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Zulässigkeit der Ausstellung von Wahlkarten ohne Antrag

PETERJABORNEGG (LINZ)
  1. Das Recht auf briefliche Stimmabgabe mittels Wahlkarte ist nur bei begründeter Abwesenheit aus den in § 56 Abs 3 ArbVG grundsätzlich taxativ aufgezählten Gründen zulässig und erfordert eine formelle Entscheidung des Wahlvorstands. Diese erfolgt entweder auf Antrag eines Wahlberechtigten oder einer wahlwerbenden Gruppe oder auch ohne einen derartigen Antrag.

  2. Wird dem Wahlvorstand bekannt, dass ein Wahlberechtigter aus maßgeblichen Gründen seine Stimme nicht persönlich abgeben kann, hat er nicht abzuwarten, bis ein Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte einlangt, sondern von sich aus die Verpflichtung, eine Wahlkarte auszustellen.

  3. War dem Wahlvorstand bekannt, dass eine Vielzahl von AN ihre Arbeitsleistung an Außenstellen erbringen und daher am Wahltag nicht am Wahlort anwesend sein werden, kann er die dadurch typischerweise gegebene berufsbedingte Abwesenheit als maßgeblichen Umstand für die Hinderung an der persönlichen Stimmabgabe ansehen und auch von sich aus Wahlkarten ausstellen.

Der (gemeinnützige) Verein M mit Sitz in Wien verfügt über eine Geschäftsstelle in Wien und insgesamt zwölf Geschäftsstellen bzw Außenstellen in den Bundesländern [...]. Am 18.12.2017 wurde eine Betriebsratswahl für alle Mitarbeiter des Vereins abgehalten. Wahlort war die Geschäftsstelle in Wien. Von den (bundesweit) 137 Wahlberechtigten wurden 93 Stimmen abgegeben. Auf die wahlwerbende Gruppe Liste K (die Kl) entfielen 34 Stimmen (zwei Mandate). Auf die wahlwerbende Gruppe „Liste X“ entfielen 57 Stimmen (drei Mandate). Damit waren die auf dem Wahlvorschlag41der „Liste X“ kandidierenden Personen in den BR gewählt. Von den 93 ausgezählten Stimmen waren zwei ungültig, 21 Sendungen langten beim Wahlvorstand mit Stimmzettel ohne Wahlkarte ein und wurden aus diesem Grund nicht gewertet. Vier Wahlkarten langten verspätet ein [...].

Die Kl begehrt die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl, in eventu begehrt sie, die Betriebsratswahl möge wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens und leitender Grundsätze des Wahlrechts für ungültig erklärt werden. Unstrittig ist, dass die Kl die Klagefrist eingehalten hat und zur Klageerhebung aktiv legitimiert ist. Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die [...] Wahlzahl 17 ist und für den Erhalt eines weiteren Mandats 17 weitere Stimmen nötig wären. [...]

Das Erstgericht wies 1. das Klagebegehren auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl ab und gab 2. dem Anfechtungsbegehren Folge und hob die Betriebsratswahl vom 18.12.2017 auf. [...]

Das Berufungsgericht gab der allein gegen die Aufhebung der Betriebsratswahl gerichteten Berufung des Bekl nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu [...], weil zur Frage der Ausstellung von Wahlkarten für eine Betriebsratswahl ohne entsprechenden Antrag noch keine oberstgerichtliche Rsp bestehe.

Gegen diese E richtet sich die Revision des Bekl mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen in eine klageabweisende Entscheidung; in eventu wird die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen beantragt. Die Kl beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist iSd eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1.1 Die Kl ist als wahlwerbende Gruppe nach § 59 Abs 1 ArbVG berechtigt, die Wahl anzufechten, wenn eine wesentliche Bestimmung des Wahlverfahrens oder ein leitender Grundsatz des Wahlrechts verletzt wurde und der Fehler objektiv geeignet war, das Wahlergebnis zu beeinflussen (8 ObA 278/99k mwN).

1.2 § 51 ArbVG normiert die Wahlgrundsätze. Nach § 51 Abs 1 ArbVG werden die Mitglieder des BR aufgrund des gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechts gewählt. Die Wahl hat im Allgemeinen durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen. Bei Vor liegen der in § 56 Abs 3 ArbVG genannten Voraus setzungen kann die Wahl auch durch briefliche Stimmabgabe im Postweg vorgenommen werden. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (VfSlg 10.412/1985, G 18/85).

1.3 Als Ausnahme vom Wahlgrundsatz der persönlichen Stimmabgabe in § 56 Abs 3 ArbVG sind jene Fälle aufgezählt, in denen die Stimme auf dem Postweg abgegeben werden kann. Genannt werden Wahlberechtigte, die wegen Urlaubs, Karenzurlaubs, Leistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Krankheit am Wahltag an der Leistung der Dienste oder infolge Ausübung ihres Berufs oder aus anderen wichtigen, ihre Person betreffenden Gründen an der persönlichen Stimm abgabe verhindert sind. Mit nahezu demselben Wortlaut sieht § 5 Betriebsratswahlordnung 1974 (BRWO 1974) ein Recht auf briefliche Stimmabgabe vor.

