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Keine Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes bei mehr als einmonatiger Verzögerung der Kündigung wegen ungeklärter Tatumstände

RICHARDHALWAX

Der beim bekl Land als Vertragsbediensteter beschäftigt gewesene Kl leistete zuletzt seinen Dienst im Rahmen der Überwachung von Kurzparkzonen und dem ruhenden Verkehr. Nachdem durch eine verdeckte Dienstaufsicht am 15.4.2021 Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der vorschriftswidrigen Unterlassung der Hinterlegung mehrerer Organstrafverfügungen durch den Kl entdeckt wurden, informierte der Vorgesetzte des Kl noch am selben Tag davon die Landespolizeidirektion Wien und beantragte die Dienstfreistellung des Kl. Diese wurde am darauffolgenden Tag, dem 16.4.2021, auch ausgesprochen. In einer sofort eingeholten schriftlichen Stellungnahme verantwortete sich der Kl ua damit, dass er bei seiner dienstlichen Tätigkeit am 15.4.2021 zweimal von Bauarbeitern beleidigt und provoziert worden sei und sich daher iSd Eigenschutzes beide Male ohne Hinterlegung des Organstrafmandats an den beanstandeten Fahrzeugen entfernt habe.

Am 23.4.2021 wurde die Personalvertretung der Bediensteten der Gemeinde * über die beabsichtigte Kündigung des Kl in Kenntnis gesetzt. Diese sprach sich am 6.5.2021 gegen die Kündigung des Kl aus, weil nach Angaben der Vorsitzenden des Dienststellenausschusses dem Kl lediglich in einem Fall vorgeworfen werde, ein ausgestelltes Organ27strafmandat nicht am Fahrzeug angebracht zu haben. Am 8.6.2021 ersuchte die Dienststelle des Kl (Magistratsabteilung [MA] 7 Parkraumüberwachung) in einer Stellungnahme an die MA 2, die Kündigung weiter zu betreiben, weil der Kl nicht nur einmal, wie in der Stellungnahme der Personalvertretung dargestellt werde, sondern systematisch bei Fahrzeugen, bei denen er Konflikte mit den Fahrzeuglenkern befürchtete, zwar Organmandate ausgestellt, diese aber nicht hinterlegt, sondern offenbar weggeworfen habe.

Die Kündigung des Kl erfolgte am 10.6.2021. Daraufhin begehrte der Kl die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit dem Ersturteil die Unverzüglichkeit des Ausspruchs der Kündigung des Kl bejaht. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhob die kl Partei außerordentliche Revision. Diese war zurückzuweisen, weil die Frage, ob die Bekl den Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 Z 1 VBO 1995 unverzüglich geltend gemacht hat, eine Beurteilung im Einzelfall darstellt.

In seiner außerordentlichen Revision erblickt der Kl eine vom OGH zu korrigierende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen (ausschließlich) darin, dass der Unverzüglichkeitsgrundsatz durch die Untätigkeit der Bekl im Zeitraum zwischen der bei der Bekl am 6.5.2021 eingelangten Stellungnahme der Personalvertretung und der dazu am 8.6.2021 ergangenen Stellungnahme der MA 7 verletzt worden sei. Bereits am 6.5.2021 sei der für den Ausspruch der Kündigung zuständigen MA 2 der gesamte Sachverhalt bekannt gewesen. Der Grund für die mehr als einmonatige Verzögerung mit dem Ausspruch der Kündigung sei demnach allein in der Untätigkeit des zur Entscheidung berufenen Organs der Bekl gelegen.

Nach stRsp ist der DG gehalten, von seinem an wichtige Gründe gebundenen Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des rechtfertigenden Sachverhalts durch die für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organe Gebrauch zu machen. Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können nur insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls, sachlich begründet sind. Dem DG ist aber das Recht zuzubilligen, bei einem undurchsichtigen Sachverhalt bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem Kündigungsausspruch zuzuwarten. Ist dieser Zeitraum nicht unangemessen lang, dann darf der DN nach Treu und Glauben nicht auf einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht schließen.

Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf generell nicht überspannt werden. Nicht aus jeder Verzögerung kann auf einen Verzicht des DG auf die Ausübung des Beendigungsrechts geschlossen werden. Vorläufige Maßnahmen, etwa die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines DN, können die Annahme eines Verzichts verhindern. Allerdings muss die Dienstfreistellung zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für den Beendigungsausspruch erfolgen und für den DN als vorläufige Maßnahme zur Vorbereitung einer Entlassung erkennbar sein; nur wenn dem DN erkennbar ist, dass sein Verhalten die schwerwiegende Folge der Entlassung bzw Kündigung eines Vertragsbediensteten nach sich ziehen kann und nur noch Abklärungen der Sach- und Rechtslage erforderlich sind, kann aus dem Zeitablauf allein nicht auf einen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts geschlossen werden.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nun nach Ansicht des OGH nicht, dass die Bekl (MA 2) bereits nach Einlangen der Stellungnahme der Personalvertretung am 6.5.2022 in Kenntnis aller für ihre Entscheidungsfindung relevanten Umstände war. Vielmehr war gerade aufgrund dieser Stellungnahme noch klärungsbedürftig, ob dem Kl nur ein einmaliges Fehlverhalten zur Last liegt oder er mehrere Verstöße gegen seine Dienstpflichten zu verantworten hat. Dadurch, dass die Bekl (MA 2) nicht ohne berechtigten Grund mit ihrer Entscheidungsfindung bis zum Einlangen der von ihr angeforderten Stellungnahme der Dienststelle des Kl (MA 7) zugewartet hat, ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Bekl habe den Ausspruch der Kündigung nicht ungebührlich verzögert, vertretbar. Es liegen auch sonst keine Gründe vor, aufgrund derer der suspendierte Kl allein wegen des verzögerten Zeitablaufs davon ausgehen durfte, die Bekl wolle die Kündigung nicht weiter betreiben und auf die Kündigung verzichten.