3

Kein Arbeitsverhältnis bei bloßen Gefälligkeitsarbeiten für mietfreies Wohnen

GREGORKALTSCHMID

Die Erstbekl und Mutter des Zweitbekl ist Eigentümerin mehrerer Einfamilienhäuser niedrigen Wohnstandards. Der Zweitbekl unterstützt sie bei der Betreuung und Verwaltung der vermieteten Häuser. Mitte 2016 lernte er den Kl kennen, woraufhin sich zwischen ihnen eine Freundschaft entwickelte. Dabei erzählte der arbeitslos gemeldete Kl dem Zweitbekl auch von seinen finanziellen Problemen und von seinem Privatkonkurs. Als der Kl etwa Mitte 2017 eine neue Unterkunft suchte, schlug der Zweitbekl nach Abstimmung mit der Erstbekl vor, dass der Kl in einem der leerstehenden Häuser wohnen könne. Der Kl willigte ein. Es wurde vereinbart, dass er, solange es einen Leerstand gibt, keine Miete bezahlen, sondern lediglich die Stromkosten übernehmen müsse.7

Der Kl unterstützte den Zweitbekl gelegentlich, indem er kleine Arbeiten auf der Liegenschaft (zB Grünschnittarbeiten, Müllentsorgen, kleinere Ausbesserungsarbeiten wie Zaunlattenstreichen, Pumpentäusche) übernahm. Auch bat ihn der Zweitbekl, wenn er nicht selbst vor Ort war und Handwerker zu diversen Häusern Zutritt benötigten, diesen aufzusperren, was der Kl auch tat. Wenn Mieter Probleme mit Wasser oder Strom hatten, meldeten sie dies dem Zweitbekl, woraufhin wiederholt der Kl bei ihnen erschien und die kleineren Reparaturarbeiten vornahm. Größere Reparaturen wurden von Fachfirmen durchgeführt, wobei der Kl diesen gelegentlich bei Abladetätigkeiten oder mit Handlangerdiensten zur Hand ging.

Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend die auf Zahlung von Lohn für den Zeitraum Juni 2017 bis August 2019 gerichtete Kl mit der Begründung ab, der Kl sei allein aufgrund von Gefälligkeit und Freundschaft tätig geworden; es mangle an einem Arbeitsvertrag.

Der OGH erachtete die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Er begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

[…]

[5] Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag (§ 1151 Abs 1 HalbS 1 ABGB). Der Abschluss eines solchen kann nicht nur ausdrücklich durch übereinstimmende Willenserklärung der Parteien, sondern auch schlüssig durch ein Verhalten erfolgen, welches bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lässt, dass der andere sich in bestimmter Weise verpflichten wolle. Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung bzw der Schlüssigkeit eines Verhaltens hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine im Interesse der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanz vor.

[6] Eine solche liegt hier nicht vor. Vielmehr hält sich die Beurteilung der Vorinstanz im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp (und Literatur: Krejci in Rummel, ABGB3 § 1151 Rz 25) zu vergleichbaren Fällen:

[7] In GlU 3727 war der Kl von der Bekl und deren Ehemann jahrelang finanziell unterstützt worden. Der Ehemann hatte auf Bitte des Kl auch dessen exekutiv feilgebotenes Haus erstanden und ihn dieses sodann unentgeltlich zum Gebrauch überlassen. Der Kl klagte auf Zahlung von Lohn mit dem Vorbringen, er habe über die Jahre mit seinem Poststellwagen der Bekl auf deren Bestellung elf Fuhren geleistet und für sie fast wöchentlich, wenn er fuhr, zwei bis drei Körbe und Säcke eine kurze Strecke befördert. Der OGH bestätigte die Abweisung der Kl durch die Vorinstanz. Aufgrund der Umstände könne das Verhalten des Kl „nach § 863 ABGB nur als eine geringe Gegengefälligkeit für die bedeutend größere angesehen werden, die ihm durch die Geldaushilfen, die Rettung seines Hauses vor dem Untergang in fremde Hände und die unentgeltliche Belassung desselben zur weiteren Benützung zuging“.

[8] In 4 Ob 136/54 wurde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses bei einem Flüchtling verneint, der von 1945 bis 1949 von den Bekl Quartier und Verpflegung gewährt erhielt und der fallweise für diese verschiedene Arbeiten, insb Reparaturen an Schlössern und am Dach, teilweise auch Arbeiten am Feld, verrichtete. Der OGH begründete dies insb damit, dass „schon die ungeregelte Art der Gesamttätigkeit des Kl […] ein hinreichend deutliches Bild darüber ergibt, dass sich der Kl, ohne eine Dauerverpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung den Bekl gegenüber zu übernehmen, durch seine vorwiegend aus eigenem Antrieb verrichteten Arbeitsleistungen lediglich für die ihm gewährte Unterkunft sowie für die längere Zeit hindurch gewährte Verpflegung erkenntlich zeigen wollte“.

[9] In 4 Ob 144/83 war die Kl von der Bekl in deren Wohnung unentgeltlich beherbergt und verpflegt worden. Als Gegenleistung verrichtete sie ab und zu geringfügige Haushaltsarbeiten. Nach der Beurteilung des OGH fehlte dem auf die Zahlung eines Arbeitsentgelts gerichteten Begehren die Grundlage, weil „eine auch nur schlüssig zustande gekommene rechtliche Verpflichtung der Kl zur Erbringung von Arbeitsleistungen […] oder eine Verpflichtung der Bekl zur Zahlung eines Entgelts für erbrachte Arbeitsleistungen“ nach den Feststellungen nicht anzunehmen war.

[10] Es ist jedenfalls vertretbar, auch im vorliegenden Fall bloße (Gegen-)Gefälligkeiten anzunehmen, also zu verneinen, dass sich der Kl iSd § 1151 Abs 1 HalbS 1 ABGB zur Dienstleistung für den Bekl verpflichtete. Wurden aber die Arbeitsleistungen des Kl aus Entgegenkommen oder bloßer Gefälligkeit erbracht, so muss ihre Unentgeltlichkeit als stillschweigend vereinbart angesehen werden.

[11] Da es dem Kl nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). 8