29

Berechnung des Wochengeldes bei zuletzt geringfügiger Beschäftigung – trotz vorheriger Vollversicherung keine Durchschnittsbetrachtung

JOHANNARACHBAUER

Der Versicherungsfall der Mutterschaft der Kl trat am 16.6.2021 ein. Im März 2021 war sie geringfügig beschäftigt und gem § 19a ASVG selbstversichert, ebenso von 1.5. bis 15.6.2021, somit bis zum Eintritt des absoluten Beschäftigungsverbots. Im April 2021 war die Kl vollzeitbeschäftigt und vollversichert.

Die bekl Österreichische Gesundheitskasse gewährte mit Bescheid vom 7.7.2021 Wochengeld iHv € 9,61 täglich und wies das Mehrbegehren ab. Die daraufhin erhobene Klage auf Zuerkennung eines höheren Wochengeldes wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.

Der OGH wies die von der Kl erhobene außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.

Rechtlich begründete der OGH dies folgendermaßen:

Die Höhe des Wochengeldes richtet sich grundsätzlich nach dem auf den Kalendertag entfallenden Teil des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen (bei einem nach Kalendermonaten bemessenen oder abgerechneten Arbeitsverdienst in den letzten drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge und unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen (§ 162 Abs 3 S 1 ASVG). Das Gesetz trifft hierbei für bestimmte Konstellationen Vorsorge, in denen im Beobachtungszeitraum (auch) Zeiten vorliegen, in denen kein Arbeitsverdienst bezogen wurde, nämlich Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG oder nach dem AlVG (§ 162 Abs 3 S 4 ASVG) sowie Zeiten einer Arbeitsunterbrechung nach § 11 Abs 3 ASVG, einer Entgeltschmälerung aufgrund bestimmter Umstände oder des Bezugs von Wiedereingliederungsgeld (§ 162 Abs 3 S 6 lit a bis d ASVG). Abweichend von dieser dem Durchschnittsprinzip folgenden Berechnung durch (rückwärtsgerichtete) Berücksichtigung eines Beobachtungszeitraums gebührt gem § 162 Abs 3a ASVG ein Wochengeld in bestimmter Höhe, nämlich geringfügig beschäftigten Selbstversicherten iSd § 19a ASVG ein fixes tägliches Wochengeld (in der auch der Kl zuerkannten Höhe) und Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld ein Wochengeld in Höhe des gebührenden, täglichen Kinderbetreuungsgeldes.

Nach dem eindeutigen Wortlaut und der klaren Systematik dieser Bestimmungen ist die Höhe des Wochengeldes nur in den Fällen des § 162 Abs 3 ASVG von dem in einem Beobachtungszeitraum bezogenen Durchschnittsverdienst abhängig. Ist die Versicherte demgegenüber im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Mutterschaft nach § 19a Abs 6 ASVG selbstversichert oder bezieht sie Kinderbetreuungsgeld, bedarf es der Heranziehung eines Beobachtungszeitraums nicht, weil das Wochengeld in der dort normierten Höhe gebührt, unabhängig davon, welcher Arbeitsverdienst zuvor erzielt wurde.

Während das Gesetz den vom Wochengeld abzudeckenden zukünftigen Einkommensausfall in § 162 Abs 3 ASVG somit anhand eines bis zum Eintritt des Beschäftigungsverbots bezogenen Durchschnittsverdienstes berechnet, entschied sich der Gesetzgeber in den in § 162 Abs 3a ASVG geregelten Fällen für eine grundsätzlich andere Berechnung, indem er nur den unmittelbar bei Eintritt des Beschäftigungsverbots erzielten Bezug für maßgebend erklärt. Dies hat ganz offensichtlich den Hintergrund, dass in diesen Fällen keine (ansonsten möglichen) Schwankungen des Entgelts berücksichtigt werden müssen, weil die nach § 19a ASVG Selbstversicherten einen vom konkreten Bezug (und allfälligen Schwankungen) unabhängigen – vergleichsweise niedrigen – Beitragssatz leisten 49bzw das Kinderbetreuungsgeld ohnedies regelmäßig in gleichbleibender Höhe gebührt. Für die von der Kl geforderten Anwendung des § 162 Abs 3 ASVG auch auf den vorliegenden Fall bleibt somit nach Wortlaut und Zweck des § 162 Abs 3a ASVG kein Raum. Insb liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber, der im Anwendungsbereich dieser Bestimmung eben nur die bei Eintritt des Versicherungsfalls vorliegende Situation berücksichtigen wollte, den Fall nicht bedachte, dass zuvor ein höherer Arbeitsverdienst erzielt wurde.

Soweit die Revisionswerberin meint, dass der Zweck des Wochengeldes darin liege, das entfallende Einkommen zur Gänze zu ersetzen, ist dem zu entgegnen, dass der Gesetzgeber durchaus in Kauf nimmt, dass die Versicherte trotz des Wochengeldes einen Verdienstausfall erleiden kann.

Die von der Revisionswerberin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom OGH nicht geteilt. Es scheint keineswegs unsachlich, dass der Gesetzgeber zur Berechnung des vom Wochengeld abzudeckenden Einkommensausfalls im Allgemeinen auf vergangene Werte und eine Durchschnittsbetrachtung abstellt, um zum Stichtag bestehende Zufälligkeiten auszublenden oder abzumildern, aber in Fällen, in denen solche Zufälligkeiten unwahrscheinlich sind, die zum Stichtag geltenden Verhältnisse für maßgeblich erklärt.