Die Bildschirmbrille im Arbeitnehmer:innenschutzrecht

PETRASTREITHOFER

Ein Anspruch von AN auf eine Bildschirmbrille besteht, wenn Bildschirmarbeit iSd des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) und der Bildschirmarbeitsverordnung (BS-V) vorliegt und eine Augenuntersuchung die Notwendigkeit einer speziellen Sehhilfe für die Bildschirmarbeit ergibt. Der EuGH hat zuletzt Klarstellungen zur Eigenschaft als Bildschirmbrille und zum Kostenersatz durch AG getroffen.

1.
Rechtsgrundlagen für den Anspruch auf eine Bildschirmbrille
1.1.
Bildschirmarbeit und besondere Maßnahmen

Der Schutz von Sicherheit und Gesundheit bei Bildschirmarbeit ist in §§ 67 und 68 ASchG geregelt. Mit diesen Bestimmungen wurde die RL 90/270/EWG über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten im österreichischen Recht umgesetzt. §§ 67, 68 ASchG werden durch die BS-V konkretisiert.*

Grundvoraussetzung für Ansprüche iZm Bildschirmarbeit ist die Verwendung eines Bildschirmgeräts iSd § 67 Abs 1 erster Satz ASchG: Als solches gilt „eine Baueinheit mit einem Bildschirm zur Darstellung alphanumerischer Zeichen oder zur Grafikdarstellung, ungeachtet des Darstellungsverfahrens“. Darunter fallen nach der Rsp des EuGH zur RL 90/270/EWG auch Bildschirme, auf denen analoge oder digitale Filmaufnahmen dargestellt werden.*

Nach § 68 Abs 3 ASchG sind besondere Maßnahmen zu treffen, wenn AN ein Bildschirmgerät „bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit“ benutzen. Ein „nicht unwesentlicher Teil“ liegt gem § 1 Abs 4 BS-V vor, wenn AN durchschnittlich ununterbrochen mehr als zwei Stunden oder durchschnittlich (mit Unterbrechungen) mehr als drei Stunden ihrer Tagesarbeitszeit Bildschirmarbeit iSd § 67 Abs 1 zweiter Satz leisten.* Bildschirmarbeit liegt nach § 67 Abs 1 zweiter Satz bei Arbeitsplätzen vor, „bei denen das Bildschirmgerät und die Dateneingabetastatur oder sonstige Steuerungseinheit sowie gegebenenfalls ein Informationsträger eine funktionale Einheit bilden“. Darunter fallen insb alle Arten von Computern einschließlich tragbarer Datenverarbeitungsgeräte, aber auch Geräte wie analoge Filmschneideplätze.* Sind diese Voraussetzungen erfüllt, umfassen die besonderen Maßnahmen gem § 68 Abs 3 Bildschirmpausen bzw Tätigkeitswechsel, Augenuntersuchungen und spezielle Sehhilfen. Diese Maßnahmen werden im 3. Abschnitt der BS-V konkretisiert, dessen Anwendbarkeit nach § 1 Abs 2 BS-V an § 67 Abs 1 ASchG anknüpft. Eine fachärztliche Untersuchung und Verordnung ist Voraussetzung, um den Anspruch auf die spezielle Sehhilfe geltend zu machen.

