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Väterkarenz im Anschluss an Papamonat – Anspruch auf Familienzeitbonus besteht

KARINBURGER-EHRNHOFER (WIEN)
§ 2 Abs 4 Fam-ZeitbG
  1. Der Anspruch auf Familienzeitbonus geht nicht verloren, wenn ein Vater im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an den Bezug des Familienzeitbonus eine Karenz nach dem Väter-Karenzgesetz (VKG) in Anspruch nimmt.

  2. Familienzeitbonus gebührt grundsätzlich auch dann, wenn zwischen dem Bezugszeitraum von Familienzeitbonus und dem Antritt einer Karenz nach dem VKG eine sonstige vereinbarte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit vorliegt, sofern nur nach Ende der Karenz die Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wird.

  3. Informationsblätter des für die Gewährung des Familienzeitbonus zuständigen Sozialversicherungsträgers können den in § 2 FamZeitbG eingeräumten Anspruch auf Familienzeitbonus nicht einschränken oder aberkennen.

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzung der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 Fam- ZeitbG erfüllt ist, wenn der Vater seine Erwerbstätigkeit im Anschluss an den Antragszeitraum nicht sofort wieder aufnimmt, sondern – im vorliegenden Fall mit einem Abstand von wenigen Tagen, während derer er seine Erwerbstätigkeit tatsächlich nicht ausübte – eine Väterkarenz nach dem VKG in Anspruch nimmt.

[2] Der Sohn des Kl wurde am 5.7.2020 geboren. Der Kl teilte seinem AG mit Schreiben vom 12.7.2020 mit, er nehme anlässlich der Geburt eine Freistellung („Papamonat“) von 1.8.2020 bis 30.8.2020 in Anspruch. Für diesen Zeitraum beantragte er den Familienzeitbonus. Mit Schreiben vom 13.8.2020 teilte er seinem AG mit, von 31.8.2020 bis 4.7.2022 Karenz in Anspruch zu nehmen.

3] Der Kl war von seinem AG im Zeitraum von 31.8.2020 bis einschließlich 3.9.2020 nicht zur SV gemeldet und übte auch keine Erwerbstätigkeit aus. Ab dem 4.9.2020 bezog er Kinderbetreuungsgeld.

[4] Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.12.2020 wies die bekl Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) den Antrag des Kl auf Familienzeitbonus für den Zeitraum von 1.8.2020 bis 30.8.2020 mit der Begründung ab, der Kl habe im Anschluss an den Antragszeitraum eine Väterkarenz angetreten und dazwischen nicht gearbeitet.

[5] Der Kl begehrt in seiner Klage den Familienzeitbonus für den Zeitraum von 1.8.2020 bis 30.8.2020.

[6] Er brachte vor, er befinde sich in einem karenzierten Dienstverhältnis und werde seine Arbeit nach Ablauf der Karenz am 5.7.2022 wieder antreten. Die Inanspruchnahme einer Väterkarenz führe nicht zum Verlust des Anspruchs auf Familienzeitbonus.

[7] Die Bekl bestritt das Klagebegehren. Sie brachte vor, aus der Anrechnungsbestimmung des § 2 Abs 7 KBGG ergebe sich, dass der Gesetzgeber einen Bezug von Familienzeitbonus und anschließenden Bezug von Kinderbetreuungsgeld nicht fördern habe wollen. Dem Anspruch auf Familienzeitbonus stehe entgegen, dass der Kl von 31.8.2020 bis 3.9.2020 von seinem DG nicht wieder zur SV gemeldet worden sei. Zudem erfülle (auch) eine lückenlos an die Familienzeit anschließende Väterkarenz nicht die Erfordernisse der Gleichstellung (gemeint: mit der tatsächlichen Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit). Die Bekl weise in ihrem Informationsblatt zum Familienzeitbonus darauf hin, dass eine Karenz nicht als Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit gelte.