1.4 Diese Vorschriften werden durch § 22 Abs 1 BRWO 1974 ergänzt bzw präzisiert, nachdem der Wahlvorstand „über die Berechtigung zur brieflichen Stimmabgabe (§ 5)“ auf Antrag eines Wahlberechtigten oder einer wahlwerbenden Gruppe eine Wahlkarte auszustellen hat. Sofern ihm die maßgeblichen Umstände bekannt geworden sind (§ 14 BRWO 1974) hat der Wahlvorstand von sich aus eine Wahlkarte auszustellen.

1.5 § 14 Abs 1 BRWO 1974 regelt das Verzeichnis der AN, das der Betriebsinhaber dem Wahlvorstand zur Verfügung zu stellen hat. Dieses hat neben Namen, Geburtsdatum, Tag des Eintritts in den Betrieb und Angaben darüber, welche außerhalb des Hauptbetriebs gelegene Arbeitsstätten und Einsatzorte bestehen und welche AN dort beschäftigt sind, auch die Wohnadressen jener AN zu enthalten, die voraussichtlich wegen Urlaubs, Karenzurlaubs, Leistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes, einer noch bestehenden Krankheit oder Einsatzes außerhalb des Hauptbetriebs am Wahltag an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sein werden.

2.1 Das Recht auf briefliche Stimmabgabe erfordert somit eine formelle Entscheidung des Wahlvorstands. Diese Entscheidung erfolgt entweder auf Antrag des Betreffenden oder einer wahlwerbenden Gruppe oder ohne derartigen Antrag. Grundlage für die Entscheidung, welche Wahlberechtigten zur brieflichen Stimmabgabe berechtigt sind, ist entweder das AN-Verzeichnis des Betriebsinhabers, in dem die voraussichtliche Verhinderung des AN erkennbar ist, oder eine diesbezügliche eigene Wahrnehmung der Mitglieder des Wahlvorstands (Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG, § 56 Rz 23).

2.2 Wird dem Wahlvorstand bekannt, dass ein Wahlberechtigter aus maßgeblichen Gründen seine Stimme nicht persönlich abgeben kann, hat er nicht abzuwarten, bis ein Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte einlangt, sondern hat er – nach der Spruchpraxis der Einigungsämter bei sonstiger Anfechtbarkeit der Wahl – von sich aus die Verpflichtung, eine Wahlkarte auszustellen (Arb 10.558 zur Abwesenheit am Wahltag infolge auswärtiger Arbeitsleistung, Krankheit oder Urlaub; Arb 10.568 zur Abwesenheit infolge von Karenzurlaub; Arb 9284 zur Freiheit vom Schichtdienst).

3.1 Die Möglichkeit der Abstimmung mittels Wahlkarte ist kein generelles Recht, sondern soll nur bei begründeter Abwesenheit gegeben sein. Die in § 56 Abs 3 ArbVG vorgenommene Aufzählung der für die Wahlkartenausstellung relevanten Gründe ist grundsätzlich taxativ. Neben den ausdrücklich genannten Dienstverhinderungsgründen (Urlaub, Karenzurlaub, Leistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes und Krankheit) können darunter auch Fälle, wie etwa ein absolutes Beschäftigungsverbot aufgrund einer Schwangerschaft, Bildungskarenz, Kuraufenthalt, fallen (Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 56 Rz 24).42

3.2 Darüber hinaus kommt das Recht auf briefliche Stimmabgabe jenen Wahlberechtigten zu, die infolge Ausübung ihres Berufs oder aus anderen wichtigen, ihre Person betreffenden Gründen an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sind. Schima/Pinczolits (Betriebsratswahl unter dem COVID-19-Regime, DRdA 2020, 317 [321]) führen als Beispiel für einen wichtigen, die Person betreffenden Grund etwa auch das hohe Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs nach einer COVID-19- Ansteckung an.

4.1 Jabornegg/Naderhirn/Trost (Die Betriebsratswahl6, 153) gehen davon aus, dass das Gesetz zwischen Dienstverhinderung und Stimmabgabenverhinderung differenziert, obwohl diese regelmäßig zusammenfallen. Sollte aber dennoch einmal eine Dienstverhinderung ohne Stimmabgabenverhinderung vorliegen, sei der betroffene AN trotzdem zur Briefwahl zuzulassen. Dahinter stehe der Gedanke, dass die Beurteilung der Zulässigkeit einer Briefwahl durch den Wahlvorstand im Interesse erhöhter Rechtssicherheit tunlichst erleichtert werden soll. Nur bei den Hinderungsgründen der Berufsausübung und anderen wichtigen Gründen komme es immer darauf an, ob im konkreten Fall wirklich eine Hinderung der persönlichen Stimmabgabe vorliegt.

