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Ruhen einer All-in-Vereinbarung bei Elternteilzeit und Berechnung des Verdienstes (Variante 1)

GREGORKALTSCHMID

Haben die Arbeitsvertragsparteien eine All-in-Vereinbarung abgeschlossen, dann ruht während der Elternteilzeit (nur) jener Teil des Arbeitsentgelts, der über das Grundentgelt hinaus für die Leistung von Mehr- und Überstunden bezahlt wird. Für die tatsächliche Leistung von Mehr- und Überstunden gebührt dem Elternteilzeitbeschäftigten selbstverständlich auch die entsprechende Abgeltung, allerdings im Wege der Einzelverrechnung der erbrachten Mehrleistungen.30

SACHVERHALT

Der Kl ist seit 15.6.2015 bei der Bekl beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis kommt der KollV für Angestellte im Handel zur Anwendung. Der Kl wurde für die Tätigkeit eines „Senior Director, *“ eingestellt und für diese Tätigkeit im O* Level mit „M5“ eingestuft. Der Dienstvertrag des Kl sah zu Beginn ein Jahresfixgehalt von € 200.000,- brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden vor. In einem Annex zum Dienstvertrag wurde festgehalten, dass für alle Angestellten in der Funktion „Support“ und in der Einstufung „IC“ im monatlichen Basisgehalt 15 Überstunden im Monat enthalten sind. Für alle anderen Angestellten beinhaltet das monatliche Basisgehalt 25 Überstunden pro Monat. Der Kl verstand den Dienstvertrag sinngemäß so, dass jegliches von ihm geleistete Ausmaß an Arbeitsstunden durch das Pauschalentgelt im Vertrag abgegolten sei, also eine Pauschalvereinbarung vorliege. Der Kl war gehalten, Mehrleistungen zu erbringen, sofern dies für die Bekl erforderlich war (unstrittig).

Ab 1.6.2019 änderte die Bekl die Verwendung des Kl auf die Position „Director *“ mit Einstufung in „IC5“. Da der Kl damit nicht einverstanden war, trat er die neue Position unter Protest an.

Am 12.8.2019 teilte der Kl der Bekl mit, aufgrund der Geburt seines zweiten Kindes R* ab 1.3.2020 Elternteilzeit im Ausmaß von 30,8 Wochenstunden in Anspruch zu nehmen.

Der dem Kl am 25.3.2020 ausgestellte Dienstzettel sah ua vor, dass der Kl ab 1.3.2020 eine Elternteilzeitbeschäftigung für sein Kind R* im Ausmaß von 30 Wochenstunden in Anspruch nimmt, wobei das Jahresfixgehalt € 143.987,50 brutto beträgt. Da AN in Elternteilzeit gem § 19d Abs 8 AZG von der Verpflichtung zur Erbringung von Mehr- und Überstunden ausgenommen sind, ruht der Anspruch auf die vereinbarte Überstundenpauschale. Während der zweiten Elternteilzeit des Kl verlangte die Bekl vom Kl keine Mehr- und Überstundenleistungen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Der Kl begehrt Entgeltdifferenz für den Zeitraum März 2020 bis März 2021, resultierend aus der Kürzung der Mehr- und Überstundenpauschale. Dazu brachte er vor, dass die von der Bekl vorgenommene Reduktion seines Entgeltanspruchs während der Elternteilzeit um eine Mehrleistungs- und Überstundenpauschale unzulässig sei, weil er ein All-in-Gehalt beziehe. Die Parteien hätten keine Überstundenpauschale und auch kein Entgelt vereinbart, dem Mehr- oder Überstundenleistungen zuordenbar wären.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass während der Elternteilzeit der Anspruch auf die mit dem Kl vereinbarte Überstundenpauschale zur Gänze ruhe.

Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Nach der OGH-E 9 ObA 30/15z vom 24.6.2015 ruhe der Anspruch von DN auf eine vereinbarte Überstundenpauschale für die Zeit, für die sie von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem MSchG bzw dem VKG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften Gebrauch gemacht hätten. Diese Grundsätze seien auch für All-in-Gehälter, bei denen die Abgeltung von Überstunden in einem bestimmbaren Umfang als Teil des Gesamtgehalts vorliege, anwendbar. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil eine Entscheidung des OGH, die sich konkret auf die Behandlung von All-in-Vereinbarungen während der Elternteilzeit beziehe, noch nicht vorliege.

Der OGH erachtete die Revision des Kl als zulässig, aber nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien im Wesentlichen strittig, wie sich das Entgelt nach § 8 Abs 1 VKG für den Zeitraum der Elternteilzeit des Kl aufgrund der konkreten Entgeltvereinbarung vor der Elternteilzeit berechnet. Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

[16] 1. Bereits in der Entscheidung 9 ObA 30/15z ist der erkennende Senat im Fall einer zwischen Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Überstundenpauschale zum Ergebnis gekommen, dass von der Weiterzahlungspflicht des AG das Entgelt für die Leistung von Überstunden nicht umfasst sei (Pkt 5.2.). Teilzeitbeschäftigte, die von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem MSchG bzw dem VKG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften Gebrauch gemacht hätten, seien zur Arbeitsleistung über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß (Mehrarbeit) nicht verpflichtet (§ 19d Abs 8 iVm Abs 3 AZG). Ein gänzlicher Wegfall der Überstundenleistung durch längere Zeit hindurch aufgrund eines gesetzlichen Verbots führe zum Ruhen des Anspruchs während der Zeit des Verbots, weil die Grundlage für die Vereinbarung einer Überstundenpauschale in der beiderseitigen Annahme liege, dass solche Überstunden auch tatsächlich geleistet werden „dürften“. Aus einer Pauschalierungsvereinbarung sei aber zumindest konkludent auf eine vertragliche Verpflichtung des AN zur Leistung von Überstunden zu schließen. Eine Pauschalabgeltung werde regelmäßig in der Erwartung vereinbart, dass auch Überstunden zu leisten sein werden (Pkt 6.). Da die Vereinbarung der Überstundenpauschale, wie schon der vereinbarte Widerrufsvorbehalt erkennen lasse, auch hier in der beiderseitigen Annahme der Parteien gelegen sei, dass solche Überstunden von der Arbeitnehmerin auch tatsächlich geleistet werden, wäre das von den Parteien dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegte Synal31lagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wäre die AG verpflichtet, der AN die Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl sie von der AN nicht einmal die Leistung von Mehrstunden fordern könne (Pkt 7.). Würden Elternteilzeitbeschäftigte jedoch einvernehmlich Mehrarbeit erbringen, dann stünde ihnen auch das entsprechende Entgelt zu (Pkt 3.).

[17] 2. Diese Rechtsprechung wurde im Schrifttum überwiegend zustimmend aufgenommen (ZAS 2016/32 [Pfalz]; Körber-Risak, Rechtsfragen der Teilzeit – Elternteilzeit, Entgeltanspruch und Diskriminierung, ZAS 2016/21; Hahn, Überstundenpauschale & All-in während der Elternteilzeit, RdW 2015, 725; Rauch, Überstundenpauschale und Mutterschutz – Wenn der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden nicht verlangen kann, entfällt die Überstundenpauschale, ASoK 2022, 246; Burger-Ehrnhofer in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, Mutterschutzgesetz und Väterkarenzgesetz3 Rz 17 zu § 14 MSchG). Risak (DRdA 2016/16) stimmt zwar der Begründung grundsätzlich zu, kritisiert aber das Ergebnis aufgrund der konkreten Fallgestaltung des gelebten Arbeitsverhältnisses.