[8] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

[9] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur hier maßgeblichen Frage keine höchstgerichtliche Rsp vorliege. 515

[10] Rechtlich führte es – gestützt auf die E 10 ObS 10/19x des OGH – aus, der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus gehe nicht dadurch verloren, dass die mit dem DG vereinbarte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum hinausgehe. Nach Erörterung der Gesetzesmaterialien sowie des Meinungsstands in der Literatur schloss es sich der Ansicht von Burger-Ehrnhofer, Sonntag und Schrattbauer an, wonach eine an die Familienzeit anknüpfende Väterkarenz dem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegenstehe. Der Gesetzgeber strebe mit dem Familienzeitbonus die finanzielle Unterstützung von Vätern an, die sich nach der Geburt ausschließlich der Familie widmeten. Der Familienzeitbonus gebühre auch während eines Wochengeldbezugs der Mutter, wohingegen ein allfälliger Anspruch des Vaters auf Kinderbetreuungsgeld während des Wochengeldbezugs der Mutter ruhe. Zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Ziele sei es daher geboten, Vätern vor dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld auch den Familienzeitbonus zu gewähren. Dadurch werde weder eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Verlängerung der Väterkarenz bewirkt noch komme es zu einem erhöhten Leistungsbezug, weil der bezogene Familienzeitbonus nach § 2 Abs 7 KBGG ohnehin auf das vom Vater bezogene Kinderbetreuungsgeld anzurechnen sei.

[11] Dagegen richtet sich die Revision der Bekl, mit der sie die Abänderung und Klageabweisung anstrebt.

[...]

[14] Die Revision ist zulässig, weil der OGH zum Anspruch auf Familienzeitbonus im Fall einer an die Familienzeit anschließenden Väterkarenz ohne vorherige Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit noch nicht Stellung genommen hat. Sie ist aber nicht berechtigt.

[15] 1.1. Als Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der AlV sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

[16] 1.2. Wie sich dazu aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1) ergibt, sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten.

[17] 1.3. Das FamZeitbG selbst definiert den in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltenen Begriff der „Unterbrechung“ der vor Bezugsbeginn tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) nicht. Aus dem Gesetzeszweck und dem Gesamtzusammenhang lässt sich aber entnehmen, dass eine Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums zur Gänze zu unterbleiben hat. Entsprechend der Definition der Familienzeit in § 2 Abs 4 FamZeitbG muss der Vater die Erwerbstätigkeit zB durch Inanspruchnahme von Sonderurlaub unterbrechen oder sein Gewerbe ruhend melden und dem Krankenversicherungsträger die entsprechenden Nachweise vorlegen (10 ObS 10/19x SSV-NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]).

[18] Erst mit dem gem § 14 Abs 19 VKG am 1.9.2019 in Kraft getretenen § 1a VKG wurde ein korrespondierender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch für AN geschaffen. Nach dieser Bestimmung ist dem Vater, der mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, unbeschadet des Anspruchs auf Karenz nach §§ 2 ff VKG für den Zeitraum von der Geburt seines Kindes bis zum Ablauf des Beschäftigungsverbots der Mutter nach der Geburt eine Freistellung in der Dauer von einem Monat zu gewähren.

[19] 1.4. Die Familienzeit (§ 2 Abs 4 FamZeitbG) muss innerhalb eines Zeitraums von 91 Tagen ab Geburt des Kindes liegen (§ 3 Abs 2 FamZeitbG).

[20] 1.5. Der OGH hat – worauf die Vorinstanzen bereits hingewiesen haben – schon zu einem Fall Stellung genommen, in dem die zwischen dem Vater und dem AG vereinbarte Freistellung – in casu um vier Tage – über den Zeitraum des beantragten Bezugs von Familienzeitbonus hinaus reichte (10 ObS 10/19x SSV-NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]). Nach dieser Entscheidung geht der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus nicht dadurch verloren, dass der mit dem DG vereinbarte Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgeht (vgl RS0132552).

[21] 2.1. Im vorliegenden Fall hatte der Kl mit seinem DG zunächst eine Freistellung bis 30.8.2020 vereinbart; er teilte ihm in der Folge mit, Karenz ab dem 31.8.2020 in Anspruch zu nehmen.

