10.8.2021 habe es keine gesetzliche Grundlage für die 3-G-Regel an Arbeitsorten gegeben, eine solche sei erst ab 1.11.2021 in Kraft getreten. Da die 3-G-Regel einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstelle, habe es sich bei der Konzern-RL um eine rechtswidrige Weisung gehandelt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Da zum Zeitpunkt der Dienstfreistellung des Kl weder eine Verordnung noch ein Gesetz Grundlage für eine Verpflichtung zur Einhaltung der 3-G-Regel am Arbeitsplatz geboten hätten, beruhe die Einführung dieser Regel auf einer DG-Weisung. Die Dienstfreistellung sei gerechtfertigt und stelle keine Schikane dar. Ein Anspruch auf Entgelt während der Dienstfreistellung bestehe nicht, weil es an einer ernstlichen Arbeitsbereitschaft des Kl in diesem Zeitraum gefehlt habe.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu der Frage zu, ob ein Verstoß gegen die Weisung des DG, einen 3-G-Nachweis zu erbringen, dazu führe, dass eine deswegen ausgesprochene Dienstfreistellung nicht der Sphäre des AG zuzurechnen sei. Den bisher ergangenen Entscheidungen des OGH liege jeweils zugrunde, dass die vom AG angewendete Maßnahme mit Verordnung normiert gewesen sei. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage wurde die Revision vom OGH zurückgewiesen.

Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Dienstfreistellung vom 10.8.2021 bis 30.11.2021 kommen drei unterschiedliche COVID-19-Verordnungen zur Anwendung, wobei nur für den Zeitraum vom 15.11. bis 30.11.2021 eine Pflicht zur Erbringung eines 3-G-Nachweises beim Betreten von Orten der beruflichen Tätigkeit bestand. Für den Zeitraum 1.11. bis 14.11.2021 bestand eine solche Pflicht, konnte aber auch durch Tragen einer Maske erfüllt werden. Für den restlichen Zeitraum der Dienstfreistellung (10.8. bis 31.10.2021) beruht die 3-G-Pflicht für den Revisionswerber nur auf der AG-Weisung. Für den Zeitraum ab 15.9.2021 eröffnete die Verordnung die Möglichkeit, dass auch hinsichtlich des „Nachweises der geringeren epidemiologischen Gefahr“ (3-G-Regel) über die Verordnung hinausgehende Regelungen „in begründeten Fällen“ vorgesehen werden konnten. Für die Zeit davor bestand eine in der Verordnung vorgesehene Abweichungsmöglichkeit nur für die Pflicht zum Tragen einer Maske und deren Beschaffenheit, und war außerdem an eine Vereinbarung gebunden.

Der Revisionswerber macht in seinem Rechtsmittel zunächst geltend, die – „dem Gesetz widersprechende“ – Dienstfreistellung sei rechtsmissbräuchlich und sittenwidrig. Mit seinem Vorbringen wird jedoch nicht aufgezeigt, dass das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung, die Dienstfreistellung stelle keine Schikane dar, das ihm eingeräumte Ermessen überschritten hätte.290

Auch mit seinem Hinweis, er sei „arbeitsbereit und leistungsbereit“ gewesen, die Weisung der Bekl stelle in Wahrheit eine „einseitige Änderung des Dienstvertrags“ dar, der er nicht zugestimmt habe, zeigt der Revisionswerber nicht auf, aus welchen Gründen, die Weisung der Bekl, am Arbeitsplatz einen 3-G-Nachweis zu erbringen, unzulässig gewesen sein sollte.

Da die Revision sich mit der Frage der Zulässigkeit der Weisung zur Erbringung eines 3-G-Nachweises bei Aufenthalt am Arbeitsplatz auch nicht vor dem Hintergrund der bereits dargestellten einschlägigen Verordnungen auseinandersetzt, die eine solche Verpflichtung insb für den Zeitraum der Dienstfreistellung vom 10.8. bis 31.10.2021 nicht vorsahen, ist dem OGH ein weiteres Eingehen auf die Frage, ob die Weisung auch ohne Grundlage in Gesetz oder Verordnung im konkreten Fall zulässig war, oder ob die Verordnungen als abschließende, strengere Maßnahmen ausschließende Regelungen anzusehen seien, verwehrt.

Anm des Bearbeiters:

Der OGH hatte somit die im oben genannten Titel aufgeworfene Frage nicht abschließend zu beantworten.