[18] 3. Die Frage, ob die Entscheidung 9 ObA 30/15z auch auf All-in-Verträge übertragbar ist, wird im Schrifttum ebenfalls überwiegend bejaht:

[19] 3.1. Pfalz (ZAS 2016/32 Pkt 4.) bejaht dies unter der Voraussetzung, dass aus der Vereinbarung zumindest bestimmbar hervorgehe, welcher Anteil des Gesamtentgelts auf die Abgeltung von (Mehr- und) Überstunden entfalle.

[20] 3.2. Nach Peschek (ecolex 2014, 985 [988]) sei die All-in-Vereinbarung in der Elternteilzeit dann anzupassen, wenn sie dazu diene, Überstunden abzugelten und nicht anderen Zwecken diene (etwa als Teil einer Beförderung gesehen werde und die tatsächliche Leistung der Überstunden nachweislich keine Rolle spiele). Haben die Parteien an die konkrete Anzahl von Überstunden gedacht, sei das All-in-Entgelt während der Elternteilzeit um diese Anzahl zu korrigieren.

[21] 3.3. Hahn (Überstundenpauschale & All-in während der Elternteilzeit, RdW 2015, 725) stellt vergleichbare Überlegungen an. Ihrer Ansicht nach seien All-in-Vereinbarungen nach der jeweiligen Ausgestaltung im Einzelfall zu beurteilen. Es sei genau zu prüfen, welche konkreten Leistungen nach übereinstimmender Ansicht von AG und AN von der All-in-Vereinbarung abgegolten sein sollen. Nur sofern sich die All-in-Klausel ausschließlich auf eine zumindest bestimmbare zu leistende Überstundenzahl beziehe, sei eine anteilige Entgeltkürzung zur Berechnung des aliquoten Gehalts während der Inanspruchnahme der Elternteilzeit dem AG erlaubt.

[22] 3.4. Auch Sabara (Rechtsratgeber: Ein Kind kommt5 77 f) stellt auf die konkrete Vereinbarung im Einzelfall ab. Dem AG stehe nur dann ein Kürzungsrecht zu, wenn bei einem All-in-Gehalt eindeutig erkennbar sei, welches Grundentgelt der AN für die Normalarbeitszeit erhalte (vgl § 2g AVRAG). Enthalte jedoch ein All-in-Entgelt neben dem Grundentgelt, Mehr- und Überstunden auch weitere Entgeltbestandteile und sei nicht eindeutig erkennbar, welcher Teil des All-in-Entgelts aufgrund des Wegfalls der Überstunden zu reduzieren sei, sei die Kürzung des All-in-Bezugs wohl nicht zulässig. Denkbar und rechnerisch möglich wäre eine anteilige Reduzierung des All-in-Gehalts nur, wenn in der All-in-Vereinbarung das Grundentgelt für die Normalarbeitszeit angegeben sei.

[23] 3.5. Ähnlich argumentiert Burger-Ehrnhofer (in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, Mutterschutzgesetz und Väterkarenzgesetz3 Rz 18 zu § 14 MSchG): Nur wenn für Pauschalvereinbarungen § 2g AVRAG beachtlich sei, wonach der zustehende Grundlohn im Arbeitsvertrag oder Dienstzettel klar auszuweisen sei, könne für den Fall, dass sich daraus klar erkennen lasse, welcher Teil des Arbeitsentgelts, das über den genannten Grundlohn hinaus bezahlt werde, für die Leistung von Überstunden zustehe, eine entsprechende Reduzierung des All-in-Gehalts argumentiert werden. Lasse sich aus der Vereinbarung aber nicht erkennen, welcher Teil der Überzahlung für Überstunden und welcher für Reisezeiten, Nachtarbeit oder ähnliches zustehe, bleibe es bei der Fortzahlung des gesamten All-in-Gehalts trotz zu beachtendem Verbot der Leistung von Überstunden.