Bei Bildschirmarbeit im Rahmen von Telearbeit ist zu beachten: § 68 Abs 7 ASchG lässt bei den Regelungen für Bildschirmarbeit außerhalb der Arbeitsstätte § 68 Abs 3 ASchG mit den besonderen Maßnahmen unerwähnt. Dennoch kann ein Anspruch auf Grund der allgemeinen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des AG nach § 1157 Abs 1 ABGB bzw § 18 Abs 1 AngG, wonach der AG auf seine Kosten für den Gesundheitsschutz der AN zu sorgen hat, argumentiert werden.* Stellt der AG den Sehbehelf nicht in natura zur Verfügung, könnte der Anspruch auf Kostenersatz auf § 1014 ABGB gegründet werden. Der VwGH* leitet den Anspruch hingegen direkt aus §§ 67, 68 B-BSG ab, die inhaltlich §§ 67, 68 ASchG gleichen. Der VwGH orientiert sich bei der Auslegung am Wortlaut des § 68 Abs 3 B-BSG und stützt sich insb auf die teleologische Erwägung, wonach es nicht als sachlich angesehen werden könnte, dass ein Landeslehrer, der zulässigerweise für dienstliche Zwecke ein privates Bildschirmgerät zu Hause benützt, bei der Erlangung einer notwendigen Sehhilfe schlechter gestellt wird als ein solcher, der ein vom DG zur Verfügung gestelltes Gerät bzw ein in der Schule befindliches Gerät für dieselben Zwecke verwendet. Dafür spreche auch eine unionsrechtskonforme Auslegung, da § 68 Abs 3 B-BSG der Umsetzung des Art 9 der RL 90/270/EWG dient. Dem VwGH ist beizupflichten, dass eine Differenzierung des Anspruchs nach dem Arbeitsort nicht sachgerecht erscheint. Rechtspolitisch wäre es wünschenswert, dass die §§ 67, 68 ASchG im Hinblick auf Telearbeit grundsätzlich novelliert werden – samt Klarstellung, dass die besonderen Maßnahmen des § 68 Abs 3 ASchG bei auswärtigen Arbeitsstellen anwendbar sind.273

1.2.
Augenuntersuchung

AG müssen nach § 68 Abs 3 Z 2 ASchG iVm § 11 Abs 1 bis 3 BS-V bei Bildschirmarbeit eine Untersuchung der Augen und des Sehvermögens (Überprüfung der Sehschärfe und Untersuchung des sonstigen Sehvermögens) anbieten und die Kosten dafür tragen. Die Untersuchung muss vor Aufnahme der Tätigkeit, in Abständen von drei Jahren und bei Auftreten von Sehbeschwerden, die auf Bildschirmarbeit zurückgeführt werden können, angeboten werden. AN können für diese freiwillige Untersuchung Augenfachärzt:innen, Fachärzt:innen für Arbeitsmedizin, Arbeitsmediziner:innen oder Augenoptiker:innen mit Meisterprüfung in Anspruch nehmen. Letztere dürfen allerdings nur die Sehschärfe überprüfen. Erweist sich nach dieser ersten Untersuchung eine augenfachärztliche Untersuchung als erforderlich, müssen AG diese gem § 68 Abs 3 Z 3 ASchG iVm § 11 Abs 4 BS-V ermöglichen.

1.3.
Anforderungen an eine Bildschirmbrille

Gem § 68 Abs 3 Z 4 ASchG iVm § 12 Abs 1 BS-V gilt: Ergeben die Untersuchungen nach § 68 Abs 3 Z 2 ASchG iVm § 11 Abs 1 und 4 BS-V, dass spezielle Sehhilfen für die Bildschirmarbeit notwendig sind, weil normale Sehhilfen nicht verwendet werden können, müssen AN spezielle Sehhilfen vom AG zur Verfügung gestellt werden. Der österreichische Gesetzgeber hat sich bei dieser Bestimmung eng an den Wortlaut des Art 9 Abs 3 der RL 90/270/EWG gehalten. Augenfachärzt:innen können einen Verordnungsschein für eine spezielle Hilfe, idR eine Bildschirmbrille, ausstellen.

Die spezielle Sehhilfe unterscheidet sich von einer normalen Sehhilfe, wie sie etwa zur allgemeinen Korrektur von Fehlsichtigkeit oder Augenfehlstellungen eingesetzt wird, dadurch, dass sie gem § 12 Abs 1 BS-V auf die Arbeitsdistanz zum Bildschirm und gegebenenfalls zu Belegen abgestimmt ist. Als Arbeitsdistanz zum Bildschirm ist idR von 50 cm bis 75 cm auszugehen.* Weitere Anforderung an die spezielle Sehhilfe ist, dass sie auf die individuellen körperlichen Gegebenheiten und pathologischen Befunde der AN abgestimmt sein muss. So können etwa bei Fehlstellungen der Augen auch kostspieligere Gläser erforderlich sein. Die Gläser müssen laut § 12 Abs 1 BS-V entspiegelt, dürfen aber nicht getönt sein. Ein Blaulicht-Filter* fällt jedenfalls nicht unter die Anforderungen an die Ausstattung einer Bildschirmbrille.