4.2 Nach Schneller (in Gahleitner/Mosler [Hrsg], ArbVG, § 56 Rz 14) liegt eine infolge Ausübung des Berufs begründete Verhinderung an der persönlichen Stimmabgabe beispielsweise bei ins Ausland entsandten Monteuren oder Reisenden vor. Zudem habe der Wahlvorstand von sich aus für jene Personen eine Wahlkarte auszustellen, die am Wahltag vermutlich nicht im Betrieb anwesend sein werden.

4.3 Nach Löschnigg (in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG [Stand 1.11.2017], § 56 Rz 24) seien „Verhinderungen in der Ausübung des Berufes“ dahin zu verstehen, dass nicht nur sämtliche Dienstverhinderungen in der Sphäre des AG erfasst sind, sondern auch alle jene AN, die ihre Arbeitsleistungen typischerweise außerhalb der Betriebsstätte (Bauarbeiter, zu Hause tätige AN, AN in Satellitenbüros etc) erbringen.

4.4 Windisch-Graetz (in Tomandl [Hrsg], Arbeitsverfassungsgesetz [2005], § 51 ArbVG) geht davon aus, dass § 56 Abs 3 ArbVG alle jene Wahlberechtigten nennt, die wegen Abwesenheit vom Betrieb aus bestimmten taxativ aufgezählten Gründen an der persönlichen Stimmabgabe gehindert sind. Über die Berechtigung zur brieflichen Stimmabgabe entscheidet der Wahlvorstand.

4.5 Nach überwiegender Ansicht der Lehre ist somit für Wahlberechtigte, die aufgrund ihres ständigen auswärtigen Arbeitsorts oder ihres vorübergehenden auswärtigen Arbeitseinsatzes am Wahltag voraus sichtlich nicht am Wahlort anwesend sein werden und deshalb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sind, auch ohne entsprechenden Antrag eine Wahlkarte auszustellen.

5.1 Dem schließt sich der erkennende Senat an: Der Wahlvorstand hat die Abhaltung der Betriebsratswahl so zu organisieren, dass jeder Wahlberechtigte die reale Möglichkeit hat, sein Wahlrecht auszuüben. War dem Wahlvorstand von sich aus oder aufgrund des AN-Verzeichnisses bekannt, dass eine Vielzahl der AN ihre Arbeitsleistung typischerweise außerhalb der Geschäftsstelle Wien an Außenstellen erbringen und daher am Wahltag nicht am Wahlort anwesend sein werden, kann er beschließen, dass die Stimmabgabe an mehreren Orten gleichzeitig stattzufinden hat (§ 18 Abs 1 BRWO 1974). Hat der Wahlvorstand von einer Organisation der Wahl in der Weise, dass die Stimm abgabe an allen (oder mehreren) Außenstellen gleichzeitig vorgenommen wird, Abstand genommen, konnte er die ihm bekannte, typischerweise gegebene arbeitsbedingte Abwesenheit von AN vom Wahlort als maßgeblichen Umstand für die Hinderung an der persönlichen Stimmabgabe ansehen. Die Beschlussfassung des Wahlvorstands, von sich aus für diese Mitarbeiter Wahlkarten auch ohne entsprechende Antragstellung auszustellen, steht somit nicht im Widerspruch zu § 56 Abs 3 ArbVG, § 5 BRWO 1974 iVm § 22 Abs 1 BRWO 1974 (§ 14 BRWO 1974).

5.2 Hingegen steht die Vorgangsweise des Wahlvorstands, von sich aus Wahlkarten auch an die in der Geschäftsstelle Wien „im Atelier“ tätigen AN ohne Vorliegen entsprechender Anträge zu übermitteln, nicht in Einklang mit § 22 Abs 1 BRWO 1974, weil sie durch keine (formelle) Beschlussfassung des Wahlvorstands gedeckt war.

6.1 Nach § 59 Abs 2 ArbVG kann eine Anfechtung nur dann erfolgreich sein, wenn das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. Entscheidend ist nicht die abstrakte, sondern die objektive Eignung des Fehlers, das Wahlergebnis zu beeinflussen (RS0113481; 8 ObA 287/99k). Zu beurteilen ist, ob bei Wegfall der rechtswidrigen Vorgangsweise ein anderes Wahlergebnis hätte zustande kommen können.

6.2 Eine mögliche Beeinflussung des Wahlergebnisses liegt etwa dann vor, wenn Wahlmängel unterlaufen sind, die sich auf das Verhalten sämtlicher Wahlberechtigten oder großer Wählerschichten auswirken, sodass bei Unterbleiben der Rechtswidrigkeit eine andere Mandatsverteilung im BR möglich gewesen wäre. Es kommt nicht allein auf die unrichtige Zuordnung von Stimmen an, sondern darauf, ob der Fehler eine potentiell andere Mandatsverteilung im BR zur Folge haben könnte. Das muss – jeweils auf Grundlage der im Einzelfall getroffenen Feststellungen – im Hinblick auf das gesamte Wahlergebnis geprüft werden (8 ObA 287/99k).

