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Betriebsteilübergang zwischen zwei Überlassern bei Vorliegen von „Payrolling“

ANDREASSCHLITZER
RL 2001/23/EG
OGH 30.8 2022 8 ObA 82/21y

Erfordert die charakteristische Leistung des Überlassungsunternehmens praktisch keine materiellen Betriebsmittel, weist hingegen die nicht unerhebliche Anzahl für ein einziges Unternehmen verwalteter AN die wesentlichen Merkmale der organisierten wirtschaftlichen Einheit auf, ist die organisatorische Einheit in der in ihrem Arbeitsvertrag mit dem früheren Überlasser beim Beschäftiger zusammengefasster und ausschließlich bei diesem einsetzbarer (Exklusivitätsklausel) Gruppen von AN zu sehen, die insoweit die maßgeblichen Faktoren des mit „Payrolling“ befassten Betriebsteils des früheren Überlassers darstellten. Es lag nicht nur ein Auftragsübergang, sondern auch ein Übergang der hier beim „Payrolling“ entscheidenden Arbeitskräfte dieses Betriebsteils vor.

SACHVERHALT

Die Kl war seit 1.9.2011 bei einem Überlasser beschäftigt und wurde von diesem an einen Beschäftiger mit den Aufgaben einer Projektanalystin und Assistentin des Vorstands überlassen.

Der Beschäftiger war der Hauptkunde des Überlassers, der an dieses Unternehmen laufend bis zu 40 AN überließ. Andere Kunden gab es nur in verhältnismäßig geringfügigem Umfang. Zu mehr als 50 % handelte es sich um AN, die bereits vom Beschäftiger rekrutiert worden waren. Die übrigen wurden vom Überlasser nach Jobprofilen rekrutiert, die ihm vom Beschäftiger bekanntgegeben wurden. Mit allen AN schloss der Überlasser auftragsgemäß Dienstverträge mit Exklusivitätsklausel ab, nach der sie ausschließlich an das Beschäftigerunternehmen überlassen werden durften. Der Inhalt der Dienstverträge, das Gehalt und bestimmte wörtlich vorgegebene Klauseln wurden vom Beschäftiger vorgegeben. Mit den meisten dieser Dienstverträge wurde die Anwendung des für den Betrieb des Beschäftigers geltenden KollV vereinbart. Vor Vertragsabschluss legte der Überlasser jeden dieser von ihm ausgefertigten Dienstverträge dem Beschäftiger zur Genehmigung vor. Der Überlasser führte für die AN die Anmeldung zur SV, die Personaladministration, die Lohnverrechnung, die Lohnauszahlung und die Bearbeitung arbeitsrechtlicher Fragen durch. Er bekam vom Beschäftiger abgezeichnete Stundenlisten als Grundlagen für die Lohnverrechnung. Urlaubsvereinbarungen wurden unmittelbar mit dem Beschäftiger getroffen, Prämien und außertourliche Gehaltserhöhungen wurden von diesem vorgegeben.

Dieser Vorgangsweise lag ein schriftlicher Überlassungsvertrag zwischen Überlasser und Beschäftiger zugrunde. Pro Jahr wurden zirka fünf bis zehn überlassene AN in das Stammpersonal des Beschäftigers übernommen, andererseits wurden laufend neue AN zur Überlassung an den Beschäftiger gesucht und eingestellt.

Der Überlasser führte die Geschäfte mit eigenen Mitteln und eigenem Personal durch, das aus dem Geschäftsführer, seiner Gattin, zwei Disponentinnen und einer teilzeitbeschäftigten Lohnverrechnerin bestand. Für die Verwaltung wurde eine eigens für den Überlasser entwickelte Software verwendet.

Am 31.12.2015 kündigte der Beschäftiger den Vertrag mit dem Überlasser, dessen wirtschaftliche Grundlage damit weitgehend zerstört wurde. Der Jahresumsatz des Überlassers sank von im Jahr 2014 erzielten 3,8 Mio € auf € 240.000,-. Wegen der Exklusivitätsklausel war es ihm nicht möglich, die 15überlassenen AN anderweitig einzusetzen. Ihre Dienstverträge wurden daher zum Jahresende 2015 einvernehmlich beendet, mit Ausnahme von vier oder fünf AN, darunter der Kl, die in Karenz waren.

