Haslinger/PichlerBPGG – Bundespflegegeldgesetz samt Einstufungsverordnung und Kinder-Einstufungsverordnung – Kommentar

Linde Verlag, Wien 2021, 244 Seiten, gebunden, € 59,–

BARBARAFÖDERMAYR (LINZ)

Auf der Rückseite des Bucheinbands wird der Kommentar als der erste „umfassende Praxiskommentar zum Bundespflegegeldgesetz“ seit 25 Jahren vorgestellt sowie sogleich die hohe Fachkompetenz der beiden Autor*innen und ihre große Praxiserfahrung – Mag. Paul Haslinger ist Jurist bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) und war zuvor Rechtsanwalt mit großer Erfahrung in Sozialrechtsverfahren und Mag. Susanne Pichler ist seit 15 Jahren Richterin am ASG Wien – hervorgehoben.

Allein diese kurze Beschreibung muss alle an der gegenständlichen Materie Interessierten jedenfalls zu einem neugierigen Blick in den Kommentar verleiten. Bisher war man im Bereich des Pflegegeldrechts sowohl in Praxis als auch Wissenschaft auf die Benutzung der bisher verfügbaren – exzellenten – Standardwerke „angewiesen“. Die letzte „echte Kommentierung“ des BPGG von Gruber/Pallinger stammt – wie ausgeführt – allerdings aus dem Jahr 1994, somit aus der Zeit kurz nach Inkrafttreten der Stammfassung des BPGG mit 1.7.1993 und ist somit bereits beinahe 30 Jahre alt. Seit dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfuhr das BPGG bisher insgesamt 39 – größere und kleinere – Novellen, die in der Kommentierung der Stammfassung selbstverständlich ebenso wenig Berücksichtigung finden konnten wie die bisher ergangene Judikatur und einschlägige Literatur. So wertvoll die aktuelleren Werke auch sind – hier ist anzumerken, dass die umfassenderen Untersuchungen

zum BPGG, ausgenommen der Beitrag Pfeils im Handbuch Medizinrecht, auch alle schon ein wenig älter sind –, so wichtig ist es jedenfalls sowohl für die Praxis als auch die Wissenschaft, einen aktuellen Kommentar für die Lösung von Rechtsproblemen zu Hilfe nehmen zu können. Etwas schade ist, dass die letzte große – im Juli im Rahmen der gesetzlichen Umsetzung der ersten Etappe der Neuerungen im Zusammenhang mit der Pflegereform 2022 beschlossene – Novelle des BPGG, die mit 1.1.2023 in Kraft treten wird, naturgemäß noch nicht eingearbeitet werden konnte. Bei den betroffenen Neuerungen handelt es sich insb um die Nichtanrechnung der erhöhten Familienbeihilfe nach § 7 zweiter Satz BPGG, um Verbesserungen für Angehörige nach § 21a BPGG, die aus dem Unterstützungsfonds geleistet werden, um Verbesserungen im Zusammenhang mit der Antragstellung nach § 21c BPGG sowie um eine Erhöhung des Erschwerniszuschlags für Demenzkranke, der in der entsprechenden Verordnung festgelegt wird und über § 48g BPGG auch für bereits bestehende Pflegegeldbezüge zur Anwendung gelangt.

Nun aber wieder zurück zum neuen BPGG-Kommentar: Im Vorwort zum Kommentar formulieren die Autor*innen als Ziel bei Erstellung des Kommentars, für ihre Leser*innen ein Werk schaffen zu wollen, mit dem diese verlässliche Informationen sowohl zum BPGG als auch zur Einstufungsverordnung und der Kinder- Einstufungsverordnung rasch auffinden können. Sie führen darin auch aus, dass sie insb die große Anzahl an einschlägiger Judikatur und auch die gesetzlichen Materialien zu den Normen systematisch verarbeitet haben.