6.3 Im vorliegenden Fall wäre eine andere Mandatsverteilung dann objektiv möglich, wenn durch die Verletzung von Wahlvorschriften 17 Stimmen betroffen wären.

7. Da – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – die Ausstellung von Wahlkarten an die bei den Außenstellen tätigen Mitarbeiter berechtigt erfolgte, ist das Einlangen von 21 ungültigen Stimmen von Wahlkartenwählern (weil versehentlich im Retourkuvert nur der Stimmzettel ohne Wahlkartenkuvert übermittelt wurde) nicht kausal auf den von der Kl behaupteten Wahlmangel zurückzuführen und stellt keinen Grund für eine Wahlan-43fechtung wegen Verletzung der Vorschriften über die Berechtigung zur Briefwahl dar (§ 56 Abs 3 ArbVG).

8.1 Aus Anlass der zulässigen Revision des Bekl war die angefochtene E allerdings in jeder rechtlichen Hinsicht zu überprüfen.

Das Berufungsgericht ist in seiner weiteren (alternativen) Begründung für die Aufhebung der Wahl davon ausgegangen, eine Beeinflussung des Wahlergebnisses sei auch infolge der verspäteten Übermittlung der Wahlkarten an die Wahlkartenwähler gegeben. Dazu fehlen aber bisher ausreichende Feststellungen:

8.2 Essentiell für das Recht auf Ausübung der Briefwahl ist, dass die Wahlkarten vom Wahlvorstand so rechtzeitig an die Wahlberechtigten übermittelt werden, dass diese an der Ausübung ihres Wahlrechts nicht gehindert sind. Dies wäre der Fall, wenn ein zeitgerechtes Einlangen der Wahlkarten beim Wahlvorstand bis spätestens zum Ablauf der für die Stimmabgabe festgesetzten Zeit (§ 25 Abs 1 und 2 BRWO 1974) nicht zu bewerkstelligen wäre oder von vornherein aussichtslos erschiene.

8.3 Um eine Teilnahme an der Wahl mittels Wahlkarte zu gewährleisten, ordnet § 22 Abs 5 BRWO 1974 an, dass der Wahlvorstand spätestens am sechsten Tag vor dem (ersten) Wahltag den zur brieflichen Stimmabgabe Berechtigten mittels eingeschriebenen Briefes die auf deren Namen lautende Wahlkarte zu übermitteln oder diesen nachweislich persönlich auszuhändigen hat, sofern sie zum Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung im Betrieb anwesend sind. Die Tage des Postlaufs sind nicht einzurechnen, sodass die Absendung an diesem Tag genügt (Jabornegg/Naderhirn/Trost, Die Betriebsratswahl6 157). Sollte bei längeren Postwegen einer größeren Anzahl von AN die Wahlmöglichkeit aber faktisch entzogen werden, wenn die Wahlkarten erst am sechsten Tag vor dem Wahltag abgeschickt werden, kann der Wahlvorstand die im Wahlkartenausstellungsverfahren vorgesehenen Fristen verkürzen (§ 22 Abs 6 BRWO 1974).

9.1 Das Vorbringen der Kl geht im Wesentlichen dahin, dass die Wahlkarten teils so verspätet an die Wahlberechtigten gelangt sind, dass sie nicht mehr in der Lage waren, ihr Wahlrecht auszuüben. Diese Behauptung wird an Hand detaillierten Vorbringens zu bestimmten Einzelfällen veranschaulicht bzw konkretisiert, von dessen Wiedergabe hier Abstand genommen wird.

9.2 Das Vorbringen des Bekl lässt sich dahin zusammenfassen, infolge Absendung aller Wahlkarten spätestens am sechsten Tag vor der Wahl sei der Vorschrift des § 22 Abs 5 BRWO 1974 Genüge getan worden. Es liege an den Wahlberechtigten, für das zeitgerechte Einlangen der Wahlkarten im Postweg beim Wahlvorstand Sorge zu tragen. Allenfalls geschehene verspätete Zustellungen der Wahlkarten an einzelne Wahlberechtigte (die in zwei Fällen auch zugestanden werden) hätten keine Auswirkung auf das Wahlergebnis.

9.3 Nach den bisher vom Erstgericht getroffenen Feststellungen wurden die Wahlkarten für die Wahl am 18.12.2017 „ab 7.12.2017 nach und nach“ per Einschreiben an die Wähler verschickt. Die (in der Revision wiederholte) Behauptung, die Wahlkarten seien vom Wahlvorstand spätestens am 12.12.2017 versendet worden, ist den bisherigen Feststellungen demnach so nicht zu entnehmen. Ua steht fest, dass die Sendungen an die Geschäftsstelle in Innsbruck und Feldkirch vorerst von der Post nicht zugestellt wurden, sodass der Wahlvorstand am 14.12.2017 „Ersatzwahlkarten“ an die Mitarbeiter in Innsbruck, Feldkirch und Kitzbühel versandt hat.