[22] Aus dem festgestellten Sachverhalt lassen sich die Gründe dafür, dass der Kl nicht bereits ab dem 31.8.2020 Kinderbetreuungsgeld bezog, nicht entnehmen. Aufgrund der Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob er bereits ab dem 31.8.2020 einen Anspruch auf Karenz nach § 2 VKG hatte – was die Bekl bestreitet – oder nicht. Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall – wie sogleich ausgeführt – nicht an.

[23] 2.2. Selbst wenn der Kl in den Tagen zwischen der Inanspruchnahme von Familienzeit und dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes keinen Anspruch auf Karenz nach dem VKG hatte (dass er einen solchen Anspruch auch ab dem 4.9.2020 nicht gehabt hätte, behauptet die Bekl nicht), ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass zwischen ihm und seinem AG Einigkeit über das Unterbleiben der Arbeitsleistung (auch) vom 31.8.2020 bis zum 3.9.2020 bestand. Damit liegt ein Sachverhalt vor, der dem in der E 10 ObS 10/19x entschiedenen Fall entsprach, in dem der Vater mit dem AG von vornherein eine Freistellung vereinbart hatte, die um vier Tage über die beantragte Bezugsdauer des Familienzeitbonus hinausging.

[24] 3.1. Entscheidend im vorliegenden Fall ist die Frage, ob die auf den (beantragten) Bezug des Familienzeitbonus folgende Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG ohne dazwischen erfolgte Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit dem Bezug des Familienzeitbonus entgegensteht. 516

[25] 3.2. Dies ist, wie das Berufungsgericht bereits zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) ableitete, nicht der Fall.

[26] 3.3. § 2 Abs 4 FamZeitbG verlangt die Unterbrechung der – in § 2 Abs 1 Z 5 legal definierten – Erwerbstätigkeit, ohne zu normieren, dass die Erwerbstätigkeit unverzüglich oder zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufgenommen werden muss.

[27] 3.4. Die Materialien führen lediglich aus, dass die Erwerbstätigkeit „im Anschluss an die Familienzeit“ weitergeführt werden müsse. Werde das Dienstverhältnis unmittelbar im Anschluss an das Bezugsende des Familienzeitbonus durch den DG beendet und damit ein unberechtigter Bezug des Familienzeitbonus verursacht, so sei von der Rückforderung abzusehen (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).

[28] 3.5. In der Literatur werden unterschiedliche Standpunkte vertreten:

[29] 3.5.1. Nach Holzmann-Windhofer muss der Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit exakt mit dem Bezugszeitraum des Familienzeitbonus übereinstimmen. Die Inanspruchnahme einer Väterkarenz nach dem VKG sei ohne Schaden erst nach erfolgter Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit möglich, wofür hypothetisch ein Tag reiche. Das folge daraus, dass eine lückenlos an die Familienzeit anschließende Väterkarenz nicht die Gleichstellungserfordernisse in den 182 Tagen davor (gemeint: gem § 2 Abs 7 FamZeitbG) erfülle, weshalb ihre Inanspruchnahme nicht als Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit gelte (Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz [2017] 287, insb FN 17).

[30] 3.5.2. Hingegen vertreten Burger-Ehrnhofer (Glosse zu 10 ObS 10/19x, ÖJZ 2019/90, 606 [608 f]), Schrattbauer (Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [257]) und Sonntag (in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG3 [2020] § 2 FamZeitbG Rz 18b), eine an die Familienzeit des Vaters anschließende Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG sei für den Anspruch auf Familienzeitbonus unschädlich.

[31] 3.5.3. Nach Burger-Ehrnhofer – auf die sich Schrattbauer und Sonntag stützen – kann von einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wohl nur ausgegangen werden, wenn sie nach einer Pause wieder aufgenommen werde. Das FamZeitbG regle aber nicht, dass dies unmittelbar nach dem Ende des Bezugs des Familienzeitbonus erfolgen müsse. Schließe sich an die für den Bezug von Familienzeitbonus notwendige „Arbeitspause“ eine weitere Zeit der Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit an, so sei das für den zuvor bezogenen Familienzeitbonus nur dann relevant, wenn im Anschluss daran gar keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen werde. Auch eine längere Freistellung, etwa durch Inanspruchnahme einer Väterkarenz, stehe dem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegen, weil dadurch weder der Zweck des Familienzeitbonus noch der einer Väterkarenz konterkariert werde. Mit dem FamZeitbG habe der Gesetzgeber danach getrachtet, klar zu regeln, dass der Familienzeitbonus nur jenen Vätern zukomme, die sich während des Bezugs tatsächlich um die Familie kümmerten. Dies sei durch das Erfordernis der absoluten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zum Ausdruck gebracht worden. Der Familienzeitbonus solle daher auch dann gebühren, wenn sich Väter noch mehr engagierten und ihre Familienzeit so legten, dass sie im Anschluss daran Väterkarenz in Anspruch nehmen könnten (Burger-Ehrnhofer Glosse zu 10 ObS 10/19x, ÖJZ 2019, 606 [608 f]).