Je nach Arbeitsplatz kommen gem § 12 Abs 2 BS-V für die Bildschirmbrille folgende Gläserqualitäten in Betracht: Einstärkengläser, die rein auf die Arbeitsdistanz zum Bildschirm abgestimmt sind und der Regelfall bei Bildschirmarbeitsbrillen sind. Möglich sind aber auch Mehrstärkengläser. Das können Bifokalgläser sein, die sowohl die Distanz zum Bildschirm als auch zu Belegen abdecken und so einen raschen Blickwechsel ermöglichen. Ist im Arbeitsauflauf zusätzlich auch das Fokussieren von Personen oder Objekten in weiterer Distanz notwendig, können auch Trifokal- oder Multifokalgläser mit besonders breitem Korridor zur Arbeitsdistanz zum Bildschirm, die zusätzlich auch noch Fernsicht abdecken, verschrieben werden.* Die ärztliche Anamnese muss somit auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes einbeziehen, um die notwendige Glasqualität festlegen zu können.

Bei der Auswahl der Brille ist darauf zu achten, dass diese zweckmäßig ist und gleichzeitig möglichst zu keinen Beeinträchtigungen oder Belastungen der AN führt.* Dabei sind Größe und Gewicht der Brille zu berücksichtigen, die Fassung darf nicht drücken etc.

1.4.
Kostentragung

Art 9 Abs 4 der RL 90/270/EWG sieht vor, dass die Kosten für Untersuchungen und die spezielle Sehhilfe nicht zu einer finanziellen Mehrbelastung der AN führen dürfen, diese Wortwahl findet sich auch in § 68 Abs 4 ASchG.* Nach Art 9 Abs 5 der RL kann der Schutz der Augen und des Sehvermögens der AN Bestandteil eines nationalen Gesundheitssystems sein. Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie diese besonderen Maßnahmen bei Bildschirmarbeit als AG-Pflichten oder im Rahmen der SV umsetzen.* Mit § 12 Abs 3 BS-V wurde festgelegt, dass AG die Kosten für Sehhilfen, die ausschließlich durch den notwendigen Schutz bei Bildschirmarbeit unter Beachtung der Anforderungen nach § 12 Abs 1 und 2 BS-V entstehen, tragen müssen, sofern sie nicht die Sozialversicherungsträger übernehmen.

Im Detail stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß AG die Kosten tragen müssen und inwiefern eine Leistungspflicht der Sozialversicherungsträger bei Bildschirmbrillen besteht. 1995 informierte der ehemalige Hauptverband der Sozialversicherungsträger 274in einem Rundschreiben an die Sozialversicherungsträger, dass Bildschirmbrillen vom AG und nicht vom Krankenversicherungsträger bereitzustellen sind. Lediglich bei Auftreten von Sehbeschwerden liegt eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vor, die eine Krankenbehandlung erfordert.*

Das OLG Wien stellte in der E 23.3.1999, 9 Ra 342/98z,* klar, dass die Pflicht des AG zur Zurverfügungstellung einer Bildschirmarbeitsbrille den gesamten Sehbehelf umfasst. Es sind daher nicht nur die Kosten der Gläser, sondern auch die der Brillenfassung zu ersetzen. Im konkreten Fall beschränkte sich die Kostentragung auf die verordnete Bifokalbrille, abzüglich des Anteils, den die Krankenkasse ersetzte, zuzüglich des Selbstbehalts. Eine Kostenübernahme für die Mehrkosten einer nicht unbedingt notwendigen Gleitsichtbrille wurde jedoch verneint.