Die bis Ende 2015 an den Beschäftiger überlassenen AN wurden sonst im Wesentlichen nahtlos weiter beschäftigt. Einzelne wurden von der Bekl, ebenfalls einem Arbeitskräfteüberlasser, eingestellt und wiederum an den Beschäftiger überlassen. Es konnte nicht festgestellt werden, wie viele ehemals überlassene AN in das Stammpersonal des Beschäftigers wechselten und wie viele ihm in der Folge von der Bekl weiter überlassen wurden.

Ein Wechsel von anderem Personal fand zwischen Überlasser und Bekl nicht statt. Es wurden der Bekl vom Überlasser auch weder Unterlagen noch die von ihm verwendete Software übergeben. Die mit der Abwicklung der Überlassung beim früheren Überlasser beschäftigten AN schieden im Wesentlichen dort aus, wurden aber nicht von der Bekl übernommen. Der Überlasser hat ab 2016 den Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit auf Steuer- und Unternehmensberatung verlagert und betreibt die Arbeitskräfteüberlassung nur mehr daneben in geringem Umfang.

Der Kl wurde anlässlich der Beendigung ihres Karenzurlaubs am 30.9.2018 vom Überlasser mitgeteilt, dass sie wegen der Kündigung des Überlassungsvertrags nicht mehr weiterbeschäftigt werde.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Kl begehrte die Feststellung, dass zwischen ihr und der Bekl spätestens ab 1.10.2018 infolge Betriebsübergangs ein aufrechtes Dienstverhältnis bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Mangels Übergangs einer wirtschaftlichen Einheit vom Überlasser zur Bekl liege kein Betriebsübergang vor. Der Umstand, dass Dienstverhältnisse von Leih-AN beendet und mit der Bekl neu begründet wurden, genüge dafür nicht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese E. Bei Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen sei nach der Rsp für die Frage der Abgrenzung von Betriebsübergängen entscheidend, ob die übertragenen Betriebsmittel als solche ausreichen, um die die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens kennzeichnenden Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel und anderer Unternehmensteile weiter erbringen zu können. Dazu sei der Wechsel eines Teils des Verwaltungspersonals und eines Teils der Leih-AN iS einer „organisierten Gesamtheit“ erforderlich, weiters dass die vom Übergang betroffenen Mittel als solche ausreichen, um die kennzeichnenden Leistungen weiter erbringen zu können. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt.

Der OGH erachtete die dagegen erhobene Revision für zulässig und auch berechtigt, weil die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht iSd Grundsätze der Rsp zum Betriebsübergang einer Klarstellung bedürfe. Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden klagsstattgebend abgeändert.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 1. Nach § 3 Abs 1 AVRAG tritt dann, wenn ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übergeht, dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

[15] Für einen Übergang im Sinne der mit dieser Bestimmung umgesetzten Richtlinie 77/187/EWG (aktuell 2001/23/EG) ist die Wahrung der Identität der Einheit entscheidend (RIS-Justiz RS0110832 [T11]). Die „wirtschaftliche Einheit“ ist dabei nicht mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ident, sondern orientiert sich an der organisatorischen Zusammenfassung von Betriebsmitteln zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit (9 ObA 17/18t mwN). Für die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nach § 3 AVRAG kommt es nicht auf das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts zwischen früherem und neuem Inhaber an, sondern es ist der faktische Übertragungsvorgang entscheidend (RS0110832 [T20]; RS0102972 [T2]).