9.4 Der Vergleich des Vorbringens der Streitteile mit diesen Feststellungen zeigt, dass die Sachverhaltsgrundlage ungenügend geblieben ist und für eine abschließende Beurteilung nicht ausreicht, was aus Anlass der zulässig ausgeführten Rechtsrüge auch ohne explizite Geltendmachung eines rechtlichen Feststellungsmangels von Amts wegen aufzugreifen ist.

Ob die Vorgangsweise des Bekl bei Übermittlung der Wahlkarten an die in den Außenstellen tätigen Mitarbeiter im Einklang mit den Vorschriften der BRWO 1974 steht und ob allenfalls eine Beeinflussung des Wahlergebnisses daraus resultiert, wird erst dann beurteilbar sein, wenn im fortgesetzten Verfahren dazu konkrete Feststellungen getroffen werden. Entsprechende Feststellungsgrundlagen fehlen vor allem für die Ansicht des Berufungsgerichts, selbst unter Außerachtlassung der 21 (zwar rechtzeitig, aber ohne Wahlkuvert) eingelangten Stimmabgaben sei ein Einfluss auf das Wahlergebnis gegeben, weil mehr als 17 Wahlberechtigte verblieben, hinsichtlich derer die objektive Möglichkeit bestehe, dass ihnen mangels rechtzeitiger Zustellung einer Wahlkarte die (rechtzeitige) Teilnahme an der Betriebsratswahl nicht möglich war. Diese Ansicht setzt nicht nur voraus, dass sämtliche der verbleibenden mehr als 17 Wahlberechtigten Wahlkartenwähler waren, sondern geht weiters davon aus, dass die Wahlkarten an diese Wahlberechtigten jeweils so verspätet zugestellt wurden, dass diese an der Ausübung ihres Wahlrechts mittels Wahlkarte gehindert waren. Keine der beiden Annahmen lässt sich jedoch aus den bisherigen Feststellungen ableiten.

9.5 Auch der Vergleich des Vorbringens der Parteien mit den Feststellungen zu den für die verspätete Zustellung der Wahlkarten genannten Einzelfällen zeigt, dass Sachverhaltsgrundlagen fehlen. So besteht etwa ein gegenläufiges Parteienvorbringen zu der Frage, ob jene drei Mitarbeiter in Feldkirch, an die die Wahlkarten erst am 14.12.2017 abgesendet worden waren, an der Wahl dennoch teilgenommen haben oder an der Teilnahme gehindert waren, ohne dass dazu bisher Feststellungen getroffen wurden.

10. Die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung ist daher notwendig.

ANMERKUNG

Den der Entscheidungsveröffentlichung vorangestellten Rechtssätzen des OGH ist vollinhaltlich44zuzustimmen. Bedauerlicherweise ist aber bei der Anwendung des d‘Hondtschen Systems fallbezogen von Anfang an ein Irrtum unterlaufen, der nicht nur die Ergebnisse der Unterinstanzen, sondern auch die Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung in Frage stellt.

1.
Zum Wahlkartenausstellungsverfahren

Zu den wesentlichen Wahlgrundsätzen nach § 51 Abs 1 ArbVG zählt auch die persönliche Stimmabgabe. Diese soll gewährleisten, dass die einzelnen Wahlberechtigten ihre Wahlentscheidung frei und unbeeinflusst treffen können und dass auch eine Manipulation im Nachhinein ausgeschlossen ist (Löschnigg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 51 Rz 10). Dem steht zumindest teilweise das Ziel gegenüber, dass möglichst viele Wahlberechtigten an der Wahl teilnehmen sollen, weshalb im eingeschränkten Umfang auch für die Betriebsratswahl eine Briefwahl zugelassen ist, wenn eine persönliche Stimmabgabe unmöglich oder allzu beschwerlich wäre. Im Widerstreit dieser Regelungszwecke wird durch eine taxative Aufzählung der Gründe für die Zulassung zur Briefwahl in § 56 Abs 3 ArbVG sichergestellt, dass die persönliche Stimmabgabe der Normalfall bleibt. Durch eine Reihe von speziellen Verfahrensvorschriften für die Ausstellung von Wahlkarten in § 22 BRWO und für die briefliche Stimmabgabe samt Einwurf der Abstimmungskuverts in die Wahlurne gem § 25 BRWO soll auch insoweit die Gefahr möglicher Manipulationen eingedämmt werden.

Beachtet man diesen normativen Hintergrund der Briefwahlregelung, so erscheint es nur konsequent, die Entscheidung über die Zulassung zur Briefwahl nicht nur auf Antrag der Wahlberechtigten vorzusehen, sondern zur Erfassung möglichst vieler Wahlberechtigten, die am Wahltag (oder den Wahltagen) voraussichtlich an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sein werden, auch eine diesbezügliche Kenntnis der wahlwerbenden Gruppen oder des Wahlvorstandes selbst im Wahlverfahren zu berücksichtigen. Dem entspricht § 22 Abs 1 BRWO mit der Zulassung einer Antragstellung einer wahlwerbenden Gruppe oder einer Beschlussfassung durch den Wahlvorstand aus eigener Kenntnis.