[24] 3.6. Körber-Risak (Rechtsfragen der Teilzeit – Elternteilzeit, Entgeltanspruch und Diskriminierung, ZAS 2016/21 Pkt 2.b.) hält ebenfalls die Überlegungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 9 ObA 30/15z auf All-in-Vereinbarungen übertragbar, weil auch bei diesen für Altvereinbarungen nach ständiger Rechtsprechung und für neue Vereinbarungen nach dem 29.12.2015 gemäß § 2g AVRAG der Entgeltanspruch aus Transparenzgründen so ausgewiesen sein müsse, dass daraus der für die Abgeltung von Mehrleistungen gewidmete Betrag erkennbar sei.

[25] 3.7. Nach Rauch (Überstundenpauschale und Mutterschutz – Wenn der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden nicht verlangen kann, entfällt die Überstundenpauschale, ASoK 2022, 246 [Pkt 3.4.]) würden die Grundsätze zum Entfall der echten Überstundenpauschale auch dann gelten, wenn ein All-in-Gehalt vereinbart worden sei und der Anteil der zu leistenden Überstunden bestimmbar sei. Auch beim All-in-Gehalt, bei dem die Überzahlung zum Grundgehalt auf Überstunden bezogen werde, gingen die Vertragsparteien einvernehmlich davon aus, dass die Überstunden geleistet würden, und daher wäre das Synallagma erheblich beeinträchtigt, wenn die Leistung von Überstunden (bzw auch Mehrarbeitsstunden bei der Elternteilzeit) nicht erfolgen könnte.

[26] 3.8. B. Winkler (Arbeitsrechtliche Konsequenzen variabler Entgelte, ZAS 2017/3 [Pkt C.4.]) ist der Ansicht, dass für eine All-in-Vereinbarung, bei der durch ein Pauschalgehalt sämtliche Mehr- und Überstunden abgegolten würden, dasselbe gelten müsse wie für eine Überstundenpauschale und folglich eine einseitige Reduktion des All-in-Gehalts auf das vereinbarte Grundgehalt im Fall einer Elternteilzeit daher zulässig sein müsse. Dem in der Literatur 32(insb von Risak) teilweise vertretenen Einwand, dass die Reduktion auf das vertraglich festgehaltene Grundgehalt, das häufig mit dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt gleichgesetzt werde, zu massiven und von den Vertragsparteien nicht gewollten Einkommensverlusten führen würde und die davon ausgehende Aliquotierung des Entgeltanspruchs bei Elternteilzeit in Einzelfällen zu massiven Äquivalenzstörungen und somit zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung führen könne, entgegnet sie, dass eine Äquivalenzstörung vielmehr dann vorliege, wenn das bisher geleistete All-in-Gehalt zu aliquotieren wäre und somit der in Elternteilzeit beschäftigte AN, der keine Mehr- oder Überstunden leistet, einen Anspruch auf einen Teil des für die Überstundenleistung vereinbarten Gehalts hätte, obwohl gar keine Überstunden geleistet werden. Problematisch seien allerdings All-in-Vereinbarungen, die nicht bloß Mehr- und Überstundenleistungen abdecken, sondern auch sonstige Entgeltbestandteile, wie etwa einen Nachtzuschlag. Diesbezüglich schlägt die Autorin vor, eine Reduktion des All-in-Gehalts auf das Grundgehalt zuzulassen und Zulagen bzw Zuschläge gesondert auszubezahlen.

[27] 3.9. Nitzl/Schirmer (Die All-in-Vereinbarung – Problemstellungen in der täglichen Praxis, ASoK 2017, 202 [Pkt 9.]) vertreten in Anlehnung an Peschek (aaO) die Rechtsansicht, dass sich die Grundsätze zur echten Überstundenpauschale dann auf All-in-Vereinbarungen umlegen lassen, wenn es deren Hauptzweck sei, Überstunden abzugelten. Es müsse somit nachweisbar sein, dass sowohl der AN als auch der AG vereinbart hätten, dass Überstunden geleistet werden sollen und diese mit der All-in-Vereinbarung abgegolten werden. Spiele die tatsächliche Leistung von Überstunden für die Vergütung keine Rolle, werde eine Anpassung des All-in-Vertrags in der Elternteilzeit jedoch nicht vertretbar sein.

