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Verspätet durchgeführte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung aufgrund Erkrankung des Vertrauensarztes steht Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht entgegen

SARA NADINEPÖCHEIM

Die Kl bezog anlässlich der Geburt ihrer Tochter am 27.10. von 23.12.2018 bis 26.10.2019 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Die fünfte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung, die spätestens bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats vorzunehmen ist – sohin in diesem Fall bis 27.12.2019 – und für welche der Kinderarzt als Untersuchungstermin den 13.12.2019 ansetzte, wurde wegen wiederholter Erkrankung des Arztes, der auch sämtliche Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen vornahm, verspätet erst am 14.2.2020 vorgenommen. Die Vertretungsärztin des erkrankten Arztes kam dafür nicht in Frage, weil sie keine Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen durchführte. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt telefonierte die Kl mit einem Mitarbeiter der Bekl und berichtete von der Verschiebung des für 13.12.2019 geplanten Untersuchungstermins. Sie erhielt die Antwort, dies sei kein Problem, wenn die Nachweise bis zum 18. Lebensmonat des Kindes übermittelt würden. Der Nachweis dieser Untersuchung wurde der Bekl am 17.2.2020 übermittelt.

Mit Bescheid sprach die Bekl aus, dass sich der Kinderbetreuungsgeldanspruch der Kl um € 1.300,- reduziere und forderte sie zur Rückzahlung dieses Betrages auf.

In ihrer dagegen erhobenen Klage verwies die Kl auf die zweimalige, aufgrund der Erkrankung des Kinderarztes erfolgte Verschiebung des Untersuchungstermins. Aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses sei es ihr nicht vorzuwerfen, für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung keinen anderen Kinderarzt gewählt zu haben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, dass es nicht der Sphäre der Kl zuzurechnen sei, wenn der das Kind seit seiner Geburt behandelnde (Vertrauens-)Kinderarzt einen Termin für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung zum Ende der gesetzlich vorgegebenen Frist vergebe, weil er dies zur Beurteilung der Entwicklung des Kindes für medizinisch indiziert gehalten habe. Nach Absage des Termins sei es nicht von der Kl zu vertreten, dass sie keinen anderen Kinderarzt gesucht habe. Die Richtigkeit ihres Handelns sei durch die Auskunft des Mitarbeiters der Bekl bestätigt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge, wies das Klagebegehren ab und verpflichtete die Kl zum Rückersatz von € 1.300,- Kinderbetreuungsgeld.

In ihrer außerordentlichen Revision bekämpfte die Kl die Entscheidung des Berufungsgerichts. Gegenstand des außerordentlichen Revisionsverfahrens war die Klärung der Frage, ob die Kl dieses Säumnis zu vertreten hat oder nicht (§ 24c Abs 2 Z 1 KBGG).

Der OGH gab der außerordentlichen Revision Folge und hielt fest, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abgeändert wird, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Mit Verweis auf die Judikatur führte er aus, dass beispielsweise das allgemeine Ansteckungsrisiko bei einer Grippewelle im Warteraum eines Kinderfacharztes als Grund für eine verspätete Vornahme einer Untersuchung nicht ausreiche, um einen nicht von den Eltern zu vertretenden Grund anzunehmen (OGH 10 ObS 45/15p SSV-NF 29/27; OGH 10 ObS 26/16w SSV-NF 30/35). Nicht zu vertreten ist hingegen die Verschiebung eines Untersuchungstermins durch den behandelnden Kinderarzt, der der Mutter anlässlich der telefonischen Bekanntgabe einer Erkrankung des Kindes erklärte, sie könne mit dem kranken Kind nicht zur Untersuchung kommen (OGH 26.5.2020, 10 ObS 15/20h).

Die Ursache der Verschiebung des Termins für eine Mutter-Kind-Pass-Untersuchung lag auch im vorliegenden Fall nicht in der Ingerenz der Mutter. Wenn der das Kind seit der Geburt untersuchende und behandelnde Kinderarzt, in den beide Eltern ein besonderes Vertrauen setzen, aus seiner Ansicht nach medizinisch indizierten Gründen einen Termin für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung 14 Tage vor Ablauf der in § 24c Abs 1 Z 2 KBGG vorgesehenen Frist (Vollendung des 14. Lebensmonats) festsetzt, kann auch von einer besonders sorgfältig agierenden Mutter nicht erwartet werden, dass sie diese Entscheidung des Arztes hinterfragt und auf einen früheren Termin drängt, zumal auch die Terminplanung von Ärzten zu berücksichtigen ist. Die Absage des Termins wegen Erkrankung des Arztes, die Festsetzung eines neuen Termins und dessen neuerliche Verschiebung 494ist der Mutter ebenfalls nicht zuzurechnen, weil sie die Dauer der Erkrankung und die Terminvergabe nicht beeinflussen konnte.

In diesem Einzelfall ist der Kl nach Auffassung des OGH daher nicht vorzuwerfen, dass die 5. Untersuchung des Kindes nicht bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats vorgenommen werden konnte. Aus diesem Grund war auch die Vorlage der entsprechenden Untersuchungsbestätigung bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes (§ 24c Abs 1 Z 2 KBGG) nicht möglich. Die Nachfrist zur Erbringung des Nachweises bis spätestens zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes (§ 24c Abs 2 KBGG) hielt die Kl ein. Der Nachweis für die am 14.2.2020 durchgeführte Untersuchung wurde der Bekl am 17.2.2020 übermittelt.