[16] Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist im Einzelfall aufgrund der den Vorgang kennzeichnenden tatsächlichen Umstände zu beurteilen (RS0082749 [T23]). Dabei ist im Sinn eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen Umstände vorzunehmen, zumal der Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist. Derartige Umstände sind beispielsweise die Übernahme der materiellen und immateriellen Betriebsmittel und des Großteils der Belegschaft, die allfällige Ähnlichkeit der vor und nach der Übernahme verrichteten Tätigkeit, der Übergang der Kundschaft und die Fortführung der wirtschaftlichen Einheit (RS0082749 [T3]; 9 ObA 81/19f).

[17] Dass keine Kundendaten übertragen wurden, schadet grundsätzlich nicht, wenn andere Indizien für einen Übergang vorliegen. Wird etwa bei einem Vertriebsunternehmen der Kundenstock und ein Großteil der freien Mitarbeiter übernommen, sodass es zu einem nahtlosen Übergang der Akquisitionstätigkeit kommt, liegt ein Betriebsübergang vor (RS0101977 [T1]; 8 ObA 143/98g, DRdA 2000/54, 506 [Reissner]; vgl auch 9 ObA 17/18t [Reinigungsunternehmen]; Gahleitner in ZellKomm³ § 3 AVRAG Rz 14).

[18] Entscheidend ist regelmäßig die Art des Unternehmens, weil sich daraus auch die Bedeutung der verschiedenen Betriebsmittel und der Arbeitskraft ergibt (9 ObA 17/18t mzwN). Aus der Rechtsprechung kann auch nicht abgeleitet werden, dass es in jedem Fall notwendig ist, dass auch zumindest 16ein wesentlicher Teil des Verwaltungspersonals wechselt (9 ObA 49/14t). Diese Notwendigkeit ist als Grundsatz auch aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 8 ObA 64/07f nicht abzuleiten. Ausgangspunkt war ein typisches Leiharbeitsunternehmen, bei dem kaum Arbeitnehmer im „eigenen“ Betrieb im Sinne einer organisatorischen Einheit beschäftigt, sondern am Markt angeboten und in Beschäftigungsbetrieben für deren Zweck in deren Organisation eingesetzt werden. Wesentlich war danach, dass ein Teil des Verwaltungspersonals und ein Teil der Leiharbeitnehmer zu einem anderen Leiharbeitsunternehmen wechselt, um dort die gleichen Tätigkeiten im Dienst der Kunden auszuüben. Die Prüfung war, ob die von dem Übergang betroffenen Mittel als solche ausreichen, um die für die typischen Überlasser-Tätigkeit kennzeichnenden Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel und ohne Inanspruchnahme anderer Unternehmensteile weiter erbringen zu können.

[19] Daraus ergibt sich noch nicht der Umkehrschluss, dass für andere Arten von Unternehmen – Anbieter von Payrolling – ohne Übergang von wenigstens einer Person aus dem Verwaltungsbereich kein Betriebsübergang vorliegen kann.

[20] Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (Rs C-13/95, Süzen, ECLI:EU:C:1997:141, Rn 14; vgl auch C-29/91, Redmond Stichting, ECLI:EU:C:1992:220, Rn 24; C-392/92, Christel Schmidt, ECLI:EU:C:1994:134 Rn 17; C-340/01, Abler ua, ECLI:EU:C:2003:629, Rn 33). Den verschiedenen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu (vgl C-298/18, Grafe und Pohle/Südbrandenburger, ECLI:EU:C:2020:121, Rn 22, insb 25; C-160/14, Ferreira da Silva e Brito ua, ECLI:EU:C:2015:565, Rn 25).

[21] Eine solche Einheit muss nicht unbedingt bedeutsame materielle oder immaterielle Betriebsmittel umfassen. In bestimmten Wirtschaftszweigen liegen diese Betriebsmittel nämlich oft nur in ihrer einfachsten Form vor, und es kommt dort im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Daher kann eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern, denen eigens und auf Dauer eine gemeinsame Aufgabe zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen, ohne dass weitere Betriebsmittel vorhanden sind (Rs C-127/96, sh Hernández Vidal ua, ECLI:EU:C:1998:594, Rn 27; C-458/05, Jouini ua, ECLI:EU:C:2007:512, Rn 32). Auch in Konstellationen, in denen Personal und Betriebsmittel zur Erfüllung des arbeitstechnischen Zwecks einer wirtschaftlichen Einheit erforderlich sind, kann daher ein Betriebsübergang vorliegen, wenn nur Personal freiwillig übernommen wird und wenn den Betriebsmitteln etwa insgesamt nur untergeordnete Bedeutung für die wirtschaftliche Einheit zukommt.