[28] 3.10. Auch nach D. Holzinger (Zur Anpassung des All-in-Gehalts in der Elternteilzeit, DRdA-infas 2021, 51 [Pkt 4.]) sei ein Ruhen der All-in-Überzahlung nur denkbar, wenn eindeutig bestimmt sei, welcher Anteil am Gesamtgehalt der Überstundenabgeltung dienen solle. Wenn das Grundgehalt (nach § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG) beziffert und der Rest des Gesamtgehalts der Überstundenabgeltung gewidmet sei, dann sei die All-in-Überzahlung der Überstundenpauschale vergleichbar, mit der Konsequenz, dass die Überzahlung während der Elternteilzeit ruhe, so sich nicht aus dem Parteiwillen eindeutig anderes ergebe. Wenn das All-in-Gehalt hingegen auch andere Entgeltbestandteile als Überstunden abgelten solle und der der Überstundenabgeltung gewidmete Anteil nicht definiert sei, so ruhe die Überzahlung nicht. Diese Intransparenz gehe zu Lasten des Verfassers der Vereinbarung, in der Regel des AG.

[29] 3.11. Ähnlich argumentiert Morgenstern (Wegfall der Überstundenpauschale bei Elternteilzeit, PV-Info 9/2015): Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 30/15z vertretene Rechtsansicht könne dann auf All-in-Vereinbarungen Anwendung finden, wenn das (kollektivvertragliche) Grundgehalt für die Normalarbeitszeit im Dienstvertrag selbst bestimmt oder zumindest aufgrund der im Dienstvertrag erfolgten kollektivvertraglichen Einstufung bestimmbar sei und mit dem All-in-Bezug nicht auch andere Leistungen des DN (zB für eine Leitungsposition) und/oder andere (insbesondere kollektivvertragliche) Entgeltbestandteile abgegolten werden sollten (zB kollektivvertragliche Zulagen).

[30] 3.12. Risak (DRdA 2016/16 [Pkt 4.]) und Schrittwieser (Elternteilzeit: Kein Anspruch auf Weitergewährung einer Überstundenpauschale, DRdA-infas 2015/232) meinen hingegen, dass der Fall bei einer All-in-Vereinbarung, die regelmäßig die Abgeltung sämtlicher Arbeits- und Mehrleistungen sowie eventuell Zulagen vorsehe, anders zu beurteilen sei, weil dabei in der Regel kein Entgeltteil definiert sei, der den früher erbrachten Überstundenleistungen klar zuordenbar wäre. Es mangle damit an der Transparenz von (bis 2016 abgeschlossenen) All-in-Entlohnungen. Das Entgelt der Elternteilzeitbeschäftigten dürfe diesfalls nur im Ausmaß der Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit sinken. Nach Risak (aaO) könnten jedoch auf ab 2016 abgeschlossene All-in-Vereinbarungen (BGBl I 2016/152BGBl I 2016/152), in denen der Grundlohn oder das Grundgehalt, dh das Entgelt für die Normalarbeitszeit, betragsmäßig schriftlich im Dienstzettel bzw im Dienstvertrag auszuweisen sei, die Aussagen der Entscheidung 9 ObA 30/15z übertragen werden. Einer anderen Beurteilung (ergänzenden Vertragsauslegung) bedürfe es dann, wenn das Grundgehalt so niedrig angesetzt worden sei, dass es sich nahe dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt bewege.