[32] 3.5.4. Reissner und Blasl sprechen zwar nicht die Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG an. Nach Blasl soll aber auch ein „längerer“ Unterbrechungszeitraum für den Anspruch auf Familienzeitbonus irrelevant sein, solange danach die eingestellte Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wird (Blasl, Exakte Deckung von Karenzierung und Bezugszeitraum für Anspruch auf den Familienzeitbonus erforderlich? ASoK 2019, 311 [313]). Auch nach Reissner ist nicht zu verlangen, dass die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nahtlos an den „Papamonat“ anschließt (Reissner, Der „Papamonat“ aus sozialrechtlicher Sicht, ASoK 2019, 402 [410]).

[33] 4.1. Der OGH hat bereits klargestellt, dass § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG als Voraussetzung für den Familienzeitbonus zwar verlangt, dass der Vater in den letzten 182 Tagen „unmittelbar“ vor Bezugsbeginn durchgehend eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, dass aber kein – gleichsam spiegelbildliches – Erfordernis besteht, diese Erwerbstätigkeit „unmittelbar“ (taggenau) nach Bezugsende bzw Ende der Familienzeit (wieder) auszuüben.

[34] Die Rechtsansicht Holzmann-Windhofers, die von einer solchen quasi spiegelbildlichen Verpflichtung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit „unmittelbar“ im Anschluss an den Bezug des Familienzeitbonus ausgeht (wie sich aus der Bezugnahme auf die Gleichstellungsbestimmung des § 2 Abs 7 FamZeitbG ergibt), wurde daher vom OGH bereits abgelehnt. Ihr ist mangels gesetzlicher Grundlage auch für Fälle, in denen der Vater im Anschluss an die Familienzeit eine Karenz nach dem VKG in Anspruch nimmt, nicht zu folgen.

[35] 4.2. Auch zu den Ausführungen in den Materialien, die Erwerbstätigkeit müsse „im Anschluss an die Familienzeit“ weitergeführt werden, wurde bereits klargestellt, dass der Hinweis im Zusammenhang damit steht, dass die Beendigung der zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Anspruchsverlust führen soll (10 ObS 10/19x SSV-NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]).

[36] 4.3. Nach Ansicht des OGH steht die Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG im Anschluss an die Familienzeit der Erfüllung der Voraussetzung der (bloßen) Unterbrechung der Erwerbstätigkeit gem § 2 Abs 4 FamZeitbG nicht entgegen.

[37] 4.4. Soweit sich die Bekl auf die Hinweise im Antragsformular und im Informationsblatt zum Familienzeitbonus stützt, ist in Erinnerung zu rufen, dass Formulare den in § 2 FamZeitbG eingeräumten Anspruch auf Familienzeitbonus nicht einschränken oder aberkennen können (vgl 10 ObS 10/19x SSV-NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]). 517

[38] 4.5. Nach § 2 Abs 7 KBGG reduziert sich der Anspruch eines Elternteils auf Kinderbetreuungsgeld für ein Kind um den Anspruch dieses Elternteils auf den Familienzeitbonus und vergleichbare Leistungen nach anderen in- und ausländischen Rechtsvorschriften. Entgegen der Rechtsansicht der Bekl lässt sich aus dieser Bestimmung nicht die Wertung entnehmen, dass der Gesetzgeber eine an die Familienzeit anschließende Karenz nach dem VKG ablehnt. Die Anrechnungsbestimmung kommt unabhängig davon zur Anwendung, ob der Vater zwischen dem Bezug des Familienzeitbonus und der Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG seine Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt oder nicht.

