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Zur Frage der sachlichen Rechtfertigung der längeren Höchstbefristungsdauer für Teilzeitbeschäftigte nach § 109 Abs 2 UG aF

RICHARDHALWAX

Die Kl war bei der Bekl vom 9.9.2002 bis 30.4.2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Es wurden immer wieder befristete Verträge abgeschlossen, zumeist auf die Dauer jeweils eines Jahres, entweder in Vollzeit oder, insb in den letzten Jahren, in Teilzeit. Lediglich im Zeitraum vom 1.9.2005 bis 30.9.2006 bestand kein Dienstverhältnis. Der auf das Dienstverhältnis der Kl anzuwendende § 109 Abs 1 und 2 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) lautete in seiner bis 30.9.2021 geltenden, auf das Arbeitsverhältnis der Kl anzuwendenden Fassung (in der Folge als § 109 Abs 2 UG 2002 aF bezeichnet):

„(1) Arbeitsverhältnisse können auf unbestimmte oder bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Zeit sind bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit des Arbeitsvertrags auf höchstens sechs Jahre zu befristen, sofern in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.

(2) Eine mehrmalige unmittelbar aufeinanderfolgende Befristung ist nur bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Rahmen von Drittmittelprojekten oder Forschungsprojekten beschäftigt werden, bei ausschließlich in der Lehre verwendetem Personal sowie bei Ersatzkräften zulässig. Die Gesamtdauer solcher unmittelbar aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers darf sechs Jahre, im Fall der Teilzeitbeschäftigung acht Jahre, nicht überschreiten. Eine darüber hinausgehende einmalige Verlängerung bis zu insgesamt zehn Jahren, im Fall der Teilzeitbeschäftigung bis zu insgesamt zwölf Jahren, ist bei sachlicher Rechtfertigung, insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen, zulässig.“

Die Kl war damit insgesamt – unter Gewichtung ihrer jeweiligen vereinbarten Arbeitszeiten – über der Grenze von acht Jahren, und zwar mit einer darüber hinausgehenden Verlängerung, beschäftigt.

Die Arbeit der Kl bestand vor allem in immunhistologischen und immunfluoreszierenden Laborarbeiten an der Universitätsklinik für Dermatologie, an der zum größten Teil an einem Drittmittelprojekt 25geforscht wurde. Im Rahmen des Gesamtprojekts gab es verschiedene Unterprojekte, die von jeweils einem Post-Doc geleitet wurden. Im Zeitpunkt der letzten Befristung des Arbeitsverhältnisses standen zwei Teilprojekte in der Finalphase, deren Ergebnisse im November 2013 bzw Jänner 2014 eingereicht wurden. Daneben war die Kl an zwei weiteren Projekten beteiligt, die ab April 2014 nicht mehr weiter betreut bzw nicht zum Abschluss gebracht wurden. Die Tätigkeit der Kl erforderte zwar wissenschaftliche Qualifikation, sie arbeitete jedoch jeweils nach Anweisungen einer Projektleitung und war nicht selbst federführend tätig.

Von den drittmittelfinanzierten beschäftigten Mitarbeitern sind 98 % der Männer und 95 % der Frauen mit befristeten Dienstverträgen beschäftigt, davon gem § 109 Abs 2 UG 2002 55,3 % der Männer und 57 % der Frauen. Ähnliche Zahlenverhältnisse ergeben sich, wenn man auch die mit über 90 % beschäftigten Mitarbeiter als Vollzeitbeschäftigte rechnet.

Es konnte nicht festgestellt werden, zu welchem Prozentsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Drittmittelprojekten eingesetzt waren, nach Ablauf der Höchstbefristung in ein unbefristetes Dienstverhältnis zur Bekl übernommen wurden oder werden.