[22] Wenn der neue Unternehmer nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern – hier neben dem Kunden – auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft übernimmt, die sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte, dann erwirbt er eine organisierte Gesamtheit von Faktoren, die ihm die Fortsetzung der Tätigkeiten oder bestimmter Tätigkeiten des übertragenden Unternehmens auf Dauer erlaubt (C-298/18, Grafe und Pohle/Südbrandenburger, ECLI:EU:C:2020:121, Rn 39; C-463/09, CLECE, ECLI:EU:C:2011:24, Rn 36 mwN). Es spielt insoweit auch keine Rolle, ob die Übernahme eines wesentlichen Teils des Personals im Rahmen einer zwischen Veräußerer und Erwerber vereinbarten vertraglichen Übertragung erfolgt oder ob sie auf einer einseitigen Entscheidung des früheren Inhabers, die Arbeitsverträge des übergegangenen Personals zu kündigen, gefolgt von einer einseitigen Entscheidung des neuen Inhabers, im Wesentlichen dasselbe Personal zur Erfüllung derselben Aufgaben einzustellen, beruht (C-463/09, CLECE, ECLI:EU:C:2011:24, Rn 37 f).

[23] Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch bei Leiharbeitsunternehmen. Kennzeichnend für solche Unternehmen ist im Allgemeinen – wie sich auch aus der Vorlageentscheidung ergibt – das Fehlen einer eigenen Betriebsorganisation, nach der in einem solchen Unternehmen verschiedene entsprechend der Organisation des Veräußerers abtrennbare wirtschaftliche Einheiten bestimmt werden können. Bei typischen Leiharbeitsunternehmen ist eine Prüfung vorzunehmen, bei der deren Besonderheiten Rechnung getragen wird, anstatt zu untersuchen, ob ihrer Organisation nach eine wirtschaftliche Einheit vorliegt. In diesem Zusammenhang ist für die Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne der RL 2001/23 zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit darstellten, die als solche dazu ausreichte, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen Dienstleistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können (C-458/05, Jouini ua, ECLI:EU:C:2007:512, Rn 32 ff).

[24] 2. Die für den Anlassfall charakteristische und die damalige wirtschaftliche Grundlage des Überlasserunternehmens bildende Tätigkeit bestand im 17Bereitstellen von Dienstnehmern für einen einzigen Großkunden, die von diesem gezielt für dessen Bedarf ausgewählt und teilweise von ihm sogar selbst rekrutiert wurden. Die „Überlasserin“ übernahm dabei die formale Arbeitgeberstellung einschließlich der administrativen Personalverwaltung, alle übrigen Arbeitnehmerfunktionen nahm der Beschäftiger wahr. Die Dienstvertragsbedingungen wurden bis hin zur Vereinbarung des für seinen Betrieb geltenden Kollektivvertrags von ihm vorgegeben („Payrolling“). Dementsprechend durften diese Dienstnehmer auch exklusiv nur diesem Beschäftiger überlassen werden.

[25] Diese charakteristische Leistung des Überlassungsunternehmens erforderte praktisch keine materiellen Betriebsmittel. Ihr Büroaufwand einschließlich EDV-Software beschränkte sich auf die auch sonst in jedem Unternehmen erforderliche Personalverwaltung.

[26] Hingegen wies die nicht unerhebliche Anzahl von bis zu 40 für ein einziges Unternehmen verwaltete Arbeitnehmer die wesentlichen Merkmale der organisierten wirtschaftlichen Einheit auf.

