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Keine Berücksichtigung von Ruhepausen als Schwerarbeit

ALEXANDERPASZ (WIEN)
  1. Bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV sind echte Ruhepausen zumindest in dem Umfang, in dem sie weder gesetzlich als Arbeitszeit gelten oder in die Arbeitszeit einzurechnen sind, nicht als Zeiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen.

  2. Es stellt keinen Wertungswiderspruch dar, wenn der Verordnungsgeber eine bis zu dreistündige Arbeitsbereitschaft während der Nacht ausdrücklich als Schwerarbeit akzeptiert und gleichzeitig eine Ruhepause nicht zur Arbeitszeit angerechnet wird.

[1] Strittig ist im Revisionsverfahren die Frage, ob die vom Kl verrichtete Tätigkeit als Bäckereischichtarbeiter in bestimmten (weiteren) Monaten, in denen der Kl in der Nacht Schichten leistete, die um 0:00 Uhr begannen und in denen bis 6:00 Uhr eine Ruhepause von einer halben Stunde einzuhalten war, Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ist.

[2] Der Kl arbeitet als Bäcker mit einem Dreischichtmodell. Im Jahr 2012 wurde eine vierte Schicht, als sogenannte „Springerschicht“ eingeführt, um eine problemlose 24-Stunden-Produktion gewährleisten zu können. Der typische Schichtrhythmus des Kl beginnt mit einer Nachtschicht (0:00 Uhr bis 08:00 Uhr), gefolgt von einer Nachmittags- (16:00 Uhr bis 0:00 Uhr) und anschließenden Frühschicht (8:00 Uhr bis 16:00 Uhr). Die konkreten Arbeitszeiten, nicht aber die Schichtsystematik, weichen davon ab. Der Kl konsumiert pro Schicht jeweils eine Pause von einer halben Stunde. In der (hier einheitlich bezeichnet als:) Nachtschicht war diese Pause bis 6:00 Uhr zu konsumieren. Bei Inanspruchnahme von Urlaub musste der Kl – auch wenn er sich während einer Nachtschicht im Urlaub befunden hat – den Dienst mit seinem Vertreter nicht zurücktauschen. Er absolvierte, wie gewohnt, seine Schichten entsprechend dem Schichtrhythmus weiter. In jedem Monat erfolgte zumindest ein Wechsel von Tag- in den Nachtdienst.

[3] Mit Bescheid vom 9.3.2021 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt (Bekl) zum Feststellungszeitpunkt 1.3.2021 fest, dass der Kl 478 Beitragsmonate der Pflichtversicherung – Erwerbstätigkeit und 10 Ersatzmonate, gesamt daher 488 Versicherungsmonate erworben hat. Davon anerkannte die Bekl 37 Versicherungsmonate nach dem 40. Lebensjahr des Kl als Schwerarbeitsmonate iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV, und zwar die Zeiten bzw Monate: [...].

[4] In seiner dagegen erhobenen Klage begehrt der Kl die Feststellung folgender weiterer 72 Monate an Schwerarbeitszeiten gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV: [...].

[5] Telos des Gesetzes sei, dass letztlich die Störung des Biorhythmus (Schlafrhythmus) infolge des regelmäßigen Schichtwechsels Schwerarbeit begründe.

[6] Die Bekl wandte dagegen ein, dass der Kl während der Nachtschichten nicht mindestens 6 Stunden gearbeitet habe, weil er in der Zeit zwischen 0:00 Uhr und 6:00 Uhr eine Pause eingehalten habe.

[7] Das Erstgericht stellte fest, dass der Kl zum Feststellungszeitpunkt 1.3.2021 478 Beitragsmonate der Pflichtversicherung – Erwerbstätigkeit und 10 Ersatzmonate, gesamt 488 Versicherungsmonate erworben habe. Weiters habe er vom 1.7.2005 bis 31.12.2020 Schwerarbeitszeiten gem § 607 Abs 14 ASVG iVm § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV erworben. Die Verordnung verneine das Vorliegen von Schwerarbeit bei überwiegender Arbeitsbereitschaft (mehr als drei Stunden im Rahmen der sechsstündigen Tätigkeit). Das besondere Belastungsmoment liege gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV im Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit; nach diesem Tatbestand komme es nicht entscheidend auf die Ausübung einer konkreten Tätigkeit, sondern auf das Kriterium „Nacht“ an. Qualifiziere die SchwerarbeitsV (nicht überwiegende) Zeiten der Arbeitsbereitschaft als Schwerarbeit, führe das Einhalten der gesetzlich verpflichtend vorgesehenen Mindestpausen von einer halben Stunde zu keiner geringeren Belastung. Eine kurze Arbeitsunterbrechung von einer halben Stunde während einer achtstündigen Schicht, die zumindest sechs Stunden während der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr vorsehe und während derer der AN de facto den Arbeitsplatz nicht verlassen könne, erfülle – um einen Wertungswiderspruch zur Arbeitsbereitschaft zu vermeiden – die Voraussetzungen der SchwerarbeitsV, weil ein belastender Wechsel von Tag- und Nachtschicht vorliege. Dies gelte auch für Zeiten des Urlaubs, in denen – hätte der Kl gearbeitet – fiktiv Schwerarbeit geleistet worden wäre.