Der OGH bestätigte in der Rechtssache 6.9.2000, 9 ObA 63/00f,* die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der AG nur zur Kostentragung nach den für die SV geltenden Grundsätzen verpflichtet sei, sodass dem AN nur die Kosten einer Standardfassung sowie die funktionellen in gleicher Weise entsprechenden Gläser des günstigeren Anbieters mit einfacher Entspiegelung zustehen. Zur Leistungspflicht bei sozialversicherten AN hielt der OGH fest, dass der Krankenversicherungsträger bei medizinischer Indikation (gem § 133 Abs 2 ASVG) einer Bildschirmbrille grundsätzlich die Kosten zu übernehmen hat. Durch § 12 Abs 3 BS-V ist hingegen klargestellt, dass AG die Kosten zu tragen haben, sofern nicht die Sozialversicherungsträger diese übernehmen. Der Leistungsumfang des Sozialversicherungsträgers richtet sich nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, letztlich der Satzung iZm den Gesamtverträgen mit den Optiker:innen. Brillen sind in § 137 Abs 1 ASVG ausdrücklich als Heilbehelf genannt.* Notwendige Heilbehelfe sind in einfacher und zweckmäßiger Ausführung zu gewähren. Der OGH führte weiter aus: Wenn eine medizinisch zu beurteilende Fehlsichtigkeit von Versicherungsnehmer:innen durch die (iSd § 133 Abs 2 ASVG) zur Erhaltung der Arbeits- und Dienstfähigkeit medizinisch indizierte Brille erfolgreich ausgeglichen wird, haben AN keinen über die Tarifleistung hinausgehenden Anspruch gegen den Versicherungsträger. Bei im Wesentlichen wirkungsgleichen Heilbehelfen ist auf Grund des ökonomischen Aspekts der Beschränkung der Krankenbehandlung auf das Notwendige die billigere Ausführung zu wählen. Der BS-V lässt sich eine Verpflichtung zu einer übertarifmäßigen Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger nicht entnehmen. Der AG hat den Tarif überschreitenden Kostenanteil für besondere Gläser und Entspiegelung, den der Sozialversicherungsträger nicht übernommen hat und der ausschließlich dem AN-Schutz dient, nach den Bestimmungen des ASchG und der BS-V der AG zu tragen. Der AN hat nur Anspruch auf eine Bildschirmbrille iSd BS-V, daher besteht ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem AG nur im Rahmen der Ausstattungserfordernisse der BS-V als notwendiges Ausmaß des AN-Schutzes. Eine darüberhinausgehende Ausstattung und Qualität geht über den Zweck des AN-Schutzes hinaus, sodass die dafür aufgelaufenen Kosten auch nicht im Vertrauen auf eine ärztliche Verordnung vom AG zu erstatten sind. § 12 Abs 3 BS-V stellt nur darauf ab, inwieweit der Sozialversicherungsträger tatsächlich im üblichen, sohin im tariflichen Umfang die Kosten einer Bildschirmbrille übernommen hat. Da ASchG und BS-V den Leistungsumfang des Sozialversicherungsträgers nicht determinieren, kommt der OGH zum Schluss, dass der AG eine:n AN nicht auf Ansprüche gegen den Sozialversicherungsträger verweisen noch die Durchsetzung im sozialgerichtlichen Verfahren vorschreiben kann. Die in der Literatur kontrovers diskutierte Frage, inwieweit eine Leistungspflicht der SV bei Bildschirmbrillen besteht, blieb auch nach dieser E des OGH umstritten.*

Zusammenfassend müssen AG den Anteil der notwendigen Kosten, der nicht durch eine tarifmäßige Leistung des Krankenversicherungsträgers für die spezielle Sehhilfe als Heilbehelf in einfacher und zweckmäßiger Ausführung gem § 137 ASVG* erstattet wurde, tragen. Das Ausmaß einer allfälligen Kostenübernahme einer Bildschirmbrille durch den Krankenversicherungsträger – abzüglich des Selbstbehalts für Versicherte – richtet sich nach § 137 Abs 2, 2a und 5 ASVG iVm § 28 Abs 1 der Satzung der ÖGK und dem Gesamtvertrag der ÖGK mit den Augen-, Kontaktlinsenoptiker:innen und Optometrist:innen.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung für eine höherwertigere Ausstattung und Qualität als nach den notwendigen Anforderungen des § 12 BS-V besteht gegenüber dem AG dann, wenn es eine andere Rechtsgrundlage, insb KollV oder BV,* oder auch eine Einzelvereinbarung gibt. Als Betriebsvereinbarungstatbestand kommt eine freiwillige BV nach § 97 Abs 1 Z 8 ArbVG* für Maßnahmen des Gesundheitsschutzes in Frage. Für Bildschirmbrillen, die im 275Homeoffice verwendet werden sollen, ist auch der Tatbestand des § 97 Abs 1 Z 27 ArbVG denkbar.

