Zum 100. Geburtstag von Johannes Schregle

RUDOLFMOSLER (SALZBURG)/WALTER J.PFEIL (SALZBURG)

Am 4.8.2022 vollendet Hon.-Prof. Dr. Johannes Schregle, langjähriges Mitglied unseres wissenschaftlichen Beirats, seinen 100. Geburtstag. Sein außergewöhnliches Wirken, vor allem im Bereich der internationalen Arbeitsbeziehungen, und seine wissenschaftlichen Leistungen sind in DRdA mehrfach gewürdigt worden (

; ; DRdA 2002, 268; DRdA 2007, 259; DRdA 2012, 371). Wir dürfen im Folgenden ein paar persönliche Anmerkungen hinzufügen:

Johannes Schregle war lange Jahre in der ILO tätig und hat dort nicht nur eine Leitungsfunktion (Direktor der Hauptabteilung „Arbeitsbeziehungen“ beim Internationalen Arbeitsamt) innegehabt, sondern auch weltweit Regierungen beraten, Vorträge gehalten und Tagungen organisiert. 1974-1988 war er Generalsekretär der Internationalen Gesellschaft für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit, 1982 wurde er zum Honorarprofessor für internationales und vergleichendes Arbeitsrecht an der Universität Salzburg ernannt. Wir durften seine Vorlesungen miterleben und viele persönliche Gespräche mit Johannes Schregle führen. Es war immer beeindruckend, mit welchem Engagement und welcher Begeisterung er über seine Tätigkeit sprechen konnte. Vor allem hat er uns mitgegeben, dass man bei der Befassung mit internationalem (Arbeits-)Recht niemals überheblich auf fremde Rechtsordnungen herunterschauen darf. Man müsse sich zunächst mit Geschichte, Kultur und auch der Rechtskultur sowie der Politik des jeweiligen Landes und der Realität der Arbeitsbeziehungen beschäftigen und dann erst mit dem dortigen Arbeitsrecht und allfälligen Schwächen oder Verbesserungsbedarf. Die Diskussionen über das japanische Arbeitsrecht sind uns ganz besonders in Erinnerung geblieben. Wir waren davon überzeugt, dass es in Japan vor allem Ausbeutungsverhältnisse und ein defizitäres Arbeitsrecht gibt. Johannes Schregle hat uns die komplexen japanischen Arbeitsbeziehungen erklärt, bei denen man sich nicht auf die rechtliche Ebene beschränken dürfe. Es sei auch zwischen Stammbelegschaften mit starkem Kündigungsschutz und kaum geschützten prekär Beschäftigten zu unterscheiden. Jedenfalls sei die typisch deutsche bzw auch österreichische Fixierung auf den Arbeitsvertrag für Japan fehl am Platz.

Johannes Schregle ist ein Fan des österreichischen Arbeitsrechts und vor allem der österreichischen Sozialpartnerschaft. Immer wieder hat er betont, dass diese Art der Konfliktlösung ein Vorbild (heute würde man sagen: ein „role model“) für die Arbeitsbeziehungen in Europa und sogar weltweit sein sollte. Wir waren damals als „junge Wilde“ nicht so überzeugt davon, aber seine Gedanken haben zum Nachdenken angeregt und viele Spuren hinterlassen. Und letztlich hat Johannes Schregle mit seiner positiven Einschätzung der österreichischen Sozialpartnerschaft wohl recht behalten, nur der Export in andere Staaten ist noch zu wenig geglückt.

Johannes Schregle ist nicht nur ein Pionier des internationalen Arbeitsrechts, sondern hat auch den Internationalismus in allen Facetten gelebt. Er beherrscht eine Vielzahl von Sprachen und hat sich immer mit Kultur und Geschichte der von ihm bereisten Länder auseinandergesetzt. Sein unglaubliches Wissen, sein vorurteilsfreier und toleranter Zugang zu Menschen, egal welcher Nation, sind beeindruckend. Sein gewinnendes Wesen, sein positiver Blick auf die Welt und sein Sinn für Humor haben ihn zu einem immer willkommenen Gesprächspartner gemacht. Auch kulinarisch war Johannes Schregle international ausgerichtet und an den landestypischen Spezialitäten interessiert. Nach den lehrreichen Vorlesungen in Salzburg waren daher der klassische Tafelspitz und danach ein Apfelstrudel auf dem Programm.

Dass es ihm vergönnt war, den hundertsten Geburtstag seiner ILO (die 1919 gegründet wurde) zu erleben, freut uns sehr. Diese oft unterschätzte Organisation gerät in letzter Zeit zu Recht wieder mehr in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. So ist etwa 2020 die schon 1930 in erster Auflage erschienene Monografie „L‘organisation internationale du travail et le BIT“ von George Scelle neu aufgelegt worden (siehe die Besprechung von Weber, Soziales Recht 2022, 30 ff). 2021 ist die Monografie „ILO und EU. Zum Gebot der Berücksichtigung der Normen der Internationalen Arbeitsorganisation bei der Auslegung des Unionsrechts“ von Hendric Stolzenberg erschienen. Johannes Schregle hat mit seiner Arbeit einen großen Beitrag zum Erfolg der Arbeit der ILO geleistet. Und er hat viele junge Menschen davon überzeugt, dass diese oft verborgene und unbedankte Arbeit nicht nur für das Arbeitsrecht, sondern auch für eine friedliche Zukunft wichtig ist. Dass er sich trotz der funktionsbedingt notwendigen Neutralität und Distanz zur Politik immer auf der Seite der Schwächeren zu Hause gefühlt hat und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessern wollte, ehrt ihn ganz besonders. Und er hat damit genau das verwirklicht, was ILO-Generaldirektor Guy Ryder beim europäischen Gewerkschaftsgipfel in Wien so schön auf den Punkt gebracht hat: „Soziale Gerechtigkeit ist die einzige Garantie für Frieden!“

Lieber Johannes, wir haben viel von Dir gelernt und wünschen Dir von Herzen alles Gute zum 100er! 361