[31] 3.13. Maca (Grundgehalt in All-in-Vereinbarungen, DRdA-infas 2016, 305 [309 f]) lässt die Frage offen, ob bei All-in-Gehältern künftig – im Lichte der Entscheidung 9 ObA 30/15z – bei Bereitschaft des Angestellten zur Mehrarbeitsleistung das bisherige All-in-Gehalt für die Normalarbeitszeit ins Verhältnis zur Teilzeit gesetzt oder aber, ob durch den Ausweis des Grundgehalts dieses als Basis für die Berechnung des Teilzeitgehalts herangezogen werde. Sie rechnet aber beispielhaft vor, dass im zweiten Fall eine 50-prozentige familiär bedingte Arbeitszeitreduzierung bei einem All-in-Gehalt, welches in Summe das Doppelte des angeführten Grundgehalts ausmache, die Reduktion auf ein Viertel des gesamten All-in-Gehalts zur Folge habe. Es werde häufig davon ausgegangen werden können, dass eine derartig massive Entgeltreduzierung im Fall der Elternteilzeit nicht von den Vertragsparteien beabsichtigt sei und über ergänzende Vertragsauslegung eine Basis für die Elternteilzeit gefunden werden müsse.

[32] 4.1. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der im Schrifttum herrschenden Ansicht an: Haben die Arbeitsvertragsparteien eine All-in-Vereinbarung abgeschlossen, dann ruht während der Elternteilzeit (nur) jener Teil des Arbeitsentgelts, der über das Grundentgelt hinaus für die Leistung von Mehr- und Überstunden bezahlt wird. Für die tatsächliche Leistung von Mehr- und Überstunden gebührt dem El33ternteilzeitbeschäftigten selbstverständlich auch die entsprechende Abgeltung, allerdings im Wege der Einzelverrechnung der erbrachten Mehrleistungen.

[33] 4.2. Dass die zwischen den Parteien getroffene Entgeltvereinbarung keinen Widerrufsvorbehalt der „Überstundenpauschale“ enthält, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Bei einer wirksam vereinbarten Überstundenpauschale besteht zwar die Möglichkeit zu vereinbaren, dass diese vom AG widerrufen oder unter bestimmten Umständen auf Einzelverrechnung übergegangen werden kann (RS0051758), ein Widerrufsvorbehalt ist aber keine unabdingbare Voraussetzung für die Kürzung des Entgelts eines Elternteilzeitbeschäftigten um die Überstundenpauschale. Gegenteiliges liegt auch der Entscheidung 9 ObA 30/15z nicht zugrunde, sondern wurde darin der vereinbarte Widerrufsvorbehalt nur als zusätzliches Argument für die ergänzende Vertragsauslegung herangezogen. Der vom Kl gezogene Umkehrschluss ist daher nicht zulässig. Der hier fehlende Widerrufsvorbehalt in Bezug auf die im All-in-Engelt vereinbarte (pauschale) Abgeltung der Arbeitsleistung für 25 bzw 15 Mehr- und Überstunden stützt daher die Argumentation der Revision nicht. Ob bei der konkreten All-in-Vereinbarung überhaupt ein Widerrufsvorbehalt zulässig wäre, braucht hier daher nicht näher untersucht zu werden.

[34] 5.1. Im vorliegenden Fall haben die Parteien eine Entgeltvereinbarung getroffen, mit der jedenfalls eine bestimmte Anzahl von Mehr- und Überstundenleistungen abgegolten ist. Diese Vereinbarung lag in der gegenseitigen Annahme der Vertragsparteien, dass diese Mehr- bzw Überstunden vom Kl auch tatsächlich geleistet werden (dürfen). Soweit der Kl in seiner Revision darauf verweist, dass im Annex zum Dienstvertrag nicht nur festgehalten sei, dass das Grundgehalt je nach Funktion des DN eine bestimmte Anzahl von Mehrleistungsstunden (25 bzw 15) enthalte, sondern zudem auch, dass alle darüber hinausgehenden Mehrleistungsstunden durch den Betrag des Grundgehalts, der den Mindestlohn gemäß dem anwendbaren KollV übersteige, sowie durch variable Bezüge, Sachbezüge oder etwaige Bonuszahlungen, die zusätzlich zum Grundgehalt bezahlt würden, und sämtliches variables Entgelt abgegolten seien und daher kein Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung für Überstunden bestehe (vom Erstgericht nur in englischer Sprache wiedergegeben), so ist daraus für ihn nichts zu gewinnen. Die Bekl hat ohnedies sein Jahresfixgehalt nur um jenen Betrag gekürzt, der der konkret bestimmten Anzahl an im Gesamtentgelt enthaltenen (zuletzt 15) Mehr- und Überstunden – hinsichtlich derer Leistung eine vertragliche Erwartungshaltung bestand – (samt Zuschlag) entspricht.