[39] 5. Im vorliegenden Fall ist das Dienstverhältnis des Kl nicht beendet. Es besteht zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (§ 193 ZPO) kein Anhaltspunkt dafür, dass er seine zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit nach Ablauf der Karenz nach dem VKG nicht wieder aufnehmen wird. Es ist daher vom Vorliegen einer Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG auszugehen.

[40] Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

6. Ergebnis:

[41] Der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus geht nicht dadurch verloren, dass er im unmittelbaren Anschluss an den Zeitraum des Bezugs des Familienzeitbonus oder im Anschluss an eine wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgehende, mit dem DG vereinbarte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit eine Karenz nach dem VKG in Anspruch nimmt.

[...]

ANMERKUNG

Schließt sich ein Höchstgericht der von einem selbst vertretenen Rechtsansicht an, bleibt nicht viel Raum für weitere Anmerkungen oder gar Kritik an der Entscheidung. Vielmehr kann dem OGH nur darin zugestimmt werden, dass nach den geltenden Bestimmungen des FamZeitbG die Inanspruchnahme einer Väterkarenz im Anschluss an den Bezug von Familienzeitbonus während einer Familienzeit eben diesem Familienzeitbonusbezug nicht entgegensteht (idS bereits Burger-Ehrnhofer in EvBl 2019/90, 606 [609]).

Nichtsdestotrotz drängen sich aufgrund der vorliegenden E durchaus weitere Überlegungen im Zusammenhang mit den de lege lata bestehenden Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienzeitbonus auf, die im Folgenden näher ausgeführt werden sollen.

1.
Die Voraussetzung der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit

§ 2 Abs 4 FamZeitbG verlangt für das Bestehen eines Anspruchs auf Familienzeitbonus, dass eine zuvor für eine bestimmte Mindestzeit bestehende Erwerbstätigkeit (gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG sind das 182 Tage vor dem Bezug des Familienzeitbonus) unterbrochen wird. Der OGH hat zwar mittlerweile klargestellt, dass sowohl eine etwas länger als die eigentliche Familienzeit andauernde Unterbrechung der Erwerbstätigkeit dem Bezug von Familienzeitbonus nicht entgegensteht (vgl OGH 10 ObS 10/19x ÖJZ 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]) als auch eine an die Familienzeit anschließende Väterkarenz zu keinem unrechtmäßigen Bezug des Familienzeitbonus führt (siehe die vorliegende OGH-E 22.2.2022, 10 ObS 157/21t). Durch die Wahl des Wortes „unterbricht“ ergibt sich allerdings, dass die für die Familienzeit ruhend gestellte Erwerbstätigkeit auch wieder aufgenommen werden muss, damit der Anspruch auf Familienzeitbonus tatsächlich besteht.

Probleme bereitet in der Anwendungspraxis offensichtlich das Verb „unterbrechen“, mit dem zwangsläufig intendiert ist, dass etwas Bestehendes nur vorübergehend ausgesetzt und im Anschluss daran wieder aufgenommen wird. In diesem Sinne definiert auch der Duden das Verb „unterbrechen“ ua als „eine Tätigkeit o. Ä., die noch nicht zu Ende geführt ist, vorübergehend nicht mehr weiterführen“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/unterbrechenhttps://www.duden.de/rechtschreibung/unterbrechen).