[8] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung infolge der Berufung der Bekl teilweise ab. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts im Umfang der Feststellung der bis 1.3.2021 erworbenen Versicherungszeiten des Kl und stellte folgende Monate als Schwerarbeitszeiten fest: [...]. Das Mehrbegehren auf Feststellung weiterer Schwerarbeitsmonate innerhalb des Zeitraums von 1.7.2015 bis 31.12.2020 wies es ab.

[9] Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es einen Wertungswiderspruch darstellte, würde man gerade bei belastender Schwerarbeit die notwendige und gesetzlich vorgeschriebene Pause nicht als Schwerarbeit werten, während eine Arbeitsbereitschaft bis zu drei Stunden Schwerarbeit sei. Ob diese Pause zu entlohnen sei, sei dabei nicht relevant. Dennoch sei die Berufung der Bekl teilweise berechtigt, weil das Erstgericht mehr Schwerarbeitsmonate festgestellt habe, als begehrt worden seien.

[10] Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Bekl, mit der sie die Abweisung der Klage im Umfang der begehrten Feststellung weiterer, von der Bekl nicht anerkannter Schwerarbeitszeiten anstrebt. 395

[11] In der ihm vom OGH freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kl, die Revision zurück- bzw abzuweisen.

[12] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1.1 Vorweg ist auszuführen:

[13] Ausgehend vom wechselseitigen Vorbringen der Streitteile, den von der Bekl im angefochtenen Bescheid, im Verfahren erster Instanz (ON 9) und in der Berufung als Schwerarbeitsmonate anerkannten Zeiten und den Feststellungen des Erstgerichts, ist die begehrte Feststellung von Schwerarbeitszeiten (§ 247 Abs 2 ASVG) noch für folgende Monate strittig: 1.11.2005 bis 31.1.2006, März 2006, 1.5.2006 bis 31.10.2006, 1.1.2007 bis 28.2.2007, 1.4.2007 bis 31.5.2007, 1.7.2007 bis 31.10.2007, September 2009, 1.9.2012 bis 30.11.2012, 1.1.2013 bis 28.2.2013, November 2013, Februar 2014, April 2014, Juli 2014, April 2015, Juni 2015 und Dezember 2015. Die Qualifikation dieser Zeiten hängt nach dem Vorbringen der Parteien im Verfahren und ihren Ausführungen in den Rechtsmittelschriftsätzen von der Frage ab, ob die in den Nachtschichten (in der Regel von 0:00 Uhr bis 8:00 Uhr) bis 6.00 Uhr einzuhaltende Pause von einer halben Stunde den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV verwirklicht, sodass es einer näheren Auseinandersetzung mit den im Einzelnen vom Erstgericht für diese Monate festgestellten – teilweise abweichenden – Arbeitszeiten des Kl nicht bedarf.

[14] 1.2 Das Begehren auf Feststellung des Monats Dezember 2014 als Schwerarbeitszeit wurde vom Berufungsgericht abgewiesen. Diese Abweisung erwuchs unangefochten in Rechtskraft, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[15] 2.1 § 1 SchwerarbeitsV trägt die Überschrift „Besonders belastende Berufstätigkeiten“. § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV lautet:

„§ 1 (1) Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten alle Tätigkeiten, die geleistet werden1. in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), das heißt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt ...“

[16] 2.2 Anders als in Art VII Abs 1 NSchG gilt nach der SchwerarbeitsV reine Nachtarbeit nicht als Belastungsmoment (10 ObS 103/10k SSV-NF 24/58). Wesensmerkmal dieses Tatbestands der SchwerarbeitsV ist der notwendige Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst (10 ObS 39/17h SSVNF 31/27). Dieser Wechsel ist im vorliegenden Fall unstrittig gegeben.

[17] 2.3 § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV stellt nicht auf die nach § 4 SchwerarbeitsV erforderliche Anzahl von Schwerarbeitstagen ab, sondern auf das Vorliegen von lediglich sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, an denen – in einzelnen Schicht- oder Nachtdiensten – unregelmäßige Nachtarbeit geleistet wurde (10 ObS 23/16d SSV-NF 30/30; 10 ObS 104/17t SSV-NF 31/64).

[18] 2.4 In der E 10 ObS 103/10k führte der OGH aus, dass als Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV demnach Tätigkeiten gelten, wenn sie in einem Schicht- oder Wechseldienst erbracht werden, und zwar auch während der Nachtstunden (Zeitraum von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) in einem Umfang von mindestens sechs Stunden. Die tatsächliche Arbeit muss mindestens sechs Stunden dauern und es darf nicht überwiegend Arbeitsbereitschaft vorliegen. Unter „überwiegend“ ist mehr als die Hälfte der Arbeitszeit zu verstehen, dh mindestens drei Stunden Arbeitsbereitschaft sind darunter zu subsumieren. Arbeitsbereitschaft zählt – arbeitsrechtlich gesehen – zwar zur Arbeitszeit, nicht aber als Schwerarbeit. Es ist daher davon auszugehen, dass bei der Nachtarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV die Tätigkeit nicht entscheidend ist. Vielmehr kommt es auf das Kriterium „Nacht“ an. So fallen auch „leichtere“ berufliche Tätigkeiten unter diesen Tatbestand (RIS-Justiz RS0126107). Bei der Beurteilung der Frage, ob Schwerarbeitszeiten iSd SchwerarbeitsV vorliegen, kommt es entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung der vom Versicherten im maßgebenden Zeitraum tatsächlich verrichteten Tätigkeit (vgl 10 ObS 117/16b SSV-NF 30/82) an.