Da § 22 Abs 1 BRWO ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, dass der Wahlvorstand bei eigener Kenntnis von Hinderungsgründen, insb schon aus den Angaben des vom AG nach § 14 BRWO zur Verfügung zu stellenden AN-Verzeichnisses, auch von sich aus Wahlkarten auszustellen hat, ging es im gegenständlichen Fall nur darum, ob bei einer Wahlorganisation mit persönlicher Stimmabgabe bloß in Wien für die in den anderen Bundesländern tätigen AN gleichsam generell vorweg von einer Verhinderung an der persönlichen Stimmabgabe „infolge Ausübung ihres Berufes“ iSd § 56 Abs 3 ArbVG bzw § 5 BRWO gesprochen werden kann. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen bejaht der OGH dies zu Recht und kann sich dafür auch auf die von ihm zitierten Äußerungen im Fachschrifttum stützen.

Natürlich ist es eine Abwägungsentscheidung, ob man im Zweifel der persönlichen Wahl am Stimmabgabeort oder dem Ziel der Erleichterung einer Stimmabgabe bei erheblichen Erschwernissen einer persönlichen Anwesenheit im Wahllokal den Vorrang einräumen soll. Für die vom OGH getroffene Wertung spricht wohl zusätzlich der Umstand, dass auf diese Weise dem allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Postulat gem § 39 Abs 3 S 1 ArbVG, wonach sich die Tätigkeit der Belegschaftsorgane (zu denen auch der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl zählt) tunlichst ohne Störung des Betriebes (hier in den zahlreichen Außenstellen) zu vollziehen hat (vgl mwN Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG §§ 38, 39 Rz 23). Insofern ist auch die vom OGH ausdrücklich angesprochene Organisation der Wahl anzusprechen, die in Betrieben mit vielen Außenstellen eine Entscheidung darüber verlangt, ob der Wahlvorstand eine persönliche Stimmabgabe an mehreren Orten gleichzeitig ermöglichen oder diese nur an einem Hauptort zulassen soll. Bei Entscheidung zugunsten der zweiten Variante spricht sich der OGH zutreffend dafür aus, dass als Ausgleich für die damit verbundene Erschwerung der persönlichen Stimmrechtsausübung bei den AN in den Außenstellen der Wahlvorstand die Möglichkeit der Briefwahl von sich aus schaffen können sollte.

Insgesamt ist also dem OGH zu folgen, wenn er fallbezogen entschieden hat, dass die Ausstellung von Wahlkarten an die bei den Außenstellen tätigen AN berechtigt erfolgte und das Einlangen von 21 ungültigen Stimmen von Wahlkartenwählern, die nur den Stimmzettel ohne Wahlkuvert geschickt hatten, keinen Wahlanfechtungsgrund darstellte.

2.
Zu einzelnen Fällen möglicher Beeinträchtigung der Stimmrechtsausübung

Mit diesem Zwischenergebnis bleiben aber auf Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen nur noch einige wenige Einzelfälle übrig, die als Verletzungen von Wahlverfahrensvorschriften mit möglichen Auswirkungen auf das Wahlergebnis angesehen werden können.

Wenn der OGH unter 5.2. darauf hinweist, dass die Versendung von Wahlkarten ohne Antrag und ohne formelle Beschlussfassung des Wahlvorstandes an jene sechs AN der Geschäftsstelle Wien, die „im Atelier“ beschäftigt waren, gegen § 22 Abs 1 BRWO verstieß, ist dies ohne Zweifel richtig. Wahrscheinlich konnte bei einer Beschäftigung in Wien auch keine Rede davon sein, dass diese AN nur wegen eines offenbar anderen Arbeitsortes in Wien an der persönlichen Stimmabgabe verhindert waren, sodass auch der Grundsatz der persönlichen Stimm abgabe verletzt worden sein dürfte. Doch stellt sich die Frage, ob diese Rechtswidrigkeit Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben konnte. Dazu gibt es nur für eine AN eine einschlägige Feststellung des Erstgerichts dahingehend, dass diese Mitarbeiterin ihre Wahlkarte zu Hause vergessen hatte und deshalb unverrichteter Dinge das Wahllokal verlassen musste. Für die anderen AN ist in der E nichts zu finden, sodass es wohl45drei Möglichkeiten gibt: Entweder haben sie ihre Stimme persönlich unter Beibringung der Wahlkarte abgegeben, dann hatte das rechtswidrige Verhalten des Wahlvorstandes keinerlei Auswirkungen auf das Wahlergebnis. Oder sie haben ihre Stimme rechtzeitig mittels Briefwahl unter Beilegung der Wahlkarte mit der Post übersandt. Diesfalls gab es ebenfalls keinerlei Auswirkungen auf das Wahlergebnis, weil die betreffenden AN jedenfalls auf ihre Zulassung zur Briefwahl vertrauen konnten und deshalb ihre Stimme in das Gesamtergebnis der Wahl eingeflossen ist. Die dritte Möglichkeit wäre, dass sie weder persönlich noch brieflich ihre Stimme abgegeben haben. Auch dann wäre aber eine mögliche Beeinflussung des Wahlergebnisses eher zu verneinen, weil ohne das Vorliegen ganz spezieller Umstände (wie im Fall der Mitarbeiterin, die wegen Vergessens der Wahlkarte nicht wählen konnte) nicht angenommen werden kann, dass das Unterbleiben der Stimmabgabe auf die fehlerhafte Ausstellung der Wahlkarte zurückzuführen ist, sondern einfach auf die Entscheidung der Wahlberechtigten, nicht wählen zu wollen.

