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Überlassung einer Transitarbeitskraft: Auslegung des Arbeitsvertrages hinsichtlich anzuwendender Kündigungsfristen

CHRISTOPHSTADELMANN

Die Kl war bei der Bekl als Transitarbeitskraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt und wurde an einen Stadtmagistrat zur Arbeitsleistung überlassen, wo sie mit Aktenbearbeitungen befasst war. Die Bekl ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, arbeitsmarktfernen Personen den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, und wird vom Arbeitsmarktservice im Rahmen der Förderschiene „gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt“ finanziert.

Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene, als solcher bezeichnete Angestellten-Dienstvertrag sah in Pkt 2. vor, dass das Arbeitsverhältnis auch während der Befristung „unter vorheriger Einhaltung der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Die Kündigung kann zum 15. oder zum letzten Tag des Monats eingebracht werden.“ Nach Pkt 15. des Vertrages war der anzuwendende KollV „der Überlassungsvereinbarung (integrierender Vertragsbestandteil) zu entnehmen“. In Pkt 5. der Überlassungsvereinbarung war das für die Dauer der Überlassung gebührende Bruttomonatsgehalt angegeben und festgehalten: „Angewandter Kollektivvertrag: fürs Grazer Vertragsbediensteten Gesetz Einstufung Klasse C“.

Die Bekl kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.4. zum 31.5.2019 auf. Die Kl begehrte daraufhin Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung bis 15.6.2019 wegen fristwidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berufung auf eine sechswöchige Kündigungsfrist. Anders als das Erstgericht gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren statt.

In ihrer außerordentlichen Revision richtete sich die Bekl gegen die vom Berufungsgericht bejahte Anwendung des AngG. Die Tätigkeit der Kl sei primär in ihrem Eigeninteresse erfolgt und es dominiere der nicht ökonomische Zweck, womit ein Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages fehle. Der OGH wies die außerordentliche Revision jedoch zurück und führte aus:

Ein befristet abgeschlossenes Vertragsverhältnis endet grundsätzlich durch Fristablauf. Die Streitteile vereinbarten die Möglichkeit einer Kündigung, wobei die Kündigung zum 15. oder zum Letzten eines Monats „eingebracht“ werden konnte. Für die Kündigungsfrist wurde auf die Einhaltung „der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Kündigungsfrist“ verwiesen.

Dass die in § 39 Abs 2 SWÖ-KV vorgesehene vierwöchige Kündigungsfrist nach Maßgabe des § 2 Abs 3 lit c oder § 2 Abs 4 lit b SWÖ-KV hier nicht anwendbar ist, bestreitet die Bekl nicht. Eine an452dere kollektivvertragliche Kündigungsfrist führt sie nicht ins Treffen. Gegen die Auslegung des Berufungsgerichts, dass Pkt 5. der Überlassungsmitteilung nur hinsichtlich der gehaltsrechtlichen Einstufung der Kl, nicht aber hinsichtlich der Kündigungsfrist auf das Grazer GemeindevertragsbedienstetenG verwies, richtet sich die Bekl nicht. Sie kann sich damit auch nicht darauf berufen, dass die Geltung der in diesem Gesetz normierten Kündigungsfrist mit der Kl vereinbart worden wäre. Auch dass die Kündigungsfrist des AÜG nicht anwendbar ist (§ 1 Abs 4 Z 1 iVm § 10 Abs 5 AÜG), bezweifelt die Bekl nicht.

Folgt man nun der Bekl darin, dass das Dienstverhältnis der Kl auch nicht dem AngG unterliegt, wäre für sie nichts gewonnen, weil sie auch keine andere Norm darlegt, die die von ihr herangezogene Kündigungsfrist von vier Wochen rechtfertigen würde. Ihre Schlussfolgerung, dass das Vertragsverhältnis dann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist entweder zum 15. oder Letzten eines Monats gekündigt werden konnte, würde bedeuten, dass die Vertragsbeendigung zwei Mal monatlich sogar fristlos erfolgen könnte. Ein solches Verständnis der Vereinbarung ist den Streitteilen nicht zu unterstellen, gingen sie doch von der Einhaltung einer Kündigungsfrist aus.

Angesichts dessen, dass die Streitteile ihr Vertragsverhältnis als „Angestellten-Dienstvertrag“ bezeichnet hatten, die Kl „vom Beschäftigerbetrieb als Angestellte verwendet“ werden sollte (Überlassungsvereinbarung Pkt 3.) und sie auch tatsächlich entsprechend eingesetzt wurde, lässt sich die Vereinbarung der Einhaltung der gesetzlichen bzw kollektivvertraglichen Kündigungsfrist in Gesamtschau und mangels Anhaltspunkten für die Geltung einer anderen Frist hier nur dahin verstehen, dass die Streitteile die für Angestellte geltende Frist gelten lassen wollten.

Damit hat sich die Kl aber zutreffend auf die Fristwidrigkeit der Kündigung berufen, ohne dass es auf die Frage, ob das Vertragsverhältnis der Kl per se als Angestellten-Dienstverhältnis iSd AngG anzusehen ist, ankäme. Die außerordentliche Revision der Bekl war daher zurückzuweisen.