[19] 3.1 Die Revisionswerberin hält ihren Rechtsstandpunkt aufrecht, dass eine Arbeitspause weder Arbeitszeit noch Arbeitsbereitschaft sei, sodass der Kl in den um 0:00 Uhr beginnenden Schichten bis 6:00 Uhr lediglich fünfeinhalb Stunden gearbeitet habe, sodass keine Schwerarbeit vorliege. Dies gelte auch für Zeiten des Urlaubs, da in ihnen keine „fiktive“ Schwerarbeit geleistet worden wäre. Dem kommt Berechtigung zu:

[20] 3.2 Bei der „Schwerarbeitspension“ handelt es sich um eine Form der Alterspension, bei der Zeiten unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen besonders berücksichtigt werden sollen (ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 3 und 9). Schwerarbeitszeiten sind Beitrags- bzw Versicherungsmonate aufgrund von Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden (§ 607 Abs 14 ASVG, § 298 Abs 13a GSVG, § 287 Abs 13a BSVG; ähnlich § 4 Abs 4 APG: Schwerarbeit „unter psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen“). Die Bestimmungen der SchwerarbeitsV stellen zentral auf den Begriff der „Tätigkeit“ ab. Dem grundsätzlichen Zweck der Schwerarbeitspension, eine durch besondere Belastung verursachte verminderte Lebenserwartung auszugleichen, entspricht ein weiteres Verständnis des Begriffs der „Tätigkeit“, das nicht nur Verrichtungen eines bestimmten Berufs, sondern sämtliche vom Versicherten in einem bestimmten Zeitraum tatsächlich (versicherungspflichtig) ausgeübten Verrichtungen umfasst. Zu diesem Ergebnis ist der OGH in der E 10 ObS 64/22t gelangt, in der es – anders als im vorliegenden Fall – um die Frage ging, ob die überschneidende Ausübung mehrerer selbständiger und unselbständiger Tätigkeiten für den Erwerb von Schwerarbeitszeiten zu berücksichtigen sind (vgl RS0132473).

[21] 3.3 Auch für den Erwerb von Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV kommt es daher 396 auf die Ausübung von Tätigkeiten iSd dargestellten Begriffsverständnisses an. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV typischerweise Tätigkeiten erfasst, die im Rahmen unselbständiger Erwerbstätigkeit ausgeübt werden. Mit § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV wollte man das Krankenpflegepersonal „auffangen“, das mangels reinen Nachtdienstes grundsätzlich nicht dem Nachtschwerarbeitsgesetz, BGBl 1981/354 (NSchG) unterfällt (Milisits, Schwerarbeitsverordnung [2007] 22; 10 ObS 118/15y SSV-NF 30/16; 10 ObS 104/17t). Die SchwerarbeitsV wurde in weitgehender Anknüpfung an die einschlägigen Tatbestände des NSchG gestaltet. Auch das NSchG regelte und regelt Schutzmaßnahmen für AN – also unselbständig Erwerbstätige –, die Nachtschicht- Schwerarbeit leisten. Die ursprüngliche politische Zielsetzung war, Menschen, die unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen (unselbständig) erwerbstätig waren, einen vorzeitigen Pensionsanspruch zu eröffnen (Rainer/Pöltner in SV-Komm [307. Lfg] § 4 APG Rz 128 ff; zur nur teilweisen Herleitung des Tatbestands des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV vgl dies, § 4 APG Rz 138).

[22] 3.4 § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV enthält mehrfach Begriffe des Arbeitszeitrechts („Schichtarbeit“, § 4a AZG; „Arbeitszeit“, § 2 AZG; „Arbeitsbereitschaft“, § 5 AZG; „Arbeitstag“, vgl § 20b Abs 4 AZG, § 19 Abs 6 ARG). Auch dies steht im Einklang mit dem Umstand, dass dieser Tatbestand die Schwerarbeit im Wechsel- und Schichtdienst erfasst, der in der Regel von unselbständig Erwerbstätigen ausgeübt wird. Darauf nimmt auch der von den Krankenversicherungsträgern in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der Bekl erarbeitete „Fragen-Antwort-Katalog“ zur Schwerarbeitsverordnung Bezug:

[23] 3.4.1 Die Antwort auf Frage 4, was unter „Arbeitsbereitschaft“ zu verstehen sei, lautet: „Unter Arbeitsbereitschaft versteht man den Aufenthalt an einem vom Dienstgeber bestimmten Ort mit der Verpflichtung zur jederzeitigen Aufnahme der Arbeit im Bereitschaftsfall. Während der Arbeitsbereitschaft selbst wird jedoch keine Tätigkeit ausgeübt.“ Dies entspricht der Rsp zum Begriff der Arbeitsbereitschaft (RS0051351, 9 ObA 77/19t; Pöltner/Pacic, ASVG, Bd 6 [108. Lfg] SchwerarbeitsV Anm 4, unter Zitierung der EB zur Verordnung). Arbeitsbereitschaft ist danach im vollen Ausmaß als Arbeitszeit zu qualifizieren (RS0051351 [T4]). In den Antworten auf Frage 5 werden Beispiele für das Vorliegen einer überwiegenden Arbeitsbereitschaft bei Schicht- und Wechseldienst gegeben.