[35] 5.2. Wenn die Revision betont, dass der Kl den Dienstvertrag so verstanden habe, dass jegliches von ihm geleistete Ausmaß an Arbeitsstunden durch das Pauschalentgelt abgegolten sei, er also kein Überstundenentgelt bekomme, sondern eine Pauschalvereinbarung vorliege, so hat diesem Argument bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass es auf das subjektive Verständnis des Kl nicht ankommt. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RS0014160; RS0113932; RS0014205). Da im Annex zum Dienstvertrag die Anzahl der Mehr- und Überstunden festgehalten ist, die pauschal mit dem jeweiligen Gehalt abgegolten werden (dies war dem Kl überdies, wie in der Revision zugestanden wird, auch bewusst), ist die All-in-Vereinbarung so zu verstehen (§ 914 ABGB), dass nur darüber hinausgehende Mehrleistungen und sonstige Bezüge pauschal abgegolten sind. Die Behauptung des Kl, die mangelnde Transparenz seiner All-in-Vereinbarung spreche gegen ein Ruhen der Mehrleistungspauschale, ist nur für den unbestimmten Teil der Entgeltvereinbarung richtig, jener Teil der pauschalen Abgeltung, der die Leistung von 25 bzw 15 Mehr- und Überstunden betrifft, ist hingegen ausreichend konkret bestimmt.

[…]

[41] Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.“

ERLÄUTERUNG

In der vorliegenden E hat der OGH nun erstmals entschieden, welche Auswirkung eine Elternteilzeitphase auf eine All-in-Vereinbarung in Bezug auf den Verdienst während der Elternteilzeit hat. Bisher war nur der Umgang mit Überstundenpauschalen höchstgerichtlich geklärt (OGH 24.6.2015, 9 ObA 30/15z): Überstundenpauschalen ruhen während der Elternteilzeit.

Aus der E ergibt sich, dass es einen wesentlichen Unterschied macht, ob eine Überstundenpauschale vereinbart ist oder tatsächlich eine All-in-Vereinbarung vorliegt. Denn die Frage, ob und in welchem Ausmaß eine pauschalierte Überzahlung während der Elternteilzeit ruht, hängt davon ab, wie konkret jener Anteil der Überzahlung definiert ist, der für die Leistung von Überstunden gedacht ist. Allerdings kann die All-in-Vereinbarung auch so formuliert sein, dass die Regeln zu Überstundenpauschalen anzuwenden sind.

Dies klingt auf den ersten Blick kompliziert; ist es aber nicht, wenn man die Begründung des OGH versteht.

Worin liegt der Unterschied zwischen Überstundenpauschale und All-in-Vereinbarung?

Bei einer Überstundenpauschale wird eine pauschale Vergütung für eine bestimmte Anzahl von Überstunden vereinbart. Es steht also fest, wieviel Vergütung man für seine Normalarbeitszeit erhält und wieviel für die darüber hinaus gearbeiteten Stunden. Bei einer All-in-Vereinbarung hängt es von der Formulierung ab, ob ersichtlich ist, wieviel man für die Normalarbeitszeit erhält und wieviel für zeitliche Mehrleistungen. Ist der Teil des Entgelts für zeitliche Mehrleistungen betraglich bestimmbar, muss dieser Betrag nicht in die Bemessungsgrund34lage für das während der Elternteilzeit gebührende Teilentgelt eingerechnet werden.