Die Kl begehrte die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis über den 30.4.2014 hinaus aufrecht sei. Die unterschiedliche Höchstbefristungsdauer nach § 109 Abs 2 UG 2002 aF sei mangels sachlicher Rechtfertigung verfassungs- und unionsrechtswidrig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts und in Anwendung der Grundsätze der im zweiten Rechtsgang des Verfahrens eingeholten Vorabentscheidung des EuGH (Rs C-274/18, ECLI:EU:C:2019:828) sei im Anlassfall keine genügende sachliche Rechtfertigung für die verlängerte Gesamtdauer der Befristungen bei Teilzeitbeschäftigung erkennbar. Die ordentliche Revision der Bekl war zulässig, aber nicht berechtigt.

Der OGH folgt dem Vorbringen der Bekl zwar dahingehend, dass das festgestellte Verhältnis der von der Regelung betroffenen männlichen und weiblichen Teilzeitbeschäftigten die Voraussetzungen für die Annahme einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung iSd Art 2 der Gleichbehandlungs-RL 2006/45/EG nicht erkennen lässt. Es verbleiben aber jedenfalls die Fragen,

  1. inwieweit eine Benachteiligung iSd § 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit RL 97/81/EG vorliegt (vgl dazu auch die Vorabentscheidung C-274/18, ECLI:EU:C:2019:828) und

  2. welche Vorgaben aus der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der RL 1999/70/EG abzuleiten sind.

Der EuGH hat in der vorliegenden Vorabentscheidung geprüft, ob Teilzeitbeschäftigte durch die Regelung hinsichtlich der Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse unsachlich schlechter behandelt werden oder es einen Vorteil darstellt, weil es schwierig ist, bei Universitäten eine unbefristete Beschäftigung zu erlangen. Als sachlicher Grund wurde geltend gemacht, dass es in der Natur der Sache liege, dass Teilzeitbeschäftigte im Rahmen ihrer Beschäftigung nicht so viele Kenntnisse und nicht so viel Erfahrung erwerben könnten wie vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, dies aber entscheidend sei, um sich im universitären Bereich zu etablieren. Der EuGH hat zwar zugrunde gelegt, dass das Dienstalter Hand in Hand mit der dienstlichen Erfahrung gehe, jedoch der objektive Charakter eines Kriteriums von allen Umständen des Einzelfalls und insb davon abhängt, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die durch die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird. Das nationale Gericht habe zu prüfen, ob im spezifischen Kontext der Arbeitsverhältnisse, die unter § 109 Abs 2 UG 2002 fallen, und der von der Kl des Ausgangsverfahrens im Rahmen eines solchen Arbeitsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten eine besondere Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die durch eine bestimmte Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird, und, falls dies bejaht wird, ob die Zeit, die erforderlich ist, um Forschungsarbeiten abzuschließen und die Publikation von deren Ergebnissen zu gewährleisten, dies zu rechtfertigen vermag sowie ob die Regelung zu dem Ziel, das mit ihr verfolgt werden soll, in einem angemessenen Verhältnis steht.

Beide Richtlinien und die dazu ergangene Rsp sprechen also für eine enge, an den konkreten sachlichen Erfordernissen orientierte Auslegung des § 109 Abs 2 UG 2002, was also eine „sachliche(r) Rechtfertigung, insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen“ darstellt, wobei der noch spezifisch bei der Verlängerung bei Teilzeitbeschäftigten dies im Hinblick auf die Bedeutung des Ausmaßes der Arbeitszeit zu prüfen ist.