[24] 3.4.2 Frage 6, ob „Rufbereitschaft“ (§ 20a AZG, § 6a ARG) als Arbeitsbereitschaft bzw als Arbeitszeit gelte, wird mit „Nein“ beantwortet und weiter ausgeführt: „Zeiten der Rufbereitschaft (Dienstnehmer/in befindet sich an einem von ihm/ ihr gewählten Ort) zählen für die Beurteilung von Schwerarbeit im Sinn der SchwerarbeitsV weder als Arbeitszeit noch als Arbeitsbereitschaft“. Auch nach der Rsp besteht Rufbereitschaft darin, dass der AN für den AG lediglich erreichbar sein muss, wobei er seinen Aufenthaltsort selbst wählen und über die Verwendung solcher Zeiten im Wesentlichen frei entscheiden kann (RS0051403 [T1]). Für die Rufbereitschaft ist ein Mischverhältnis zwischen Arbeit und Freizeit charakteristisch (9 ObA 71/04p = DRdA 2006/16 [B. Schwarz]; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 § 20a Rz 12). Die mit der Rufbereitschaft verbundenen – etwa persönlichen oder örtlichen – Einschränkungen können zwar in Verbindung mit der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit des Einsatzes ein derartiges Ausmaß erreichen, dass sich die Rufbereitschaft der Arbeitsbereitschaft annähert (vgl näher Schnittler, Anmerkung zu 8 ObA 61/18f in DRdA 2019/52, 538 [539]). Die bloße Rufbereitschaft ist nach stRsp aber gerade nicht als Arbeitszeit ieS zu werten (RS0021691 [T1]; Heilegger, AZG § 20a Rz 9). Wird – wie dies bei der Rufbereitschaft der Fall ist – die Zeit des AN nicht so weit in Anspruch genommen, dass von einer eigentlichen Dienstleistung oder einer gleichwertigen Tätigkeit gesprochen werden könnte, kann für die betreffende Zeit ein geringeres Entgelt als für die eigentliche Arbeitsleistung und sogar Unentgeltlichkeit vereinbart werden (RS0021656; RS0021667; jüngst ausführlich 8 ObA 4/20a).

[25] 3.5 Die Auslegung einer Verordnung hat nach den §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen. Zunächst ist vom Wortsinn im Zusammenhang der auszulegenden Worte und Sätze mit anderen Worten und Sätzen der betreffenden Gesamtregelung sowie ihrer systematischen Stellung auszugehen. Bei verbleibender zweifelhafter Ausdrucksweise ist der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (RS0008777 [T2]).

[26] Bereits aus dem Wortsinn des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ergibt sich nach dem Dargestellten, dass besonders belastende Berufstätigkeiten nach dieser Bestimmung solche sind, die während einer Arbeitszeit, nämlich zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, im Rahmen eines Schicht- oder Wechseldienstes geleistet werden, sofern in diese Arbeitszeit nicht überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt.

[27] 4.1 Gem § 2 Abs 1 Z 1 AZG ist Arbeitszeit iSd AZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. § 11 Abs 1 AZG normiert, dass die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden beträgt. Ruhepausen sind daher gerade nicht Arbeitszeit (9 ObA 121/08x), sondern sie sind Unterbrechungen der Arbeitszeit zum Zweck der Erholung der AN (RS0102995 ua). Eine Ruhepause ist Freizeit des AN und daher in der Regel nicht in die Arbeitszeit einzurechnen (RS0051930 [T1]). Damit eine Zeit als Ruhepause iSd § 11 Abs 1 AZG anerkannt werden kann, muss sie erstens ihrer Lage nach für den AN vorhersehbar sein, sich also an einer im Vorhinein definierten zeitlichen Position im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung befinden, oder vom AN innerhalb eines vorgesehenen Zeitraums frei gewählt werden können. Sie muss zweitens echte Freizeit sein: Der AN muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können (9 ObA 133/02b; RS0051919 [T3]; RS0102995 [T1]). 397

[28] 4.2 Nach den Feststellungen muss die Ruhepause von einer halben Stunde in der Nachtschicht (0:00 Uhr bis 8:00 Uhr) bis 6:00 Uhr konsumiert werden. Der Kl erreichte in diesen Schichten daher nicht die gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV erforderliche Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr.

[29] 4.2.1 Die Ruhepause darf nach der Rsp nicht am Beginn oder am Ende der Arbeitszeit liegen, sie soll dem Erholungsbedarf gerecht werden und ist spätestens nach einer sechsstündigen Arbeitszeit zu gewähren (9 ObA 102/03w; RS0118915). Dass die zeitliche Lage der Ruhepause mit diesen Vorgaben nicht im Einklang stünde, hat der Kl – zutreffend – nicht behauptet.

[30] 4.2.2 Nach den unbekämpften Feststellungen konsumierte der Kl „echte“ Ruhepausen; die in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts enthaltenen Wertungen, wonach ein AN während einer Nachtpause in der Regel den Arbeitsort nicht verlassen könne, während dies bei einer Mittagspause der Fall sei, sodass eine „de facto“-Anwesenheit „ohne Vorliegen einer überwiegenden Arbeitsbereitschaft“ vorliege, finden in den von ihm getroffenen Feststellungen keine Grundlage.