Die Unterschiede zwischen einer Überstundenpauschale und All-in-Vereinbarungen (keine abschließende Aufzählung) sollen anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden:

  1. „Der AN erhält für die Normalarbeitszeit den KV-Lohn von brutto EUR 2.000,-. Darüber hinaus erhält er eine Überstundenpauschale für monatlich 10 Überstunden in Höhe von brutto EUR 173,41.“

  2. „Der AN erhält für die Normalarbeitszeit den KV-Lohn von brutto EUR 2.000,-. Darüber hinaus erhält er brutto EUR 1.000,-. Mit der Überzahlung sind monatlich 10 Überstunden abgegolten und alle weiteren möglichen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.“

  3. „Der AN erhält für die Normalarbeitszeit den KV-Lohn von brutto EUR 2.000,-. Darüber hinaus erhält er brutto EUR 1.000,-. Mit der Überzahlung sind alle möglichen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten.“

  4. „Der AN erhält ein Gesamtentgelt in Höhe von brutto EUR 7.400,-. Er wird in BG E und Gehaltsstufe 7 des KV eingestuft. Es wird davon ausgegangen, dass monatlich 25 Mehr- und Überstunden geleistet werden. Mit diesem Entgelt sind alle Arbeitsleistungen abgegolten.“

Bei Bsp 1 handelt es sich um eine Überstundenpauschale. Im Falle einer Elternteilzeit müssen die € 173,41 nicht in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Teilzeitverdienstes eingerechnet werden (OGH 24.6.2015, 9 ObA 30/15z).

Bei Bsp 2 handelt es sich um eine All-in-Vereinbarung bei der ersichtlich ist, dass ein Teil der Überzahlung für monatlich 10 Überstunden bezahlt wird. Konkret sind es bei einer 40 Stundenwoche und 50 %-Zuschlag € 173,41. Bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage für einen Elternteilzeitverdienst müssen diese € 173,41 nicht in die Bemessungsgrundlage eingerechnet werden.

Bei Bsp 3 handelt es sich ebenfalls um eine All-in-Vereinbarung. Bei dieser ist allerdings nicht ersichtlich, wieviel der Überzahlung für Überstunden angenommen wird und wieviel für andere Leistungen. In diesem Fall muss die gesamte Überzahlung in die Bemessungsgrundlage fließen.

Bei Bsp 4 handelt es sich auch um eine All-in-Vereinbarung. Zwar ist der Grundverdienst für die Normalarbeitszeit nicht angegeben, aber die Einstufung im KollV. Monatlich 25 Mehr- und Überstunden sind Bestandteil des Gesamtverdienstes. Der Verdienst für diese Stunden ist auf Basis des Kollektivvertragsgehaltes bestimmbar. Dieser Teil muss in die Bemessungsgrundlage für das Teilzeitentgelt nicht eingerechnet werden.

Die in diesem Fall vom OGH zu beurteilende Vereinbarung entsprach Bsp 2. Aus dem Arbeitsvertrag und dem Annex hat sich nämlich genau ergeben, wie viele Überstunden mit der Überzahlung mindestens bezahlt sein sollten. Der daraus resultierende Betrag musste daher nicht in die Bemessungsgrundlage für den Teilzeitverdienst einfließen.

In der Begründung folgte der OGH dem Argument, es würde der ursprünglich abgeschlossenen Vereinbarung nicht entsprechen, wäre ein AG verpflichtet, AN eine Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl nicht einmal die Leistung von Mehrstunden gefordert werden könne.

Der Restbetrag der Überzahlung musste hingegen sehr wohl in die Bemessungsgrundlage des Teilzeitverdienstes einfließen, was der AG im Übrigen auch gemacht hat. Denn während der Elternteilzeit ist ja nur die Verpflichtung zu Mehrarbeit ausgeschlossen. Die Verpflichtung zur Zahlung anderer Leistungen, die in der Überzahlung enthalten sind (zB für Führungsaufgaben) – egal ob sie namentlich aufgezählt sind oder nicht –, ruht in der Elternteilzeit hingegen nicht.