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Berechtigte Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit im Falle der heimlichen Aufzeichnung eines fremden Gesprächs

DAVIDKOXEDER

Der Kl war bei der Bekl als Vorstandssekretärin beschäftigt. Sie wurde entlassen, weil sie versucht hatte, durch das Liegenlassen ihres Mobiltelefons neben ihrem Bildschirm bei aktiver Tonaufnahmefunktion ein allfälliges Gespräch zwischen dem Vorstandsmitglied, in dessen Sekretariat sie tätig war, und der Leiterin des Sekretariats, ihrer Vorgesetzten, in ihrer Abwesenheit aufzunehmen.

Nachdem der Vorgang entdeckt wurde, gestand die Kl das Telefon im Aufnahmemodus hinterlassen zu haben, um zu erfahren, was das Vorstandsmitglied mit der Leiterin des Vorstandssekretariats in ihrer Abwesenheit über sie redete. Hierauf erklärte das Vorstandsmitglied gegenüber der Kl, dass dies ein massiver Vertrauensbruch sei, und er müsse sich am Wochenende Gedanken darüber machen. Später zu Mittag wünschte das Vorstandsmitglied der Kl noch ein schönes Wochenende.

Die Vorinstanzen vertraten die Ansicht, die Kl habe den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gem § 27 Z 1 letzter Fall AngG gesetzt.

Der OGH wies die an ihn gerichtete außerordentliche Revision der Kl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück und begründete dies ua damit, dass nach stRsp die heimliche Aufnahme eines Gesprächs mit dem AG durch einen in einer Vertrauensposition beschäftigten Angestellten Vertrauensunwürdigkeit begründet. An der Vertretbarkeit der Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Kl den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt hat, ist bereits deshalb nicht anzuzweifeln, weil das heimliche Aufzeichnen eines fremden Gesprächs im Unterschied zum solchen eines eigenen Gesprächs sogar gem § 120 Abs 1 StGB strafrechtlich zu ahnden ist. Im Übrigen ist auch das heimliche Aufzeichnen eines fremden, zwischen Arbeitskollegen geführten Gesprächs als Entlassungsgrund zu werten.

Betreffend die Frage, ob eine Entlassung unverzüglich ausgesprochen wurde, wird als entscheidend angesehen, ob das Verhalten des AG für den Angestellten einen gerechtfertigten Grund zur Annahme gegeben hat, dieser habe auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe verzichtet, was nach Ansicht des OGH gegenständlich nicht der Fall war. Selbst wenn feststünde, dass in der nach dem Gespräch zwischen Vorstandsmitglied und Kl durchgeführten, schon länger geplanten Besprechung der Neuorganisation des Vorstandssekretariats das Vorstandsmitglied die Kl fragte, ob sie sich die Neuorganisation vorstellen könne, ist es aufgrund der besagten Ankündigung, sich am Wochenende Gedanken über das Geschehene zu machen, jedenfalls vertretbar, im Stellen der genannten Frage keinen Verzicht auf das Entlassungsrecht zu erblicken. Dass das Vorstandsmitglied der Kl später zu Mittag ein schönes Wochenende wünschte, gibt für die Annahme eines Verzichts auf die Entlassung ebenso wenig Anlass, handelt es sich dabei doch bloß um eine übliche Höflichkeitsfloskel.

Aus all diesen Gründen war mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen.227