2.

Dem EuGH wurde von einem rumänischen Berufungsgericht folgender Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ein AN, der seine Tätigkeit an Bildschirmgeräten ausübt, kaufte sich auf Grund einer fachärztlichen Verordnung eine Korrekturbrille. Er berief sich darauf, dass die rumänische Krankenkasse dafür keine Kosten erstatte und beantragte die Erstattung der Kosten bei seinem AG. Dieser lehnte den Antrag ab, woraufhin der AN die Kosten vom AG einklagte.

Der EuGH hielt fest, dass die RL 90/270/EWG zwischen normalen Sehhilfen und speziellen Sehhilfen für die betreffende Arbeit, dh an einem Bildschirmgerät, unterscheidet. Aus der Entstehungsgeschichte der RL ergibt sich, dass der Begriff Sehhilfe weit zu verstehen ist: Davon sind nicht nur Brillen, sondern auch andere Arten von Sehhilfen zu verstehen, die Sehbeschwerden korrigieren oder diesen vorbeugen können. Der EuGH legt den Begriff der normalen Sehhilfe so aus, dass es sich dabei um Sehhilfen handle, die außerhalb des Arbeitsplatzes getragen werden und nicht notwendigerweise mit den Arbeitsbedingungen, somit spezifisch mit der Arbeit am Bildschirmgerät, zusammenhängen. Laut EuGH schließen die speziellen Sehhilfen Korrekturbrillen ein, die spezifisch darauf gerichtet sind, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirmgerät involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Voraussetzung ist, dass die Sehbeschwerden nicht durch eine normale Sehhilfe korrigiert oder verhindert werden können. Die Sehbeschwerden müssen nicht durch die Bildschirmarbeit verursacht sein. Es schadet der Qualifikation als spezielle Sehhilfe nicht, wenn die Sehhilfe nicht ausschließlich im Beruf verwendet wird.

Die Verpflichtung des AG, AN eine „spezielle Sehhilfe“ zur Verfügung zu stellen, ist nach der Zielsetzung der RL, nämlich dem verstärkten Schutz von Sicherheit und Gesundheit der AN, so auszulegen, dass sie durch unmittelbare Bereitstellung einer speziellen Sehhilfe durch den AG erfüllt werden kann oder auch dadurch, dass AN die Kosten vorstrecken und die getätigten notwendigen Aufwendungen vom AG erstattet werden. Der EuGH hielt weiters fest, dass die Bereitstellung spezieller Sehhilfen auch mittels einer Zulage erfolgen kann, die es AN ermöglicht, selbst eine solche Sehhilfe zu erwerben. Eine solche Zulage muss jedoch notwendigerweise die Aufwendungen decken, die der betroffene AN eigens für den Erwerb der speziellen Sehhilfe getätigt hat. Die Zahlung einer allgemeinen Gehaltszulage, wie sie im konkreten Fall für erschwerte Arbeitsbedingungen laufend gewährt wurde, scheint den Verpflichtungen hingegen nicht zu genügen.

In der österreichischen Judikatur wurde bisher nicht in Abrede gestellt, dass die Pflicht des AG zur Bereitstellung einer Bildschirmbrille auch durch Ersatz der notwendigen Kosten erfüllt werden kann. Insofern kann dem EuGH-Urteil für die österreichische Rechtslage lediglich klarstellender Charakter beigemessen werden.