[31] 4.3 Der von den Vorinstanzen argumentierte Wertungswiderspruch lässt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV nicht begründen:

[32] 4.3.1 Richtig ist, dass unter den Voraussetzungen des § 11 Abs 3 AZG (vollkontinuierliche Schichtarbeit) und § 11 Abs 4 AZG (Nachtschwerarbeit nach dem NSchG) anstelle des in § 11 Abs 1 AZG vorgesehenen Anspruchs auf eine Ruhepause ein Anspruch auf „Kurzpausen“ besteht, wobei diese Kurzpausen gem § 11 Abs 6 AZG „als Arbeitszeit gelten“ (vgl dazu näher Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 § 11 AZG Rz 9 ff). Einer näheren Auseinandersetzung damit bedarf es im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil der Kl Kurzpausen nach diesen Bestimmungen nicht konsumierte.

4.3.2 Die bereits vom Erstgericht zitierte Bestimmung des § 6 Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, BGBl 1996/410 lautet:

„§ 6 (1) Die Arbeitszeit ist durch eine Ruhepause von einer halben Stunde zu unterbrechen. Eine Viertelstunde dieser Ruhepause ist in die Arbeitszeit einzurechnen.(2) Arbeitsbedingte Unterbrechungen und Arbeitsunterbrechungen, die kürzer als eine Viertelstunde dauern, gelten nicht als Ruhepausen.“

[33] Selbst wenn man diese Bestimmung zu Gunsten des Kl so lesen wollte, dass eine Viertelstunde der Ruhepause iSd § 6 Abs 1 Satz 2 BäckAG nicht bloß in die Arbeitszeit einzurechnen, sondern als Arbeitszeit zu behandeln wäre, genügte dies nicht zum Erreichen einer mindestens sechsstündigen Arbeitszeit in den hier strittigen Nachtschichten. Es kann aus diesem Grund dahingestellt bleiben, ob die gem § 6 Abs 1 Satz 2 BäckAG in die Arbeitszeit einzurechnende Ruhepause Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV sein könnte.

[34] 4.3.3 Der entscheidende Unterschied zwischen der in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV vom Verordnungsgeber berücksichtigten Arbeitsbereitschaft und einer (dort nicht genannten) Ruhepause ist wie ausgeführt, dass es sich bei der Arbeitsbereitschaft um – ebenfalls in dieser Bestimmung erwähnte – Arbeitszeit handelt, was bei der Ruhepause nicht der Fall ist. Die Ruhepause dient der Erholung des AN, sie muss echte Freizeit sein: In einer Ruhepause wird daher gerade keine (auch keine „leichte“) Tätigkeit iSd § 1 SchwerarbeitsV ausgeübt. Bei der (Nacht-)Arbeitsbereitschaft liegt nur eine scheinbar vergleichbare Situation zu einer Ruhepause vor, hat sich doch der AN an einem vom AG bestimmten Ort aufzuhalten und muss er bereit sein, die Arbeit jederzeit aufzunehmen. Dem Verordnungsgeber, der bei der Formulierung des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV bewusst Begriffe des Arbeitszeitrechts – insb auch jenen der Arbeitsbereitschaft – verwendete, kann nicht unterstellt werden, dass er die insb auch im AZG enthaltenen Regelungen über Ruhepausen „übersehen“ hätte. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Regelungen des § 11 Abs 3 und 4 AZG im Wesentlichen bereits mit Art III NSchG (damals: § 11 Abs 3 und 5 AZG) geschaffen wurden (vgl BGBl 1981/354). Gerade der Umstand, dass der Verordnungsgeber eine bis zu dreistündige (!) Arbeitsbereitschaft während der Nacht ausdrücklich als Schwerarbeit akzeptiert, weil der eigentlich belastende Moment dieses Tatbestands der Wechsel von Nacht- und Tagdiensten ist, spricht dagegen, dass er „übersehen“ hätte, darüber hinaus auch noch echte Ruhepausen, in denen Freizeit konsumiert wird, als Schwerarbeit zu qualifizieren.

[35] 4.4 Ergebnis: Bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV sind echte Ruhepausen zumindest in dem Umfang, in dem sie weder gesetzlich als Arbeitszeit gelten oder in die Arbeitszeit einzurechnen sind, nicht als Zeiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen.

[36] 5.1 Daraus folgt, dass die vom Kl geleisteten, um 0:00 Uhr beginnenden Nachtschichten, in denen er bis 6:00 Uhr eine Ruhepause von einer halben Stunde konsumierte, keine Schwerarbeitstage iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV begründeten, weil der Kl in diesen Schichten – selbst unter Berücksichtigung der Einrechnung einer Viertelstunde als Arbeitszeit iSd § 6 Abs 1 Satz 2 BäckAG – nicht Tätigkeiten während einer Arbeitszeit von zumindest sechs Stunden ausgeübt hat. Einer weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob in solchen Zeiten während des Urlaubs „fiktiv“ Schwerarbeit geleistet worden wäre (vgl RS0126110), bedarf es daher nicht.

[37] 5.2 Der Revision war daher Folge zu geben. Der angefochtene Bescheid war in dem Umfang wiederherzustellen, in dem 37 Monate als Schwerarbeitsmonate von der Bekl anerkannt wurden. Die Bekl anerkannte weitere 40 Monate als Schwerarbeitsmonate im Verfahren erster Instanz (ON 9). Von diesen waren allerdings lediglich 39 Monate als weitere Schwerarbeitszeiten festzustellen, weil die Feststellung des von der Bekl anerkannten Monats Februar 2009 als Schwerarbeitszeit vom Kl weder in der Klage noch im Verfahren erster Instanz begehrt wurde. Schließlich waren die in der Berufung 398 der Bekl anerkannten Monate August 2006 und Mai 2014 als weitere Schwerarbeitsmonate festzustellen. Das Mehrbegehren auf Feststellung der weiteren, von der Bekl bestrittenen und bereits dargestellten Schwerarbeitsmonate war hingegen abzuweisen. [...]