[27] Es handelte sich hier nicht um beliebig durch andere fachlich Geeignete austauschbare Arbeitskräfte, sondern um Personen, die für den besonderen Bedarf des Kunden ausgewählt und teilweise (Klägerin) jahrelang bei ihm beschäftigt waren. Ihre Übernahme war wegen dieser besonderen Bindung an den Beschäftiger für die Tätigkeit eines jeden Nachfolgers des Überlassers praktisch notwendig.

[28] Hätte die Beklagte die beim Beschäftiger eingesetzten aktiven Dienstnehmer des früheren Überlassers nicht wieder eingestellt (abgesehen von der nicht festgestellten Anzahl, die in die Stammbelegschaft übernommen wurden), hätte der Beschäftiger entweder plötzlich auf eine große Zahl von ausgewählten ständigen Mitarbeitern verzichten, oder von der Anwendung seines bevorzugten Personalleasingmodells (Payrolling) hinsichtlich aller dieser Mitarbeiter abgehen müssen. Erst durch die Weiterbeschäftigung dieser Dienstnehmer, wenn auch nach formeller Neueinstellung oder beim Beschäftiger, war die Beklagte in der Lage, dem Kunden eine nahtlose Fortführung der bisher vom Überlasser erbrachten Leistungen zu gewährleisten.

[29] In dieser besonderen Konstellation liegen daher die dargestellten Kriterien eines Betriebsübergangs vor. Daran ändert das Fehlen eines Übergangs materieller Betriebsmittel und Personalverwaltungsressourcen, die in jedem anderen Personalverleihunternehmen bereits vorhanden und für die Erbringung der hier charakteristischen Leistung ohne entscheidende Bedeutung sind, nichts. Eine Übergabe von Personalakten oder Vertragsbedingungen an die Beklagte war schon deshalb bei der Gesamtabwägung ohne ausschlaggebende Bedeutung, weil die Beschäftigungsbedingungen hier einseitig vom Kunden vorgegeben waren und er sie auch wieder an die Beklagte überbinden konnte. Dass der Beklagte nicht alle Arbeitnehmer übernahm, steht der Annahme eines Betriebsübergangs nicht entgegen, zumal die tatsächlichen Übernahmen auf der unstrittigen Absicht beruhten, insoweit die bisherige Geschäftstätigkeit fortzuführen (vgl 9 ObA 193/98t mwN; 9 ObA 17/18t).

[30] Die organisatorische Einheit (vgl RS0082749) ist hier in der in ihrem Arbeitsvertrag mit dem früheren Überlasser beim Beschäftigten zusammengefasster und ausschließlich bei diesem einsetzbarer (Exklusivitätsklausel) Gruppen von Arbeitnehmern zu sehen, die insoweit die maßgeblichen Faktoren des mit „Payrolling“ befassten Betriebsteils des früheren Überlassers darstellten. Es lag also nicht nur ein Auftragsübergang, sondern auch ein Übergang der hier beim Payrolling entscheidenden Arbeitskräfte dieses Betriebsteils vor.

[31] 3. Davon ausgehend erweist sich die in der Revisionsbeantwortung enthaltene Rüge sekundärer Feststellungs- und Verfahrensmängel als unbegründet. Soweit die rechtliche Beurteilung nicht ohnedies von den darin reklamierten Tatsachen ausgegangen ist, wie dem Nichtübergang des Verwaltungsapparats, kommt es darauf für das Ergebnis nicht an. Die Behauptung, dass von der Beklagten nicht alle Dienstnehmer des Überlassers übernommen wurden, steht in keinem Widerspruch zu der Feststellung, wonach daraus einige Arbeitnehmer zum Beschäftiger gewechselt sind. Dass auch neue Arbeitnehmer eingestellt wurden, entspricht den bisherigen Abläufen in diesem Geschäftsmodell. Dass das genaue Verhältnis der vom früheren Überlasser zur Beklagten (neuer Überlasser) übernommenen Arbeitnehmer zu jenen, die gleich direkt zum Beschäftiger wechselten, nicht festgestellt werden konnte, geht nicht zu Lasten der Klägerin, der der Nachweis gelungen ist, dass im Wesentlichen sämtliche früher überlassene Arbeitnehmer nahtlos weiter beschäftigt wurden. Ausgehend davon wäre es schon im Ansatz die Sache der beweisnäheren (RS0039895 [T2] = RS0039939 [T35]; 8 Ob 14/18v [Pkt 4.4]) Beklagten gewesen, konkret darzustellen, dass die entscheidende Anzahl der Arbeitnehmer auf die Beschäftiger überging. Auch hat ja die Beklagte die typische Dienstleistung (Payrolling) übernommen. Einer weiteren Erörterung dieser Frage bedarf es aber schon deshalb nicht, weil die Beklagte gar nicht releviert, dass insoweit ein Betriebsübergang zur Beschäftigerin stattgefunden hätte. […]