Dieses Erfordernis der Unterbrechung einer bisherigen Erwerbstätigkeit ist anderen Familien- bzw Sozialversicherungsleistungen, auf die nach einer zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes Anspruch besteht, fremd. Weder beim Anspruch auf Wochengeld (vgl §§ 162 ff ASVG) noch beim Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld (vgl § 24a ff KBGG) setzen die gesetzlichen Regelungen voraus, dass eine zuvor bestehende Erwerbstätigkeit ua für die Betreuung von Kindern bloß unterbrochen, also nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit wieder aufgenommen werden muss. Auch die Rechtmäßigkeit einer nur für erwerbstätige Mütter und Väter zustehenden Karenz nach dem MSchG oder VKG hängt nicht davon ab, ob die bloß für die Kinderbetreuung eingestellte bzw massiv eingeschränkte Erwerbstätigkeit danach wieder aufgenommen wird. De lege ferenda kann also schon laut darüber nachgedacht werden, ob es nicht auch bei den Anspruchsvoraussetzungen für den Familienzeitbonus zweckmäßiger wäre, nicht mehr von einer „Unterbrechung“ der Erwerbstätigkeit zu sprechen. Da allerdings auch Alternativen wie „ruhendstellen“ oder „beenden“ zu vergleichbaren Deutungsproblemen führen würden, wäre es mE sinnvoll, im Gesetzestext ausdrücklich klarzustellen, dass es für den Anspruch auf Familienzeitbonus erforderlich ist, dass vor dem Bezug dieser Leistung eine Erwerbstätigkeit in einem entsprechenden Ausmaß ausgeübt wird und während des Bezugszeitraums des Familienzeitbonus keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wird; dies allerdings unabhängig davon, was nach dem Ende des Leistungsbezugs passiert. Vielleicht führt ja die Inanspruchnahme einer Familienzeit beim einen oder anderen Bezieher zu einem radikalen Umdenken bezüglich der weiteren Lebensgestaltung und die Erwerbstätigkeit wird zum Wohle der weiteren Kinderbetreuung wirklich dauerhaft eingestellt. Bei 518 der zum Teil noch immer gelebten „klassischen“ Kinderbetreuung durch die Mutter würde niemand auf die Idee kommen, diese Entscheidung damit zu bestrafen, dass etwa ein zuvor bezogenes Wochengeld wieder zurückgezahlt werden muss. Warum sollte das in den 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts bei Vätern und deren Bezug von Familienzeitbonus anders gesehen werden? In Bezug auf die Zwecksetzung des FamZeitbG (Gewährung einer finanziellen Unterstützung für [zuvor] erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihrer Kinder intensiv und ausschließlich der Familie widmen; vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1) fehlt es daher mE an einer sachlichen Begründung, warum selbst eine, über die Dauer einer gesetzlich geregelten Väterkarenz hinaus bestehende Ruhendstellung der Erwerbstätigkeit dem Anspruch auf Familienzeitbonus schaden soll und zwar selbst dann, wenn diese Erwerbstätigkeit gar nicht mehr aufgenommen wird (idS auch Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [257]; im Ergebnis auch Reissner, Der Papamonat aus sozialrechtlicher Sicht, ASoK 2019, 402 [410]).

2.
Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit

Das Erfordernis der Wiederaufnahme der bloß unterbrochenen Erwerbstätigkeit kann auch in einem anderen Zusammenhang zu praktischen Problemen führen. Eine für den Bezug von Familienzeitbonus erforderliche Unterbrechung der Erwerbstätigkeit soll nämlich nach den Materialien nur dann gegeben sein, wenn genau die zuvor bestandene, kurzzeitig unterbrochene Erwerbstätigkeit im Anschluss an die Familienzeit weitergeführt wird. Es soll also nicht möglich sein, im Anschluss an den Bezug von Familienzeitbonus eine neue Erwerbstätigkeit zu beginnen, weil sonst der bezogene Bonus zurückgefordert werden kann (vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2). In diesem Zusammenhang bleibt allerdings nicht nur der Zweck dieser Einschränkung äußerst fraglich, sondern ist auch ungeklärt, ab wann von einer angeblich anspruchsschädigenden neuen Erwerbstätigkeit ausgegangen werden soll. Dies wird wohl dann nicht der Fall sein, wenn die AG-Seite schon für die grundsätzliche Gewährung einer Familienzeit aus betriebsorganisatorischen Gründen gezwungen ist, das Tätigkeitsfeld des AN (uU auch nur vorübergehend) abzuändern. Mit Zustimmung der AN-Seite bzw falls erforderlich zusätzlich des BR (vgl § 101 ArbVG) kann es dabei zu einer Abänderung des ursprünglichen Arbeitsvertragsinhalts kommen. Eine Rückzahlungsverpflichtung des bezogenen Familienzeitbonus kann sich daraus mE nicht ergeben (vgl bereits Burger-Ehrnhofer, KBGG und FamZeitbG3 § 2 FamZeitbG Rz 13), vor allem auch deshalb, weil der OGH (wenn auch zum Anspruch nach dem KBGG) wiederholt festgehalten hat, dass Aussagen, die sich allein in den Materialien finden, im Gesetzestext aber keinen Niederschlag gefunden haben, nicht im Wege der Auslegung Geltung erlangen können (vgl OGH 13.9.2017, 10 ObS 89/17m; OGH 11.10.2016, 10 ObS 101/16z). Wird de lege ferenda nicht mehr auf das Erfordernis einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, sondern auf die bloße Nichtausübung einer zuvor bestandenen Erwerbstätigkeit abgestellt, wäre auch diese – durch die Ausführungen in den Materialien bestehende – Unsicherheit in der Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen für den Familienzeitbonus beseitigt.