Soweit nach den erstgerichtlichen Feststellungen die Sendungen an die Geschäftsstelle Klagenfurt am 14.12.2017 eingelangt sind, ist anzumerken, dass die Möglichkeit einer Verzögerung um einen Tag auch vom Verordnungsgeber zweifellos mitberücksichtigt worden ist, wenn er in § 22 Abs 5 BRWO als spätesten – aber eben noch rechtzeitigen – Termin für die Absendung der Wahlkarten den sechsten Tag vor dem Wahltag angeordnet hat. Vorliegend war das Dienstag, der 12.12.2017. Demnach muss eine Zustellung am 13. bzw 14.12.2017 noch als normaler Verlauf der Dinge angesehen werden, sodass es dann Sache der Wahlberechtigten ist, für eine rechtzeitige Rücksendung – im gegenständlichen Fall bis zum Ablauf der Wahlhandlung am Montag, den 18.12.2017 – zu sorgen. Insoweit kann daher schon allein auf Grund der erstgerichtlichen Feststellung angenommen werden, dass für die Mitarbeiter in Klagenfurt entweder von vornherein alles rechtmäßig war oder jedenfalls keine relevante Beeinträchtigung der Stimmabgabe stattgefunden hat.

Gleiches wird wohl auch für die Feststellung betreffend eine in Karenz befindliche Mitarbeiterin gelten, für die ein Zustellversuch am 14.12.2017 erfolglos war und die dann nach Behebung der Sendung am 15.12.2017 von einer Beteiligung an der Wahl Abstand genommen hat, weil sie davon ausging, dass ihre Wahlkarte ohnehin nicht mehr rechtzeitig beim Wahlvorstand ankommen werde. Denn auch dem Verordnungsgeber musste bekannt sein, dass nicht jeder immer zu Hause ist, sodass ein Einschreibebrief eben durch die Post hinterlegt wird. Auch das muss er daher mit in Kauf genommen haben, wenn er sich mit einer Absendung der Wahlkarten am sechsten Tag vor dem Wahltermin begnügt hat. Es wäre daher Sache der Wahlberechtigten gewesen, in deren Sphäre es lag, dass sie erst am Freitag, den 15.12.2017, statt schon am 14.12. über die Wahlkarte verfügte, die Rücksendung ihres ausgefüllten Stimmzettels samt Wahlkarte doch noch zu versuchen, zumal sie ohnehin schon bei der Behebung der Sendung am Postamt war. Die Chancen, dass eine am Freitag zur Post gegebene Sendung am Montag im Laufe des Tages noch rechtzeitig vor Ende der Stimmabgabe dem Wahlvorstand zugestellt wird, erscheint keineswegs aussichtslos.

Was die Zusendung an die AN der Geschäftsstellen in Innsbruck und Feldkirch betrifft, so war die (nach einem nicht näher erläuterten Zustellungsproblem) erst am 14.12.2017 erfolgte Absendung der Wahlkarten sicher zu spät. Für die sieben AN der Geschäftsstelle in Innsbruck hatte dies aber keine Auswirkungen, weil die betreffenden AN gemäß erstgerichtlicher Feststellung persönlich in Wien ihre Stimmen abgegeben haben. Für die drei AN aus Feldkirch fehlen jedoch Feststellungen, sodass diese möglicherweise tatsächlich rechtswidrig an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert worden sind. Gleiches gilt sicher für die beiden Mitarbeiter der Geschäftsstelle Kitzbühel, für die von vornherein die Wahlkarten erst am 14.12.2017 weggeschickt worden sind, eine Zustellung aber daran scheiterte, dass die Außenstelle noch gar nicht eröffnet worden ist.