[33] 4. Den Feststellungen des Erstgerichts ist nicht zu entnehmen, ob das Dienstverhältnis der Klägerin nach deren Karenz von der Überlasserin bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz aufgelöst wurde oder es bei der vorgebrachten Ankündigung geblieben ist. Einer Klärung dieser Frage bedarf es aber nicht, weil der Betriebsübergang ex lege zum Übergang der im maßgeblichen Zeitpunkt aufrechten Dienstverhältnisse auf den Übernehmer führt, der nach § 3 Abs 1 AVRAG mit sämtlichen Rechten und Pflichten in die bestehenden Arbeitsverträge eintritt (Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 AVRAG Rz 41).18

[34] Zum Zeitpunkt der Beendigung des Überlassungsvertrags mit dem Dienstgeber der Klägerin bzw des Beginns der Überlassungstätigkeit der Beklagten war das Dienstverhältnis der karenzierten Klägerin unstrittig jedenfalls aufrecht und ist damit auf die Beklagte übergegangen. Diese hat sich ihrerseits nicht auf eine Beendigung (zB durch Eventualkündigung) dieses Dienstverhältnisses berufen. […]“

ERLÄUTERUNG

Dass Beschäftiger einen Überlasser wechseln, ist in der Branche der Arbeitskräfteüberlassung kein seltener Vorgang. Überlasser gibt es viele, warum nicht einen neuen, vielleicht günstigeren für sich arbeiten lassen?

Gar nicht so selten ist ein Überlasser bei seinem Kunden groß im Geschäft, hat an diesen viele AN überlassen und eine dauerhafte langjährige Geschäftsbeziehung aufgebaut.

Entscheidet ein Beschäftiger diesfalls, seinen bisherigen Lieferanten temporärer AN zu wechseln, hat er zumeist ein hohes Interesse, dass die bei ihm gut eingearbeiteten überlassenen AN trotz des Wechsels des Überlassers möglichst ohne Unterbrechung weiter arbeiten. Das setzt voraus, dass die betroffenen Arbeitskräfte vom neuen Überlasser übernommen werden.

Das geschah auch im vorliegenden Fall. Allerdings wurden nicht alle AN vom neuen Überlasser übernommen. Das hatte zur Folge, dass der alte Überlasser die Dienstverträge mit diesen AN auflöste. Für die betroffene Kl stellte sich daher die Frage, ob sie rechtlich gegen die Auflösung ihres Dienstverhältnisses vorgehen könne. Sie argumentierte, dass auf Grund der Übernahme eines Teils des Personals vom alten Überlasser ein Betriebsteil des bisherigen auf den nachfolgenden Überlasser übergegangen ist. Das hätte gem § 3 AVRAG zur Folge, dass der nachfolgende Überlasser als neuer AG ex lege in die bestehenden Dienstverhältnisse eintritt und allenfalls erfolgte Kündigungen gem § 879 ABGB als rechtsunwirksam zu qualifizieren sind. Die Kontinuität der bestehenden Dienstverhältnisse bleibt dadurch gewahrt. Der neue AG soll insb keine Wahl haben, wen er allenfalls für sich weiter arbeiten lassen will.

Im Anlassfall hat der OGH das Vorliegen eines Betriebsteilübergangs vom vorherigen auf den nachfolgenden Überlasser bejaht, obgleich nur ein Teil der Belegschaft vom neuen Überlasser übernommen wurde.