ANMERKUNG
1.
Grundsätzliches

Der OGH behandelt in der gegenständlichen E den Schwerarbeitstatbestand des Schicht- oder Wechseldienstes mit unregelmäßiger Nachtarbeit gem § 1 Abs 1 Z 1 der Verordnung der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten (SchwerarbeitsV). In dieser VO regelt der Verordnungsgeber, unter welchen psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen gearbeitet werden muss, damit Versicherte Schwerarbeitszeiten iSd § 4 Abs 3 APG zurücklegen und in weiterer Folge die privilegierten Konditionen der Schwerarbeitspension in Anspruch nehmen können. Diese liegen einerseits darin, dass Versicherte bereits mit 60 Jahren die Pension antreten können. Andererseits liegen die Vorteile der Schwerarbeitspension in den – im Vergleich zu anderen vorzeitigen Alterspensionen, wie insb der Korridorpension gem § 4 Abs 2 APG – niedrigeren Abschlägen im Ausmaß von 1,8 % p.a. vor dem Regelpensionsalter. Es erfolgt somit pensionsrechtlich eine Honorierung der geleisteten Schwerarbeit des Versicherten.

Zur Inanspruchnahme der Schwerarbeitspension müssen neben der oben erwähnten Vollendung des 60. Lebensjahres zusätzlich 540 Versicherungsmonate (45 Jahre) vorliegen. Dabei sind innerhalb der letzten 240 Kalendermonate (20 Jahre) vor dem Stichtag mindestens 120 Schwerarbeitsmonate (10 Jahre) zu erwerben. Gem § 4 SchwerarbeitsV ist ein Schwerarbeitsmonat jeder Kalendermonat, in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 leg cit zumindest in jenem Ausmaß ausgeübt wurden, das einen Versicherungsmonat iSd § 231 Z 1 lit a ASVG begründet. Dies bedeutet, dass die PV des entsprechenden Dienstverhältnisses zumindest an 15 Tagen im Monat bestanden haben muss.

Die SchwerarbeitsV listet in § 1 Abs 1 taxativ sechs Tatbestände auf, die zu einer Schwerarbeitspension führen können. Neben dem, in der gegenständlichen E relevanten Tatbestand des Schicht- oder Wechseldienstes mit unregelmäßiger Nachtarbeit (Z 1) existieren weiters noch die Schwerarbeitstatbestände der Hitze- oder Kälte-Exposition (Z 2), der chemischen oder physikalischen Einflüsse (Z 3), der körperlichen Schwerarbeit (Z 4), der berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen (Z 5) sowie des Schwerarbeitstatbestands einer Tätigkeit bei gleichzeitiger Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % sowie Bezug der Pflegegeldstufe 3 (Z 6). Diese Tatbestände können nicht nebeneinander kumuliert werden. Einzig innerhalb des Tatbestands der körperlichen Schwerarbeit gem § 1 Abs 1 Z 4 SchwerbeitsV können seit einer Judikaturwende des OGH (13.9.2022, 10 ObS 51/22f) mehrere Tätigkeiten zur Überschreitung der notwendigen Arbeitskilokaloriengrenze in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV zusammengezählt werden.

Inhaltlich orientiert sich die SchwerarbeitsV am Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG). Sie wurde nach arbeitsmedizinischer und berufskundlicher Expertise sowie ausgiebigen Verhandlungen der Sozialpartner erstellt. Hierzu enthält § 4 Abs 4 SchwerarbeitsV die Bestimmung, dass bei der Festlegung, unter welchen psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen Schwerarbeit in einem Kalendermonat verrichtet wird, der Verordnungsgeber auf einen gemeinsamen Vorschlag der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen der pensionsversicherten Erwerbstätigen Bedacht zu nehmen hat.

1.1.
Schicht- oder Wechseldienst mit unregelmäßiger Nachtarbeit als Schwerarbeit

Nach § 1 Abs 1 Z 1 der SchwerarbeitsV wird Schicht- oder Wechseldienst mit unregelmäßiger Nachtarbeit als Schwerarbeit gewertet, soweit es sich dabei um Tätigkeiten handelt, „die geleistet werden in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), das heißt zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt“.

Anspruchsvoraussetzung ist daher, dass im Kalendermonat zumindest sechs Nachtschichten verrichtet werden, wobei als Nachtschicht eine Tätigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Stunden zwischen 22:00 und 06:00 Uhr definiert wird. Während dieses (als Arbeitszeit) angeführten Zeitraums darf keine überwiegende Arbeitsbereitschaft verrichtet werden. Überwiegend ist die Arbeitsbereitschaft dann, wenn sie in mehr als der Hälfte der Arbeitszeit anfällt.