Grundsätzlich nachvollziehbar argumentiert die Bekl, dass es für Teilzeitbeschäftigte auch einen Nachteil darstellen könne, wenn sie bei gleicher Befristungsdauer weniger Arbeitszeit als Vollzeit beschäftigte Wissenschafter haben, um sich wissenschaftlich zu entwickeln und zu etablieren und ihre Eignung für die ganz besonderen Herausforderungen dieser Art der Tätigkeit unter Beweis zu stellen. Da aber auf eine Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis nach dem UG 2002 sowohl bei Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigten kein Anspruch besteht, stehen beide Gruppen auch vor der Herausforderung, für den Fall des Scheiterns rechtzeitig eine alternative Berufslaufbahn zu 26planen, wofür eine um mehrere Jahre verlängerte Unsicherheit und die Unanwendbarkeit von Kündigungsschutzbestimmungen im Regelfall nicht günstig sind. Genau zu dieser Abwägung trifft das Gesetz in § 109 Abs 2 letzter Halbsatz UG 2002 eine Entscheidung, die nach den Richtlinienvorgaben iS einer engen Vorgabe für weitere Verlängerungen und einer Erweiterung des Zeitraums für Teilzeitbeschäftigte zu interpretieren ist.

Die unterschiedliche Behandlung der AN-Gruppen in § 109 Abs 2 UG 2002 aF differenziert nicht nach dem Teilzeitausmaß. Im äußersten Fall ermöglicht bereits eine einzige Stunde unterhalb der Normalarbeitszeit die längere Gesamtbefristungsdauer, ohne dass hier im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigung ein wesentlicher Unterschied in Bezug auf den Erwerb von Erfahrung vorstellbar wäre.

Wesentlich ist aber die anzustellende konkrete Betrachtung, bei der der vorgebrachte Rechtfertigungsgrund in den Feststellungen keine Deckung findet. Aus den Feststellungen ist kein eindeutiger Zusammenhang zwischen längerer Dauer der Kettenverträge der Kl, der verringerten Arbeitszeit und deren beruflichem Fortkommen abzuleiten. Die Kl hat auch nie eigene Projekte geleitet. In welcher Hinsicht die Kl durch ihre befristeten Kettendienstverträge ihre Qualifikation, die schon Voraussetzung für die Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin war, durch die verlängerte Gesamtdauer in relevanter Weise erhöhen konnte, bzw welche konkreten besseren Karrierechancen ihr dadurch ermöglicht wurden, konnte die Bekl nicht darstellen.

Allgemein würde der Rechtfertigungsgrund des letzten Satzes des § 109 Abs 2 UG 2002, der die einmalige Verlängerung über das Höchstausmaß „insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen“ erlaubt, wohl auf die Projektverantwortlichen selbst sowie auf AN zutreffen, die für das laufende Projekt von solcher Bedeutung sind, dass ohne sie die Fortführung oder der Abschluss gefährdet wäre oder die AN selbst daraus konkrete Vorteile für ihre wissenschaftliche Karriere haben. Hinsichtlich des Aspektes der Teilzeitbeschäftigten wäre auch die Bedeutung des Ausmaßes der Arbeitszeit relevant. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt waren diese Voraussetzungen bei der Kl aber nicht erfüllt.

Im Ergebnis lässt sich die erneute wiederholte Befristung weder aus der Bedeutung für das „wissenschaftliche Fortkommen“ der Kl noch dem Erfordernis des erneuten Einsatzes gerade der Kl bei einem bestimmten – befristeten – Projekt rechtfertigen. Die Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzung einer sachlichen Rechtfertigung iSd letzten Satzes des § 109 Abs 2 UG 2002 und seiner richtlinienkonformen Interpretation jedenfalls für die letzte, das Höchstmaß von acht Jahren überschreitende Befristung bei der Kl nicht mehr vorlag.

Die Rechtsfolge einer unzulässigen Mehrfachbefristung wird in § 109 UG 2002 nicht explizit angesprochen. Nach der Rsp führt eine mangels der Voraussetzungen des § 109 Abs 2 UG 2002 unzulässige Kettenbefristung eines Dienstvertrags zu einem unbefristeten Dienstvertrag. Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser rechtlichen Konsequenz, die als solche auch in der Revision nicht bekämpft wird, abzugehen.

Auf die Frage, ob die strittige Regelung des § 109 Abs 2 UG 2002 aF eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, kam es daher nicht mehr an.