Die Frage, ob nicht von Anfang an ein Arbeitsverhältnis zum Beschäftiger vorgelegen ist, war im anhängigen Verfahren nicht zu prüfen, da dies von keiner Partei behauptet worden ist.

Der E liegt eine Sonderform der Arbeitskräfteüberlassung, das sogenannte „Payrolling“ zugrunde. Dabei werden nahezu sämtliche AG-Entscheidungen vom Beschäftiger getroffen, und der Überlasser als rechtlicher AG auf eine Verrechnungsstelle reduziert.

In dieser speziellen Konstellation ist der OGH von einem Betriebsteilübergang ausgegangen, obwohl aus dem administrativen Bereich des vorherigen Überlassers kein Personal übernommen bzw übertragen worden ist. Überzeugend argumentiert der OGH, dass die charakteristische Leistung des vorherigen Überlassers praktisch keine materiellen Betriebsmittel erfordert und die Gruppe der überlassenen AN die wesentlichen Merkmale der organisierten wirtschaftlichen Einheit aufweist. Konkret besteht die organisierte Einheit aus der Gruppe der überlassenen AN, welche ausschließlich beim Beschäftiger einsetzbar sind.

Die Personalverwaltung des vorherigen und des nachfolgenden Überlassers stellen im Verhältnis zu dieser organisierten wirtschaftlichen Einheit keine anderen wichtigen Betriebsmittel oder Unternehmensteile dar. Vereinfacht könnte man auch sagen, „das kann jeder Überlasser“.

Die „übertragenen Betriebsmittel“ stellen jedoch eine einsetzbare Gesamtheit dar, die ausreicht, um die bisherige wirtschaftliche Tätigkeit fortzusetzen.

Meines Erachtens ist diese E des OGH für die Branche der Arbeitskräfteüberlassung über das „Payrolling“ hinaus von Bedeutung.

Denkt man sich bei sonst gleichbleibendem Sachverhalt lediglich das „Payrolling“ weg, so zeigt sich, dass es die Kernfrage betreffend kaum ins Gewicht fallende Unterschiede gibt. Führt ein neuer Überlasser nicht nur die betreffende Tätigkeit weiter, sondern übernimmt er neben dem Beschäftiger als Kunden auch einen wesentlichen Teil der Belegschaft, die sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hat, dann erwirbt er auch ohne das Vorliegen von „Payrolling“ eine organisierte Gesamtheit von Faktoren, die ihm die Fortsetzung der Tätigkeit des vorherigen Überlassers erlaubt.

Überlasser sind auf das „Verwalten“ von überlassenen AN spezialisiert. Die dafür wesentlichen Informationen haben ohnehin vom Beschäftiger zu kommen. Im Gegensatz zum Interesse an der „Übernahme“ überlassener AN, gibt es zumeist kein Interesse, administratives Personal des Konkurrenten zu übernehmen, da auf das eigene bewährte Team vertraut wird und unnötiger Aufwand und damit verbundene Kosten vermieden werden.

Zudem hätte es jeder Überlasser in der Hand, einen Betriebsteilübergang zu vereiteln, indem aus dem administrativen Bereich des vorherigen Überlassers bewusst kein Personal übernommen wird.19

Auch ohne „Payrolling“ bildet die Gruppe der bisher an den Beschäftiger überlassenen AN in Verbindung mit dessen Betriebsmittel die für das Vorliegen eines Betriebsteilübergangs wesentlichen Merkmale der organisierten wirtschaftlichen Einheit. Die Komplexität dieser Einheit stellt einen spezifischen Wert dar. Sowohl der Beschäftiger als auch der neue Überlasser haben ein gemeinsames Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Einheit, welches durch ihr Zusammenwirken unterstrichen wird.

Die E könnte durchaus dazu beitragen, dass Betriebs-(teil-)übergänge in der Branche der Arbeitskräfteüberlassung zukünftig häufiger geortet werden.