Der EuGH erwähnt, dass auch andere Arten von Sehhilfen als Brillen vom Begriff der speziellen Sehhilfe umfasst sind, nennt aber kein Beispiel für andere Arten. Dabei wäre theoretisch an Multifokal-Kontaktlinsen zu denken. Diese müssten aber in der Praxis für die Bildschirmarbeit geeignet sein und dementsprechend fachärztlich verordnet werden. Zudem werden sie auf Grund der höheren Kosten, die nicht zuletzt wegen der erforderlichen Abstimmung auf den konkreten Bildschirmarbeitsplatz und der häufigeren Nachbeschaffung entstehen, bei Wirkungsgleichheit mit einer Bildschirmbrille von der Erstattungspflicht des AG für notwendige Kosten nicht erfasst sein.

Praktisch relevanter ist, dass eine gemischte Verwendung der Bildschirmbrille – nicht nur beruflich, sondern auch privat – nichts am Charakter als Bildschirmbrille ändert. Dies setzt voraus, dass die private Verwendung des speziellen Sehbehelfs auf Grund einer (schlüssigen) Vereinbarung gestattet ist.*

Dass die Kosten einer Bildschirmbrille mit einer allgemeinen Erschwerniszulage nicht abgegolten sind, ist nachvollziehbar. Eigene Zulagen für Bildschirmbrillen werden hingegen in der betrieblichen Praxis kaum von Relevanz sein. AG werden es bevorzugen, die Kosten einer Bildschirmbrille im tatsächlich erforderlichen Einzelfall zu ersetzen, statt breit gestreut all jenen AN, die Bildschirmarbeit leisten, eine für einen etwaigen notwendigen Sehbehelf gewidmete Zulage zu gewähren. Diese Zulage müsste noch dazu ex post einer Deckungsprüfung standhalten.

3.
Empfehlungen für die Praxis

AN müssen gem § 14 Abs 1 BS-V über das Vorliegen von Bildschirmarbeit sowie die damit zusammenhängenden Rechte, wie jenes auf Zurverfügungstellung einer speziellen Sehhilfe, informiert werden. Diese Information an die einzelnen AN kann nach § 14 Abs 2 BS-V entfallen, wenn Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt oder Belegschaftsorgane errichtet sind und diese informiert werden.

Die Beratungspraxis zeigt, dass es immer wieder zu Diskussionen über die Höhe der Kostenerstattung für eine Bildschirmbrille kommt, wenn AN eine solche 276 Brille erwerben und dem AG die Rechnung zur Rückerstattung vorlegen. AG sollten daher das Prozedere zur Beschaffung einer Bildschirmbrille klar kommunizieren. Das kann zB auch die Einbeziehung von Arbeitsmediziner:innen oder den Verweis auf bestimmte Optiker:innen, mit denen eine Rahmenvereinbarung zu einer rabattierten Direktabrechnung mit dem AG besteht, umfassen.

Gibt es einen BR, ist der Abschluss einer freiwilligen BV nach § 97 Abs 1 Z 8 ArbVG sehr empfehlenswert. In der BV kann ein Höchstbetrag festgelegt werden, der über die nach dem AN-Schutz notwendigen Kosten hinausgeht.* Der Ersatz der notwendigen Kosten kann durch die BV jedenfalls nicht beschnitten werden. Daher ist auch eine gelegentliche Überprüfung und Anpassung eines in einer BV verankerten Höchstbetrages dahingehend, ob er noch die üblichen Mindestkosten einer Bildschirmbrille abdeckt, zu empfehlen. Sind im Einzelfall, zB auf Grund besonderer individueller physiologischer Gegebenheiten, spezielle Gläser erforderlich, sind diese samt zweckmäßiger Fassung jedenfalls als notwendige Kosten auch über einen in der BV ausgewiesenen Höchstbetrag hinaus zu ersetzen.

Gibt es keine BV, ist empfehlenswert, dass AN vor dem Kauf einer Bildschirmbrille dem AG den Verordnungsschein und einen Kostenvoranschlag vorlegen, um ein gemeinsames Verständnis über die Höhe der notwendigen Kosten sicherzustellen.277