Der in der Bestimmung angeführte Begriff der unregelmäßigen Nachtarbeit unterstreicht das Wesensmerkmal des Tatbestands und bedeutet, dass im Monat zumindest ein Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst vorhanden sein muss. Dies ist auch der telos der Bestimmung. Eine Störung des Bio- bzw Schlafrhythmus aufgrund eines wechselnden Schichtdienstes, der Nachtdienste inkludiert, soll Schwerarbeit sein. Reine Nachtarbeit wird damit nicht unter den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV subsumiert, da der notwendige Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst fehlt (OGH 27.10.2010, 10 ObS 103/10k). Diese kann jedoch von Art VII Abs 1 NSchG aufgefangen werden, der zu einem Anspruch auf Sonderruhegeld – einer eigenen Pensionsart – führen kann. Nicht entscheidend ist beim Tatbestand § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV jedenfalls, welche Tätigkeit konkret ausgeübt wird. Auch leichte Tätigkeiten können daher unter diesen Tatbestand fallen. Schicht- oder Wechseldienst setzt anlehnend 399 an das NSchG einen periodisch wiederkehrenden Dienstplan, der regelmäßig im Voraus erstellt wird, voraus (vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm [Stand 1.7.2022, rdb.at] § 4 APG Rz 136).

2.
Anrechnung der Ruhepausen für die notwendige Arbeitszeit von sechs Stunden?

In der gegenständlichen E setzte sich der OGH mit der Frage auseinander, ob Ruhepausen zur Arbeitszeit der Nachtschicht innerhalb des Tatbestands des Schicht- oder Wechseldienstes mit unregelmäßiger Nachtarbeit gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV zu berücksichtigen sind. Der zugrunde liegende Sachverhalt der E betraf einen Bäcker, der in einem Dreischichtmodell arbeitete. Seine Nachtschicht lag im Zeitraum von 0:00 bis 08:00 Uhr. In dieser Schicht konsumierte der Kl auch eine gesetzlich verpflichtende Pause im Ausmaß von einer halben Stunde zwischen 0:00 und 06:00 Uhr. Der OGH entschied, dass dadurch der Kl die gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV erforderliche Arbeitszeit von sechs Stunden im relevanten Zeitraum von 22:00 bis 06:00 Uhr nicht erreichte, da die Ruhepause nicht zur Erfüllung der notwendigen sechs Stunden berücksichtigt werden darf.

Argumentativ hielt sich der OGH streng am Wortlaut der Regelung. Der Verordnungsgeber führt zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV abschließend in der Bestimmung ausdrücklich den Begriff der Arbeitszeit für die notwendige sechsstündige Tätigkeit zwischen 22:00 und 06:00 Uhr an. Den Bestimmungen der §§ 6 und 7 ABGB zufolge ist bei der Interpretation einer Rechtsvorschrift zunächst vom Wortsinn im Zusammenhang der auszulegenden Worte und Sätze mit anderen Worten und Sätzen der betreffenden Gesamtregelung sowie ihrer systematischen Stellung auszugehen. Bei verbleibender zweifelhafter Ausdrucksweise ist der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (RS0008777 [T2]). Dadurch griff der OGH auf die arbeitsrechtliche Definition der Arbeitszeit in § 2 Abs 1 Z 1 AZG zurück. Diese Bestimmung enthält die Definition, dass die Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen ist. Damit ist die Ruhepause keine Arbeitszeit, sondern Freizeit des AN (Schrank, Arbeitszeitgesetze Bd I, § 11 AZG Rz 2 mwN ua). Die Ruhepause dient dem Zweck der Erholung des AN. § 11 AZG normiert, dass die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden beträgt. Zur Anerkennung als Ruhepause ist gem Rsp notwendig, dass die Ruhepause ihrer Lage nach für den AN vorhersehbar sein muss und andererseits muss diese Zeit dem AN frei zur Verfügung stehen. Beide Voraussetzungen wurden gem den Feststellungen in der E unstrittig erfüllt. Der Rückgriff auf die Bestimmung des AZG durch den OGH geschah insb aufgrund der Tatsache, dass in der SchwerarbeitsV auch andere arbeitsrechtliche Begriffe, wie Schichtarbeit gem § 4a AZG, Arbeitsbereitschaft gem § 5 AZG und Arbeitstag gem § 20b Abs 4 AZG Eingang in die VO gefunden haben. Im Hinblick auf die (teilweise) Berücksichtigung von Arbeitsbereitschaft in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV führt der OGH zudem aus, dass in einem von den Krankenversicherungsträgern und dem Sozialminister (= Verordnungsgeber) ausgearbeiteten „Fragen-Antwort-Katalog“ zur SchwerarbeitsV, Zeiten einer Rufbereitschaft bei der Beurteilung von Schwerarbeit weder als Arbeitszeit noch als Arbeitsbereitschaft zu zählen sind. Die bloße Rufbereitschaft sei – im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft – nach stRsp nicht als Arbeitszeit ieS zu werten. Damit bekräftigte der OGH die arbeitsrechtliche Auslegung des Begriffs der Arbeitszeit in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV. Dieses Argument kann mE nicht gänzlich überzeugen. Der Ausschluss der Rufbereitschaft im erwähnten Katalog könnte nämlich auch aufgrund des Regelungszwecks des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV geschehen sein, da sich bei einer Rufbereitschaft die gesundheitliche Belastung geringer darstellt. Der AN kann sich bei dieser schließlich an einem von ihm bestimmten Ort aufhalten bzw schlafen.

Die Auslegung der Arbeitszeit in der SchwerarbeitsV nach der arbeitsrechtlichen Bestimmung des AZG wäre mE nicht zwingend geboten gewesen. Unterschiedliche Gesetze können einem unterschiedlichem Begriffsverständnis folgen (Kodek in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 6 Rz 62 [Stand 1.7.2015, rdb. at]; RS0008882 [T1]). Eine eigene, von der arbeitsrechtlichen Auslegung unabhängige Interpretation der Bestimmung der Arbeitszeit in § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV, dass sie die Ruhepause mitumfasst, wäre jedenfalls möglich gewesen, da der äußerst mögliche Wortsinn nicht überschritten wird.

2.1.
Entscheidungen der Vorinstanzen – Wertungswiderspruch zur Arbeitsbereitschaft?

Die Vorinstanzen rechneten die vom Kl verrichtete Ruhepause noch zur notwendigen sechsstündigen Arbeitszeit an. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht sahen in der Nichtanrechnung einen Wertungswiderspruch zur Arbeitsbereitschaft, die – soweit sie nicht im überwiegenden Ausmaß besteht – ausdrücklich für die notwendige sechsstündige Tätigkeit gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV angerechnet wird. Die zugrundeliegende Argumentation der Vorinstanzen betraf den telos der Bestimmung. Der Zweck des Tatbestands des § 1 Abs 1 Z 1 leg cit betreffe den belastenden Tag- und Nachtwechsel und diese Belastung sei durch das Einhalten einer gesetzlich verpflichtend vorgesehenen Ruhepause von einer halben Stunde beim Kl nicht in einem geringeren Ausmaß gegeben. Durch die Anrechnung der Ruhepause zur Arbeitszeit war das Ergebnis der Vorinstanzen daher, dass weit mehr Schwerarbeitsmonate festgestellt werden konnten als ursprünglich von der Bekl bescheidmäßig zugesprochen.

Das Argument des Wertungswiderspruch ist meiner Meinung nach überzeugend. Auch wenn der AN – im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft – in einer Ruhepause Freizeit konsumiert, kann er 400 während dieses kurzen Zeitraums kaum die negativen Auswirkungen des Schlafrhythmuswechsels abmildern. Hingegen ist es vorstellbar, dass der AN während der Arbeitsbereitschaft zu Schlaf kommt, auch wenn er sich an einem vom AG bestimmten Ort – bspw im Ruheraum eines Betriebs – aufzuhalten hat. Die gesundheitliche Belastung durch den Tag-/Nachtwechsel ist bei einer halbstündigen Ruhepause während einer Arbeitsschicht in einem größeren Ausmaß vorhanden als bei einer bis zu dreistündigen Arbeitsbereitschaft. Es stellt einen Widerspruch dar, die Arbeitsbereitschaft grundsätzlich als Schwerarbeit zu werten und die (gesetzlich vorgeschriebene) Pause nicht.

Der OGH verwarf die teleologische Interpretation der Vorinstanzen mit der oben ausgeführten arbeitsrechtlichen Interpretation des Begriffs der Arbeitszeit. Der Verordnungsgeber habe bei der Formulierung des Schicht- oder Wechseldienstes mit unregelmäßiger Nachtarbeit als Schwerarbeit bewusst Begriffe des Arbeitsrechts verwendet und kann ihm nicht unterstellt werden, dass er die ebenfalls im AZG geregelten Ruhepausen bei der Schaffung dieses Tatbestands übersehen hätte. Es kann mE jedoch nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber sich bewusst arbeitsrechtlicher Begriffe des AZG, zusammen mit ihrer Interpretation, in der SchwerarbeitsV bedient hat. Die Begriffe Arbeitstag, Arbeitszeit oder Arbeitsbereitschaft, die in der SchwerarbeitsV angeführt werden, haben schließlich per se keine exklusive arbeitsrechtliche Bedeutung.

3.
Resümee

Bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV sind somit echte Ruhepausen zumindest in dem Umfang, in dem sie weder gesetzlich als Arbeitszeit gelten oder in die Arbeitszeit einzurechnen sind, nicht als Zeiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen. Versicherte müssen somit zum Erwerb einer Nachtschicht für einen Schwerarbeitsmonat des Schicht- oder Wechseldienstes mit unregelmäßiger Nachtarbeit als Schwerarbeit zumindest sechs Stunden effektive Arbeitszeit – ohne Ruhepausen oder überwiegende Arbeitsbereitschaft – im Zeitraum von 22:00 bis 06:00 Uhr zurücklegen. Kritisch in der E bleibt die Tatsache, dass die vom Verordnungsgeber beabsichtigte pensionsrechtliche Honorierung einer Tätigkeit, die eine Störung des Bio- bzw Schlafrhythmus mit sich bringt, außer Betracht bleibt. Es erscheint nicht nachvollziehbar zu sein, dass der belastende Wechsel von Tag- und Nachtdienst aufgrund der Ruhepause in einem geringeren Ausmaß besteht. Zudem führt die Nichtanrechnung der Ruhepause zu dem, von den Vorinstanzen festgestellten Wertungswiderspruch im Hinblick auf die ausdrückliche Anrechnung der Arbeitsbereitschaft als Schwerarbeit im Schwerarbeitstatbestand. Gute Gründe hätten somit dafür gesprochen, die Arbeitszeit gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV dahingehend (teleologisch) auszulegen, dass sie eine Ruhezeit inkludiert.