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Berechtigter Anspruch auf Leistungen aus Sozialplan-Betriebsvereinbarung bei Dienstgeberkündigung

DAVIDKOXEDER

Der Kl war bei der Bekl bzw deren Rechtsvorgängerinnen seit 1.9.1997 tätig. Die Bekl und deren Zentralbetriebsrat schlossen am 28.9.2019 mit BV einen Sozialplan ab, weil die Bekl beabsichtigte, eine Sparte ihres Unternehmens in Wien zu schließen und Mitarbeiter abzubauen. Die BV galt zunächst bis 30.9.2020, wobei die Gültigkeit dieses Sozialplans in weiterer Folge bis 30.9.2022 verlängert wurde.

Der Kl nahm diverse Angebote der Bekl, das Dienstverhältnis unter Berücksichtigung des Sozialplans einvernehmlich aufzulösen, nicht an, weil er sich mit den jeweils darin genannten Bedingungen nicht einverstanden zeigte, woraufhin die Bekl mit Schreiben vom 26.11.2019 das Dienstverhältnis zum 31.3.2020 auflöste. Diese Kündigung focht der Kl wegen Sozialwidrigkeit und verpönten Motivs an, wobei über die Kündigungsanfechtung bislang noch nicht entschieden wurde.

Mit der gegen die Bekl eingebrachten Klage begehrte der Kl die Feststellung, dass er auch im Falle der rechtswirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses durch die DG-Kündigung Anspruch auf Leistungen aus der BV-Sozialplan vom 28.9.2019 habe. Diese Leistungen umfassten insb eine freiwillige Leistung, das Jubiläumsgeld, den Familienzuschuss und den Sozialfonds der BV-Sozialplan.

Die Bekl bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte ua ein, dass ein gekündigter Mitarbeiter keinen Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialplan habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren insofern teilweise statt, als es feststellte, dass der Kl auch im Falle einer DG-Kündigung auf Leistungen aus der BV-Sozialplan hat und begründete dies damit, dass aus dem Wortlaut und dem Zweck des Sozialplans die Leistungen daraus auch dem gekündigten Kl gebührten. Das Mehrbegehren wurde vonseiten des Erstgerichtes rechtskräftig abgewiesen.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und wies die Berufung der Bekl gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils ab. Gleichzeitig ließ es die ordentliche Revision mit der Begründung zu, die Auslegung des gegenständlichen Sozialplans sei für eine große Anzahl von Mitarbeiten der Bekl, und damit über den Einzelfall hinaus, von Bedeutung, und es liege noch keine Rsp des OGH zum gegenständlichen Sozialplan vor.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts an den OGH gerichtete Revision der Bekl wurde – aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen – als zulässig, jedoch nicht als berechtigt angesehen. Im Revisionsverfahren war zwischen den Streitteilen nur mehr strittig, ob der Kl auch im Fall der rechtswirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung der Bekl Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialplan hat.

Hierzu hielt der OGH in seinen rechtlichen Ausführungen fest, dass der normative Teil von (hier: Sozialplan-)BV – wie jener von Kollektivverträgen – nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen ist, wobei maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann. In erster Linie ist bei der Auslegung einer BV daher der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text der BV ergebende Absicht der Betriebsparteien zu berücksichtigen. Bei der Auslegung muss zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass die Betriebsvereinbarungsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten.

Zahlreiche Ansprüche, die Sozialpläne gewähren, verfolgen das Ziel, den AN bisher zugestandene Rechtspositionen so lange wie möglich zu erhalten bzw den Verlust auszugleichen. Der typische Zweck eines Sozialplans, die sich aus einer betrieblichen Änderung für alle oder einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder zu mildern, ist bei der Auslegung des Sozialplans zu berücksichtigen.

Ergänzend vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass die Präambel der BV zunächst festhielt, dass die Bekl bestimmten Mitarbeitern ein Anbot zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses 6unter Berücksichtigung des Sozialplans machen werde. In jenem Fall, dass ein Mitarbeiter dieses Anbot nicht annimmt, behielt sich die Bekl eine betriebsbedingte Kündigung dieses Mitarbeiters vor. Dass ein betriebsbedingt gekündigter Mitarbeiter dann aber nicht in den Genuss der Sozialplanleistungen kommen sollte, war dem Wortlaut der Präambel jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr haben die Vertragsparteien ausdrücklich festgehalten, dass der Sozialplan bei Selbstkündigungen und Entlassungen keine Geltung hat. Hätten die Parteien beabsichtigt, dass der Sozialplan auch bei DG-Kündigungen nicht gilt, wäre dies wohl im Text aufgenommen worden. Darüber hinaus steht dieses Auslegungsergebnis auch mit dem Zweck des Sozialplans, die sich aus einer betrieblichen Änderung für einen bestimmten Teil der Belegschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder – im Falle der Beendigung von Dienstverhältnissen durch Gewährung freiwilliger Leistungen der Bekl – zu mildern, im Einklang.

Der Revision der Bekl war daher nicht Folge zu geben.