3.
„Berechtigte“ Nicht-Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit

Ebenfalls aus den Materialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2) soll sich des Weiteren ergeben, dass im Fall der ungerechtfertigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den AG, unmittelbar im Anschluss an das Ende des Familienzeitbonusbezugs, von einer Rückforderung gegenüber dem AN abzusehen sei. Auch diese Bedingung für einen rechtmäßigen Bezug von Familienzeitbonus hat allerdings nicht in den Gesetzestext Eingang gefunden (zur Relevanz von bloß in den Materialien genannten Anspruchsvoraussetzungen siehe bereits Pkt 2) und entbehrt schon deshalb jeder sachlichen Rechtfertigung (so auch Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [257 f]). Darüber hinaus ist es vollkommen unklar, was unter einer ungerechtfertigten Beendigung durch den AG zu verstehen wäre. Fällt darunter bloß eine unberechtigte Entlassung oder auch eine wegen Missachtung eines besonderen Bestandschutzes an sich unwirksame Kündigung des AN? Soll sich diese Nachsicht auch auf von AG verschuldete berechtigte Austritte erstrecken und wie ist mit fristwidrigen AG-Kündigungen zu verfahren, durch die das Arbeitsverhältnis zwar rechtswirksam, aber eben nicht rechtmäßig gleichzeitig mit dem Ende der Familienzeit beendet wird? Ist der AN gezwungen, die ungerechtfertigt erfolgte Beendigung gerichtlich geltend zu machen, um der Rückforderung des Familienzeitbonus zu entgehen oder beurteilt der für die Rückforderung zuständige Krankenversicherungsträger diese Situation autonom? Aufgrund der diesbezüglich fehlenden Kongruenz zwischen Gesetzestext und Materialien (auf die sich die für die Auszahlung des Familienzeitbonus zuständige ÖGK allerding gerne in der Ausfertigung ihrer Informationsblätter stützt) wäre eine wie schon zuvor beschriebene gesetzliche Klarstellung durchaus begrüßenswert (idS bereits Burger-Ehrnhofer, KBGG und FamZeitbG3 § 2 FamZeitbG Rz 15).

4.
Conclusio

Aus den angeführten Gründen scheint ein grundsätzliches Abgehen vom Erfordernis der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit hin zur Voraussetzung, dass während einer Familienzeit bzw während des Bezugs von Familienzeitbonus keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden darf, empfehlenswert. Dass vor dem Leistungsbezug eine Erwerbstätigkeit gegeben sein muss, ist mit der Zwecksetzung des Familienzeitbonus vereinbar. Es stellt sich diesbe- 519 züglich aber die mE berechtigte Frage, ob für eine maximal für 31 Tage zustehende Leistung in Höhe von insgesamt maximal € 700,60 (vgl Marek, Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus [2020] 12) eine rund sechsmonatige Erwerbstätigkeit mit einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze vorausgesetzt werden muss.

Was nach dem Ende des Bezugs von Familienzeitbonus passiert, ob also die zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit oder überhaupt eine Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wird, sollte allerdings für den rechtmäßigen Bezug des Familienzeitbonus genauso unbeachtlich sein, wie die weitere Ausgestaltung der Erwerbstätigkeit nach dem Bezug von Wochengeld oder einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld.