DäublerDer Schulungsanspruch des Betriebsrats sowie des Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung

Verlag Franz Vahlen, München 2022, 232 Seiten, kartoniert, € 49,–

MAGDALENAMISSBICHLER

Die Aneignung bzw der Besitz von bestimmten Kenntnissen bestimmt in vielerlei Hinsicht den Erfolg (oder aber auch Nichterfolg) jeglichen Handelns. Auch Betriebsräte, die das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen AN und AG durch die kollektivierte Vertretung der AN-Interessen ausgleichen sollen, benötigen zur Diskussion auf Augenhöhe mit dem AG und damit zur Durchsetzung ebendieser Interessen ein gewisses (Fach-)Wissen, über das der „einfache“ AN wohl idR nicht verfügt. Schließlich sind Betriebsräte und ihre Mitglieder nicht zuletzt aufgrund der weit gefassten Interessenvertretungsaufgabe gem § 38 Abs 1 ArbVG mit einem ebenso weiten Tätigkeitsfeld befasst, das im Besonderen (arbeits-)rechtliche Aspekte, aber eben nicht nur diese, umfasst. Umso wichtiger erscheint es deshalb, Betriebsratsmitgliedern einen gesetzlich abgesicherten Anspruch auf die Möglichkeit des Erwerbs von diesbezüglichen Kenntnissen einzuräumen, der sich im österreichischen Recht in den §§ 118 und 119 ArbVG (iVm §§ 33, 34 BRGO), der Rechtsgrundlage für die sogenannte „Bildungsfreistellung“, sowie im generellen Freistellungsanspruch gem § 116 ArbVG wiederfindet.

Däubler widmet sich in dem hier zu besprechenden Werk ausführlich, praxisnah und verständlich der korrespondierenden Rechtslage hinsichtlich des Schulungsanspruches nach § 37 Abs 6 bzw 7 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes (dBetrVG). Erstere Bestimmung legt dabei eine Gleichstellung der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die für die Arbeit des BR erforderlich sind, mit der allgemeinen Betriebsratsarbeit (gem § 37 Abs 2 dBetrVG) fest und normiert damit maW einen (zeitlich unbefristeten) Freistellungsanspruch für erforderliche Weiterbildungen, deren Kosten (zB Reisekosten, Kursgebühren) aufgrund der Anordnung in § 40 dBetrVG durch den AG zu tragen sind (S 89 ff). § 37 Abs 7 dBetrVG gewährt im Unterschied dazu einen Individualanspruch eines jeden Betriebsratsmitglieds auf bezahlte Freistellung im Ausmaß von (grundsätzlich) drei Wochen – hier besteht also lediglich ein Entgeltfortzahlungsanspruch, aber kein solcher auf Aufwandsersatz. Während Abs 6 aber die Erforderlichkeit der Weiterbildung für die Betriebsratsarbeit voraussetzt, genügt im Rahmen des Abs 7 eine diesbezügliche „Geeignetheit“, die aber wiederum behördlich anerkannt sein muss.

Diese Zweiteilung (und die damit in Verbindung stehenden Kriterien) nutzt der Autor in weiterer Folge auch im Wesentlichen für die Gliederung des vorliegenden Werkes: Während sich der erste Teil mit den „erforderlichen“ Inhalten der praktisch wohl relevanteren Seminare nach § 37 Abs 6 dBetrVG, deren Dauer, 435 Teilnehmerzahl, Zeitpunkt und den damit zusammenhängenden Kostenfragen und Betriebsratsbeschlüssen beschäftigt, folgen in den anschließenden Kapiteln Erörterungen zu Seminarbesuchen nach § 37 Abs 7 dBetrVG, den konkret anspruchsberechtigten Personen sowie den Sonderbestimmungen hinsichtlich des Personalrats wie der Schwerbehindertenvertretung. Zu guter Letzt gibt der Autor den Leser:innen (und damit sind wohl hauptsächlich Betriebsratsmitglieder angesprochen) zusätzliche Formulierungsvorschläge für die zuvor näher dargestellten Beschluss- und Informationserfordernisse, die der Empfehlung des Autors, ohne „besonderen Grund, sich zu beklagen“, einen „freundlich-sachlichen Ton“ anzuschlagen sehr gerecht werden.

Fraglich erscheint, inwieweit die für die deutsche Leser:innenschaft ausgelegten Ausführungen Däublers auch für die österreichische Konzeption der Bildungsfreistellung und in deren Rahmen auftretende Fragen übertragen werden könnten. Hierzu lässt sich zunächst festhalten, dass auch das österreichische Recht im Grunde eine Zweiteilung des Freistellungssystems kennt. Unterschieden werden schließlich jene, die gem § 116 ArbVG zur Erfüllung der Obliegenheiten der Betriebsratsmitglieder erforderlich, und solche, die unter § 118 ArbVG zu subsumieren sind. Erstere Freistellungsansprüche erfassen jedoch unter Berücksichtigung der korrespondierenden Regelung in § 32 BRGO und der Judikatur des OGH nur Veranstaltungen, die „unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener und in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Betriebsrates fallender Angelegenheiten“ dienen (vgl OGH4 Ob 118/76 ZAS 1977/26, 183 [Schön]), was über- wie außerbetriebliche Aktivitäten ausschließt (vgl Köck, Betriebsratstätigkeit und Arbeitspflicht [1991] 143). Zweitere Freistellungskategorie nach § 118 ArbVG soll den Mitgliedern des BR ermöglichen, sich jene Kenntnisse anzueignen, die sie für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit benötigen. Konkretisiert durch § 33 Abs 1 BRGO fallen darunter etwa Veranstaltungen, welche die allgemeine Ausbildung der Betriebsratsmitglieder vertiefen und erweitern (so zB Einführung in die Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung; Kenntnisse/Fertigkeiten in der Rhetorik, Gesetzeshandhabung etc).

Damit unterscheidet sich die Rechtslage hinsichtlich der möglichen Inhalte von Schulungs- bzw Bildungsveranstaltungen zwar in einer fehlenden ausdrücklichen Gleichstellung der Betriebsratsarbeit mit für diese „erforderlichen“ Schulungen. Dennoch lassen sich die in § 116 ArbVG inhaltlich mitumfassten Schulungsansprüche – wenn auch nicht vollumfänglich – in einigen wesentlichen Punkten mit jener nach § 37 Abs 6 dBetrVG gleichstellen. So erläutert Däubler im Zusammenhang mit nach dieser Regelung zulässigen Schulungen für „erforderliches Spezialwissen“ schließlich die Rsp des deutschen Bundesarbeitsgerichts, das eine solche „Erforderlichkeit“ dann bejaht, wenn die durch die Schulung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten „unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt werden,“ um aktuelle oder künftige Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können (vgl S 26 f). Das somit aufgestellte Kriterium des unmittelbaren Betriebsbezugs erscheint daher auch für die österreichische Rechtslage übertragbar, soweit die Betriebsbezogenheit ausreichend konkret und der betroffene Themenkomplex von der Interessenvertretungsaufgabe des BR nach den Regelungen des ArbVG gedeckt ist.

Abseits der Thematik des zulässigen Inhalts der Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen für Betriebsräte erweist sich etwa die (Streit-)Frage nach der diesbezüglichen Kostentragung als für die betriebliche Praxis problematisch (S 77). Gerade in diesem Punkt wird die Diskrepanz zwischen österreichischem und dem von Däubler hier dargestellten deutschem Recht aber besonders deutlich. Während schließlich nach § 40 dBetrVG der AG für die Kosten der Betriebsratsarbeit (und damit auch für Schulungen iSd § 37 Abs 6 dBetrVG) aufkommen muss, legt § 72 ArbVG lediglich eine Verpflichtung zur Beistellung von Sacherfordernissen fest. MaW ist die Kostentragungspflicht nach der österreichischen Rechtslage nicht allein dem AG auferlegt, sondern wird auf diesen und die Belegschaft (in Form der Bestreitung der Geschäftsführungskosten durch den Betriebsratsfonds gem § 73 ArbVG) aufgeteilt. Während also für den Bereich der Entgeltfortzahlung zT durchaus auf die Ausführungen Däublers auch im österreichischen Kontext zurückgegriffen werden kann (nach deutschem Recht gilt ebenfalls das Lohnausfallsprinzip; vgl S 77 f), wird die Frage nach der Kostentragung (S 88 f bzw S 152 f) für die fragliche Veranstaltung selbst bzw mit dem Besuch verbundene Aufwendungen in Österreich aufgrund des Konstrukts des Betriebsratsfonds grundlegend anders zu beurteilen sein.

Insgesamt ist dem Autor mit dem vorliegenden Werk aber eine beeindruckende Sammlung und Erörterung aller relevanten Fragestellungen gelungen, die Betriebsratsmitglieder (zwar vorwiegend und konkret in Deutschland, aber grundlegend auch in Österreich) in Zusammenhang mit fortbildungsbedingten Freistellungen beschäftigen könnten. Damit kann die Lektüre (unter ausdrücklichem Hinweis auf einige bestehende Unterschiede im österreichischen Recht) auch den hiesigen Interessenvertreter:innen durchaus empfohlen werden. 436