Gleich vorweg kann festgehalten werden, dass es den Autor*innen des Praxiskommentars bestens gelungen ist, ihr Ziel zu erreichen. Auf 221 Seiten befassen sie sich mit den Bestimmungen des BPGG, der Einstufungsverordnung und der Kinder-Einstufungsverordnung, wobei die Kommentierung des BPGG naturgemäß den größten Teil der Kommentierung einnimmt. Abschließend erfolgt eine Darstellung der Richtlinie für die einheitliche Anwendung des BPGG aus 2012, im Rahmen derer bei § 1 RPGG 2012 (Richtlinien für die einheitliche Anwendung des BPGG) allgemeine Ausführungen zu den Richtlinien erfolgen. Vor der inhaltlichen Untersuchung findet sich ein Bearbeiter*innen- Verzeichnis – die Normen werden jeweils von einem der beiden Autor*innen bearbeitet –, ein Inhaltsverzeichnis, ein übersichtliches Abkürzungsverzeichnis sowie ein Literaturverzeichnis, das es den Leser*innen sehr einfach ermöglicht, sich einen Überblick über die wichtigsten Werke und Untersuchungen im gegenständlichen Rechtsbereich zu verschaffen. Im Anschluss an die Kommentierung stellen die Autor*innen den Benutzer*innen als zusätzliches Service ein Stichwortverzeichnis zur Verfügung. Hier darf angemerkt werden, dass es in der Handhabung noch etwas angenehmer wäre, wenn nicht bloß die Buchseite als Fundstelle genannt wäre, sondern auch der betreffende Paragraph, im Rahmen dessen Kommentierung das Schlagwort zu finden ist. Diese Anmerkung mag etwas pingelig wirken, ist es doch ein Leichtes, die Fundstellen einfach nachzulesen. Dennoch ist es während einer Recherche durchaus angenehm, wenn man sich bereits anhand der Angaben im Stichwortverzeichnis orientieren kann, 94 ob die Fundstelle zur aktuell untersuchten Rechtsfrage passen könnte.

Im Rahmen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Kommentierung darf sogleich auf die vor § 1 BPGG befindliche Einleitung verwiesen werden. Darin finden sich interessante Ausführungen zur Entstehungsgeschichte, zur Rechtsentwicklung sowie Grundsätzliches zum Pflegegeld. Diese allgemeinen Erläuterungen helfen den Leser*innen besonders gut, schnell in die Materie einzutauchen und enthalten wertvolle, für das Verständnis der Norm notwendige Hintergrundinformationen. Gerade in Praxiskommentaren begegnet man häufig einer völligen Reduzierung der Kommentierungen auf unmittelbar in der Praxis umsetzbare Informationen. Umso mehr zeichnet es die Arbeit der Autor*innen aus, dass sie – wie allein dieses Beispiel zeigt – in ihren Ausführungen ein rundes Bild zeichnen. Besonders hervorgehoben werden darf, dass sich hilfreiche Ausblicke auf mit dem Pflegegeld in Zusammenhang stehende Thematiken im gesamten Werk finden. Haslinger/Pichler verweisen in solchen Fällen also nicht bloß auf weiterführende Literatur – so wie es durchaus häufig in anderen Kommentierungen zu finden ist –, sondern befassen sich in ihrem Werk selbst mit diesen weiterführenden und bei Beantwortung von pflegegeldrechtlichen Fragen wesentlichen Themen. Sie verlieren sich dabei aber auch bei ihren „Ausflügen“ nicht in zu weit führenden Abschweifungen. Bei § 1 werden etwa rechtliche Überlegungen zu steuerlichen Aspekten und bei § 3 zum gewöhnlichen Aufenthalt angestellt. Besonders hilfreich erweist sich auch die ausführliche Darstellung der im gegenständlichen Zusammenhang relevanten unionsrechtlichen Koordinierungsbestimmungen unter Verarbeitung zahlreicher einschlägiger Judikatur. Wie sich in der Praxis immer wieder zeigt, stellen diese komplexen unionsrechtlichen Themen eine besondere Herausforderung nicht nur für Rechtsanwender*innen dar. Als Beispiel für die hohe Praxisorientierung im Kommentar kann etwa auch die Übersicht über die zuständigen Träger bei § 22 genannt werden, die in der praktischen Tätigkeit eine enorme Erleichterung darstellt. Im Zusammenhang mit der guten Einsetzbarkeit des Werks im Praxisalltag dürfen naturgemäß auch die Ausführungen im Rahmen der Kommentierung der Einstufungsverordnung und der Kinder-Einstufungsverordnung nicht vergessen werden. Insb die Nennung von vielen konkreten Beispielen aus der Judikatur ist bei der Lösung schwieriger Einstufungsfragen besonders hilfreich.

Die Kommentierung der einzelnen Bestimmungen ist gut und übersichtlich gegliedert und erfolgt in einer klaren und gut verständlichen Sprache. Dies ermöglicht es allen Interessierten, sich benötigte rechtliche Informationen einfach zu verschaffen. Durch den Fettdruck einzelner Schlagwörter ist eine schnelle Orientierung im Fließtext möglich, und – ein insb für Praktiker*innen nicht unwesentlicher Umstand – durch seine handliche Größe ist der Praxiskommentar „mobil“ und somit auch im Arbeitsalltag ein hilfreicher Begleiter.

Der Praxiskommentar sollte somit in keiner Fachbibliothek fehlen und wird für seine Nutzer*innen eine große Erleichterung bei der Lösung von Rechtsfragen im Bereich des Pflegegelds bringen!