3.
Zur Anwendung des d‘Hondtschen Systems

§ 56 Abs 2 ArbVG ordnet die Durchführung der Betriebsratswahl nach dem Verhältniswahlrecht an und präzisiert dieses iSd Berechnung nach dem System d‘Hondt, das ein Höchstzahlenmodell ist und in § 27 BRWO im Einzelnen beschrieben wird. Die Ermittlung der Wahlzahl für das Wahlergebnis der gegenständlichen Betriebsratswahl ist mit 27 korrekt erfolgt. Denn die maßgeblichen Zahlenreihen iSd § 27 Abs 1 BRWO lauten bei fünf zu wählenden Betriebsratsmitgliedern wie folgt: Für die Liste X 57 (gültige Stimmen), 28 (1/2 von 57 = 28,5) sowie 19 (1/3 von 57 = 19); für die Liste K 34 (gültige Stimmen), 17 (1/2 von 34 = 17) sowie 11 (1/3 von 34 = 11,33). Damit ist klar, dass in der nach ihrer Größe geordneten Zahlenreihe 57/34/28/19/17/11 die „17“ die fünftgrößte Zahl ist und daher iSd § 27 Abs 1 letzter Satz BRWO der Liste X 3 Betriebsratsmandate und der Liste K 2 Betriebsratsmandate zufallen.

Wenn aber nunmehr auf dieser Grundlage schon in der erstinstanzlichen Entscheidung davon die Rede ist, dass beide Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass „für den Erhalt eines weiteren Mandats 17 weitere Stimmen nötig wären“, so ist das nicht nur wahlarithmetisch falsch, sondern liegt auch außerhalb jeder Parteidisposition, da es sich bei den Wahlverfahrensvorschriften zweifelsfrei um allseitig zwingendes Recht handelt (vgl nur Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 [2001] 292). Nimmt man nun gleichwohl an, dass 17 wahlberechtigte AN durch Verletzung der Wahlverfahrensvorschriften an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert worden sind und rechnet man diese Stimmen iS einer objektiven (wenngleich in der Realität ganz unwahrscheinlichen) Möglichkeit der Liste K zu, so ergeben sich für die Liste X weiterhin 57, für die Liste K dagegen 51 Stimmen. Daraus errechnet sich46nach obigem Muster folgende neue Zahlenreihe: 57/51/28/25/19/17. Die Wahlzahl wäre diesfalls nicht 17, sondern 19 und die Mandatsverteilung bliebe weiterhin bei drei Betriebsratsmandaten für die Liste X und zwei Betriebsratsmandaten für die Liste K.

Letztlich zeigt sich, dass es bei gleichbleibender Stimmenanzahl für die Liste X von 57 Stimmen für die Liste K erst dann in der Mandatszuteilung zu einer Änderung kommen würde, wenn ihr mindestens 23 zusätzliche Stimmen zugezählt werden könnten. Erst dann käme es zum Gleichstand von je 57 Stimmen sowie zur Zahlenreihe 57/57/28/28/19/19 und damit zur Wahlzahl 19, die aber nunmehr beide Listen erfüllen. In diesem Fall würde dann gem § 27 Abs 2 S 2 BRWO das Los entscheiden, weshalb die Liste K auch in dieser Konstellation noch kein sicheres weiteres Betriebsratsmandat hätte. Erst ab 24 zusätzlichen Stimmen für die Liste K, die dann 58 Stimmen hätte, und bei gleichbleibender Stimmenzahl 57 für die Liste X käme es zur Zahlenreihe 58/57/29/28,5/19,33/19 und der Wahlzahl 19,33, welche der Liste K das fünfte zu vergebende Betriebsratsmandat als drittes Mandat bescheren würde.

Insgesamt zeigt sich, dass durch alle Instanzen hindurch die Suche nach wenigstens 17 Wahlberechtigten, die durch Verfahrensmängel an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert worden sind, für eine erfolgreiche Wahlanfechtung zweifelsfrei zu wenig waren. Vielmehr hätte es dafür mindestens 23 bzw 24 zusätzlicher rechtswidrig verhinderter Stimmabgaben bedurft. Geht man aber mit dem OGH richtigerweise davon aus, dass „das Einlangen von 21 ungültigen Stimmen von Wahlkartenwählern ... nicht kausal auf den von der Kl behaupteten Wahlmangel zurückzuführen“ war und daher „keinen Grund für eine Wahlanfechtung wegen Verletzung der Vorschriften über die Berechtigung zur Briefwahl“ darstellte, kann – nicht zuletzt wegen der Fokussierung aller Instanzen auf die Zahl 17 und der oben unter 2. dargelegten, für die Wahlanfechtung bloß eingeschränkten Bedeutung der im Verfahren aufgegriffenen Einzelsachverhalte – kein ausreichender Hinweis dafür gefunden werden, dass gleichwohl noch mindestens 23 bzw 24 Nichtwähler durch Wahlverfahrensmängel an ihrer Stimmabgabe gehindert worden wären. Es steht zu vermuten, dass bei korrekter Berechnung der für die Auswirkungen möglicher Wahlverfahrensverletzungen auf das Wahlergebnis zu berücksichtigenden hypothetischen Wahlzahlen die Rechtssache iS einer Abweisung der Anfechtungsklage bereits spruchreif war.